„Oh, muss das sein, Miss Sophie?“: Vor 50 Jahren wurde das Silvester-Fernsehritual aufgezeichnet

Same procedure as every year ... Foto: NDR, Annemanrie Aldag

Same procedure as every year … Foto: NDR, Annemanrie Aldag

Wie wär’s mit folgendem Silvestermenü? Als Vorspeise wählen wir eine Mulligatawny-Suppe. Das ist eine Köstlichkeit aus Hühnerbrühe mit Gemüsen und vor allem Zwiebeln und Curry. Sie wurde in England gerne serviert und stammt noch aus der Kolonialzeit. Dazu reichen wir einen alten trockenen Sherry. Es folgt der Fisch, idealerweise Schellfisch aus der Nordsee, kredenzt mit einem Glas Weißwein, vielleicht einem Rheinriesling. Zum Fleischgang, einem Hühnchen, passt ein feines Glas Champagner. Und den süßen Abschluss bilden gesunde Früchte: Äpfel, Birnen, Mandarinen, Bananen. Ein süßer Portwein rundet dann das Mahl.

Wem dieses Menü bekannt vorkommt, hat in den letzten Jahrzehnten an Silvester gut zugeschaut: Es ist die Speisenfolge des „Dinner for one“, das Butler James zum 90. Geburtstag von Miss Sophie aufträgt. Wir kennen es alle: Die Dame hat vier Gäste geladen, die sich dummerweise aber infolge Ablebens nicht mehr von irdischer Speise nähren. So obliegt es dem Butler, zumindest die Pokale der vier Herren zu leeren, denn Miss Sophie legt Wert aufs Zutrinken und einen Trinkspruch. So nimmt das weinselige Schicksal seinen Lauf – und James kämpft nicht nur mit Tigerschädeln, Silbertabletts und Blumenvasen …

Vor 50 Jahren, 1963, wurde der Sketch mit May Warden und Freddie Frinton in der ARD-Sendung „Guten Abend, Peter Frankenfeld“ ausgestrahlt und im Juli in Hamburg aufgezeichnet. Zwei Jahre zuvor lief er bereits in der Sendung „Lassen Sie sich unterhalten“ mit Evelyn Künneke. Davon gibt es aber keine Aufzeichnung. Seit 1972 gehört „Dinner for one“ zum festen Ritual der Silvester-Unterhaltung. Im Guinness-Buch der Rekorde landeten die achtzehn Minuten in Schwarz-Weiß 1988 als „weltweit am häufigsten wiederholte Fernsehproduktion“.

Unerschöpfliche Quelle der Heiterkeit: James, alias Freddie Frinton, und der Tiger. Foto: NDR, Annemarie Aldag

Unerschöpfliche Quelle der Heiterkeit: James, alias Freddie Frinton, und der Tiger. Foto: NDR, Annemarie Aldag

Obwohl Frinton das Stückchen in den vierziger und fünfziger Jahren in England häufig bei Unterhaltungsshows in Seebädern und Großstädten spielte, ist es heute dort weitgehend unbekannt. Im britischen Fernsehen war er nie zu sehen. In vielen anderen Ländern, von Australien bis Südafrika, von der Schweiz bis Grönland, ist „Dinner for one“ dagegen ein ähnliches Kult-Ereignis wie in Deutschland. May Warden und Freddie Frinton haben sich mit dieser liebenswerten Miniatur ein Denkmal gesetzt – die beiden wären sonst längst vergessen. So heißt es – wie jedes Jahr – an Silvester wieder: „The same procedure as every year, James!“

Mehr als jeder dritte Bundesbürger – 37,5 Prozent – sieht sich an Silvester in der Regel im Fernsehen „Dinner for One“ an. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Apothekenmagazins „Senioren Ratgeber“. Wer sich in die Schar einklinken will: Der Sketch läuft in den Dritten Programmen der ARD zwischen 17.40 und 19.40 Uhr. Der WDR zeigt Miss Sophies Geburtstag um 18.50 Uhr. Für Spätgucker: Im NDR läuft er um 23.35 Uhr. Und nach dem Anstoßen auf 2014 kann man im Bayerischen Fernsehen gleich weitermachen: Auftritt von „James“ ab Mitternacht.

Der NDR widmet der unsterblichen Sendung eine Jubiläumsshow an Silvester: Von 09.10 bis 10.55 Uhr treten drei prominente Teams zu einem heiteren Wettkampf rund um „Dinner for one“ an. Heute, 30. Dezember, zeigt der NDR ab 22 Uhr eine einstündige Spurensuche rund um die – laut NDR – erfolgreichste Fernsehsendung der Welt: „Glückwunsch, Miss Sophie – 50 Jahre ‚Dinner for one‘: Das Erfolgsgeheimnis des Kultsketches“.Die Sendung wird an Silvester um 10.55 Uhr wiederholt.




Ausweitung der Farbzone – Werke von K.O. Götz in Berlin und Duisburg

Er ist der große Unbekannte der zeitgenössischen deutschen Kunst. Dabei ist die Bedeutung seiner künstlerischen Innovationen und sein Einfluss auf viele Kollegen kaum zu übersehen und zu überschätzen.

Als die meisten deutschen Maler in der Nachkriegszeit versuchten, die durch die Kultur-Barbarei der Nazis verursachte Abschottung zu überwinden und Anschluss an die internationale Moderne zu finden, war der am 22. Februar 1914 in Aachen geborene Karl Otto Götz schon längst Mitglied grenzüberschreitender künstlerischer Projekte. Bei den Ausstellungen der „CoBrA“-Gruppe in Lüttich war Götz vertreten, seine abstrakten und informellen Bilder setzen Maßstäbe.

Karl Otto Götz: "Giverny VII". 1988, Sammlung Ströher, Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg / © VG Bild-Kunst, Bonn / Olaf Bergmann, Witten.

Karl Otto Götz: „Giverny VII“. 1988, Sammlung Ströher, Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg / © VG Bild-Kunst, Bonn / Olaf Bergmann, Witten.

Bereits in den 1930er Jahren hatte Götz mit Luftpumpen Farbornamente gesprüht. Und ähnlich wie sein amerikanischer Bruder im Geiste, Jackson Pollock, hat Götz Ende der 1940er Jahre angefangen, die Farben auf seine am Boden liegenden Leinwände zu klecksen. Durch einen Zufall kam er beim Anrühren von Kleister für seinen kleinen Sohn auf die Idee, seine Farben auf den feuchten Kleistergrund aufzubringen, um sie dann erst mit einem Rakel-Schieber aus Gummi oder Stahl zu verwischen und schließlich mit dem Pinsel in die aufgerakelten Passagen hineinzuarbeiten. Diese Technik hat Götz nicht nur immer weiter perfektioniert, er hat sie auch als Kunstprofessor in Düsseldorf an seine Schüler – unter ihnen Sigmar Polke und Gerhard Richter – weitergegeben.

Noch heute ist der nimmermüde Erneuerer, trotz einer Augenkrankheit, die ihn nahezu erblinden ließ, fast jeden Tag in seinem Atelier in Niederbreitbach-Wolfenacker (Westerwald) anzutreffen und malt unter Mithilfe seiner Frau Rissa seine farbekstatischen Bilder. In der Berliner Neuen Nationalgalerie ist jetzt zum 100. Geburtstag eine große Werkschau zu sehen, die anschließend nach Duisburg (Museum Küppersmühle) und Wiesbaden kommt. Die Retrospektive ist eine Verbeugung vor dem Lebenswerk und belegt zugleich die Bedeutung für die Kunstgeschichte.

Karl Otto Götz bei der Arbeit in seinem Düsseldorfer Atelier, 1959 (© Foto: Siegfried Kühl)

Karl Otto Götz bei der Arbeit in seinem Düsseldorfer Atelier, 1959 (© Foto: Siegfried Kühl)

Gezeigt werden 70 Hauptwerke, an denen sich verschiedene Lebensstationen und künstlerische Entwicklungen ablesen lassen. Bilder aus den frühen Jahren sind dabei, die in ihrer figurativen und grazilen Abstraktheit und an Klee und Kandinsky erinnern. Rasterbilder wirken wie Vorläufer elektronischer und mit Computern generierter Malerei. Und dann diese Ausweitungen der Farbzonen in seinen gerakelten Bildern, die spontan, improvisiert und zufällig anmuten und doch das Ergebnis höchster Konzentration und konzeptioneller Überlegungen sind! Abzulesen ist das an den – in Glasvitrinen liegenden – Skizzen und Studien, in denen Götz Farbe und Technik festlegt und serielle Variationen der abstrakten und informellen Bilder durchspielt.

Zu den eindrucksvollsten Bildern gehört „Dantons Tod“ (1960), ein düsterer, schwarzer und roter Farbteppich, der an eine Blut-Orgie gemahnt. Einige Exponate der umfangreichen „Giverny“-Serie sind zu bestaunen, in denen Götz unter Anlehnung an Monets Licht- und Farbstudien des Gartens im französischen Ort Giverny flirrende, sonnendurchflutete Impressionen schuf.

Nicht fehlen darf auch der mit unbändiger Kraft und Euphorie auf die Leinwand geworfene Kommentar zur geglückten deutschen Einheit: „Jonction – 3.10.1990“. In solchen Bildern zeigt sich, dass der mit Farben und Formen experimentierende Götz immer auch auf zeitgeschichtliche Bezüge in den Blick nimmt. Sein Triptychon zur Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Sprengköpfen spricht eine deutliche Sprache: Farb-Explosionen imaginieren eine Welt am apokalyptischen Abgrund. Da sage noch einer, abstrakte Malerei habe keine politische Botschaft.

K.O. Götz. Neue Nationalgalerie, Berlin. Bis 2. März 2014, Di, Mi, Fr 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr, Sa So 11-18 Uhr, Katalog 30 Euro, Eintritt 8 Euro, ermäßigt 4 Euro. Infos unter http://www.kogoetzinberlin.de

Vom 21. März bis zum 15. Juni 2014 wird die Ausstellung im Duisburger Museum Küppersmühle zu sehen sein.