Action bis zum Veitstanz: Peter Thorwarths Film „Nicht mein Tag“

Der guten Ordnung halber: Ich war natürlich drin. Wenn ein Filmschaffender aus Unna auch mal außerhalb der Unna-Trilogie einen Film macht, gehört es sich für Unnaer, sich den anzusehen. Und das ohne Rücksicht auf die eigene Person.

Ich meine damit nicht, dass ich das Gesehene als anstrengend und folteresk bewerte, sondern dieses „ohne Rücksicht“ bezog sich auf unpassenden Cola-Genuss und Nacho-Verzehr (natürlich mit Käsesoße) während einer postweihnachtlichen Diät. Ansonsten: Peter Thorwarth hat eine unterhaltsame und professionell saubere Arbeit gemacht, die mir gefiel, weil sie meinem Spaßbedürfnis an diesem Tage entsprach.

Filmplakat zu "Nicht mein Tag" (© Sony Pictures)

Filmplakat zu „Nicht mein Tag“ (© Sony Pictures)

Nur entfernte er sich streckenweise so weit von Ralf Husmanns Romanvorlage, dass ich mich bisweilen richtig freute, etwas davon wiedererkennen zu dürfen. Das war zwar nicht absolut störend, aber mitunter gar nicht nötig, weil „Nicht mein Tag“ auch in seiner lesbaren Urform schon ebenso cool wie prima erzählt war und actiongeladene Wahnsinnsstunts nicht nötig hatte. Bisweilen, so hatte ich das Gefühl, gingen Peter Thorwarth und seinen Freunden ein wenig die Pferde durch und sie versuchten auf den einen Topact sofort noch einen topperen draufzusetzen.

Die Story: Nappo (Moritz Bleibtreu) ist ein Kleinkrimineller, hübscher Kerl, aber etwas frittenfettiger Typ, der seinen Traum vom antiken Ford-Mustang verwirklichen will und den adretten Banker Till (Axel Stein in S-Format) um einen Kredit bittet, während der in Gedanken schon beim Geburtstagsständchen für den flatulenten Zweigstellenleiter ist. Weil die beiden nicht zu Potte kommen, überfällt Nappo tags darauf die Bank, nimmt knapp 20000 Euro mit und dazu noch Till, der ebenso blöd wie mutig verhindert, dass der Räuber eine niedliche junge Kollegin entführt.

Nun verunsichern sie in Tills Familienkutsche die Autofahrer der Region, um in einem Schrebergarten das dortige Häuschen als Nachtlager zu nutzen. Nachdem Till aus dem Kofferraum entlassen ist, kommen die beiden ins Gespräch und sich langsam näher. Als sie feststellen, dass der Hunger sie plagt, schwärmt Till von „Kaninchen, lecker geschmort in Soße“. Wunderbar, wie der böse Nappo sich zur Seite dreht und wortlos einen Rammler umnietet, der zuvor noch fasziniert dem Gespräch lauschte. Das war Ralf Husmann. Till und Nappo klampfen Rock zur Akustikgitarre, trinken Bier und Till kommt die Klarheit, dass sein Leben anscheinend so verläuft, wie er es sich vor Jahren, vor der Ehelichung der Mutter seines Kindes, nun überhaupt nicht vorgestellt hatte.

Ab da verlässt der Plot die Vorlage vollends. Es gesellen sich allerlei bekannte Gesichter zur Erzählung, die roadmovig ein entferntes „Scheerburg“ (gemeint ist Cherbourg) zum Ziel haben soll, das aber nie erreicht wird. Till Schweiger in Kurzfassung („Till, Till, ich heiße auch Till!“), Ralf Richter, der Mustang-Verkäufer, Tom Gerhardt, die Stimme des Navis, das den Ford nach Amsterdam den rechten Weg weist.

Ferner gibt es Verwicklungen mit beraubten Albanern, volltrunkene Veitstänze mit Rockstars, Totalschäden am laufenden Band in Grachtenuferstraßen Amsterdams bis hin zur albanischen Entführung der Till-Gattin…

Schlussbild: Till-Gattin und der gemeinsame Sohn warten vor einer Kleinkriminellen-Verwahrstelle auf den Papa, der tritt durchs Tor, umarmt die liebe Familie und schreitet in ein neues Leben, das er so abwechslungsreich wie aufregend gestalten will, eben ganz anders als der White-Collar-Banker von einst. Happy, happy Ende!

Fast nichts erinnerte mehr an die drei Filme von Peter Thorwarth, die heute als Unna-Trilogie bekannt sind. Ganz viel rasantes Kino, glatt und professionell, wirklich nicht schlecht, aber eben völlig ohne die Haken und Ösen seiner Vorgänger, die das Ganze so authentisch-sympatisch erscheinen ließen. Gutes Handwerk, aber auch ein Zeichen, dass es nun einen ganz anderen Peter Thorwarth gibt. Einen, der zwar Ralf Richter noch dabei hat, aber einen Ralf Richter, der passend gemacht ist.




Er war der Bariton des Wirtschaftswunders: Fred Bertelmann ist tot

Er spielte klassisches Theater (u.a. „Götz von Berlichingen“ oder „Der Widerspenstigen Zähmung“), er füllte Boulevard-Theater-Säle („Die Sonny-Boys“) oder Musical-Bühnen („Kiss me Kate“), er war jahrelang Star an der Oper in Chicago in „Showboat“, er spielte Cello, Violine und Trompete, er wollte mal Kinderarzt werden … und: Wie kaum ein anderer malte er mit seinem warmen Bariton das Lebensgefühl der 1950-er Jahre: Fred Bertelmann, der Junge aus Duisburg-Meiderich, ist am gestrigen Mittwoch mit 88 Jahren gestorben.

Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=k7uPpGXb2Po

Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=k7uPpGXb2Po

Als ich davon las, hatte ich sofort das Bild des „Lachenden Vagabunden“ vor Augen und dieses Lied im Ohr, hörte die fröhliche Melodie (eigentlich „Gambler’s Guitar“ von Jim Lowes) und Fred Bertelmanns schallenden Lachgesang, mit dem er 1957 die Hitlisten in Deutschland erklomm. Da hatte er schon ein paar Nachkriegsjahre als Musiker erfolgreich hinter sich, hatte in Schweden mit Zarah Leander musiziert, Michael Jary kennengelernt, auch seinen späteren Produzenten Nils Nobach und natürlich seinen Manager Stefan von Baranski, der seinen Weg zum Aufstieg ebnete.

Und so wurde aus dem Soldaten, der 1944 in amerikanische Gefangenschaft kam und Swing-Erfahrungen sammelte, einer der ersten deutschen Superstars, der durch seine enorme künstlerische Vielseitigkeit zwar seine Zeitgenossen faszinierte, aber schon bald auf diesen „Vagabunden“ reduziert werden sollte: Fred Bertelmann, die Wirtschaftwunder-Ikone, der Schlager-Gassenhauer-Interpret, der ein Lebensgefühl spiegelte, in dem Deutschland versuchte, sich aus dem Trümmerfeld und den Erinnerungschrecken, die der Krieg hinterlassen hatte, heraus zu pellen.

Bereits ein Jahr nach dem Erscheinen des „Lachenden Vagabunden“ wurde ein Kino-Film aus dem dürren Stoff, den Fred Bertelmann besang. Als er in Duisburg Premiere feierte, hatten die Kinder schulfrei. Sein Erfolg strahlte bis über den Atlantik, wo er bei Dean Martin und Perry Como in deren Shows auftrat. Daheim stellten sich Marika Rökk, Gerhard Wendland, Vico Torriani oder der unvergessene Hans-Joachim Kulenkampff allzu gern an seine Seite, um mit ihm angestrahlt zu werden. Und mit Ruth Kappelsberger, der ehemaligen TV-Ansagerin, bildete er ab 1966 ein skandalfreies Traumpaar der damaligen Showszene.

Noch 2005 und 2006 trat er an der Bayerischen Staatsoper im Rahmen der Münchner Opernfestspiele als Aeneas auf der Bühne des Prinzregententheaters in München auf. Fred Bertelmann war eben ein ungemein vielseitiger und viel arbeitender Musiker.

Nach dem „Vagabunden“ kamen  viele weitere Hits. Zum Beispiel: „Wenn es Nacht wird in Montana“, „In Hamburg sind die Nächte lang“, „Zwei Gitarren am Meer“, „Ein kleines Lied auf allen Wegen“, „Arrivederci Roma“, „Meine Heimat ist täglich woanders“, „Ti amo Marina“, „Schwalbenlied“, „Es wird in 100 Jahren wieder so ein Frühling sein“, „Gitarren klingen leise durch die Nacht“, „Es ist ein Herzenswunsch von mir“, „Ich wünsch‘ dir eine schöne Zeit“, „Die Mühlen“, „Mit dir möchte ich 100 Jahre werden“, „Amore mio“; etwas von all dem wiedererkannt? Und doch: Fred Bertelmanns Bild und Musik wurden stets mit dem „Vagabunden“ verbunden.

Frei sein, ungebunden durch die Welt zu streifen, individuell sein und niemandem unterworfen, lachend Obrigkeiten und Konventionen herausfordern. Das waren die Botschaften des kleinen Textes, den Fred Bertelmann sang, der die staubentsteigenden Menschen begeisterte, weil sie unterbewusst spürten, dass dies alles vor nicht allzu langer Zeit brutal unterdrückt worden war. Fred Bertelmann hat zwar nicht mir, aber meinen Eltern und ihren Zeitgenossen das Geschenk der ungetrübten Fröhlichkeit gegeben.

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„Der lachende Vagabund“: http://www.youtube.com/watch?v=k7uPpGXb2Po