„Die Deutschen und die Zwangsarbeiter“ in der Zeche Zollern

„Schloss der Arbeit“ wurde die Dortmunder Zeche Zollern genannt. Nun ist sie ein „Landesmuseum für Industriekultur“, allerdings nicht überall zugänglich, denn der Hauptteil, die Maschinenhalle mit dem wunderschönen Jugendstil-Portal, wird gerade aufwändig renoviert. Stattdessen gibt es in einem anderen Gebäude noch bis zum 30. September die Ausstellung „Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ zu sehen.

Allein in Dortmund schufteten etwa 30.000 Zwangsarbeiter. (Foto: lwl)

Die historische Forschung über das System der NS-Zwangsarbeiter-Rekrutierung und -Ausbeutung ist relativ weit fortgeschritten, doch diese Ausstellung wendet sich eher an Menschen, die wegen der Industrieanlagen kommen und nun mit einem wichtigen Problemkreis der jüngeren Geschichte konfrontiert werden.

Die Bilder und Dokumente in der sehr professionell zusammen gestellten Schau machen frösteln, manchen Besuchern stehen sogar Tränen in den Augen angesichts der deutlich dargestellten Grausamkeiten, der unvorstellbaren Unmenschlichkeit dieses durch und durch verbecherischen Systems. Vor allem die vorgestellten Text-Originale und die Tondokumente lassen anschaulich werden, wieviel Leid und Tod unsere Ahnen diesen unschuldigen Menschen brachten.

Die Ausstellung widmet sich am Schluss auch der Befreiung und den Schwierigkeiten in den DP-Lagern für „Displaced Persons“, heimatlosen ehemaligen Zwangsarbeitern und Krieggefangenen, wie es sie in unserer Region zum Beispiel in Iserlohn oder Ennepetal-Voerde gab. Etwas iritierend an der sehenswerten Ausstellung ist nur der Titel: Der Obertitel „Zwangsarbeit“ hätte gereicht, denn tatsächlich bekommt man einen umfassenden Überblick über das System und die Untaten.

Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Grubenweg 3 in Dortmund, Di-So 10-18 Uhr. Eintritt 5 Euro. Bis 30. September.




Höchstgebot für die Geheimnisse der Scheherazade

Welche Geheimnisse birgt Scheherazade und warum geraten ihretwegen so viele Menschen in Gefahr? Im neuen Krimi des deutsch/niederländischen Autoren-Duos Thomas Hoeps und Jac. Toes handelt es sich bei Scheherazade nicht um die geheimnisumwitterte Geschichtenerzählerin aus 1001 Nacht, sondern um ein bis dato der Öffentlichkeit unbekanntes Gemälde von Rene Magritte.

Dieses Bild befand sich jahrzehntelang im Familienbesitz der Aachener Industriellenfamilie Roeder, die das Bild nun aus unbekannten Gründen zur Versteigerung gibt. Die Scheherazade wird auf einer Kölner Auktion von einem unbekannten Bieter zu einem legendären Höchstgebot ersteigert. Kunstrestaurator Robert Patati hat das Bild auf Bitten seines Freundes Carsten Roeder für die Auktion aufbereitet und begleitet auch den Transport des geheimnisvollen Bildes auf seinem Weg zum neuen Besitzer, einer ebenfalls geheimnisvollen Firma im niederländischen Maastricht. Unterwegs wird der Transportwagen gekapert und bei einem spektakulär inszenierten Unfall an einem Bahnübergang lässt Patati beinahe sein Leben.

Zur gleichen Zeit geht das Aachener Labor des Familienbetriebes Roeder in Flammen auf, eine in alle Betriebsgeheimnisse eingeweihte Angestellte stirbt und schon bald verstricken sich die Mitglieder der Familie Roeder und ihre engsten Angestellten in Widersprüche. Zur Aufklärung der Vorkommnisse werden nicht nur grenzüberschreitende polizeiliche Ermittlungen anberaumt, auch die niederländische Profilerin und Ex-Polizistin Michy Spijker, die sich gerade erst als Detektivin selbstständig gemacht hat, wird involviert. Das Bild taucht relativ schnell wieder auf, Robert Patati erhält den Auftrag zur Restauratierung, unterstützt von Anouk, einer rätselhaften holländischen Kollegin. Schnell finden sie heraus, dass beide Geschehnisse zusammenhängen und vor allem die Scheherazade mehr als eine Geschichte zu erzählen hat. Doch bis diese Geschichten sich in allen Facetten zeigen, sind allerlei Abenteuer zu bestehen und Fäden zu entwirren.

„Höchstgebot“ ist das dritte gemeinsame Werk des deutschen Autors Thomas Hoefs und des Niederländers Jac.Toes. Ihre bisherigen Krimis erfuhren viel Lob und Anerkennung auf beiden Seiten der Grenze und auch „Höchstgebot“ erfüllt die Erwartungen. Der Krimi ist durchweg flott geschrieben und weiß zu unterhalten. Die Sprache ist auf einem guten Niveau, der Leser vermag nicht zu erkennen, welche Teile von welchem Autor in welcher Sprache ursprünglich geschrieben wurde. Die Beiden verstehen es, auch Zusammenhänge, die nicht unbedingt für die breite Masse interessant sind – so z.B. die kunsthistorischen Hintergründe – unterhaltsam zu gestalten und so ganz nebenbei Wissen zu vermitteln. Zum Ende hin wird es allerdings etwas langwierig, nun rächt sich, dass die Autoren ihre thematischen Kreise von zerstörerischer Geschwisterliebe über Primzahlen-Codierung bis hin zu Afghanistan etwas zu weit gezogen und nun Mühe haben, diese zu schließen. So richtig stört aber auch dies nicht, bietet es doch die Gelegenheit, das deutsch/niederländische Geplänkel über holländischen Geschäftssinn und deutsche Hierarchiegläubigkeit noch ein wenig länger zu genießen.

In „Höchstgebot“ begegnet der Leser mit Robert Patati und Micky Spijker alten Bekannten wieder und erfährt, wie sie sich in der Zwischenzeit weiterentwickelten. So haben die Beiden nicht nur ihre Liebesbeziehung, sondern auch ihr jeweiliges Arbeitsverhältnis beendet und sich auf ihren Sachgebieten selbstständig gemacht. Auch im Verlaufe dieses Romans wird sich einiges in ihrem Leben ändern und sie zu der Einsicht bringen, dass man für die Verwirklichung seiner Wünsche und Pläne nur dieses eine Leben hat. So endet der Roman mit dem Beweis für ein altes holländische Sprichwort: „Auch als ferner Freund würde er sich hervorragend machen“.

Der Leser lernt aber neben den in den Kriminalfall verwickelten Personen auch neue Figuren kennen, besonders gefallen hat mir die Figur der Anouk. Anouk ist wohl das, was gemeinhin als Borderlinerin bezeichnet wird, im Roman bezeichnet sie sich selbst aber als Surrealistin und trägt einen wesentlichen Teil dazu bei, dass auch diesmal eine schöne Scheherazade vor dem Tod bewahrt bleibt.

Fazit: „Höchstgebot“ ist ein willkommenes Angebot für Krimifreunde, die Unterhaltung und Spannung auf gutem Niveau suchen. In diesem Sinne: Veel plezier met het hoogste bod.

Die Autoren: Toes & Hoeps bilden ein internationales Schrifststeller-Team, welches sich 2007 bei einer Zusammenarbeit zwischen deutschen und niederländischen Museen bildete. Ihre gemeinsamen grenzüberschreitenden Werke entstehen u.a. in langen bilingualen Gesprächen, Hoeps auf deutsch, Toes auf holländisch. Unvorstellbar? An der deutsch/niederländischen Grenze aber so üblich und völlig normal, das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Mehr über die Arbeitsweise des Autorenduos auf der Webseite: hoeps.wordpress.com

Thomas Hoeps/Jac.Toes: „Höchstgebot“, Grafit Verlag, Dortmund. 347 Seiten, €9,99