Haschisch, DDR, CSU und Afghanistan – Polit-Satire von Jakob Hein
Der damalige CSU-Chef Franz-Josef Strauß besuchte gern Diktatoren, um die Weltpolitik aufzumischen. 1983 verhandelte er mit DDR-Devisenhändler Schalck-Golodkowski auf einem Landgut im Chiemgau, reiste danach zu Honecker an den Werbellinsee und brachte als Geschenk einen Milliardenkredit mit. Als Gegenleistung versprach Honecker, die Selbstschuss-Anlagen abzubauen.
Es war ein Husarenstück mit Fragezeichen: Gerüchten zufolge bekam Strauß eine satte Provision für den Deal. Außerdem hatte die DDR längst ohnehin damit begonnen, die Selbstschuss-Anlagen abzubauen, weil sie unkontrolliert in der Gegend herumballerten und die eigenen Grenzsoldaten verletzten. Bis heute ist es ein Rätsel, was Strauß und Kanzler Kohl wirklich bewogen hat, der DDR den Kredit und damit noch eine Gnadenfrist bis zum endgültigen Zusammenbruch zu gewähren.
Der Schriftsteller Jakob Hein spürt mit einer Polit-Satire dem deutsch-deutschen Geheimnis hinterher. „Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste“ schaut mit literarischer Raffinesse hinter die bröckelnde Fassade der DDR und entlarvt das ideologische Brimborium als dreistes Lügengespinst. Seinem Helden Grischa geht es nicht um historische Wahrheit, sondern um die Macht der Fantasie. Grischa arbeitet in der „Staatlichen Planungskommission“ und ist für die Zusammenarbeit und den Handel mit den „kleinen Bruderländern“ zuständig, zu denen auch das damals von der Sowjetunion besetzte Afghanistan gehört. Das Problem: Afghanistan hat eigentlich nichts, womit es handeln könnte.
Als subversiver Freigeist brütet Grischa dann aber doch eine Idee aus, die seine vorgesetzten Genossen erst verschreckt, dann zum Nachdenken und schließlich zum Handeln bringt. Da Afghanistan auf den Anbau von Drogen spezialisiert ist: Wäre es nicht ungemein profitabel, daran teilzuhaben und Cannabis legal zu verkaufen? Man könnte es als „Medizinalhanf“ deklarieren und im Niemandsland der Grenzstellen an Westbürger gegen harte D-Mark verkaufen.
Der Probelauf wird zum Verkaufsschlager: Westbürger passieren die Grenze, zahlen den Mindestumtausch, kaufen im „Deutsch-Afghanischen Freundschaftsladen“ ein Tütchen „Schwarzen Afghanen“ bester Qualität und reisen sofort wieder nach Westberlin zurück. Die Westberliner Polizei kommt ins Rotieren, die Bonner Politiker ins Grübeln: Wie kann man dem kriminellen Treiben Einhalt gebieten, das ja, weil man die DDR nicht anerkennt, ihrem Selbstverständnis nach auf dem Boden der BRD stattfindet?
Stasi-Chef Erich Mielke, Geheimdienst-Chef Markus Wolf, CDU-Politiker Rainer Barzel, von der CSU Friedrich Zimmermann: sie besprechen die Lage. Das Treffen artet zu einer bizarren Slapstick-Nummer von bekifften und sinnlos kichernden Polit-Fratzen, die sich auf die zufällig in den Haschischraum geworfene Zahl von einer Milliarde DM einigt, die es sich der Westen kosten lässt, wenn die DDR nicht zum Dealer wird und Deutschland mit Drogen überschwemmt. Honecker und Strauß müssen es nur noch abnicken.
Literarisch ist das alles nicht besonders filigran, aber es ist unterhaltsam und schafft es, die dunklen Abgründe der DDR mit nostalgischem Augenzwinkern ein bisschen aufzuhellen und schön zu reden. Kann man mögen. Muss man aber nicht.
Jakob Hein: „Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste.“ Roman. Galiani Berlin, 254 S., 23 Euro.