Aufrüttelnde TV-Doku: Organhandel zwischen Kriminalität und Lebensrettung

Manila, Philippinen. Ein Mann in den Slums ist bereit, sich für 2500 Dollar eine seiner beiden Nieren entfernen zu lassen, um sie für eine Transplantation zu spenden.

Für das Geld müsste er zwei Jahre lang als Hilfsarbeiter schuften. Kann man bei all dem von „Freiwilligkeit“ reden? Haben diese Menschen wirklich eine Wahl? Oder erleiden sie die schamlose Ausbeutung einer Zwangslage, an der skrupellose Händler und Ärzte noch viel mehr verdienen?

Keine einfachen Antworten

Ric Esther Bienstocks kanadische Doku über den „Schwarzmarkt Organhandel“ (arte) gab sich mit einfachen Antworten nicht zufrieden. Auf allen Seiten wurde gewissenhaft recherchiert, so gut es eben ging. Die geduldige Langzeitbeobachtung ließ manch eine Schattierung des Themas erkennen und ließ Fragen offen: Ist es nicht allemal besser, Leben zu retten; koste es, was es wolle? Zumal, wenn man erfährt, unter welchen Bedingungen schwerkranke Dialyse-Patienten auf ein Spenderorgan warten. Die Wartelisten sind deprimierend lang…

Bereit, eine Niere zu verkaufen: Familienvater "Eddieboy" aus Manila. (© arte/Associated Producers Ltd.)

Bereit, eine Niere zu verkaufen: Familienvater „Eddieboy“ aus Manila. (© arte/Associated Producers Ltd.)

Der aufwendige, aber wohltuend unspektakuläre Film begab sich auf globale Spurensuche, u. a. zwischen Toronto, Denver, Tel Aviv, Istanbul, Pristina (Kosovo), Moldawien und den Philippinen. Dort zeigten reihenweise Männer ihre Operationswunden und erzählten freimütig, was sie mit dem Geld für die Nierenspende angefangen haben: Familie ernährt, kleines Haus gebaut, Ausbildung der Kinder bezahlt oder auch Saufschulden beglichen. Eine Frage des Überlebens. Eine Frage der Würde. Kleines Glück, Schande und Angst liegen bestürzend nah beieinander. Und was geschieht, wenn das Geld aufgebraucht ist? Werden dann etwa andere Organe angeboten?

Irrsinnige Tarife

Irrsinnig die Tarife des illegalen Organhandels: In Indien erhält ein Spender umgerechnet gerade mal rund 1000 Dollar für eine Niere, in Ägypten etwa 2000, in der Türkei 10000. Ein US-amerikanischer Empfänger muss derweil eine Hypothek aufnehmen und über 100.000 Dollar für Spende und OP bezahlen.

Wer verdient an dieser immensen Spanne? Schemenhaft ließ die Reportage ein Netz der Zwischenhändler, Organisatoren und Chirurgen ahnen, die ihr lukratives Tun zu verschleiern und zu beschönigen suchen. Dennoch wurden die Letzteren nicht schlichtweg als Abkömmlinge des „Dr. Frankenstein“ verteufelt, wie vorher so oft und wohlfeil in manchen Medien geschehen.

Alles legalisieren?

Der gut situierte Arzt Yusuf Sonmez in Istanbul, nach gut 850 mutmaßlich illegalen Operationen mit internationalem Haftbefehl gesucht, kann es sich offenbar leisten, sich lachend in den bestens gepolsterten Ruhestand zurückzuziehen. Man möchte am liebsten dreinschlagen, wenn man sein selbstgefälliges Grinsen sieht. Und dennoch: Hat er nicht das Leben von Menschen gerettet, die sonst gestorben wären? „Ich bin mit mir im Reinen“, behauptet er. Die Türkei sollte er allerdings nicht mehr verlassen, sonst droht ihm Gefängnis.

Man könnte solchen Leuten das Handwerk legen: Es erhob sich die durchaus ernsthafte Frage, ob sich Organhandel nicht legalisieren, also staatlich regeln und somit beleben ließe. Bis es so weit ist, muss allerdings noch manche medizinische Ethik-Kommission beraten, von politischen Entscheidungen ganz zu schweigen. Die Dringlichkeit führte ein Schriftband am Schluss vor Augen: „Während Sie diesen Film gesehen haben, sind 118 Menschen an Nierenversagen gestorben.“




Mein kleiner flacher Geselle

Der flache Geselle und ich. (Bild: Privat)

Der flache Geselle und ich. (Bild: Privat)

Noch vor einem Jahr gehörte ich zu jenen ehrenwerten Menschen, die sich dem Digitalmonster Facebook verweigern. Mit sogenannten Friends banales Zeug austauschen? Niemals! Jetzt bin ich drin – und liebe es.

Ja, mein Bedürfnis an perlenden Tischgesprächen und guten Büchern hat tatsächlich gelitten. Sogar ins Café nehme ich anstelle der Tolstoi-Dünndruckausgabe das iPad mit, meinen kleinen flachen Gesellen. Denn ich muss immer erst mal gucken, was so läuft.

Aha, Friend Simon (den ich im wahren Leben sieze) hat in Brüssel eine Tüte Fritten fotografiert, und Lydia (die ich überhaupt nicht kenne) beneidet ihn darum. Das ist vielleicht nicht wirklich wichtig – aber es beruhigt. Genau wie die blauen Augen eines Weimaraner Vorstehhundbabys, das demnächst zur Familie von Friend Hans gehören wird. Ein Labsal fürs einsame Gemüt sind auch die Retro-Songs („Stand by me“) und japanischen Kunstfotografien, die meine Tochter im fernen Paris so postet. Friend Bernd mag wie ich die lieblich-lahmen Chansons von Francoise Hardy und zeigt der Welt skurrile Currywurstbudenschilder („Kumpelschale“) oder den Dortmunder Mondschein zwischen kahlen Zweigen. Damit ergattert er tagtäglich lebhafte Kommentare und Dutzende von „Gefällt mir“-Klicks. Schließlich hat er 321 Friends.

Ich habe nur 87, und höchstens zwei bis drei finden meine Hervorbringungen toll. Das ist schlapp. Von den allermeisten höre und sehe ich überhaupt nie etwas auf meiner Facebook-Startseite. Haben die mich etwa weggeklickt – oder was? Einige pflegen die Karriere durch Chefschmeicheleien oder retten die Welt durch politisch korrekte Links. Dazu fehlt mir der Impuls. Seufz. Facebook kann auch ein Quell des Zweifels werden, bigger than life. Ich tröste mich, indem ich bei Anderen etwas Freundliches kommentiere – wofür ich prompt ein Händchen mit erhobenem Daumen bekomme. So läuft’s Business, ich verstehe.

Man darf die Welt auch zur Gefallenskundgebung einladen, das ist kurioserweise nicht peinlich. Ich soll zum Beispiel das Frauenmuseum Bonn mögen. Aber ich kenne das Frauenmuseum Bonn gar nicht. Nach Ansicht meiner Tochter kann ich trotzdem mal auf „Gefällt mir“ klicken. Und überhaupt sollte ich nicht immer so kritisch sein und ein You-Tube-Video mit animierten Gemälden als „Digitalkitsch“ bezeichnen. „Öffentliches Gemotze ist peinlich, Mama“, wurde ich belehrt.

Das irritiert mich schon – genau wie die Tatsache, dass in der Reklamespalte auf meiner Startseite für Senioren-Websites („Bist du 55 oder älter?“), „Schicke Big Size Kleider“ und Haartransplantationen geworben wird. Ich glaube, heute Abend versuche ich’s mal wieder mit einem perlenden Tischgespräch und leibhaftigen Friends. Aber der kleine flache Geselle wartet. Und nachher, da guck ich wieder, was so läuft.




Im Altar ein Türchen für den Prediger

Eine Stadt wie Köln kann mit ihrem weltberühmten Dom natürlich überall Eindruck schinden, aber auch im Ruhrgebiet gibt es sehr sehenswerte Sakralbauten.

Man denke nur an das Essener Münster oder die Stiepeler Dorfkirche, die es vor einigen Jahren zu ihrem 1000. Geburtstag sogar auf eine Sonderbriefmarke schaffte. Ein hübsches Kleinod findet man auch im Ennepetaler Stadtteil Voerde – die evangelische Barockkirche Johannes der Täufer.

Die Johanneskirche Voerde um 1930.

Die Johanneskirche Voerde um 1930, damals noch nicht weiß.

1780 wurde das Kirchlein gebaut. Den heute weiß getünchten Bau auf der Höhe sieht man schon von weitem, wenn man sich Voerde nähert. Der fast quadratische Innenraum wird von einer Tonnendecke aus Holz überspannt, die mit Ornamenten und biblischen Bildern bemalt ist.

Eine sehenswerte Besonderheit bildet jedoch der barocke Altar mit einem Gemälde des letzten Abendmahles, denn direkt über dem Altar befindet sich die Kanzel mit einem Schalldeckel. Der Prediger klettert also über eine Treppe im Rückraum des Altars in die erste Etage und tritt dann durch eine Tür im Altar-Obergeschoss vor sein Publikum. An jeder Seite dieses Tores steht eine Apostelfigur – links Petrus und rechts Paulus.

Natürlich stehen die Pfarrer in heutiger Zeit lieber vor dem Mikrofon auf gleicher Höhe mit ihren Schäfchen, aber bei besonderen Gelegenheiten wird auch heute noch die Altarkanzel genutzt.

Noch eine Seltenheit kann man aus dieser Kirchengemeinde erzählen: Über Jahrhunderte war die Gemeinde geteilt, und die Grenze verlief damals mitten über die Hauptstraße. Die östliche Seite der Pfarrei, auf der auch die Kirche steht, gehörte zu Hagen, die westliche Seite zu Schwelm. Sogar um die Kirmes auf dieser Hauptstraße gab es Streit, denn jede Seite wollte die Buden für sich haben. Das ist lange vorbei: Voerde ist seit 1949 ein Teil der Stadt Ennepetal, die zwar landschaftlich zum Sauerland, politisch aber zum Ruhrgebiet gehört.