„Unser Song für Malmö“: Allerwelts-Pop mit Geschwafel

Warum habe ich mir das angetan? Was den Eurovision Song Contest anbelangt, bin ich auf dem Stand der Zeiten von Ralph Siegel. All das Gemöhre um Lena Meyer-Landrut und Stefan Raab habe ich nur aus großer Distanz verfolgt. Und nun plötzlich das: „Unser Song für Malmö“ (ARD), die deutsche Vorentscheidung für Europas angeblich bestes Stück Popmusik.

Ich wollte halt mal wieder sehen, wie das jetzt so läuft. Man soll sich ja nicht ganz von der Gegenwart abkoppeln. Also frisch hinein!

Siegerin beim deutschen Vorentscheid: Sängerin Natalie Horler von "Cascada" (Foto: NDR/Willi Weber)

Siegerin beim deutschen Vorentscheid: Sängerin Natalie Horler von „Cascada“ (Foto: NDR/Willi Weber)

Mit Moderatorin Anke Engelke, die das „Event“ in Hannover immerhin einigermaßen erträglich und mit ein paar humorigen Einsprengseln wie nach Drehbuch präsentierte, bin ich mir einig: Man würde das Ganze lieber weiter Schlager-Grandprix nennen – wie in der vielleicht tatsächlich besseren alten Zeit. Aber was soll’s? Auch dieses Rad lässt sich nicht mehr zurück drehen.

Angebliche Vielfalt

Zwar wurde immer wieder wortreich behauptet, wie vielfältig die Musikrichtungen heute vertreten seien, doch hat sich hier auf breiter Front ein meist wenig origineller Allerwelts-Pop durchgesetzt, der sich höchstens noch in Styling-Details unterscheidet. Wäre man überdies schlecht gelaunt, so würde man vielfach ein immergleiches Gedudel und Gehampel diagnostizieren. Und man würde argwöhnen, dass 80 Prozent der Veranstaltung aus Getue, oberflächlicher Mache und technischer Zurüstung bestehen. Ist es da nicht herzlich egal, wer den Wettbewerb gewinnt?

Will man aber gerecht sein, so muss man feststellen, dass hier fast durch die Bank Profis und keine Dilettanten am Werk sind. Die Anzahl der gut geschulten Stimmen und der passablen Instrumentalisten ist insgesamt recht beachtlich. Ob sie alle ihr Talent ausschöpfen, ist eine ganz andere Frage.

Bayern waren zu originell

Auch habe ich hin und wieder doch ein wenig aufgehorcht. Beispielsweise bei Betty Dittrich, der gebürtigen Schwedin aus Malmö. Es wäre doch hübsch gewesen, wenn sie Deutschland ausgerechnet in Malmö vertreten hätte – noch dazu mit „Lalala“, einem unbedarften, aber sympathischen Liedchen im Retro-Stil, als wären wir wieder in den Zeiten von Siw Malmkvist gelandet. Einen sehr speziellen Klang brachte LaBrassBanda hervor, jene Formation aus dem Chiemgau, die bayerische Blasmusik mit Ska, Mariachi und anderen traditionellen oder modernen Stilelementen mixt. Aber ihr Lied „Nackert“ war in diesem Umfeld wohl schon etwas zu originell.

Die Radiohörer von neun flotten ARD-Stationen fanden das bajuwarische Element zwar prima, doch das reichte nicht. Die Experten-Jury und das Votum der TV-Zuschauer hievten schließlich den Madonna-Verschnitt „Cascada“ (Sängerin Natalie Horler) mit dem Song „Glorious“ auf Platz eins. Nun denn. Viel Glück in Malmö am 18. Mai. Aber ich glaube nicht, dass sie dort Bäume ausreißen werden.

In die Länge gestreckt

Die Sendung wirkte arg in die Länge gestreckt. Zur Einstimmung und später erneut musste – natürlich – Lena Meyer-Landrut ran, die in Hannover ein Heimspiel hatte. Jeder der 12 Konkurrenten durfte sich zunächst in einem Image-Video vorstellen, bevor die Songs vorgetragen wurden. Über die Videos wollen wir lieber nicht allzu viele Worte verlieren. Wie sehr da mit Geschwafel Authentizität und Ehrlichkeit beschworen wurden, das ging auf keine Kuhhaut – und deutete zuweilen eher aufs Gegenteil hin. Ansonsten tobten sich mal wieder die ach so coolen Designer kostspielig aus, ob bei schrillen Klamotten oder mit gewittrigen Beleuchtungseffekten. Der Effekt ist alles. Am Ende taten einem die Augen weh. Und die Ohren? Ach, lassen wir das.

Lassen wir uns übrigens die Titelfolge beim deutschen Vorentscheid mal auf der Zunge zergehen: „Change“, „Little Sister“, „Heart on the Line“, „The Righteous Ones“, „Craving“, „Elevated“, „One Love“ und eben „Glorious“. Noch Fragen? Any questions?

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Diese TV-Kritik ist zuerst hier erschienen: www.seniorbook.de




Passionsspiele in Gelsenkirchen

Jesus von Rotthausen

Jesus von Rotthausen

Um Aufsehen zu erregen, muss sich jeder heutzutage was einfallen lassen, vor allem der Theatermensch. Da gibt’s kaum noch Möglichkeiten zum Skandal und ein Fernsehpromi ist auch nicht jeder Zeit zu bekommen. Und wenn, dann muss er namens- und nicht nur gesichtsbekannt sein.

Was tun? Ganz einfach: Man macht was, was nicht so recht ins Ruhrgebiet passt. Man lädt ein zur „Passion“ und wenn das noch aus Gelsenkirchen kommt, dann werden die Medien aufspringen müssen. So geschehen in dieser Woche. „Passionsspiele in Gelsenkirchen-Rotthausen“ hieß es da. Die „Bühne im Revier“ unter der Leitung von Elmar Rasch kündigt die 1. Gelsenkirchener Passionsspiele an. Die ersten – wohlgemerkt – dahinter verbirgt sich der Anfang einer Traditionsgeschichte.

Oberammergau ist überall

Weltweit kennt man die Passionsspiele von Oberammergau, wo seit 1680 alle zehn Jahre alle Dorfbewohner auf den Beinen sind, die letzten fünf Tage von Jesus Christus auf die Füße zu stellen. Dadurch wollte man damals von der Pest verschont bleiben. Am 22. Februar 1990 wurde durch Gerichtsentscheid den Oberammergauer Frauen die volle Gleichberechtigung bei der Mitwirkung an den Passionsspielen verschafft. Eine halbe Millionen Zuschauer aus aller Welt sehen die ca. 100 Aufführungen zwischen Mai und Oktober. Da kommt so einiges an Umsatz zusammen. Devotionalien aller Art finden reißenden Absatz.

Pilgerort Gelsenkirchen

Sollte eines Tages das Passionsspiel in Rotthausen den Stadtteil Schalke als Touristenziel übertreffen? Aber der 10-Jahreszyklus wäre für die Stadt ein zu visionärer Ansatz. Doch man fängt ja gerade erst an mit immerhin 14 Vorstellungen in der evangelischen Kirche an der Steeler Straße. Pastor Rolf Neuhaus ist zuversichtlich, die Stadt unterstützt die Unternehmung und die Sparkasse lässt sich auch nicht lumpen.

Es ist kalt, die Kirche ist bei der Premiere zu drei Vierteln besetzt. Leise klingt sakrale Musik. Keine Bühnenaufbauten, der Raum wird so genutzt wie er auch zu normalen Gottesdiensten benutzt wird. Der Pfarrer spricht, dann der Bezirksbürgermeister. Er weist auf Oberammergau hin und hofft tatsächlich, dass seine Stadt zu einem Mekka für Passionsfreunde wird. Am Anfang war das Wort. So fängt es dann auch an, das Spiel der Laien, Halb und Vollprofis. Johannes der Täufer ruft zur Taufe und die in „zeitgemäße“ Kostüme gehüllten Damen und Herren stehen an. Skeptiker würden sagen: „Andere taufen auch nur mit Wasser.“ „Seid füreinander da!“ ruft Jesus, gespielt von einem jungen Mann namens Jesse Krauß. Es scheint, als habe er sich auch äußerlich der Rolle verschrieben. Man sieht eine große Schar von Menschen „wie Du und ich“ als Volk. Wir sehen Schergen und Kostüme und kennen die Geschichte, die sich hier aufblättert vor dem Altar. Und natürlich geht Jesus langsamen Schritts die Gänge entlang. Keine Hektik! Der Heiland wirkt hier entschleunigend modern.

Keine Spur von Monty Python

Wer Monthy Python erwartet, wird enttäuscht sein. Es gibt keinen Jux zu vermelden. Eine Frau soll gesteinigt werden. Jesus nimmt einen davon und hält ihn dem Kirchenpublikum entgegen: „Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“  Auch hier in Gelsenkirchen meldet sich niemand, der von sich behauptet, er sei sündenfrei.  Es gibt also auch nichts Neues zu vermelden, außer, dass es jetzt Passionsspiele in Gelsenkirchen gibt. Holla, die Waldfee. Schade, dass die Kulturhauptstadt schon vorbei ist.

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Gelsenkirchen, Ev. Kirche, Steeler Straße 48. Karten 15 Euro. Die nächsten Vorstellungen im Februar: 15. Feb. (19 Uhr), 17. (17 Uhr), 22. (19 Uhr), 24. (17 Uhr). Weitere Termine im März. Internet-Infos: www.buehneimrevier.de (Tel.: 0209/149 79 866)




Köstliches am Wegesrand (3): Trauen Sie dem Sauerbraten – gerade mit Pferdefleisch

Ich fühle mich schon ganz übel, speiübel. Wie gern hatte ich einst diese, eine meiner Leibspeisen, genüsslich zu mir genommen. Sauerbraten, rheinisch, das Fleisch vom Stamme Trab-Trab, eine Woche eingelegt und dann umsichtig geschmort.

Dann die Soße: mit allerlei Gewürzen, Rübenkraut und Rosinen schmackhaft gemacht, mit Lebkuchen abgebunden, dampfend auf Tellern mit Rotkohl und Klößen angerichtet – und am Ende überfüllt ins Fresskoma gefallen, und jetzt das: „Wie gefährlich ist Pferdefleisch?“ fragt sorgenvoll die BILDungsferne Zeitung.

Wie, was? Das Fleisch vermutlich siecher Rösser aus Osteuropa wird in Fabriken zur Hacksoßenfüllung von Lasagne verarbeitet und ist angeblich inzwischen – nach England – auch in NRW aufgespürt worden. Und es kann sogar lebensbedrohlich werden, wenn man sich an der Muskulatur von Fury‘s Nachkommen laben sollte?

Sauerbraten mit Klößen - Fleischsorte unbekannt. (Foto: Hartmut910 / pixelio.de)

Sauerbraten mit Klößen – Fleischsorte unbekannt. (Foto: Hartmut910 / pixelio.de)

Mir bleibt speiübel und ich frage mich, wie blöd ist denn der oder die, die so was ernsthaft fragt? Oder anders, für wie blöd halten die eigentlich ihre Leser oder -innen? Da habe ich doch gerade noch eine liebe Freundin geärgergruselt, als sie die wunderbaren Heilkräfte ihrer Lieblingskreaturen rühmte, weil ich in ihrem Beisein stets die Größe der Pferde nach der Menge der potentiellen Sauerbraten-Portionen bemesse, was immer wieder helle Empörung bei ihr und anderen Liebhabern und -innen dieser Gattung hervorruft. Aber lecker isser dennoch, der Sauerbraten vom Pferd aus dem Rheinland – so mit Klößen und Rosinen in der Soße.

Das allwissende Blatt – vermutlich auch um die Unsinnigkeit seiner Schlagzeile wissend – gibt auf seine hirnrissige Frage auch eine Antwort, die ich hier nicht vorenthalten will: Ist das Pferdefleisch (was selbstverständlich häufig in bettelarmen Landstrichen vorkommt) zu stark mit dem Dopingmittel Phenylbutazon durchseucht, kann es sogar tödlich sein, den daraus gebruzzelten Sauerbraten zu verspeisen. Ok, sage ich mir, ok, dann esse ich doch lieber nur noch Schweinefleisch, da ist wenigstens stets eine klinische Dosis Antibiotikum drin, was mir den Gang zur Apotheke erspart, wenn ich ein Furunkel oder so was hätte.
Dann stellt die auflagenstärkste der allwissenden Zeitung aber gleich im folgenden Satz fest, dass Pferdefleisch im Normalzustand völlig folgenneutral beim Verzehr sei.

Noch mal ok. Dann ist das also so: Biokörnerbrötchen sind gefährlich, wenn ich sie vor dem Verzehr mit Marcumar impfe (dem Rattengift ähnlicher Blutverdünner). Also sollte ich, um sicher zu gehen, stets weiße Brötchen zu mir nehmen. Aber wie ist es dann, wenn mal wieder jemandem einfällt, die wirkungsvolle Schlagzeile über einen Bericht zum nächsten Skandal aufzuwürzen? Etwa: Großbanken machen mir Ihrem Geld, was sie wollen! Ach nee, kein gutes Beispiel, das würde ich ja sofort glauben.

Stellen wir abschließend fest: Sauerbraten ist auch vom Pferdefleisch nach wie vor köstlich, der Skandal an sich ist zwar empörend, wenn auch nicht sonderlich pfiffig eingefädelt. Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ging ein Pferdefleischskandal vom Unnaer Schlachthof aus und ergriff halb Europa. Der Betrug tickte auf, als bei einem Senatsessen in Bremen ein speisender Metzger fachmännisch feststellte, dass Rinderbug anders gefasert sei.

Trotzdem guten Appetit, aber nehmen Sie Pferdefleisch vom Metzger Ihres Vertrauens. Hier das Rezept:

Den Essig und das Wasser 1:1 in einen Topf mit Deckel geben. Das Pferdefleisch, ca. 1 Kilogramm, darin einlegen. Die Zwiebeln in Scheiben geschnitten mit den Wacholderbeeren und den Nelken dazu geben. Das Fleisch muss mit dem Sud bedeckt sein. Zugedeckt 3 Tage ziehen lassen, dabei einmal täglich wenden.

Nach 3 Tagen das Fleisch herausnehmen und gut mit Küchenrolle abtrocknen. Die Zwiebeln und Gewürze in einem Sieb abtropfen lassen. Das Fleisch mit Salz und Pfeffer würzen und dann reichlich mit Zucker einreiben. In einem Bräter scharf (heiß) anbraten, damit der Zucker schön karamellisiert und eine schöne Kruste entstehen kann. Die abgetropften Zwiebeln und Gewürze beigeben und mit anbraten. Zwischendurch immer mal mit dem Sud ablöschen, bis auch die Zwiebeln schön braun gebraten sind. Das ist wichtig, damit die Soße später auch ihre eigene dunkle Farbe erhält. Soviel von dem Sud in den Bräter geben, wie man an Soße braucht. Dann gut aufkochen lassen und den Braten bei geschlossenen Deckel ca. 1,5 – 2 Std. schmoren. Danach den Braten unbedingt abkühlen lassen, da er beim Schneiden sonst zu sehr zerfasert.

Jetzt kommt der schwierigste Teil, die Soße. Den Sud passieren, aufkochen lassen und etwas reduzieren. Dann die Printen oder Lebkuchen beigeben, aber nicht alle auf einmal. Sie sollen sich auflösen und die Soße binden. Sie sollte schön sämig sein. Je nach Geschmack noch etwas Zuckerrübensirup beigeben. Der eine mag es gerne säuerlich, der andere eben süßer. Die Fleischscheiben in der Soße erwärmen. Dazu reiche ich selbst gemachte Knödel halb-und-halb mit Rotkohl.




Beseelte Technik: Joyce DiDonato brilliert in der Essener Philharmonie

Mit zwei Vorurteilen räumt die amerikanische Sängerin Joyce DiDonato gründlich auf: Das erste ist, mit einer Stimme, die für Richard Strauss` „Ariadne auf Naxos“ oder für Massenets „Cendrillon“ geeignet sei, könne man Barockmusik nicht stilistisch adäquat singen. Auch das zweite hat keinen Bestand: Es müssen keine weißen, flachen, dünn vibrierenden Stimmchen sein, um den „informierten“ historischen Klang korrekt zu treffen.

Joyce DiDonato bringt für ihre „Drama Queens“ alles mit, was in den Schulen des Belcanto seit dem 17. Jahrhundert essentielle Kennzeichen einer guten Stimme und eines ausdrucksvollen, weil technisch richtigen Vortrags waren: ein maßvoll individuelles Timbre, ausgeglichene Tonbildung in allen Lagen, eine volle, verfärbungsfreie Emission des Tons im Piano wie im Forte, eine sichere Atemstütze, einwandfreie Artikulation, bruchloses Legato und eine bewundernswerte Messa di Voce, jenes freie Anschwellenlassen des Tones auf dem Atem, das seit jeher die Bewunderung der Gesangsenthusiasten hervorgerufen hat. Dazu tritt bei ihr eine gestische Bewältigung des Singens, die zu einem natürlich wirkenden Ausdruck führt.

Leidenschaft und Technik müssen kein Gegensatz sein: Joyce DiDonato in der Philharmonie Essen. Foto: Sven Lorenz

Leidenschaft und Technik müssen kein Gegensatz sein: Joyce DiDonato in der Philharmonie Essen. Foto: Sven Lorenz

DiDonatos Stimme ist trotz aller technischen Finesse kein kühles Instrument. Für all die gekrönten Protagonistinnen aus der barocken Oper von Antonio Cesti bis Antonio Vivaldi bringt sie zwar die Virtuosität für die Darstellung der Affekte mit. Aber sie beseelt ihren Vortrag gleichzeitig durch eine innere Glut der Emotion, die einen distanzierenden „Vortrag“ überwindet. Was sie von anderen, durchaus auch beeindruckenden modernen Diven des barocken Genres unterscheidet, ist die technisch nahezu makellose Absicherung der musikalischen Gefühlswelten.

Da gibt es keine hauchigen Seufzer, keine verdünnten Piano-Piepser, kein forciertes Auftrumpfen. Aber dafür eine faszinierende Palette aus der Stimme und ihrem Potenzial entwickelter Farben. Kein Verismo also: Der Kunstcharakter des Singens bleibt erhalten. Singen im Geist der großen Opern-Epochen vor der Romantik, nicht „expressiv“ aufgemischtes Pseudo-Barock. Was sie auch von den anämischen Versuchen mancher fiepiger Kopfsänger auf den Spuren ihrer entmannten Vorgänger angenehm unterscheidet.

In der Philharmonie Essen streifte Joyce DiDonato noch einmal durch die Welt der antiken und mythologischen Herrscherinnen: Persische und mykenische Prinzessinnen fügen sich in Tod und Wonne; gleich zwei Mal beseelen die ägyptische Königin Cleopatra  edle Resignation und gespenstische Rachelust: Johann Adolf Hasses „Morte col fiero aspetto“ spiegelt jene barocke, aus dem christlichen Glauben gespeiste Vertrautheit mit dem Tod wider, aus der Mozart die lebensbeendende Macht noch als seinen „Freund“ bezeichnen konnte: Kein grausam-schreckliches Gesicht zeigt der Tod, denn er befreit die Seele aus dem Gefängnis der menschlichen Existenz. DiDonato fängt diese edle Resignation in exquisiten Farben und dynamischen Schattierungen ein.

Die Cleopatra aus Händels „Giulio Cesare“ ist aus einem anderen Holz: Sie beklagt in „Piangerò la sorte mia“ ihr Schicksal in wehmütigem Piano, um kurz darauf in energischer Koloratur dem Tyrannen Qualen aus dem Jenseits anzudrohen. Wie Joyce DiDonato Händels Phrasierungsbögen mit Glut und Glanz erfüllt, ist hinreißend. Nach Giovanni Portas „Madre diletta, abbracciami“, ein ergreifendes Lamento aus der Oper „Ifigenia in Aulide“, wagt das Publikum kaum zu klatschen, so intensiv gestaltet die Sängerin diesen Abschied von der Mutter. Und in Händels „Brilla nell‘ alma“ aus der selten gespielten Oper „Alessandro“ glänzt DiDonato mit frei und locker gefügten Koloraturenketten und technisch perfekt gebildeten Trillern – aber eben nicht als Selbstzweck, sondern als superbe Ausformung innerer Regungen.

Auch die Robe erregte Aufsehen: Die Sängerin und ihr Begleiter, Dmity Sinkovsky. Foto: Sven Lorenz

Auch die Robe erregte Aufsehen: Die Sängerin und ihr Begleiter, Dmity Sinkovsky. Foto: Sven Lorenz

Unter den drei Zugaben entrückt Reinhard Keisers „Lascia mi piangere“ aus „Fredegonda“ das Auditorium noch einmal in die elysischen Gefilde einer lyrischen Delikatesse, die momentan in der Welt des Gesangs nur mit Mühe ihresgleichen findet. „Il Complesso Barocco“, das begleitende Ensemble mit dem wendigen Geiger Dmitry Sinkovsky an der Spitze, wurde durch die „Queen“ des Abends auf den zweiten Platz verwiesen: nicht ganz zu Recht, wie Instrumentalstücke aus Glucks „Armide“ und Händels „Radamisto“ nahelegen. Der staubtrockene „historische“ Klang der Italiener wird freilich allein durch die farbenreiche, sinnliche Stimme DiDonatos in Frage gestellt: Vielleicht darf es auch auf Darmsaiten und Holzblättchen mittlerweile wieder etwas klangfroher zugehen?