Was Macht mit Menschen macht – zur grandiosen Fernsehserie „Borgen“

Machtkämpfe, Medienkritik, Intrigen, Politdrama, dazu noch ein paar persönliche Schicksale – das ist Borgen. Borgen ist nicht nur der Name des Volksmundes für den dänischen Regierungssitz Christiansborg sondern auch der Titel einer europaweit gefeierten Fernsehserie.

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Borgen hat durchaus auch in Deutschland eine eingeschworene, wenn auch kleine Fangemeinde. Arte, die ARD und der WDR haben die erste Staffel bereits gesendet oder sollte man (aufgrund undankbarster Sendetermine) besser sagen, versendet? Aber das Thema der Sendezeiten von Serien mit intellektuellem Anspruch steht auf einem anderen, schon oft beschriebenem Blatt. In den letzten Wochen wurde die erste Staffel im späten Abendprogramm des WDR wiederholt und auf besondere, eindringliche Empfehlung der politischen Nachwuchshoffnung in unserem Hause haben wir es geschaut. Mit wachsender Begeisterung, mit wachsender Empathie, mit kaum zu bändigender Neugierde. Großartige Serie.

Im Mittelpunkt der Serie steht die Figur der Birgitte Nyborg. Birgitte ist Chefin der dänischen „Moderaten“, einer fiktiven sozialliberalen Partei. Überraschend wird sie nach den Parlamentswahlen zur ersten Premierministerin Dänemarks, muß Koalitionen eingehen und eine Regierung bilden. Schnell merkt die bis zu ihrer Wahl noch recht idealistisch agierende Politikerin, dass man an der Spitze der Macht mit Ideologie nicht weit kommt, man Prinzipien loslassen und Kompromisse eingehen muss. Doch was wird die Macht mit Birgitte machen?

Politischer Star: Birgitte Nyborg Christensen (Sidse Babett Knudsen) mit Mann, Tochter und Sohn im Journalistengedränge - Szene aus der "Borgen"-Folge "Wahlkampf". (Bild: ARTE F / ©Mike Kollöffel/DR)

Politischer Star: Birgitte Nyborg Christensen (Sidse Babett Knudsen) mit Mann, Tochter und Sohn im Journalistengedränge – Szene aus der „Borgen“-Folge „Wahlkampf“. (Bild: ARTE F / ©Mike Kollöffel/DR)

Schonungslos und nachdrücklich zeigt die erste Staffel die bestürzende Entwicklung Birgittes von der sympathischen, charismatischen Politikerin zur einsamen, machtbesessenen Premierministerin. „Opfere alles für Deine Familie – außer der Macht“ – so ist einer der Trailer betitelt, die für die Serie werben – und das trifft es gut.

Das furiose, aufrüttelnde Finale der ersten Staffel – es lief am Mittwoch und beschäftigt mich bis heute – zeigt eine Birgitte Nyborg am Ende. Eigentlich hat sie nur das getan, was getan werden musste – doch welchen Preis hat sie dafür bezahlt? Ihre politischen Weggefährten hat sie opfern müssen, ihre Freunde – hatte sie je welche? – sind nicht mehr existent und ihre Familie ist zerbrochen. Ehemann Philipp konnte sich mit der Rolle des Hausmanns nicht arrangieren, zumal Birgitte mit ihm nicht anders umging als mit dem Leiter der Staatskanzlei.

Ergänzender Gegenpart zum reinen Politikgeschehen ist die Medienwelt. Hier agieren die beiden weiteren Hauptfiguren, die aufstrebende Nachwuchsjournalistin Katrine Fonsmark und Kasper Juul, Spin Doctor der Premierministierin. Auch Katrine ist idealistisch, sie will nicht bloß Nachrichten moderieren, sondern sie am besten gleich komplett selber machen. Kasper hingegen hat keine Probleme damit, seine Ideale und Überzeugungen zu verraten, so er denn überhaupt je welche hatte. Er kann jede Art von Politik verkaufen und ist stolz darauf.

Beider Leben besteht vor allem aus Karrierestreben, gelegentlich bleibt Raum für eine gegenseitige Anziehungskraft, die bei der Beerdigung von Kaspers Vater zu einer der stärksten Szenen in der ersten Staffel führt. Auch bei diesen beiden Protagonisten steht die Macht im Mittelpunkt, sie verstehen die Medien als politisches Kontrollinstrument, agieren dabei kompromiss- und rücksichtslos und machen so die Serie ganz nebenbei noch zu einem Lehrstück in politischer Rhetorik.

Die spannendsten Szenen sind immer die, in denen klar wird, wer von welcher Überzeugung geleitet wird und welche Umstände eintreten müssen, damit sie sich von diesen Überzeugungen abwenden. Die Serie legt ein hohes Tempo vor, nichts mehr mit dem berühmten dänischen „hyggelig“ (gemütlich), die Handlung ist trotz aller auserzählten Szenen rasant, die Dialoge knapp und messerscharf, die Schauspieler ohne jede Ausnahme auf sehr hohem Niveau.

Endlich mal eine politische Serie, bei der man sich nicht an ferne Schaltzentralen sogenannter Supermächte gewöhnen muss, sondern die den Zuschauer mitten in einen europäischen Regierungssitz führt. Die Serie ist nicht zuletzt auch deshalb für den deutschen Zuschauer so interessant, weil Dänemark kulturell und politisch ähnlich wie Deutschland organisiert ist und die Themen der dargestellten Tagespolitik uns nicht fern liegen. Ob jetzt ein Autobahnbau in Ringkobing oder Münster diskutiert wird, ist für die Problematik an sich eher zweitrangig. Um Koalitionsgeschacher, Zuwanderung, Renten, Afghanistan, Steuern geht es auch hier. Dazu kommt natürlich das Thema Frauenquote und ganz allgemein Frauen in der Politik und Karriere.

Warum erzähle ich das alles? Weil bereits heute Abend Birgitte Nyborg wieder da ist. Arte wiederholt die erste Staffel und zeigt ab dem 6. September die zweite Staffel, in dessen Verlauf hoffentlich Kasper Juuls dunkles Geheimnis gelüftet wird. Im Netz schwirrt das Gerücht, Arte zeige direkt nahtlos anfügend die dritte Staffel, das lässt sich allerdings nicht bestätigt finden. Da die Sendezeiten der Serie nicht homogen sind, verweise ich auf direkt auf den Sender, der die Folgen auch immer einige Tage in der Mediathek zur Verfügung stellen wird.

Webseiten: Borgen bei Arte (Staffel 1)
(Staffel 2)




Neues von der „Generation Farbbeutel“

Zunächst wollte ich Anfang Juli ja selbst am so genannten „Holi Festival of Colours“ im Dortmunder Fredenbaumpark teilnehmen. Warum sollte man’s nicht mal ein bisschen bunter treiben? Doch dann habe ich zwischendurch nicht mehr dran gedacht. Plötzlich war die Chose bereits ausverkauft. Und als ich erfuhr, wie hoch die Eintrittspreise waren, habe ich eh gern verzichtet.

Kurz darauf gab’s im Internet einen Film vom „Event“, von dem ich vorher gar keine rechte Vorstellung hatte. Viele Leute auf einer großen Wiese, es erschallten teils meditative, teils aber auch nervtötend technoide Klänge. Zwischendurch ließen sich die Menschen nur gar zu gern mit Farbpulver bewerfen oder besorgten dies selbst – bis alle halt über und über knallbunt waren. Vorwiegend hochsommerlich leicht bekleidet, hie und da halbwegs verzückt tanzend.

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Nun ja. Eine relativ neue Spielart des üblichen Weekend-Hedonismus eben, von dem man dann wochentags zehrt. Man hat einmal wieder seinen Körper gespürt, was im Büro ja nicht so gut geht. Noch dazu mag man sich einbilden wollen, an einer alten indischen Tradition geschnuppert zu haben. Ungemein sinnlich war es natürlich auch noch. Und irgendwie spirituell. Oder wenigstens tauglich als Fotomotiv.

Es gab Zeiten, das hätte man sich in derlei Fällen um die Reinigungskosten gestritten, aber bitte: Wer sich von Kopf bis Fuß freiwillig bepudern lassen will, soll sich eben bepudern lassen. Die Generation Farbbeutel wird schon wissen, was sie tut.

Wer das Ganze aber ziemlich infantil findet, der darf das auch. Fröhliche Fingerfarbenmalerei in der Kindertagesstätte scheint mir ungleich fruchtbringender zu sein als die hippen Farborgien der nahezu Erwachsenen. Aber ich kann da nicht so richtig mitreden. Ich habe ja auch früher nie das Bedürfnis verspürt, gemeinsam mit Hunderten in einem Schaumteppich zu versinken.

Nun lese ich, dass Weglaufen auch nicht mehr gilt. Im Gegenteil: „Jetzt wird Laufen bunt“, verspricht der Veranstalter, der erstmals die in den USA erfundenen „Color Runs“ (Trademark!) nach Deutschland bringt und damit am 25. August im Dortmunder Westfalenpark gastiert, wie denn überhaupt Dortmund zu den Hochburgen der Farbenfeste zu zählen scheint. Die Einzelläufer oder Teams, die sich dazu angemeldet haben, erhalten weiße T-Shirts samt Farbbeuteln und dürfen sich in den „Color Zones“ der 5 Kilometer langen Strecke von freiwilligen Helfern mit Farbpulver bewerfen lassen. Im Ziel wird kräftig gefeiert. Was denn auch sonst?

Ach so, ja: Viel Spaß dabei!