Mensch-Maschine: „Metropolis“ am Schauspiel Bonn

„Wir sind die Roboter, tam, tam, tam, tam“: Der Song der legendären Band Kraftwerk schwebt stilbildend über Jan-Christoph Gockels Inszenierung von „Metropolis“, die nun in der frisch renovierten Halle Beuel am Schauspiel Bonn Premiere hatte.

Foto: Thilo Beu/Theater Bonn

Foto: Thilo Beu/Theater Bonn

Zurückgegelte Haare, schwarze Anzüge, kombiniert mit einer grellen Farbe und das Kling-Klang des Elektropops bilden den atmosphärischen Soundtrack in der Maschinenhalle der Megacity „Metropolis“, berühmt geworden durch Fritz Langs epochalen Film von 1927. Dabei werden die Arbeitssklaven verdoppelt durch kleine skelettartige Wesen, die den Menschen zur Maschine verlängern, regiert von Industriebaronen im Faltenrock. Das Bühnenbild ist angelehnt an die Ästhetik der Industriekultur, die man sonst eher aus dem Ruhrgebiet kennt. Doch war auch die Halle Beuel eine Jutespinnerei, die im „Dritten Reich“ Zwangsarbeiter ausbeutete, die „Sackleinen für die Front“ weben mussten.

Was ist nun interessant daran, einen ollen, gleichwohl kultigen Stummfilm auf die Bühne zu bringen? Die Eingangssequenz gibt einen Hinweis auf die Antwort: „Guten Tag, wie kann ich Dir behilflich sein?“, sagt Telefonstimme Siri, die jeder iPhone-Nutzer kennt und wartet die Replik kaum ab: „Tut mir leid, ich habe Dich leider nicht verstanden.“ Die Abhängigkeit des Menschen von Maschinen ist im Internetzeitalter schon längst eingetreten, aber anders, als sich die düstere Utopie von Fritz Lang oder George Orwell sich das vorstellten.

Diese Macht der Computer über unser Leben kommt viel bunter, witziger und vordergründig harmloser daher und umspannt doch nicht nur eine Metropole, sondern agiert global. Sie weiß alles über uns und wir zeigen uns auch gerne her. Sie will uns kaufen und wir verkaufen uns. Wie die Arbeiter in Metropolis sind wir nicht nur geknechtet von unseren kleinen Maschinen, nein, wir lieben sie und geraten ohne sie sofort in Panik. Heroisch ist, wer zwei Wochen ohne Internet und Smartphone auskommt und anschließend seine Gefühle darüber postet.

Foto: Thilo Beu/Theater Bonn

Foto: Thilo Beu/Theater Bonn

All das reißt die Inszenierung an, verfolgt es aber nicht weiter, sondern erzählt die Liebesgeschichte von Freder Fredersen (Hajo Tuschy) und Maria (Mareike Hein): Der verwöhnte Spross aus Metropolis Elite verknüpft die Auflehnung gegen seinen Vater und Industriebaron Joh Fredersen (Wolfgang Rüter) mit den revolutionären Ideen der Geliebten. Er will Arbeiter sein, nicht mehr Kapitalist, er will Freiheit für alle, statt Macht für sich.

Doch die neue Untergrundbewegung wird selbstredend abgefilmt und verraten, die Arbeiter, die er retten wollte, können mit ihrer neuen Freiheit nicht umgehen und lassen sich kaufen. Maria wird von einem Dr. Frankenstein namens Rotwang als Puppe geklont, die niemand mehr von der echten Frau unterscheiden kann. Michael Pietsch, der Puppenbauer, hat sich dabei ins Zeug gelegt und der Umgang mit dem diabolischen Spielzeug meistert das Ensemble so charmant, dass es alle Zuschauer angemessen gruselt.

Eine Psychologie dagegen entwickeln die (Film-)Figuren nicht, teilweise interagieren sie merkwürdig brüllend – scheinbar um längst nicht mehr vorhandenen Maschinenlärm zu übertönen. Die Szene schließlich, in der Fritz Lang, Sigfried Kracauer, Romanautorin Thea von Harbou etc. mit Namensschildchen auf dem Klemmbrett die Thesen ihrer Filmproduktion verhandeln, wirkt seltsam zusammengegoogelt und kann das Verhältnis von Vorlage zu Bühnenstoff, von damals zu heute nicht wirklich klären.

Kein Wunder, dass Metropolis untergehen muss. Die Rückwand der Fabrik stürzt ein und öffnet den Blick in eine Schaltzentrale des Computerzeitalters. Doch auch diese unsere gegenwärtige Epoche währt nur kurz. Schon geht das Rolltor hoch, die Überlebenden von Metropolis werfen sich den Affenpelz über und tanzen draußen um einen mickrigen Baum auf Rädern. Fortsetzung folgt? Vielleicht auf dem „Planet der Affen“…

Karten und Termine: www.theater-bonn.de