„Das ist Spitze!“: Wie Kai Pflaume die Rosenthal-Show „Dalli Dalli“ neu beleben will

Hurra! Wir haben mal wieder einen Showmaster, der kräftig überziehen darf: Kai Pflaume machte „Das ist Spitze!“ (ARD) nicht nur bis 21.45 Uhr, sondern fast eine halbe Stunde länger als geplant. Aber das gehört wohl dazu, wenn man unbedingt eine Legende wiederbeleben will.

Wir reden natürlich von Hans Rosenthals „Dalli Dalli“ (1971 bis 1986). Da soll Pflaume anknüpfen. Um diesen (doch etwas überzogenen) Anspruch zu unterstreichen, hatte man zur Premiere im „Ersten“ Rosenthals Witwe Traudl, seinen Sohn, seine Tochter und sogar seine jüngste Enkelin Debora eingeladen, die nun gemeinsam mit Jan Hofer in der Spiel-Jury sitzt.

Kai Pflaume vor Rosenthal-Dekoration (Bild: © NDR/Thorsten Jander)

Kai Pflaume vor Rosenthal-Dekoration (Bild: © NDR/Thorsten Jander)

Jede Menge Vorschusslorbeeren

Die Rosenthals verteilten schon zu Beginn der Sendung jede Menge Vorschusslorbeeren und versicherten pflichtschuldigst, Kai Pflaume sei genau der richtige Mann, um diese Show zu leiten.

Und wie war’s nun wirklich?

Nun ja. Man versuchte, hie und da den speziellen Charme der 1970er Jahre neu aufleben zu lassen. Doch das klappt natürlich nur sehr bedingt. Zumindest die vier Prominenten-Duos (darunter Kati Witt, Henry Maske, Florian Silbereisen, Matthias Opdenhövel, Jutta Speidel), die da beim Schnellraten und neckischen Wettspielchen gegeneinander antraten, hatten ersichtlich ihren Spaß. Auch das Saalpublikum fühlte sich wohl recht gut unterhalten. Immerhin. Man ist ja schon froh, wenn einem in solchen Sendungen gröbere Peinlichkeiten erspart bleiben.

Hektik als Prinzip

In dieser Show (die es beim NDR seit 2011 gibt) regiert – wie eh und je – die Hektik als Prinzip. Hauptsache schnell sein, alles andere ist Nebensache. Diese Vorgabe sorgt für einige Turbulenzen und manchmal gar für sanften Irrsinn. Es ist wie bei einem bunten Kindergeburtstag – eben zuweilen etwas infantil und albern, aber doch manchmal ziemlich lustig.

Kai Pflaume ist ein hinreichend lockerer Spielleiter, der im Zweifelsfalle aber auch mal zur Ordnung rufen kann. Ob er tatsächlich den legendären Status eines Hans Rosenthal erreichen kann, ist hingegen eine ganz andere Frage.

Die alten Einfälle nachahmen

Da reicht es eben nicht, den optisch „eingefrorenen“ Freudensprung („Das war Spitze!“) nachzuahmen, der damals in den 70ern eine TV-technische Meisterleistung war und heute eine leichtere Übung ist. Auch genügt es nicht, so manche Spielidee variierend nachzuempfinden. Mal ganz nebenbei gefragt: Gibt’s beim Fernsehen eigentlich keine neuen Einfälle mehr, so dass man immer wieder die alten hervorholen muss?

In der Eile passiert der eine oder andere Lapsus: Michelangelos „David“ sei in Rom zu bestaunen, Europa sei der weltweit größte Kontinent, Mosel und Rhein flössen in München zusammen – so lauteten ein paar grundfalsche Antworten in den Raterunden. Gerade das macht teilweise den Reiz einer solchen Show aus. Ein bisschen Schadenfreude ist dabei. Doch wer weiß, ob man’s selbst vor einem Millionenpublikum viel besser machen würde.

Kontrolliertes Ausarten

Wenn dann noch eine Riesenkaffeemühle und ein Wahlplakatschredder eilends bedient werden oder Cocktailgläser mit dem Mund angesaugt und transportiert werden müssen, dann überschlägt sich die Gaudi zum Steinerweichen. Dann erreichen die zur Alarmsirene rotierenden tausend Lampen höchste Lichtverschmutzungswerte – und es kommen jene offenbar unvermeidlichen, leicht frivolen Scherzchen zum Vorschein: So wurde Henry Maske streng ermahnt, die Banane an seinem „Baströckchen“ doch bitte nach hinten zu drehen. Nennen wird es mal „kontrolliertes Ausarten“, was da vor sich geht.

Am Ende wurden dann die erzielten (und multiplizierten) Spielpunkte in Euro umgerechnet. Die fließen an die Rosenthal-Stiftung zugunsten von Familien, die unverschuldet in Not geraten sind. Fast 21000 Euro kamen diesmal zusammen. Dagegen kann man nun wirklich nichts sagen.

Der Text ist zuerst bei www.seniorbook.de erschienen.




Globus am Abgrund, Rettung naht – Matthias Polityckis Roman „Samarkand Samarkand“

9783455404432Tim Bendzkos Song, wonach er nur noch die Welt retten muss, der könnte auch von Alexander Kaufner stammen.

Im fernen Usbekistan, genauer genommen in der sagenumwobenen Stadt Samarkand soll und will er eine Mission erfüllen, die da lautet: den dritten Weltkrieg zu beenden. Fürwahr, es ist kein angenehmes Leben mehr auf diesem Globus, seitdem sich die Machtverhältnisse einmal mehr verschoben haben. Nach Deutschland, der Heimat des Romanhelden, sind die Russen zurückgekehrt, radikale Muslime kämpfen mit Waffengewalt, aber es gibt noch eine Bundesregierung, wenn auch nicht mehr unter Kanzlerin Merkel. Gemäß dem Satz, dass der Islam zu Deutschland gehört, führt jetzt der Türke Mehmet Yalcin die Regierungsgeschäfte.

Die Art und Weise, wie Kaufner von all den Ereignissen erfährt, versinnbildlicht den Wandel der Welt: Gazprom-TV heißt der Sender, der alle anderen Medien verdrängt hat. Wie nun der Deutsche den blauen Planeten von dem Fluch des Krieges befreien soll, ist schon aberwitzig. Er soll das Grab von Timur, Nachfahre des Mongolenherrschers Dschingis Khan, ausfindig machen. Diesem Ort wird eine magische Kraft zugeschrieben, und zwar eine solche, die in diesen dunklen Zeiten Wunder wirken kann.

Autor Matthias Politycki lässt den Leser teilhaben an einer Expedition durch ein Land, das für Kaufner bei optimistischer Betrachtung eine Menge an Abenteuern bereithält. Schon allein der Name „Samarkand“, wo die Grabesstätte vermutet wird, versprüht einen Zauber, dem sich der ehemalige Gebirgsjäger nicht entziehen kann. Selbst als er feststellen muss, dass es neben dem illustren Samarkand, das seinen festen Platz an der Seidenstraße hatte, noch ein zweites Samarkand existiert, dem eher die Aschenputtelrolle zugedacht ist, lässt er von seinem Plan nicht abhalten. Er will das wahre Grab von Timur finden und das befindet sich nun mal in diesem wenig einladenden Ort.

Die Idee zu dem Buch kam Politycki schon 1987 in den Sinn, als er erstmals in Samarkand zu Gast war. Seinerzeit schien der Mauerfall noch in weiter Ferne zu sein, dafür hatte ihn die Faszination an Ort und Stelle ergriffen. Es sollte rund ein Vierteljahrhundert dauern, bis der Autor sich daran setzte und Kaufner auf Reisen schickte. Zwischenzeitlich kehrte er nach Samarkand zurück, verwarf erste Konzepte für das Buch, um nun eine spannende, mitunter auch sperrige Lektüre vorzulegen.

Befremdlich wird das Buch schon mal an solchen Stellen, in denen Gewaltexzesse beschrieben werden. Das Massaker von Köln, das nahezu alle Karnevalisten dahinrafft, ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Wem solche Passagen zu brutal daherkommen, der wird durch die Fantasie des Autors entschädigt. Politycki zeichnet zwar eine düstere Zukunft, die jedoch noch längst nicht das Ende aller Tage sein muss. Wenn eine Zeitangabe aufhorchen lässt, dann ist es das Jahr, in dem der Schriftsteller seine Geschichte beginnen lässt: 2027. Bis dahin sind es gerade mal noch 14 Jahre.

Matthias Politycki: „Samarkand Samarkand“. Hoffmann und Campe, 397 Seiten. 22,99 Euro