Wer steckt eigentlich hinter dem „Oscar“?

Seit ich alljährlich meine persönlichen Gedanken zu den Oscar-Nominierungen niederschreibe, frage ich mich heute mal: „Who da fuck is Oscar“, obwohl das richtig heißen müsste, „Who da fuck is…“ diese ominöse „Academy of Motion Pictures“? Wer steckt dahinter? Kennt man die Leute? Sind das hoch dekorierte Aktricen und Akteure, Regisseure, Dekorateure, Requisiteure, Komponeure, Friseure, Couturiers, Make-up-Artisten, Drehbuchschreiber, Autoren, Kameraleute, Editoren, Cutter, Kabelträger, Besetzungsbüros, und andere Filmschaffende?

Oder gar Multimillionäre, Banker, Wheeler/Dealer, Money Traders, die Mafia vielleicht (an alle strenggläubigen Frauenrechtspersonen jeglichen Geschlechts: all diese Berufe auch für –innen, versteht sich von selbst)?

Ich hatte nie drüber nachgedacht.

Seit nun aber schon wieder so ein Mogelpaket mit Namen ADAC geplatzt ist und auch seit wir ja jetzt mit Gewissheit erkennen durften, dass dieser früher von vielen belächelte „Big Brother“ unser Leben nicht nur vollelektronisch überwacht, sondern auch steuert, hab ich mal ein bisschen recherchiert. Bei Wikipedia und Co. Da weiß man ja auch nicht immer, woher die Informationen kommen, ob sie komplett sind, und ob sie stimmen. Aber ich bin gutgläubig und nehm das jetzt alles mal als ziemlich wahr hin.

Ehrenamtlich und gemeinnützig

Ich wollte also wissen, wer genau die Bestimmer von Qualität und Leistung in der Illusionsfabrik Hollywood sind.

Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) wurde 1927 als eine ehrenamtliche und gemeinnützige Organisation gegründet. Das heißt soviel wie: Die kriegen keine Knete für ihr Schaffen. Die Gründungsmitglieder kommen tatsächlich aus den von mir vermuteten Bereichen und noch ein paar mehr. Aber mafiöse Verbindungen sind nicht dokumentiert (die werden sich hüten, so was an die Öffentlichkeit dringen zu lassen). Obwohl, da ging ja mal die Frankie „Old Blue Eyes“ Sinatra-Geschichte einer Mafia-Connection durch die bunten Blätter. Alles nur Gerüchte?

Die Mitglieder also arbeiten (immer noch) ehrenamtlich. Das ist vielleicht für einige der Weltstars ein Opfer, wo ich doch immer wieder lese, dass man in den Kreisen gern schon für einen kleinen Händeschüttler bezahlt werden möchte. Aber schließlich, was zählt, ist doch zuerst die Ehre, dann das Amtliche.

Angeschwollen auf über 6000 Akademie-Mitglieder

Aus den anfänglichen 36 Mitgliedern wurden dann in 86 Jahren über 6.000, darunter manche, deren Namen nur begrenzt bekannt waren und wurden. Mitglied wird man nur auf Einladung der AMPAS. Wer über die Jahre des Filmschaffens einen oder gar mehrere Oscars einsammelt, darf fest damit rechnen, in den erlauchten Kreis eingeladen zu werden.

Damit da nun nicht alles kreuz und quer und chaotisch durcheinander läuft, gibt’s natürlich eine Organisation wie im richtigen Leben mit Präsident(in), 1. bis 3. Vize-Präsidenten, Schatzmeister, Sekretariat und CEO, dessen oder deren Aufgabe sich mir nicht ganz erschließt. Aber auch in Lala-Land ist ein Verein ohne Geschäftsleitung nichts. Auch eine Non-profit-Gesellschaft braucht eine Sekretärin, und die bekommt hoffentlich trotz aller Ehrenamtlichkeit ein Gehalt.

Titel wie Vice President und CEO machen sich immer gut auf einer Visitenkarte bei einer Party oder bei einem Telefonat, auch wenn das eine finanzielle Luftnummer ist. Da hat man halt was Eigenes, wie ein Diplom oder einen Ehrendoktor, mit dem man Eindruck schinden kann. Namentlich in Erscheinung treten diese Herrschaften äußerst selten.

Es gibt unheimlich viel zu gucken

Nun also sitzen jährlich Tausende von ebendiesen Filmschaffenden zuhause rum und gucken Filme ohne Ende. Nebenbei werden sie ja auch noch selber mal hier und da ’ne Rolle übernehmen. Je nach Autor, Story und Regisseur kann das auch ne wochen-, monate- oder jahrelange Sache werden. Ob die sich dann nach einem anstrengenden Dreh abends noch in ihre Wohnwagen schleppen, um das Material für den nächsten Preisverleih zu sichten? Das ist nicht überliefert. Aber falls sie es tun, dann gab’s für die diesjährige Veranstaltung viel, viel zu gucken, denn einige der nominierten Werke sind tatsächlich 180 Minuten lang.

That’s a lot of viewing! Und sie bekommen dafür ja höchstens diese Beutelchen mit hochwertigen Sächelchen drin, die „Goody Bags“ (und die Ehre natürlich). Da ist Kram drin, die keiner der Hollywoodies braucht, aber nett zum verschenken an Freunde, Verwandte und Fans. Oder verscherbeln sie es bei Ebay? Eine Gucci-Sonnenbrille, die Uma Thurman mal angefasst hat, das bringt bestimmt was ein.

Mein Fazit also, da sie es alle nur für Krishnas (beliebig ersetzbar durch andere Gottfiguren) Lohn tun, hoffe ich auch, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen jurieren. Ganz sicher bin ich da ja nie.
Vielleicht sagt sich da auch mal die Eine oder der Andere: „Hach nee, die/den kann ich nicht ab, keine Stimme von mir, egal wie göttlich die/der da war“. Oder solche, die grad nen brandheißen Film zu verhökern haben, antichambrieren und verführen Stimmberechtigte mit Champagner in Jacuzzis, gefüllt mit lauwarmer Eselsmilch – und reichen dazu frittierte Elefantenhoden.

In 86 Jahren präsidierten nur drei Frauen

Erstaunlich finde ich, dass in den ganzen 86 Jahren nur drei Frauen Präsidentin der Akademie waren. Die erste war Bette Davis 1941. Nach zwei Monaten schmiss sie der Academy ihr Amt vor die Füße, da war sie 33. Offizieller Grund: zu viel Filmarbeit, um diesen Job ausfüllen zu können. Hinter vorgehaltener Hand entwichen allerdings die wahren Gründe, nämlich, dass sie stinksauer war, weil sie vermutete, dass sie nur als Pappkameradin, Quotenfrau quasi, ausgewählt worden war.

Dann folgten erst mal wieder Männer, von denen nur Gregory Peck zu Weltruhm kam. Fay Kanin musste bis 1979 warten, ihre Präsidentschaft dauerte vier Jahre. Wie im wirklichen amerikanischen Leben. Über Frau Kanin, die in Hollywood und der Filmbranche weltberühmt war, habe ich nicht viel erfahren können. Sie war nur einmal, mit Herrn Kanin, verheiratet und wurde 96 Jahre alt. Sie starb voriges Jahr.

Nun folgen ganz viele Männer, der bekannteste war Karl Malden. Erst voriges Jahr im Juli übernahm dann Cheryl Boone Isaacs. Sie ist African American und war bisher im Film-Marketing tätig. Sie hat die Marketing Kampagnen für „Forrest Gump“ geleitet, der ja dann einen Oscar für „Best Picture“ gewann. Wenn das keine Empfehlung für die Präsidentschaft ist! Wir werden sie dieses Jahr zur Eröffnung der Feierlichkeiten kennenlernen.

Auch wenn man den Eindruck gewinnen könnte, dass AMPAS eigentlich nur um sich selbst rotiert, stimmt das nicht. Sie unterstützen und fördern verschiedene Akademien rund um das Filmgeschäft. Sie vergeben Stipendien und gut dotierte Preise an Studenten und Schulen. Woher diese finanziellen Mittel kommen, konnte ich noch nicht rausfinden, wo doch alle Mitglieder ehrenamtlich arbeiten. Vielleicht fließt da Geld von den oben erwähnten Gönnern, Million-Dollar-Unternehmen und anderen Mäzenen.

Ein wenig eigener Senf muss sein

Noch in diesem Monat und vor der Übertragung der Oscar-Zeremonie (2. März) werde ich mich hier über einige Filme fürs diesjährige Event auslassen. Wie immer eine total subjektive Beurteilung, und ich ahne jetzt schon, dass Aufschreie durch die Reihen meiner Leser gehen werden.

Fünfeinhalb der neun nominierten Filme hab ich schon gesehen (manche davon durchlitten, besonders den halben). Da es meistens sehr lange Filme sind, muss ich sehen, dass ich mich kurz genug fasse, um alle wenigstens andeutungsweise zu würdigen. Und das dauert ja auch. Also, gedulden wir uns.

Leider bin ich ja nicht Mitglied in dieser ehrenwerten Organisation (das wär mein Traumjob, würd‘ ich glatt ohne Lohn, nur gegen Kost und Logis, machen), deshalb kann ich jetzt schon und ohne zweckorientierte Begleiterscheinungen meinen (bis jetzt) Lieblingsfilm für dieses Jahr nennen, der zwar nicht nominiert ist, dafür aber die leading (Cate Blanchett) und die supporting (Sally Hawkins) Lady: „Blue Jasmine“ von Woody Allen.

Noch diese Woche fange ich an, meinen Senf über diesen oder jenen nominierten Film zu breiten. Bis dahin: Hasta la vista, Baby.




TV-Nostalgie (10): „Fury“ – eine Zeitreise in die Kindheit

Von links: "Fury", Joey, Jim und Pete (Screenshot aus http://www.youtube.com/watch?v=mDZ2uXULqy0)

Von links: „Fury“, Joey, Jim und Pete (Screenshot aus http://www.youtube.com/watch?v=mDZ2uXULqy0)

Ach, schon der Vorspann führt einen mitten in die Kindheit zurück. Wie der kleine Joey mehrmals „Fuuuuury!“ ins weite Land hinaus ruft. Wie der schwarze Hengst dann endlich angaloppiert kommt und neben dem Jungen mit den Hufen scharrt. Und dann der legendäre Satz: „Na, Fury, wie wär’s mit einem kleinen Ausritt?“

1959 hatten meine Eltern ihren erstes Fernsehgerät gekauft, natürlich winzig und schwarzweiß. Seit dem 5. Oktober 1958 lief „Fury“ im Deutschen Fernsehen. Es war eine meiner allerersten TV-Erfahrungen. Wenn ich heute einige Episoden wiedersehe, ist das eine sentimentale Zeitreise.

Es geht um Moral und Anstand

Joey (Bobby Diamond) war als angeblich schwer erziehbarer Waisenjunge auf die „Broken Wheel“-Ranch von Jim Newton (Peter Graves) gekommen. Nicht nur der Junge muss „gezähmt“ werden, sondern auch ein wildes schwarzes Pferd namens „Fury“. Das aber gelingt niemandem besser als eben Joey. Nach dieser Probe wird er von Jim adoptiert und macht unentwegt Fortschritte – und mit ihm (so die deutliche Absicht und Hoffnung) die Kinder vor den Fernsehapparaten. Man sollte und konnte sich mit diesem Joey identifizieren.

Der Verfasser dieser Zeilen vor einigen Jahren bei gepflegter "Fury"-Lektüre (Bild: Privat)

Der Verfasser dieser Zeilen vor einigen Jahren bei gepflegter „Fury“-Lektüre (Bild: Privat)

Vor allem werden allerlei Moral- und Anstandsfragen durchgespielt und erörtert. Immer gilt es etwas zu lernen. Dabei geht es nicht so sehr um rationale Einsichten, sondern vor allem um die „innere Stimme“ des Gewissens, ja den Instinkt, der selbstverständlich in Reinkultur von „Fury“ verkörpert wird.

Ein ungemein kluger Hengst

Bei den vielen Abenteuern, die zu bestehen sind, spielt natürlich „Fury“ eine herausragende, oft entscheidende Rolle. Das Mindeste ist, dass der Hengst bei akuter Gefahr Alarm wiehert. Oft aber greift das ungemein kluge Pferd auch direkt ins Geschehen ein, indem es böse Menschen von ihrem schäbigen Tun abhält oder die Guten durch gezielte Stupser darauf hinweist, wohin sie sich wenden müssen.

Drei „Fury“-Folgen – jede rund 25 Minuten lang – habe ich mir noch einmal angeschaut: „Lebensfreude“, „Der starke Mann“ und „Ein alter Indianertrick“. In der zuerst genannten Episode geht es um Furys Sohn, der als „halbstarkes“ Tier zum nützlichen Mitglied der Pferdewelt erzogen werden soll. Dieser pädagogische Anspruch, der natürlich indirekt auch Joey betrifft, wird überdeutlich zur Sprache gebracht. So heftig könnte man heute nicht mehr den Zeigefinger schwenken.

Winke mit dem Zaunpfahl

„Der starke Mann“ dreht sich um gewaltlose Duldsamkeit als vorbildliche Haltung, die tollen Indianertricks beherrscht ein hinkender Junge, der einen Pferdedieb zur Strecke bringt. Auch hier winkt das Drehbuch mit dem Zaunpfahl.

„Fury“ spielt zwar nicht im klassischen Wilden Westen, sondern in der Gegenwart der 1950er und 1960er Jahre mit Auto und Telefon. Doch da draußen auf der Ranch stehen immer noch die alten Werte zur Debatte. Auch sind wir hier noch in einer nahezu lupenreinen Männerwelt. Jim Newton hat keine Frau, sondern mit dem alten Pete (William Fawcett) einen Koch und Haushälter, der nach damaligem Verständnis gleichsam eine Mutterrolle für Joey übernimmt.

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), „Bonanza“ (9)




Solisten des Bottroper Kammerorchesters zelebrieren Morton Feldmans stille Musik

Morton Feldmans Musik erklang im Bottroper Malakoff-Turm. Foto: Stadt Bottrop/Pressestelle

Morton Feldmans Musik fand im Bottroper Malakoff-Turm einen schönen Klangraum. Foto: Stadt Bottrop/Pressestelle

Vier Flötentöne bilden eine kleine, sachlich anmutende Phrase, sekundiert von Klavierakkorden, und darüber wölbt sich die schwebende Figuration des Vibraphons. Diese Musik ist Klang und trägt nichts Aggressives, Dissonantes, Gehetztes in sich. Sie changiert in aller Behutsamkeit, mit minimalen rhythmischen Verschiebungen, in sanfter Dynamik, mit wunderbaren Farbwechseln.

Der amerikanische Komponist Morton Feldman hat das Werk 1983 geschrieben, als Beitrag zur Gattung Trio, mit dem Titel „Crippled Symmetry“, verweisend auf die Tatsache, dass die Symmetrie des musikalischen Verlaufs beständig zerstört wird. Mitglieder des Bottroper Kammerorchesters haben es nun unter Leitung Kai Röhrigs im „Klangturm Malakoff“ aufgeführt. Ja, hier entfaltet sich der Klang prächtig, die Solisten agieren mit unerschütterlicher Präzision. Und das Publikum verharrt mucksmäuschenstill.

Das ist nicht unbedingt selbstverständlich. Denn Feldman hat kein Trio – für Flöte/Bassflöte (Birgit Ramsl), Vibraphon/Glockenspiel (Andreas Steiner) und Klavier /Celesta (Röhrig) – im klassischen Sinne geschrieben, als tönend bewegte Form. Vielmehr wählt der Komponist musikalische Elemente zur Gestaltung eines freien Klangflusses, der 90 Minuten lang währt. Festhalten kann sich der Hörer an bestimmten Phrasen oder Tonwiederholungen. Die aber, kaum vernommen, rasch wie ein Chamäleon ihre Farbe wechseln.

Dann kommt etwa die Bassflöte zu Wort mit ihrem dunklen Timbre, formuliert eine beschwörende Episode, das Glockenspiel assistiert staccato auf einem Ton, das Klavier grundiert samtweich. Oder die Celesta hellt die Szenerie noch ein wenig auf. Das Publikum darf sich dem ergeben, meditieren oder sinnieren, etwa über das Phänomen des Dauerns in der Musik.

Karlheinz Stockhausen hat versucht, mit „Natürliche Dauern“, einem Zyklus von 24 Klavierstücken, eine Antwort zu geben. 140 Minuten lang, als Bruchteil eines auf 24 Stunden angelegten Projektes namens „Klang“. Der Ton entfalte seinen wahren Charakter erst mit dem Ausklingen – was Feldman postulierte, hat Stockhausen 20 Jahre später in seinem Werk einfließen lassen.

Der Amerikaner wiederum verordnete seinem zweiten Trio eine Dauer von gut vier Stunden. Zum Zeitphänomen sagte Feldman: „Bis zu einer Stunde denkt man über die Form nach, doch nach eineinhalb Stunden zählt der Umfang. Man muss das ganze Stück überblicken – dazu bedarf es einer erhöhten Art der Konzentration“. Auch dieses Werk haben die Solisten des Bottroper Kammerorchesters aufgeführt, einen Tag später nach Nummer eins, in der Heilig-Kreuz-Kirche. Feldman schrieb das Stück als Hommage an den Maler Philip Guston. Eine Musik des Stillstands, wie der Komponist es selbst formulierte. Alles kommt sanft daher, schwebend und zwischendurch nichts als Stille.

Noch einmal sei Feldman zitiert: „Meine Musik ist eher ein Monolog, der keiner Ausrufezeichen, keines Doppelpunktes bedarf“. Und: „Wenn man laut ist, kann man den Klang nicht hören“. Fürs Publikum eine musikalische Grenzerfahrung. Nun, wer wollte, konnte hinausgehen und sich eine Pause gönnen. Am Ende aber bleibt die Anerkennung für ein solcherart ambitioniertes Programm. Das Bottroper Kammerorchester traut sich was.

 

(Der Text ist in ähnlicher Form zuerst in der WAZ-Ausgabe Bottrop erschienen.)