Klavier-Festival Ruhr beginnt mit Werken für die linke Hand – Gedenken an den 1. Weltkrieg

Die Pianisten Leon Fleisher (l.) und Nicholas Angelich sowie die Neue Philharmonie Westfalen mit Dirigent Dennis Russell Davies eröffneten das Klavier-Festival Ruhr 2014. Foto: Mohn/KFR

Die Pianisten Leon Fleisher (l.) und Nicholas Angelich sowie die Neue Philharmonie Westfalen mit Dirigent Dennis Russell Davies (r.) eröffneten das Klavier-Festival Ruhr 2014. Foto: Mohn/KFR

In der Geschichte des Klavier-Festivals Ruhr, wurzelnd im Klaviersommer, den Jan Thürmer 1984 in Bochum ins Leben rief, ist die Nutzung großer Industriehallen als Spielstätte zunächst kein Thema gewesen. Erst 2002 gab es die Premiere auf Zollverein in Essen, mit einer sensationellen Doppelvorstellung von George Antheils skurriler Maschinenmusik namens „Ballet mécanique“. Ein Jahr später folgte die Bochumer Jahrhunderthalle, das Festival wurde hier Teil der „Extraschicht“.

Dabei ist es kein Zufall, dass die neuen Podien erst so spät ins pianistische Rampenlicht rückten. 2002 ist das Gründungsjahr der Triennale, die ihre Theaterbretter vornehmlich in eben jenen Werkshallen der Kohle- und Stahlindustrie aufbauen wollte. Dafür bedurfte es allerdings zunächst einer millionenschweren baulichen Aufhübschung. So bekam etwa die Bochumer Jahrhunderthalle ein gläsernes Foyer. Und das Dach wurde ausgebessert, um den Regen fernzuhalten.

In diesem Ambiente wurde nun das diesjährige Klavier-Festival Ruhr eröffnet. Es war zu erfahren, dass der Vertrag des seit 1996 amtierenden Intendanten Franz Xaver Ohnesorg um fünf weitere Jahre verlängert wurde. Es war zu erleben, dass prasselnder Regen ein akustischer Störfaktor sein kann. Denn es handelt sich hier nicht um einen isolierten Konzertsaal. Nur gut, dass der Hagelschauer vor Beginn der Aufführung niederdonnerte, sonst hätte es wohl eine Zwangspause geben müssen.

Seit 2003 ist das Klavier-Festival bei der "Extraschicht" in Bochums Jahrhunderthalle präsent. Das lockt durchaus neue Publikumsschichten. Foto: -n

Seit 2003 ist das Klavier-Festival bei der „Extraschicht“ in Bochums Jahrhunderthalle präsent. Es lockt so durchaus neue Publikumsschichten. Foto: -n

Im Vorlauf des eigentlichen Aufführungs-Raumes durfte sich das Publikum übrigens einer erheblichen olfaktorischen Reizung stellen. Der Gestank gab durchaus Anlass zur Beschwerde. Wie denn auch das Imbissangebot im Foyer von der eher mageren Art war. Keine Frage, die Spielstätte mag ihren Reiz haben. Und das Ansinnen des Klavierfests, vor allem durch die „Extraschicht“ neues Publikum zu gewinnen, ist natürlich legitim. Doch die äußeren Bedingungen, der hauseigene Service zumal, sollten schon, soweit möglich, einen gewissen Standard erfüllen. Nun, für Herbst 2015 ist die Eröffnung der Bochumer Symphonie geplant – ein Konzertsaal als ernstzunehmende Alternative.

Musikalisch wurde die Jahrhunderthalle jetzt zum Schauplatz des Gedenkens an den 1. Weltkrieg. Diese „Urkatastrophe“ führte nicht zuletzt dazu, dass sich ein neues pianistisches Repertoire herausbildete, Klavierstücke für die linke Hand entstanden. Das war dem unglücklichen Umstand geschuldet, dass es Pianisten wie Paul Wittgenstein gab, die im Krieg den rechten Arm verloren hatten. Viele Komponisten schrieben für ihn Konzerte, aber auch Kammermusik. Manches davon gilt es neu zu entdecken. Eine Spurensuche, der sich das große Pianistentreffen nun annimmt. Zum Einstieg erklingen deshalb die Klavierkonzerte für die linke Hand von Sergej Prokofjew, mit Leon Fleisher als Solisten, und Maurice Ravel, gespielt von Nicholas Angelich.

Der rote Flügel, Markenzeichen des Festivals, vor der Bochumer Industriehalle. Foto: Wohlrab/KFR

Der rote Flügel, Markenzeichen des Festivals, vor dem Bochumer Industriedenkmal. Foto: Wohlrab/KFR

Fleisher geht das in seiner Struktur klassizistisch anmutende Werk Prokofjews behutsam an, in nuancierter Tongebung. Manches aber wirkt allzu zaghaft, der spöttische Biss fehlt, den diese Musik eben auch bietet. Schön ist dabei, dass die Neue Philharmonie Westfalen (in erweiterter Kammerbesetzung) mit Dirigent Dennis Russell Davies die Klangbalance hält, den Solisten trägt.

Düsterer, teils monumentaler, herber und fiebriger gibt sich das Ravel-Konzert. Die Jazzelemente mögen den Großstadtsound der wilden 20er wiederspiegeln, doch die vorangegangene Katastrophe wird nicht ausgeblendet. Solist Nicholas Angelich spielt entsprechend mit  packendem Zugriff, zudem elegant, teils rhythmisch pointiert.

Der Abend ist indes auch einer des Orchesters. Wie die Neue Philharmonie Westfalen Ravels „Rhapsodie Espagnole“ interpretiert, beseelt, leidenschaftlich, den Klangfarbenreichtum des Werks auf Schönste herausstellend, verdient allen Beifall. Und zu Beginn, mit Prokofjews Opern-Suite „Die Liebe zu den drei Orangen“, stürzen sich die Musiker mutig, manchmal allerdings allzu plakativ, ins Brachiale, Martialische.

Informationen: http://www.klavierfestival.de




Da kichert die Kamera

Dass ich es nur gleich zerknirscht gestehe: Ich habe wohl eine Ordnungswidrigkeit begangen. Doch die Sache ist glimpflich ausgegangen. Aber warum?

Der Reihe nach: Zumindest meine Kompaktkamera habe ich nahezu immer bei mir. Man weiß ja nie, was es zu sehen gibt. So auch neulich, als ich am Steuer saß. Da hat mich für Sekunden der Deibel geritten – und ich habe während der Fahrt (ca. 45 km/h) zum rechten Seitenfenster hinaus geknipst. Warum? Fragt mich nicht. Jedenfalls bin ich dabei behördlich beobachtet worden.

Corpus Delicti (©Bernd Berke)

Corpus Delicti (©Bernd Berke)

Etwa 500 Meter später hielten Polizisten mich an. Papiere zeigen, das Übliche. Schließlich die Frage: Was ich denn da in der Hand gehalten hätte? Die Kollegen hätten es nicht genau gesehen. Kleinlaut gab ich zu: „Es war diese Kamera.“ Die lag noch unübersehbar auf dem Beifahrersitz und kicherte. Sozusagen.

Der nächste Satz meines Gegenübers konnte ja wohl nur auf die Ausrufung eines namhaften Bußgelds hinauslaufen…

Aber nein! „Ach so, wir dachten schon, es wäre vielleicht ein Handy gewesen. Na, dann gute Fahrt.“

Seitdem rätsele ich, ob ich am Steuer auch künftig munter fotografieren darf, wenn’s nur mit einer vernünftigen Kamera geschieht – und nicht mit einem schnöden Smartphone. Soll ich demnächst die Spiegelreflex mit Stativ verwenden und zwischendurch das Objektiv wechseln?

P.S.: Aber natürlich will ich’s – so oder so – nicht wieder tun. Echt jetzt.




Der Schriftsteller Jörg Albrecht wird in Abu Dhabi festgehalten – ein Hilferuf

Die Petition von Holger Bergmann und Thorsten Ahrend für die Ausreise von Jörg Albrecht auf change.org. (Screenshot von http://www.change.org)

Die Petition von Holger Bergmann und Thorsten Ahrend für die Ausreise von Jörg Albrecht auf change.org. (Screenshot von http://www.change.org)

Jörg Albrecht ist ein Sprachkünstler. Ein leiser, ein höflicher Mensch. Einer der zuhört, einer der viel überlegt. Einer, der voller spannender und bemerkenswerter Gedanken steckt. Und einer, der sich nicht im Eindimensionalen bewegt. Einer, der sich für andere Menschen, andere Kulturen interessiert, der neugierig und aufgeschlossen ist, reflektiert und respektvoll. So habe ich den mittlerweile in Berlin lebenden Jörg Albrecht in seiner Heimat Dortmund kennengelernt, bei Gesprächen und Interviews zu seinen Büchern und Theaterinszenierungen.

Jetzt sitzt Jörg Albrecht in Abu Dhabi fest. Der Vorwurf: Spionage. Eingereist war er als Gast der Internationalen Buchmesse. In einem Interview mit ZEIT Online berichtet er, dass er unmittelbar nach seiner Ankunft am 1. Mai in der Nähe seines Hotels Bauten fotografierte, die ihn architektonisch interessierten. Daraufhin wurde er festgenommen und inhaftiert.

ZEIT und NZZ schreiben, man habe ihn der Spionage verdächtigt, da er in einer Straße fotografiert habe, in der auch Botschaften seien. Den Berichten zufolge ist Jörg Albrecht zwar wieder aus der Haft entlassen worden, dürfe das Land derzeit aber nicht verlassen. In dem ZEIT-Interview sagt Albrecht, er fürchte, „bald psychisch“ einzubrechen, „da ich hier nun erst mal auf mich gestellt bin“.

Ein Alptraum.

Holger Bergmann und Thorsten Ahrend haben eine Online-Petition für seine Ausreise ins Leben gerufen. Hoffentlich haben sie schnell Erfolg.