Etwas wehmütig, aber zuversichtlich: „Förster, mein Förster“ von Frank Goosen

Förster, mein Förster Förster, Schriftsteller mit Schreibhemmung, steht ganz kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag. Tja nun, so kann es gehen: Gerade noch jung und knackig, das Leben liegt vor einem, findet man sich plötzlich in einem Alter wieder, in dem man einsieht, dass Stracciatella und Pistazie ganz schlecht zusammenpassen.

Auch wenn er sich noch so oft einredet, dass es ein Geburtstag wie jeder andere ist und nicht wichtiger als der ein Jahr zuvor – er kommt doch ins Grübeln. Die Vollendung des halben Jahrhunderts ist einfach „der Tag, ab dem man sich nichts mehr vormachen kann“.

Wenn er mit sich selbst spricht, dann redet er sich gerne in der Tradition des berühmten Gedichts von Walt Whitman an: „Förster, mein Förster“. Zum Captain („O Captain! My Captain!“) hat er es bis jetzt noch nicht so ganz gebracht, das gesteht er sich selber ein – aber wenigstens gehört er noch nicht zum Club der toten Dichter. Auch wenn in naher Zukunft eine Gewebeentnahme dräut.

Seine Freundin Monika treibt sich auf den äußeren Hebriden herum, während die „Ex“ Martina es zwar zur bundesweit beliebten Tatort-Kommissarin gebracht hat, am liebsten aber mit Förster zurück in die muffigen Theaterkeller ihrer Jugend möchte. Seine Freunde Brocki und Fränge, mit denen er seit der Schulzeit eine herzliche Männerfreundschaft pflegt, sind auch keine große Hilfe. Fränge ist kurz davor, seine Ehe an die Wand zu fahren und Brocki tut immer noch alles, um cool zu wirken. Auch die Gespräche mit dem alten Nachbarn Dreffke und dem wohlstandsverwahrlosten Jugendlichen Finn bringen Förster nicht weiter.

Niemand weiß, wohin die Lebensreise gehen soll

Sie alle wissen nicht, wohin genau ihre Reise gehen soll. Das Einfachste wäre es abzuhauen, nach Iowa zum Beispiel oder am allerbesten ganz weit weg ins Outback. Aber zur Not tut es auch die Ostsee. An eben diese wird die leicht demente Nachbarin Frau Strobel von einer Jugendfreundin gerufen, die ganz dringend noch einmal die unvergessene Tanzkapelle Schmidt wiederbeleben muss. Frau Strobel kann zwar die Tücken des Alltags nicht mehr ganz so gut bewältigen, ein glasklares „Ganz Paris träumt von der Liebe“ aber entlockt sie ihrem Saxophon noch immer. Vorzugsweise mitten in der Nacht.

Da gerade alle nicht viel Besseres zu tun haben, steigt diese ungleiche, bunt zusammengewürfelte Gesellschaft kurzerhand in Fränges halb fertig restaurierten Bulli und begleitet Frau Strobel bei ihrer Reise in eine ruhmreichere Vergangenheit. Und wie das eben immer so ist, wenn eine Geschichte zum Road Trip wird, ist der Weg das eigentliche Ziel. Zumal die Zwischenstopps „praktisch direkt auf dem Weg liegen“.

Chronik der Babyboomer-Generation

Der Bochumer Schriftsteller und Kabarettist Goosen wird gerne als Chronist der Ruhrgebiets-Gegenwart bezeichnet. Er schreibt aber auch noch eine ganz andere Chronik: die Chronik seiner Generation, der sogenannten Babyboomer. Goosens erster Roman „Liegen lernen“ erzählte von der ersten großen Liebe in den frühen 80ern, „Pink Moon“ und „Mein Ich und sein Leben“ vom Erwachsenwerden im sich wandelnden Ruhrgebiet, „So viel Zeit“ vom Angekommensein und sich Abfinden mit dem Erwachsensein rund um den 40 Geburtstag. Mit „Förster, mein Förster“ (erscheint heute, am 18. Februar) erzählt er nun von Freunden, die auf ein halbes Jahrhundert zurückblicken – selbst erste Gedanken an die Rente werden zaghaft zugelassen, begleitet von einer Mischung aus Melancholie und Wehmut nach „früher“.

Und dann dieser Bulli. Das knuddelige Gefährt hat in den letzten Jahren ein Comeback hingelegt – als Symbol der Sehnsucht nach vergangenen unbeschwerten Tagen. Erstaunlich, aber auch logisch: Mehr Freiheit als in den 70ern und den frühen 80ern hatte diese Generation schließlich nie und wird sie auch nie wieder haben. So ziert der Bulli nicht nur in sattem Bochumer Blau-Weiß das Cover – er spielt auch eine tragende Rolle in Frank Goosens neuem Roman „Förster, mein Förster“. Fränge, der von allen Freunden am stärksten mit der Midlife-Crisis zu kämpfen hat, hat sich diesen Bulli zugelegt. Hier ein Schräubchen festziehen, da etwas festklopfen, dann noch ein Gestell rein und ab dafür – weg, einfach weg, einem neuen Leben, einem neuen Aufbruch entgegen.

Mediale Verwertungskette

Keine Frage: Etliches kommt einem bekannt vor. Aber – das ist nun mal so heutzutage. Nichts, was nicht schon besungen, verfilmt oder erzählt wurde. Da hält Goosen es ganz pragmatisch mit der alten Weisheit: Man kann das Rad nicht neu erfinden, man kann ihm allenfalls neuen Schwung geben. Er dreht sein Rad im Surrealismus des Alltags, er sieht die Komik im Absurden. Allerdings kann man sich während der Lektüre des Eindrucks nicht erwehren, dass Frank Goosen seine Romane mittlerweile durchaus mit Blick auf die weitere mediale Verwertungskette schreibt. Goosens Werke sind ja zusehends zu einer Art Gesamtkunstwerk avanciert. „Liegen lernen“ wurde mit großem Erfolg verfilmt, „Radio Heimat“ und „Sommerfest“ sind gerade in der Kino-Mache, „So viel Zeit“ wurde mit kommerziellem Erfolg am Theater Oberhausen dramaturgisch aufbereitet. Fester Bestandteil seiner eigenen Bühnenprogramme sind seine Bücher sowieso.

„Förster, mein Förster“ bereitet dies schon vor. In dem ohnehin sehr dialoglastigen Roman wurde die ein oder andere Passage direkt schon als Drehbuch geschrieben. Die Geschichte verliert so zwischenzeitlich an Schwung und liest sich streckenweise hölzerner, als man es von Frank Goosen gewohnt ist. Die besten Passagen sind jene, in denen Förster seinen Gedanken freien Lauf lässt oder sich die Freunde in bewährter Manier kabbeln, eben immer dann, wenn er frei von der Leber weg schreibt. (Wie auch auf der Bühne seine stärksten Momente immer die sind, wo er vom Skript abweicht.)

Dennoch: Goosens Werke und auch „Förster, mein Förster“ sind Lichtblicke, weil sie ungebrochen hoffnungsfroh Zuversicht vermitteln. Seine Protagonisten kommen zwar bisweilen etwas melancholisch rüber, düstere Melancholie war jedoch noch nie Frank Goosens Ding. Bei ihm ist es eher eine sehnsüchtige, zuversichtliche Melancholie. Es bleibt abermals die Erkenntnis, dass Musik Leben nicht nur begleiten, sondern auch retten kann, zum anderen die Beschwörung der Kraft der Freundschaft.

Frank Goosen: „Förster, mein Förster“. Roman. Kiepenheuer und Witsch. 333 Seiten, €19,99.




Elementare Eifersucht: Giuseppe Verdis „Stiffelio“ an der Oper Frankfurt

Kein Raum für Intimität: die gläserne Kirche in Johannes Schütz' Bühnenbild für den Frankfurter "Stiffelio". Foto: Monika Rittershaus

Kein Raum für Intimität: die gläserne Kirche in Johannes Schütz‘ Bühnenbild für den Frankfurter „Stiffelio“. Foto: Monika Rittershaus

Dieser Kirchenbau ist gläsern. Alles ist sichtbar. Es gibt keinen Raum für das Intime zwischen den Menschen. Eine Frau steht abseits. Ihr hüftlanges Haar ist ein Signal: Es verrät sexuelle Attraktivität – ein Fetisch für Männer. Und es zeichnet sie als Sünderin. Denn in der christlichen Gemeinde, zu der Lina gehört, ist die Ehe heilig. Und ihr sexuelles Vergehen ein unaussprechliches Verbrechen.

In seiner Frankfurter Inszenierung von Giuseppe Verdis immer noch selten gespieltem Meisterwerk „Stiffelio“ hat der australische Regisseur Benedict Andrews das von Bühnenbildner Johannes Schütz geschaffene Symbol sinnstiftend eingesetzt. Zunächst ein bescheidenes, kreuzförmiges Kirchlein ohne Turm, wie es in vielen angelsächsischen Ländern auf dem Land anzutreffen ist, rückt es im ersten Gebet Linas als schwarzer, bedrohlicher Schattenbau in den Hintergrund, hebt sich im zweiten Akt zu einem wuchtig aufragenden Kreuz, gerät aus dem Lot, als sich der Konflikt um den Ehebruch Linas zuspitzt und strahlt am Ende, brüchig erleuchtet, über der Szene, in der Stiffelio, ihr Ehemann und gleichzeitig Pastor der protestantischen Gemeinde, ein Bibelwort aus dem Johannes-Evangelium in die Tat umsetzt: Wie Jesus der Ehebrecherin, so verzeiht Stiffelio seiner Gattin.

Andrews hat sich in Deutschland unter anderem mit Regiearbeiten an der Berliner Schaubühne, mit einer preisgekrönten Inszenierung von Botho Strauß` „Groß und klein“ – sie wurde auch bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen gezeigt – und mit Sergej Prokofjews mystischer Oper „Der feurige Engel“ an der Komischen Oper Berlin empfohlen. Bernd Loebe hat ihn, stets auf der Suche nach interessanten neuen Namen, an die Frankfurter Oper geholt.

Seine Handschrift ist nicht plakativ, bedient sich keiner privatistischen Chiffren. Andrews setzt darauf, das Beziehungsgeflecht zwischen den Menschen spürbar zu machen, kann auf der Bühne schmerzhafte Spannung erzeugen. In dem Moment, in dem die scheinbar geordnete Welt der kleinen Gemeinschaft auseinanderbricht, beginnt die Drehbühne zu rotieren: Die Figuren verlieren den Boden unter den Füßen, sind gezwungen, sich zu orientieren, können sich nicht mehr in einem stabilen Koordinatensystem halten. Die Bewegung mag nervig sein – konsequent ist sie.

Dominanz und Bedrohung: das Kreuz ist ein ambivalentes Symbol in der Inszenierung von Giuseppe Verdis "Stiffelio". Foto: Monika Rittershaus

Dominanz und Bedrohung: das Kreuz ist ein ambivalentes Symbol in der Inszenierung von Giuseppe Verdis „Stiffelio“. Foto: Monika Rittershaus

Wie gezielt Andrews szenische Zeichen einsetzt, zeigt ein anderes Detail: Stiffelio, von einer Dienstreise zurückgekehrt, predigt seiner Gemeinde über die Schlechtigkeit der Welt. Er steht dabei innerhalb des Kirchleins an einem Fenster, durch das er die Zuschauer adressiert. Es ist der Blick von innen nach außen – aus der geschlossenen, moralisch eindeutig georteten Gemeinde, hinaus auf die Außenwelt. Aber die Predigt wird so auch als „Fensterrede“ qualifiziert: Als Stiffelio entdeckt, dass seine Frau keinen Ehering mehr trägt, gerät er außer sich. Verdi greift musikalisch zu entfesselter Dramatik, die den 37 Jahre später uraufgeführten „Otello“ ahnen lässt.

Stiffelios Eifersucht bricht im zweiten Akt noch elementarer aus: Er vergisst sogar den „heiligen Ort“, den er vorher eingeklagt hat, und schwört dem Sexpartner Linas furchtbare Rache mit der Waffe in der Hand. Verdi zeigt sich in dieser Szene auf dem Höhepunkt seiner musikalischen Charakterisierungskunst. Das „Miserere“ aus dem Hintergrund ist wie eine innere Stimme, die Stiffelio erinnert, dass Jesus selbst am Kreuz noch dem Verbrecher vergeben hat. Auch für das damals unerhörte Ende – ein Gottesdienst auf offener Szene mit langem Orgelsolo – findet Verdi eine lapidare, aber durch ihre schroffe Kürze so anrührende wie dramaturgisch packende Sprache.

So man in einer Oper davon sprechen kann, ist Verdis Theologie in „Stiffelio“ beachtlich. Gemeinsam mit seinem Librettisten Francesco Maria Piave charakterisiert er in gewohnter, skizzenhaft anmutender Kürze die ambivalente Atmosphäre solcher verschworener religiöser Gemeinschaften, geprägt von einem hohen Ideal, von Eifer und Entschiedenheit; auf der anderen Seite aber auch bedroht von Rigorismus, Sozialkontrolle und moralischer Überstrenge. Dafür stehen bei Verdi der alte Geistliche Jorg, ein unermüdlicher Mahner an die religiösen Pflichten, und Linas Vater Stankar. Der Offizier versucht mit allen Mitteln, den Ehebruch seiner Tochter zu kaschieren, um die Familienehre zu retten und die Stabilität der Gemeinde zu sichern. Dafür schreckt er auch vor einem Mord nicht zurück, den er schließlich an Linas Verführer Raffaele vollzieht. Der wiederum ist einer der schwachen Verdi’schen Liebhaber, eine Person ohne Profil.

In „Stiffelio“ erkennen wir Themen wieder, die Verdi ein Leben lang beschäftigt haben. Die verblendeten Väter – Stankars Duett mit Lina erinnert an Vater Germont in „La Traviata“ – und die rigorosen Systeme, gestützt von Geistlichen, denen jeder Anflug von Barmherzigkeit fremd ist, wie dem Inquisitor in „Don Carlo“. Es mag auch sein, dass die Ehebruch-Thematik des „Stiffelio“ Verdi besonders berührt hat: Er lebte zu der Zeit mit seiner späteren Frau Giuseppina Strepponi zusammen, ohne verheiratet zu sein, und hat die moralische Missbilligung in seiner Heimat schmerzlich erfahren.

Das Kreuz leuchtet im Finale. Vergebung eröffnet eine Perspektive. Foto: Monika Rittershaus

Das Kreuz leuchtet im Finale. Vergebung eröffnet eine Perspektive. Foto: Monika Rittershaus

Auch die Gemeinde in Andrews‘ Frankfurter Regiearbeit findet die verzeihende Reaktion Stiffelios nicht gut: Die Damen in ihren bunt gemusterten, züchtig übers Knie reichenden Kleidern, die Männer in ihren korrekten Hemden, Krawatten und Blousons – Victoria Behr hat sich von Fotos einer mennonitischen Gemeinde in Südamerika anregen lassen – nehmen ihre Stühle und gehen. Aber der Raum ist geöffnet, die Frau, der Prediger, das Evangelienbuch stehen im Licht des Kreuzes. Andrews legt nahe: Eine Perspektive hat sich eröffnet.

Die musikalischen Perspektiven, die Verdi mit der 1850 in Triest schon dank der Zensur verstümmelt uraufgeführten Oper eröffnete, können erst gewürdigt werden, seit 1968 Abschriften des verloren geglaubten Werks im Konservatorium von Neapel entdeckt wurden. In Köln gab es 1972 einen ersten Versuch in Deutschland, sich dem „Stiffelio“ zu nähern. Erst seit 1993 eine kritische Edition auf der Basis der in Verdis Villa S. Agata aufbewahrten Teile des Autographs erschien, waren gültige Aufführungen möglich. Doch trotz seiner unverkennbaren Qualitäten blieb „Stiffelio“ eine Rarität. Man arbeitet sich lieber zum hundertsten Mal am unmittelbar danach entstandenen „Rigoletto“ ab. Erst in jüngster Zeit rückt das Werk dank der Inszenierungen in Wien, Mannheim, Krefeld und jetzt Frankfurt stärker in den Blick der deutschen Opernlandschaft.

Sorgfältig ausdifferenzierte Vielfalt in der Musik

Für die Musik zeichnet in Frankfurt Jérémie Rhorer verantwortlich, ein seit einigen Jahren vor allem mit Mozart-Opern erfolgreicher Dirigent, der nun mit „Stiffelio“ seinen ersten Verdi dirigiert. Man spürt seine Herkunft aus der historisch informierten Praxis – Mark Minkowski etwa ist einer seiner Mentoren – in der sorgfältig ausdifferenzierten Vielfalt, mit der er Dynamik und Akzentuierung lebendig macht. Phrasen einfach so durchziehen – das gibt es bei Rhorer genau so wenig wie den bedenkenlosen Lärm, den man etwa vor kurzem in einer „Stiffelio“-Neuinszenierung am venezianischen Teatro La Fenice von dem jungen Italiener Daniele Rustioni zu hören bekam.

Aber Rhorers Zugang hat auch seine Tücken, etwa wenn er das eingängige dritte Thema der Ouvertüre zu eilig nimmt und das Tempo steif formt. So wird Verdi zur geschmähten „Leierkasten“-Musik. Und ein Crescendo ist bei ihm eben etwas Anderes als bei Rossini mit seinem lustvollen mechanistischen Spiel. Auch die Ensembles dirigiert Rhorer bisweilen zu quadratisch, ohne mit den Sängern zu atmen. Niemand hat – auch in der „alten“ Musik – ein Verbot flexibler Phrasierung aufgestellt, wie sie für Verdis expressive Melodik essentiell ist.

Sara Jakubiak als Lina (links) und Russell Thomas als Stiffelio. Foto: Monika Rittershaus

Sara Jakubiak als Lina (links) und Russell Thomas als Stiffelio. Foto: Monika Rittershaus

Auch bei den Sängern bleibt die Frage nach stilistisch adäquatem Verdi-Gesang ein bisweilen schmerzliches Thema. Russell Thomas, der laut Libretto „ahasverianische“ Pastor Stiffelio, hat die stimmliche Statur eines Otello, projiziert strahlende Tenorattacken in den Raum, überzeugt durch eine unverspannte, glänzend fundierte Tongebung. Zumindest, solange es dramatisch bleibt. Die leisen Töne, die „erstickte“ Stimme, die halblaute Farbe des Entsetzens, der Verzweiflung oder der Drohung sind dagegen technisch zweifelhaft mit einer Art Falsett dünn und hauchig gebildet.

Sara Jakubiak kann für die Lina einen großen, zur Passion und zu seelenvollem Lyrismus fähigen Sopran einsetzen, aber ihr Ton spricht nicht leicht genug an, um die Kantilene der Sehnsucht, die herbe Süße der Trauer, das verlöschende Licht gebrochener Lebenskraft in der Lasur eines souveränen Verdi-Soprans schimmern zu lassen. Dario Solari präsentiert als Stankar, was man sich gemeinhin unter italienischem Gesang vorstellt: einen großen, lauten, rauen Bariton.

Alfred Reiter gibt dem Jorg einen öligen, in den Ensembles reibungsvollen Bass. Vincent Wolfsteiner, als Raffaele der Auslöser aller Konflikte, hatte einen schlechten Abend – von seiner bisherigen Wirkungsstätte Nürnberg hat man von dem Tenor weit bessere Eindrücke mitgenommen. Der Chor Tilman Michaels zeigt sich präsent und bewegungsfreudig; das Frankfurter Orchester beherrscht Verdis Leichtigkeit ebenso wie das zupackende Fortissimo, ohne in Lärm zu verfallen oder die Sonorität des Tons zu dünn und luftig zu fassen.

Für die Rezeptionsgeschichte dieser Oper ist Frankfurt – nach Helen Malkowskys überzeugender Inszenierung in Krefeld/Mönchengladbach zum Verdi-Jahr 2013 – ein Meilenstein und hoffentlich ein Impuls.

Aufführungen in Frankfurt: 25., 28. Februar; 3., 5. und 12. März. Info: www.oper-frankfurt.de