Ein Jahr nach Schließung der Rundschau-Redaktion: Die Folgen schmerzen noch!

Heute ist es genau ein Jahr her: Am 15. Januar 2013 verkündete die Geschäftsführung der WAZ-Mediengruppe (heute Funke-Gruppe) das „Aus“ für die gesamte Redaktion der Westfälischen Rundschau (WR) in Dortmund. Und natürlich sind die Folgen dieser brachialen Entscheidung noch längst nicht ausgestanden; weder die persönlichen noch die (medien)politischen.

Manche Kolleginnen und Kollegen, die damals Knall auf Fall ihren Job verloren haben, sind anderweitig untergekommen, vor allem in Pressestellen; meistenteils unter finanziellen Einbußen, aber immerhin.

Andere versuchen, sich mit Umschulungen oder mit Gründerprojekten aller Art durchzuschlagen – vom Blog über die Spezialzeitschrift bis hin zur eigenen Kneipe. Von glücklichen Einzelfällen abgesehen, dürfte hier die bisherige Gewinn- und Verlustbilanz im Schnitt noch betrüblicher aussehen.

Wieder andere stehen gänzlich vor dem Nichts.

Das schienen noch Zeiten zu sein: Titelblatt-Ausriss einer umfangreichen Sonderbeilage zum 60jährigen Bestehen der Westfälischen Rundschau.

Das schienen noch Zeiten zu sein: Titelblatt-Ausriss einer umfangreichen Sonderbeilage zum 60jährigen Bestehen der Westfälischen Rundschau, erschienen im März 2006.

Mit Gehaltsfortzahlungen gemäß Kündigungsfrist oder auch Abfindungen (von denen die freien Mitarbeiter des Blattes nur träumen können) kann man sich eine Zeit über Wasser halten, aber irgendwann sind auch diese Mittel aufgebraucht. Besonders die Jüngeren sollten dann dringlich einen anderen Weg ins Berufsleben gefunden haben. Dazu kann man nach wie vor nur alles Gute wünschen!

Kein Wunder jedoch, dass die anfängliche Solidarität alsbald an vielen Stellen gebröckelt ist. Zwar trifft und hilft man einander noch hie und da. Doch muss in erster Linie jede(r) sehen, wo er/sie bleibt. Diese leider nur zu verständliche Haltung hat sich schon recht früh abgezeichnet. Man möchte seufzen.

Erst recht hat die Empörung außerhalb der Kollegenschaft nach einiger Zeit spürbar nachgelassen. Man beachte beispielsweise die wachsende Windstille auf den diversen Soli-Seiten im Internet. Die Leute haben ihre eigenen Sorgen.

Obwohl der Umgang mit der WR-Redaktion bundesweit immer noch beispiellos ist, sind seither etliche andere Themen in den Vordergrund gerückt. Auf diesen Vergessens-Effekt hat sicherlich auch die Funke-Geschäftsführung bauen können.

Die Presselandschaft in Dortmund und der Region ist jedenfalls wirklich spürbar verarmt. Beispielsweise haben es die Ruhrnachrichten nicht mehr nötig, mit verstärkten Anstrengungen auf etwaige Konkurrenz zu reagieren. Das schlägt sich nicht nur im gelegentlichen Nachlassen der journalistischen Qualität nieder, sondern generell in den Debatten, die etwa in Dortmund (nicht) geführt werden. Hier kann man studieren, wie ungut sich ein lokales Quasi-Monopol in einer der größten Städte der Republik auswirkt; ein Lehrstück und ein reiches Betätigungsfeld für den Studiengang Journalistik an der örtlichen Hochschule…

Neuerdings war zu lesen, dass Funke-Geschäftsführer Christian Nienhaus, der die Schließung der WR-Redaktion an vorderster Front vorangetrieben und vertreten hat, die Gruppe wohl verlassen wird. Seine Abfindung wird gewiss für alle Lebenszeit reichen.




Ihre Karriere begann in Gelsenkirchen: Die Sängerin Marilyn Horne wird 80

„Die größte Sängerin der Welt“: Was wie eine maßlose Übertreibung klingt, hat der Gesangsexperte Jürgen Kesting in seinem Standardwerk über große Sänger als Überschrift für das Kapitel über Marilyn Horne gewählt. Stimmkenner sind sich einig: Die Amerikanerin, die am 16. Januar 2014 achtzig Jahre alt wird, bleibt auf dem Feld des Belcanto ungeschlagen. Begonnen hat die Karriere der warmherzigen Frau mit den strahlend blauen Augen vor 57 Jahren in Gelsenkirchen.

Im Juli 1957 reiste die 23-jährige, in Bradford, Pennsylvania, geborenen Marilyn Horne von Wien aus ins Ruhrgebiet. In eine Stadt, die geprägt war von Bergbau und Schwerindustrie, noch versehrt von Wunden des Krieges, doch schon beflügelt vom Wiederaufbau: Das neue Theater war in Planung. Noch spielte man in der Schauburg in Buer, im Hans-Sachs-Haus, an zahlreichen Abstecherorten.

Generalintendant Gustav Deharde hat die junge Unbekannte, die Igor Strawinsky nach Wien geholt hatte, als „Zwischenfachsängerin“ engagiert. Ihre erste Rolle war die Giulietta in Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Ende 1957 alternierte sie mit der damaligen Primadonna in Gelsenkirchen, Maria Helm, als Amelia in Verdis „Simon Boccanegra“.

Im gleichen Jahr noch realisierte Deharde ein ehrgeiziges Projekt: In Bühnenbildern des später weltberühmten Günther Schneider-Siemssen inszenierte er Puccinis „Mädchen aus dem goldenen Westen“, mit Marilyn Horne in der Hauptrolle der Minnie. Von der späteren Karriere als Koloratur-Mezzosopran war noch nichts zu ahnen. Mit Rossinis „Italienerin in Algier“, in jenen Jahren auf dem Spielplan in Gelsenkirchen, wurde die Amerikanerin nicht betraut. Horne selbst, ihren enormen Stimmumfang bis zum hohen C nutzend, verstand sich als Sopran.

In der folgenden Saison wurde die überregionale Kritik auf die Sängern aufmerksam: Zum Händel-Jahr 1959 gab es in Gelsenkirchen eine Ausgrabung, „Ezio“, mit Horne in der Rolle der Fulvia. Auch wenn sie, wie die „Westfälische Rundschau“ maliziös vermerkte, „figürlich nicht immer ganz die zarte Römerin geben konnte“, wurde ihre Darstellung durchweg gelobt: ein „Sopran von erstaunlichem Volumen und bestechendem Timbre“, eine „warm strömende und dramatisch aufleuchtende“ Stimme, die den figurierten Stil überzeugend traf.

Ähnlich lauteten die Kritiken auch, als Marilyn Horne Tatjana in Tschaikowskys „Eugen Onegin“ übernahm und 1960, schon in neuen Haus, die Mimí in Puccinis „La Bohème“ gestaltete. Der Kritiker der WAZ bescheinigte ihr eine großartige Leistung. „Sie besitzt edles Stimmmaterial, das sie souverän einzusetzen weiß. In den großen Arien erblüht ihre Stimme zu vollem Glanz.“

Ihre „Galeerenjahre“ in Gelsenkirchen schloss Horne mit einer Aufsehen erregenden Partie ab: Sie sang die Marie in Alban Bergs „Wozzeck“. Ihre Vitalität überraschte, ihre Stimme hielt auch dem schmetternden Orchester stand, kommentierte die „Buersche Zeitung“. Die WAZ bewunderte ihr Temperament und ihre traumwandlerische Sicherheit. Ein Kritiker dieser Zeitung, Günter Engler, bewunderte ihr Temperament: „Ein Weibsbild … prallvoll von Leben. Da springt wirklich der Funke über.“ Und die „Rheinische Post“ wies damals schon darauf hin, dass man sich die Sängerin merken müsse.

Fünf Jahre später regierte Marilyn Horne gemeinsam mit der Sopranistin Joan Sutherland den Olymp des Belcanto. Danach sah es zunächst nicht aus: In San Francisco und Chicago begann sie ihre US-Karriere mit der Marie in „Wozzeck“. Ihre australische Koloratursopran-Partnerin lernte sie 1961 bei einer Aufführung von „Beatrice di Tenda“ von Vincenzo Bellini kennen. In den folgenden Jahren eroberte sich Horne das weitgehend vergessene Fach des Koloratur-Mezzosoprans. Mühelos brillierte sie mit anspruchsvollen, oft vergessenen Partien von Bellini, Rossini, Meyerbeer. Mit Montserrat Caballé, die 1965 für Horne in Donizettis „Lucrezia Borgia“ in der Carnegie Hall eingesprungen war, verband sie eine langjährige künstlerische Partnerschaft. Die Auftritte der beiden Belcanto-Sängerinnen gehörten zu den Höhepunkten zeitgenössischer Gesangskunst; die Duette aus Rossinis „Semiramide“, die Virtuosenstücke aus „Tancredi“ oder Meyerbeers „Le Prophète“ versetzten die Zuhörer in Taumel. Hornes Händel-Interpretationen ließen Tränen fließen.

Im Jahr 2000, immer noch makellos bei Stimme, beendete Marilyn Horne ihre Opernkarriere. Einige Jahre gab sie noch Liederabende mit Folksongs und populären Melodien amerikanischer Komponisten wie Irving Berlin oder Stephen Foster. Mit ihrer Stiftung, der „Marilyn Horne Foundation“, ermöglichte sie bisher in 300 Projekten über 30.000 Studenten, sich in Opern- und Liedgesang zu vervollkommnen. Sie gibt Kurse und Meisterklassen an mehreren Universitäten in den Staaten. An der „Music Academy of the West“ in Santa Barbara, Kalifornien, verantwortet sie nicht nur Meisterklassen in Gesang, sondern auch szenische Opernaufführungen. Ihre Ehrungen und Auszeichnungen füllen eine seitenlange Liste. Bewahrt hat sie sich ihre unkomplizierte, warmherzige Persönlichkeit – und ihre strahlenden Augen. Immer wieder, so wird erzählt, sei sie auf der Durchreise in Gelsenkirchen aufgetaucht und habe alte Kollegen besucht: Ihr warmes, freundliches Herz wollte sie keiner Karriere der Welt opfern.

An ihrem 80. Geburtstag am 16. Januar präsentiert die Carnegie Hall New York eine Lied-Gala mit einer Reihe weltbekannter, mit Marilyn Horne verbundener Künstler, darunter Piotr Beczala, Renée Fleming, Samuel Ramey, Federica von Stade und ihr langjähriger Liedbegleiter Martin Katz. Gleichzeitig findet die jährliche Meisterklasse der Sängerin statt – diesmal mit Christa Ludwig als Gast. Im Sommer wird die Music Academy of the West in Santa Barbara zu Hornes Ehren Bizets „Carmen“ in Szene setzen. Die Sängerin hatte 1954 in dem Film „Carmen Jones“ ihre Stimme der Schauspielerin Dorothy Dandridge „geliehen“ – Hornes erstes größeres professionelles Engagement.