Ansichten eines Hörbuch-Junkies (1): Die Eberhofer-Krimis

Wenn Ihnen einmal im Regionalexpress zwischen Hagen und Unna oder umgekehrt ein strubbeliger Eisbär gegenüber sitzt, dessen Ohren mit ordentlichen Stöpseln befüllt sind und dem Tränen die stoppeligen Wangen hinunter rinnen, dann saßen Sie in der Regionalbahn mir gegenüber.

Keine Sorge, ich betrauere dann nicht das unerwartete Dahinscheiden eines geliebten Haustieres, auch nicht den Verlust eines Menschen, der sich ausnahmsweise mal ebenso viele Gedanken um Gegenwart und Zukunft gemacht hat wie ich – nein – ich lese. Ich bin seit ein paar Monaten ein ausgewachsener Hörbuch-Junkie, kriege die Ohren nicht voll, bitte meine Umgebung ständig um neue Tipps, was ich unbedingt noch hörlesen möge.

Alles begann damit, dass ich irgendwann einmal nach unzähligen Pendelfahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstadt die landschaftlichen Reize an Ruhr und Haarstrang auswendig gelernt hatte und mit dem Radiohören begann. Was draußen vor der Tür noch recht zufriedenstellend gelang, mir im Zug allerdings das rosa Rauschen so nachhaltig durch meine eustachische Röhre blies, dass ich schwer Tinnitus gefährdet war. Also entschloss ich mich, nur bis zum jeweiligen Bahnhof WDR 5 zu hören, während der Fahrt jedoch den Stimmen von hauptberuflichen Vorlesern, was mich unter anderem heute einen Christof Maria Herbst mit ganz anderen Augen/Ohren sehen/hören lässt. Viel besser als sein Ruf, der Mann.

Inzwischen grüble ich darüber nach, was ich nun virtuoser finden soll, die Vorlesenden oder diejenigen, die Vorzulesendes zu Papier brachten. Ich rezensiere gern so vor mich hin, nee, nicht wirklich rezensierend, ich menge sozusagen den Transmissionsriemen nahtlos mit dem jeweiligen Stück Literatur und komme zu – mir zumindest – völlig neuen Einsichten, Ansichten, Absichten. Die Einsicht: Hörbücher werden nicht schlechter, wenn man sie häufiger hört. Ansichten: Es ist umwerfend, sich wieder darauf einzulassen, Geschichtenerzählern seine ansonsten wenig nutzbringend verbrachte Zeit zu schenken. Absichten: Ich benötige dringend ein Handy mit größerer Speicherkapazität, weil ich überall stöbere, was der deutsche Buchhandel mir noch an Hörbarem zu bieten hat.

Beispiel: Rita Falks „Eberhofer-Krimis“, das ist der schießwütige Kommissar aus Niederkaltenkirchen bei Landshut, der mit Oma und Papa, dem Richter Moratscheck und seinen Freuden Rudi, Flötzinger und Simmerl völlig abgedrehte Fälle löst, die sonst niemand als solche erkennt. Übrigens hat der Eberhofer inzwischen eine eigene Website http://www.franz-eberhofer.de, auf der auch die unvergleichlichen Kochrezepte der ebenso unvergleichlich separat-schwerhörigen Oma veröffentlicht sind.

„Winterkartoffelknödel“, „Dampfnudelblues“ und „Schweinsbraten al dente“ lauten die Titel, deren Geschichten ebenso bayerisch wie grundabsurd und unterhaltsam sind. Christian Tramitz grantelt seinen Franz Eberhofer derartig kongenial durch die Geschichte, dass er und seine herrlich ungeschlachte Stimme mit dem kauzigen Kommissar eins werden. Rita Falks herrliche Ideen, Tramitz‘ unglaubliche Vorlesekunst und die wunderbare Lust am Irrsinn, die dem Eberhofer Franz angedichtet ist, gehen eine unvergleichliche Zusammenarbeit ein.

Die Sache hat einen gewaltigen Nachteil: Rita Falk kann einfach nicht schnell genug schreiben, dass mein Spaß am Hören ihrer aberwitzigen Krimis schnell genug mit neuem Futter versorgt wird. Kommt aber bald was neues, wird mir versprochen. Bis dahin höre ich fremd und stelle fest – es gibt noch mehr wunderbare Geschichtenerzähler, Geschichtenschreiber, von denen ich auch noch berichten werde, falls Sie/Ihr mich nicht stoppt, weil ich mein Verhalten am Hörbuch nicht zufällig mit dem eines Junkies verglichen habe.




Meilensteine der Popmusik (13): U 2

In den felsigen Wüsten Kaliforniens, wo sonst keine andere Pflanze überlebt, dort wächst ein Riesen-Kaktus: die Joshua Palmlilie, eine Agavenart. Wie ein großer, einsamer Stachelbaum war die irische Rockgruppe U 2 ein gewichtiger Teil der 80er Rock-Szene. Schon damals so etwas wie ein Dino: geradlinig, verlässlich, glaubwürdig – das schätzten Fans, die von immer neuen, wechselnden Trends nichts hören wollten.

Kopf, Vordenker und Prediger der U2-Gemeinde war und ist Paul Hewson, den alle nur Bono nennen. Zitat: „Ich erinnere mich an eine Sendung von BBC ‚Top fo the Pops‘, in der eine Band namens ‚Middle Of The Road‘ auftrat und den Song ‚Chirpy, chirpy, cheep, cheep‘ sang. Ich war etwa elf Jahre alt und dachte ‚Wow!‘- das ist nun wirklich Pop. Man singt einfach sowas und wird auch noch dafür bezahlt.“

In diesem speziellen Fall half sogar die Schule weiter. Mit ein paar Schulfreunden durfte man das Geschichtszimmer für Bandproben benutzen. Die Jungs spielten alles, was ihnen zu Ohren kam, von Rolling Stones bis Bay City Rollers. Die erste Gage kam, als sie mit ihrer wilden Popmixtur in Pubs und Clubs rund um Dublin auftraten. Bono half zudem tagsüber bei einer Tankstelle aus. „Wenn es U 2 nicht gegeben hätte, wäre ich schlicht und einfach arbeitslos. Ich habe nichts anderes gelernt als Musik“. Also musste die Karriere endlich mal in Schwung kommen.

Bei einem Talent-Wettbewerb im Frühjahr 1978 gewannen sie 500 britische Pfund und einen Vorspieltermin bei einer kleinen Plattenfirma. Ihre erste Platte wurde auf Anhieb Spitzenreiter in Irland – aber: sie war auch nur dort erhältlich. Eine größere Plattenfirma wurde auf sie aufmerksam und schleppte sie nach Großbritannien. U 2 wurde ganz langsam zur Kultband. Das sprach sich europaweit herum, der Ruf ging bis nach Amerika. Der große Bruce Springsteen stornierte extra einen Rückflug, um U 2 live in London zu sehen. Das war 1981 und die Irland-Rocker sollten noch einige prominente Fans dazugewinnen, von Muhammed Ali bis zum südafrikanischen Bischof Desmond Tutu.

Mitte 1987 waren U 2 auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Laufbahn angelangt. Das lang erwartete neue Album THE JOSHUA TREE wurde weltweit die Rock-LP des Jahres. Monatelang hatten sich Bono, der Gitarrist David Evans (genannt The Edge), Adam Clayton und Larry Mullen in ihre „Burg“ zurückgezogen. So nannten sie das „Windmill Lane Studio“ in Dublin. Hier entstanden mit ihren Lieblings-Produzenten Brian Eno und Daniel Lanois Superhits wie „With or without you“, „I still haven’t found what l’m looking for“ oder auch „Where the streets have no name“, ein Song über Bonos Afrika-Eindrücke. Ihr 6. Album hatten sie Greg Carroll gewidmet. Ihr ehemaliger Chef-Roadie war ein Jahr zuvor – gerade 26 Jahre alt – bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen.

U2 und alles drum herum war eine einzige Familie, ohne große Skandale oder Streitigkeiten. So drehte man auch nach einigen Millionen Plattenverkäufen und nach der Verleihung des Grammy für die beste LP des Jahres nicht durch. Man blieb brav zusammen und fing nach dem Riesenerfolg von „Joshua Tree“ sogar mit neuen Experimenten an. Die brachten ähnliche Erfolge bis weit in die Neuzeit, aber vor allem Befriedigung für Bono, den prominenten Weltenbürger: „Ich bin gefesselt von Grenzen, nationalen Grenzen, physikalischen Grenzen, spirituellen Grenzen. Von all´ diesen Dingen findet man Beispiele in den Songs von U 2.“

U 2 on Dailymotion

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Die bisherigen „Meilensteine“:

Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12)