Familienfreuden XVIII: Österliche Schonfrist

„Fiona“, fragte ich gestern Abend, „weißt Du eigentlich, was morgen ist?“ „Vogelparty?“ Letztens hatte die Tagesmutter Karneval nachgeholt und Fi hing dem flatterhaften Event immer noch sehr hinterher. „Nein, die war doch schon. Weißt Du, was morgen ist?“ „Ja!“ …. „Was denn?“ Sie überlegte kurz. „Weiß gar nicht.“ Diese Formulierung gehört mittlerweile zu unseren geflügelten Worten. „Morgen ist doch Ostern!“ In Fionas Augen stahl sich ein Strahlen. „Schokolade!“

Große Ostergeschichten sind noch nicht gefragt. (Bild: Albach)

Große Ostergeschichten sind noch nicht gefragt. (Bild: Albach)

Seit einigen Tagen schon hatten wir erzählt, dass bald Ostern ist. Ihr Geschichten dazu vorgelesen. Ihr auch vom Osterhasen erzählt. Aber das einzige, was hängen geblieben war: Es gibt Schokolade! Und das ist gut so – weil es ablenkt und Misstrauen gar nicht erst aufkommen lässt. Davon, dass Normen und ich unsere Ausbildung beim CIA (Club der IntelligentvorFeiertagen AgierendenEltern) noch nicht abgeschlossen haben. Oder anders ausgedrückt: Die Geheimhaltungsstufe ist bei uns im Moment noch viel zu niedrig angesetzt.

Vor ein paar Tagen habe ich zum Beispiel Geschenkpapier gekauft, ziemlich auffällig, mit vielen Küken drauf. Fiona entdeckte es und spielte vergnügt mit der bunten, großen Rolle. Als sie heute Morgen ihre Ostergeschenke auspackte, schien sie sich nicht darüber zu wundern, wie der Osterhase an unser Geschenkpapier gekommen war.

Oder die Süßigkeiten. Wir gehen eigentlich immer mit Fi einkaufen. Und natürlich ist der Versuch, die österlichen Naschwaren unbemerkt in den Einkaufswagen zu schmuggeln, gnadenlos gescheitert. Ganz im Gegenteil bestand sie darauf, die Schokoladenküken bis zur Kasse in der Hand zu halten. Immerhin konnten wir die Maus davon abhalten, die Packung auch gleich aufzureißen und den Inhalt aufzuessen. Aber auch hier: Keinerlei Verwunderung, dass die Küken heute in ihrem Nest lagen.

Und der krudeste Coup: die Ostereier! Samstagmorgen starteten Fi, meine Ma und ich die Fließbandproduktion und färbten, bemalten, betupften, beklebten 30 Eier, jedes für sich genommen ein kleines, wunderschönes Kunstwerk. Ich bemühte mich redlich, Fiona zu erklären, dass der Osterhase unsere Unterstützung braucht, weil er ja schließlich nicht alle Eier für alle Kinder anmalen kann. Sie nickte zwar ernst. Aber ich hätte glaube ich genauso gut von einem sprechenden Auto erzählen können.

Wir haben also noch Schonfrist. Jetzt nimmt Fi die Dinge noch hin – Hauptsache, es gibt Schokolade. Für die nächsten Osterfeste müssen wir uns aber besser präparieren. Ostercodes entwickeln. Geheime Einkaufstouren organisieren. Eine falsche Hasenidentität entwickeln. Oder: Den Berg an Schokolade einfach größer werden lassen.




Schön und kess: Die Junge Oper Dortmund zeigt Jens Joneleits Musikmärchen „Sneewitte“

Snewitte (Hasti Molavian) wird vom König (Kai Bettermann) und Berater (Steffen Happel) auf Händen getragen. Foto: Hupfeld

Die kesse Sneewitte (Hasti Molavian) wird vom König (Kai Bettermann, r.) und seinem Berater (Steffen Happel) auf Händen getragen. Foto: Hupfeld

Die Theatermenschen sind als erste da. Ganz in Schwarz gekleidet sitzen, stehen oder laufen sie auf der kleinen Bühne der Jungen Oper in Dortmund herum, das Stück hat noch gar nicht begonnen. Dann aber geht alles ganz schnell. Kai Bettermann greift sich eine Art weißen Hermelinmantel und setzt die königliche Krone auf. Seine Mitstreiter werfen sich ebenfalls in ansehnliche Gewänder. Und flugs finden wir uns im Märchenland wieder, wo das Schicksal des königlichen Kindes namens Sneewitte verhandelt wird.

„Sneewitte“ ist ein Musiktheaterstück für Kinder (ab 7 Jahren), geschrieben von Jens Joneleit. Der Text stammt von der holländischen Librettistin Sophie Kassies, die sich an das Grimm’sche „Schneewittchen“ hält (sieben Zwerge inklusive), die Hauptfiguren indes ein wenig umdeutet. Sneewitte wächst zur kessen Göre heran, die weiß, was sie will. Der König ist in Erziehungsfragen überfordert, die Stiefmutter wird böse, weil sie mit dem Alter hadert. Denn alsbald ist ja Sneewitte die Schönste im Land.

Wer ist die Schönste im Land: Sneewitte oder die Stiefmama (Engjellushe Duka)? Foto: Hupfeld

Wer ist die Schönste im Land: Sneewitte oder die Stiefmama (Engjellushe Duka)? Foto: Hupfeld

Das fast 90 Minuten lange Werk schnurrt, als Kooperation von Junger Oper und Kinder- und Jugendtheater, temporeich über die Bühne. Längen gibt es bei den gesprochenen Dialogen, doch üppige Rollen- und Kostümwechsel sowie gehörige Situationskomik (Regie: Antje Siebers) helfen darüber hinweg. Manches wirkt wie Improvisationstheater, wie das alte Stegreifspiel, zu dem Lisa Buchholz’ karge Ausstattung passt  – vor allem rollende Podeste, ein Laufsteg.

Das flotte Agieren lenkt indes auch von der disparaten Anlage des Stücks ab, das musikalisch aus lauter Nummern besteht. Joneleit, selbst Schlagzeuger und vom Free Jazz kommend, hat nichts durchkomponiert für das vierköpfige Kammerensemble. Manche Arien haben Musicalcharakter, die „Spieglein, Spieglein“-Szene bekommt einen sphärischen Leitklang, anderes erinnert an Kurt-Weill-Songs, bisweilen gibt’s ein bisschen Schmusejazz.

Bestechender, spannender wirkt die Musik indes, wenn sie sich erregtem Pulsieren hingibt, verbunden mit einem sanften Geräuschszenario, oder wenn sie, in der Waldszene, umschlägt ins Düstere, Todesnahe, mit tiefen Posaunenklängen. Dann klopft die tönende Moderne an. Rhythmisch sind die Dinge oft vertrackt, aber das hellwache Ensemble (Petra Riesenweber, Keyboard, Stephan Schott, Schlagzeug, Stephan Schulze, Posaune und Bernd Zinsius, E-Bass) unter Michael Hönes’ umsichtiger Leitung musiziert in bester Form.

Wendig im Spiel zeigen sich zudem Steffen Happel (als Jäger) und Kai Bettermann. Der Sopranistin Engjellushe Duka wiederum gelingt ein vielschichtiges Portrait der liebenden, zweifelnden, hassenden Stiefmutter. Und Hasti Molavians Mezzo leuchtet farbenprächtig die Gefühlsmischung einer jungen Frau aus. Nur schade, dass am Ende kein Prinz kommt.

Zahlreiche weitere Vorstellungen gibt es im April und Mai. Nähere Infos: www.theaterdo.de

(Der Artikel ist in ähnlicher Form zunächst in der WAZ erschienen.)