TV-Nostalgie (11): Loriot – Humor mit Stil

Berühmte Szene mit Loriot: Liebeserklärung mit Nudel im Gesicht...  (Screenshot aus http://www.youtube.com/watch?v=zArEBFsviHs)

Berühmte Szene mit Loriot: Liebeserklärung mit Nudel im Gesicht… (Screenshot aus http://www.youtube.com/watch?v=zArEBFsviHs)

Der Mann ist wirklich eine Fernseh-Legende: Was Loriot (1923-2011) geschaffen hat, gehört fraglos zu dem, was man – etwas altfränkisch – den „Hausschatz deutschen Humors“ nennen könnte. Auf dieser ehrenvollen Liste stehen auch Namen wie Wilhelm Busch, Heinz Erhardt oder Robert Gernhardt…

Man muss ja nur ein paar Stichworte oder Halbsätze aus Loriots Werken nennen, die längst Allgemeingut sind – und schon wissen alle Bescheid: Jodeldiplom. Kosakenzipfel. Steinlaus. „Früher war mehr Lametta!“ – „Ein Klavier, ein Klavier!“ – „Die Ente bleibt draußen!“ – „Es saugt und bläst der Heinzelmann…“ Oder einfach das unnachahmlich lakonische „Ach was!“

Derlei Zitate, die allseits bekannt sind, kennzeichnen Klassiker.

„Bitte sagen Sie jetzt nichts…“

Denkt man nur an die Redewendung „Bitte sagen Sie jetzt nichts…“, so sieht man sofort ihn sofort wieder vor sich – jenen bedauernswerten Mann (natürlich Loriot), dem beim gediegenen Essen mit seiner Bekannten (natürlich Evelyn Hamann) die Nudel zunächst an der Oberlippe, am Kinn und dann an so manchen anderen Gesichtspartien klebt, während er sich eine Liebeserklärung abringt.

Mühsam um Beherrschung ringen

In solche hochnotpeinlichen, urkomischen Situationen geraten Loriots Figuren häufig. Mühsam suchen sie noch im größten Schlamassel ihre Beherrschung und Würde zu wahren, die Anstandsregeln einzuhalten. Doch ach, vergebens! Was da nicht alles entgleist!

Von Lebenserfahrung zeugen die Eheszenen von Loriot. Man denke nur an den Cartoon-Film vom Mann, der einfach nur mal still im Sessel sitzen möchte. Doch immer wieder scheucht ihn die Gattin auf: Er solle doch endlich mal etwas tun, was ihm Spaß macht. Wie die beiden aneinander vorbei reden, das ist zum Piepen!

Wie soll man Loriots Komik verorten? Ist sie nicht manchmal ein wenig hanseatisch? Oder gar einen Hauch britisch? Aber wir wollen uns jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Dazu sind wir zu lachlustig.

Manchmal auch ein bisschen boshaft

Schon die bloßen Geschichten sind gut, sie wären aber nur die Hälfte wert ohne punktgenaue Umsetzung und geschmackssichere Dosierung; auch und gerade, wenn kleine Schlüpfrigkeiten ins Spiel kommen. Bei Loriot (bürgerlich Vicco von Bülow) stimmt jedes Timing, es „sitzt“ jede Geste, auch sprachlich passt alles bis ins Kleinste. Übrigens war Loriot nicht immer nur nachsichtig mit menschlichen Schwächen, manchmal konnte er auch ein bisschen boshaft sein. Aber immer mit Stil und Niveau. Und niemals so platt wie mancher heutige „Comedian“.

Satte 90 Minuten Sketche bei RBB

Warum ich das gerade jetzt schreibe? Weil ich Vorfreude wecken möchte. Am morgigen Abend (Sonntag, 9. März) zeigt der Sender RBB satte eineinhalb Stunden Sketche von Loriot. Um 20.15 Uhr heißt es „Über Vertreterbesuche, Jodeldiplome und Urlaubsbekanntschaften“, um 21.00 Uhr schließt sich Teil zwei an: „Über Bananen, Lottogewinne und Schweifträger.“ Um 21.45 Uhr dürfte man dann schlapp in der Couchecke liegen und abwinken, weil man wieder dermaßen gelacht hat…

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Vorherige Beiträge zur Reihe: “Tatort” mit “Schimanski” (1), “Monaco Franze” (2), “Einer wird gewinnen” (3), “Raumpatrouille” (4), “Liebling Kreuzberg” (5), “Der Kommissar” (6), “Beat Club” (7), “Mit Schirm, Charme und Melone” (8), “Bonanza” (9), „Fury“ (10)




„Vorhofflattern“: Ein erregender Theaterabend

Foto: dman

Foto: dman

Was könnte man sich wieder aufregen: Über die miese Qualität von Taschentüchern heutzutage. Über die Scheiß-Tölen in der Stadt. Über Menschen auf Rolltreppen. Über die Erderwärmung und das trotzdem schlechte Wetter.

Wenn der Wutbürger sein eigenes Genörgel dann nicht mehr ertragen kann, besucht er einen Wut-Workshop. Dort sitzt er, probiert Modellbau als Substitution und versucht, konstruktiv mit seiner Wut umzugehen, was so einfach nicht ist: „Ich hasse Menschen, Tiere und Pflanzen. Aber Steine sind okay.“

„Vorhofflattern“ heißt das Stück von „artscenico performing arts“, das in Kooperation mit dem Dortmunder Theater im Depot und dem Theater Rottstraße in Bochum entstand. Die Gruppe um Rolf Dennemann, eigentlich Spezialist für ortsspezifische Inszenierungen, spielt diesmal nicht im Freien, nicht im Hotel oder auf dem Fried- oder Bauernhof, sondern ganz profan auf der Theaterbühne. Wut rauslassen lässt sich schließlich überall.

Wie ein überdimensionierter Stammtisch wirkt der schwarze lange Tisch, an dem die Darsteller (Karin Moog, Maximilian Strestik, Matthias Hecht, Manuela Stüßer) sitzen und Dampf ablassen. Was er seinen Darstellern in den Mund legt, hat Dennemann (Autor und Regisseur des Stücks) collagiert: Es sind Sätze aus Kommentaren in Sozialen Netzwerken und Internet-Foren, aufgeschnappt in Kneipen, gelesen in Leserbriefen. Es ist die vielleicht verzerrte, aber ungeschminkte öffentliche Meinung, die hier wütet: schreiend, zeternd, motzend, nörgelnd.

Um diesen Zustand der Dauer-Erregung auf der Bühne zu visualisieren, hat Dennemann starke Bilder gefunden. Schon vom Ankündigungsflyer glotzt schweinsäugig ein Pitbull in Lauerstellung. Im Stück taucht der Hund als Wackel-Dackel auf: Der Mensch (der Deutsche?) als ängstlich-angepasster Ja-Sager, dessen aufgestaute negative Energien sich an Nichtigkeiten entzünden und explodieren. Die vier Darsteller kommen und verschwinden wie Handpuppen im Puppentheater hinter ihrem schwarzen Podest und regen sich künstlich auf: Gegeben wird ein großartiges Wut-Theater der großen Posen.

Vorhof1

Foto: dman

Doch dann, plötzlich, bewegt sich ein Wesen auf dem Tisch. Es kriecht und schlängelt sich wie ein Wurm, und es ist zu groß, um es zu ignorieren. Die Workshop-Teilnehmer versuchen es, aber es wird nicht gelingen. Ist es etwa das hässliche, ungeliebte und bedürftige Selbst der Wütenden? Diese beginnen damit, das Wesen zu bandagieren wie eine Mumie. Die kümmerliche Kreatur muss gebändigt werden.

In einer eingespielten Simultan-Übersetzung der Rede eines schwedischen Arztes lernt der Zuschauer dann: Das Wesen steht für das Opfer eines Bombenanschlags. Trotz schlimmster Verletzungen kämpfe die Frau jeden Tag um eine bessere Zukunft im eigenen Körper. „Wir Menschen sind Wesen, die mit Narben gesund weiterleben können“, heißt es leider etwas aufdringlich, während sich die Bandagierte oben auf dem Podest sinnfällig ihrer Fesseln entledigt. Photini Meletiadis heißt die Tänzerin unter den Bandagen. Ihr Aufbegehren ist existenziell, ihre pure Körperlichkeit steht in krassem Gegensatz zum nun umso sinnloser scheinenden Aufbegehren der Unversehrten.

Diese, die vier Wut-Bürger, kauern am Ende unterm Tisch in vier kleinen Kabinen, gefangen im eigenen Unvermögen, mit der Welt und vor allem sich selbst klarzukommen.