Das Leben in 100 Jahren: Hoffnung und kalte Schauer beim Blick in die Zukunft

In einem Jahr, das die Menschheit nach dem Maya-Kalender nicht überstehen wird, kommt das Buch von Michio Kaku gerade recht. „Unser Leben in 100 Jahren“. Das lässt hoffen.

Doch dem Autor Michio Kaku wäre es sicher zu wenig, seinen Lesern die Botschaft zu senden: „Kopf hoch, es geht weiter“. Er sieht die Menschheit auf der Schwelle zu einer neuen Ära in der Erdgeschichte. Es dauert nicht mehr lange, bis wir alle ins Weltall ausschwärmen können, Hologramme die reale Präsenz eines Besuchers ersetzen und Gene gekauft werden können.

Da läuft einem als Leser manchmal ein kalter Schauer über den Rücken, wenn der japanische Physiker seine Theorien entwickelt. Wo bleibt der Schutz des menschlichen Erbguts, wo der Schutz vor der totalen Überwachung? Doch Kaku versteht sich nicht als neuer Huxley oder zweiter Orwell, obwohl er ganz deutlich auf die Gefahren von religiösem Fundamentalismus oder totalitären Regimen zu sprechen kommt. Er setzt aber sehr eindeutig seine Auffassung entgegen, dass die Menschheit auf einen „intellektuellen Kapitalismus“ angewiesen sein wird, wie er es nennt. Um die Herkulesaufgaben, die auf die Weltbevölkerung warten, lösen zu können, gehe es gar nicht anders, als aus Wissenschaft und Forschung Kapital zu schlagen.

Zu den Kernfragen zählt der Autor zweifellos die Suche nach geeigneten Energieproduktionen, die den Bedarf der Menschen decken. Fossile Energieträger werden dabei keine Rolle mehr spielen, Supraleiter, Magnetismus, Wasserstoff sind drei Stichworte aus dem Gedankengebäude von Kaku. In seiner japanischen Heimat wollen ein Autokonzern und andere große Unternehmen eine nach jetzigem Dafürhalten abgedrehte Idee verwirklichen und eine Solarstation im All positionieren. Die immensen Kosten sind aber ein Bremsklotz, noch ist ungeklärt, wie die gewonnene Energie ohne große Verluste zum Erdtrabanten geliefert werden kann.

Aufhorchen lässt das Buch vor allem an den Stellen, die sich dem medizinischen Fortschritt widmen. Die genetischen Codes werden immer weiter entschlüsselt, beschreibt Kaku sehr eindringlich, und aus ihnen lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie denn die bestmögliche Behandlung aussehen könnte. Was sich äußerst vorteilhaft anhört, da es dem Menschen gute Chancen bietet, Krankheiten frühzeitig entgegenzuwirken oder erst gar nicht entstehen zu lassen, hat aber nicht nur zur Folge, dass die Menschen, wie Kaku schreibt, 150 Jahre und älter werden können, gleichzeitig erhöht sich auch die Bevölkerungszahl. Daraus resultiert die Frage, ob die Tragfähigkeit des Planeten ausreicht, damit alle Menschen genügend Nahrung haben. Wer sich heutzutage vehement gegen Biotech-Industrie wendet, wird dann vielleicht kein Argument mehr in der Hand haben. Wenn es ohne gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht angeht, die Menschheit zu retten, kann man dem sich wohl kaum versagen, meint der Autor.

Zu verhindern gilt es aber gewiss, dass eine weitere Aussicht, die Kaku beschreibt, eines Tages Realität werden könnte, dass man nämlich irgendwann Gedanken lesen kann. Die ethische Dimension spricht der Autor zwar an, bleibt aber sehr zurückhaltend, klare Schranken einzufordern.

Mag es auch möglich sein, Gedankenwelten zu entschlüsseln, nach Kakus Prognose wird es wohl nie Roboter geben, die mit einem Menschen gleichzusetzen sind. Das klingt beruhigend, dennoch besitzen sie vielfältige Fertigkeiten oder können entsprechend programmiert werden, beispielsweise, um mit dem Hund Gassi zu gehen oder das Mittagessen zuzubereiten.

Zum Ende seines Buches beschreibt Michio Kaku einen Tag im nächsten Jahrhundert. Da wird dann schon bei der Morgentoilette durchgecheckt, ob der Körper fit ist und anschließend wickelt man sich Kabel um den Kopf, damit sich das eigene Heim (vom Herd bis zum TV) steuern lässt.

Als ich das Buch aus der Hand lege, hat mich die Wirklichkeit wieder. Gott sei Dank.

Michio Kaku: „Die Physik der Zukunft – Unser Leben in 100 Jahren“. Rowohlt-Verlag, 602 Seiten, 24,95 Euro.




Johnny Cash und seine Freunde rocken das Theater in Bochum

So bekommen die Bochumer ihr Schauspielhaus garantiert voll, und das ist auch gut so: Johnny Cash und seine Freunde musizieren fast so, wie es in Cashs legendären Fernseh-Shows Ende der 60-er Jahre in den USA zu erleben war.

Das Theater als Konzerthaus. (Foto: Stadt Bochum)

„Well, you’re my Friend“ heißt die Nachfolge-Inszenierung der erfolgreichen Musikschau „A Tribute to Johnny Cash“, die seit längerem in Bochum die Menschen begeistert. Diesmal wird auf zwei Ebenen nachgespielt, was damals in den Studos des Fernsehsenders entstand und jeden Samstag ausgestrahlt wurde. Zum einen singen und tanzen die Darsteller und das Orchester ungefähr so, wie man es seinerzeit sehen und hören konnte, zum anderen werden in den gespielten Aufnahmepausen „Backstage“ die Konflikte deutlich gemacht, die Cash, seine Frau June Carter und seine Freunde mit den Produzenten und einem Teil der Zuschauer durchzustehen hatten – zum Beispiel beim ersten schwarz-weißen Duett mit Louis Armstrong oder bei den deutlichen Texten über Drogen und Sex.

Für die Theaterbesucher ist nicht immer klar, welcher Star der damaligen Szene gerade imitiert wird – Bob Dylan oder Dennis Hopper oder Liza Minelli oder einer der anderen amerikanischen Künstler aus den verschiedensten Musikrichtungen – Jazz und Rock, Blue-Grass, Folk und Country.

In Bochum kann man in dieser Show exzellente Musiker erleben, sowohl in der Band als auch unter den Solisten. In erster Linie ist das Thomas Anzenhofer, dessen Stimme dem Timbre des älteren Johnny Cash so nahe kommt, dass man ihn bei geschlossenen Augen selbst zu hören meint. Aus der Solistengruppe muss man unbedingt die zierliche Gastsängerin Linda Bockholt mit ihrer großen Soulstimme und Veronika Nickls hohen Sopran hervorheben. Thorsten Kindermanns musikalische Leitung und seine eigenen Einlagen sind natürlich wesentlich für den Erfolg. Inzwischen gab es schon vier Vorstellungen, in denen als Besucher offensichtlich auch „Wiederholungstäter“ saßen, die mit Kreischen und Johlen die Atmosphäre eines echten Konzerts schufen. Warum auch nicht: Es ist ein echtes Konzerterlebnis besonderer Güte. Der nächste Termin ist am 7. Dezember.