Familienfreuden VI: Alles ist ganz neu

 

Was für ein schöner erster Schnee! (Zeichnung: N. Albach)

Was für ein schöner erster Schnee! (Zeichnung: N. Albach)

Für ein Baby gibt es viele erste Male.

Eigentlich ist die ganze Welt ein einziges erstes Mal. Was für ein schöner Gedanke, dass für unsere Tochter Fiona alles neu und einzigartig ist.

Licht liebt sie besonders. Sobald irgendwo eine Lampe an ist oder eine Kerze brennt, haben alle anderen Bespaßungsversuche kaum eine Chance. Kaminfeuer hat es ihr besonders angetan: Wenn die Scheite lodern, starrt sie fasziniert auf die tanzenden Flammen – während ein Sabberfaden aus ihrem Mund läuft. Ob sie jetzt schon von Backäpfeln und Stockbrot träumt?

Ihren ersten Besuch auf dem Weihnachtsmarkt allerdings hat sie komplett verschlafen. Eingepackt wie ein Eisbär auf Reisen, schlummerte sie friedlich vorbei an Bratwurstduft, „Jingle Bells“-Bedröhnung aus den Lautsprechern und Glühweinfröhlichkeit. Wer weiß, vielleicht war ihr das auch zu kommerziell.

Abends jedoch, da war sie hellwach als sich etwas ganz besonderes ereignete: Es begann zu schneien. Die Flocken wirbelten nur so im Schein der Laterne. „Ihr erster Schnee“, dachte ich und wischte mir ein Rührungstränchen weg. Fiona lachte die Flocken an – und reckte sich dann wieder flugs Richtung Kamin.




Advent, Advent, die Menge rennt – Impressionen vom verkaufsoffenen Sonntag in Dortmund

Im Advent gibt es Rituale, die ich immer wieder zelebriere. Zum Beispiel gehe ich an jedem ersten Adventsonntag mit meiner Patentochter ins Weihnachtsmärchen. Dann wiederum gibt es im Advent Rituale, an denen ich mich noch nie beteiligt habe. Zum Beispiel verkaufsoffene Sonntage. Seit gestern weiß ich auch, warum.

Die Patentochter und ich machten uns des Mittags auf in die Stadt mit dem größten Weihnachtsbaum der westlichen Hemisphäre (oder so ähnlich). Wir wollten uns anschauen, was Dorothy und der Herr von Oz auf die Bühne des Schauspielhauses zaubern. Nun gibt es Ortskundigere als mich und so plante ich, der Einfachheit halber das Parkhaus der Thier-Galerie zu beehren. Wovon wir nicht wussten, war der verkaufsoffene Sonntag. Ich wunderte mich zwar über den Andrang und die freundlichen Einweiser im Parkhaus, fand es aber eher nett, als dass bei mir mal eine Adventglocke geklingelt hätte. Um kurz vor eins betraten wir, aus der obersten Etage des Parkhauses kommend, das Einkaufszentrum, wir sahen eine zwar kitschige, aber das Herz meiner Patentochter durchaus entzückende Riesen-Weihnachtskugel und dann bot sich uns folgendes Bild:

Völlig fasziniert harrten wir an unserer Galerie-Brüstung der Dinge, die da kommen würden. Erleuchtung? Weihnachtsmänner? Heiliger Geist? Ach nee, den hatten wir tags zuvor ja schon bei einer Firmung. Punkt ein Uhr schoben sich langsam und gemächlich Rolläden in die Höhe und das Wunderland in Gestalt einer irischen Billig-Textilkette machte hoch die Tür, die Tore ganz weit. Es begann ein Gerenne, ein Geknuffe, ein Gezerre – besinnlich geht anders.

Ganz ehrlich, ich hab sowas noch nie gesehen. Und ich möchte es auch nie mehr sehen. Muss man das verstehen? Macht das Spaß? So am ersten Adventsonntag mit der Meute durch die Einkaufszentren der Städte zu hetzen? Dafür zauberte das Ensemble des Schauspielhauses ein Lächeln auf das Gesicht der Patentochter. Aber sie können sich noch so viel Mühe geben im Theater, so einen Hexenkessel wie einige hundert Meter weiter entfachen die nie im Leben.