Zum Tod des Fotokünstlers Bernhard Blume: Erinnerung an eine Dortmunder Ausstellung von 2006

Der 1937 in Dortmund geborene Fotokünstler Bernhard Blume ist mit 73 Jahren in Köln gestorben. Aus diesem Anlass eine Erinnerung an eine Dortmunder Ausstellung:

Dortmund. Ja, was machen d i e denn da?! Wir sehen ein Paar im ehedem romantischen deutschen Wald. Der Mann kniet in anbetender Haltung vor einem Baum, später wird er gar himmelwärts fahren. Derweil hängt die Frau hilflos im Geäst, zappelt eingeklemmt zwischen zwei Stämmen oder saust unsanft hernieder.

Die fotografisch auf großen Schwarzweiß-Tafeln festgehaltene Groteske füllt jetzt den Lichthof des Dortmunder Ostwall-Museums. „Metaphysik ist Männersache“ heißt die Arbeit von Anna und Bernhard Blume. Das ist, wie eigentlich alles bei den Blumes, ironisch gemeint. Bernhard Blume erklärt: „Männer schwelgen schnell in abstrakten Theorien, Frauen bleiben selbst beim Philosophieren bodenständig.“ Er selbst ist freilich in Dortmund geboren und aufgewachsen, also kraft westfälischer Herkunft eben doch ein Mann, der nicht so leicht abhebt…

15 Fotoserien und zahlreiche Zeichnungen des renommierten Künstler-Ehepaares sind jetzt in Dortmund zu sehen. Beim Rundgang kommt man aus dem Grinsen kaum heraus. Denn es ist durchweg hellwache und witzige Kunst.

Noch in den 70er Jahren, in der Wohnung von Bernhard Blumes Mutter zu Dortmund-Kley, ist die Fotoreihe „Ödipale Komplikationen“ entstanden. Da tollt er mit ihr geradezu krähend haltlos auf einem alten Sofa herum, auch schäkern und tanzen die beiden. Die Szenenfolge flimmert zwischen spießiger Gemütlichkeit und orgiastischem Spaß. Zum Piepen jedenfalls! Und man darf Bernhard Blume glauben, wenn er feixend anmerkt: „Ich hatte übrigens nie einen Ödipus-Komplex, da war nichts mit Mami.“

Mit seiner Frau Anna hat er eine nicht minder verrückte „Mahlzeit!“ (Titel) eingenommen. Liturgische Anspielungen vermengen sich in dieser Bilderserie mit niederer Alltäglichkeit. Kartoffel-Quadrate im Mund verformen die Gesichter. Das Ganze endet im blitzartigen Erbrechen, von der Fotolinse gnädig unscharf erfasst. Bei der „Vasenekstase“ fliegt Bernhard Blume mit dem Gefäß schräg und fast surreal durchs Zimmer. Die Wirklichkeit ist tückisch, es fließen so manche Energieströme zwischen Mensch und Dingwelt. Dabei scheint es auch Anflüge ungeahnter Befreiung zu geben; ganz so, als könnte die lästige Schwerkraft auch mal nachlassen.

„de-konstruktiv“ heißt die ganze Schau. Tatsächlich werden hier, im frech-fröhlichen Sinne der Aktionskunst aus den 60er Jahren, starre Gegebenheiten, Gewohnheiten und (kleinbürgerliche) Rituale aufgebrochen, zum Tanzen gebracht – stets freundlich lächelnd, was allerdings auch enthüllend wirken kann: In einem Konvolut von Bleistift-Zeichnungen hat Anna Blume die konstruktivistisch« Moderne (Malewitsch, Mondrian etc.) verulkt. Deren Geometrien wirken, als Muster auf T-Shirts verewigt, nur noch wie billige Dekoration. Wie furchtbar ernst und wichtig sich die Urheber damals genommen haben, dokumentieren daneben ihre gesammelten Lehrsprüche.

Seit einiger Zeit arbeiten die Blumes mit digitaler Fotoausrüstung. Früher haben sie ihre herrlichen Farcen vor dem Ablichten penibel planen müssen, heute hilft die Nachbearbeitung am Computer. Bernhard Blume: „Von solchen Möglichkeiten haben wir immer schon geträumt.“

„de-konstruktiv. Bilder aus dem wirklichen Leben“. Dortmund, Museum am Ostwall. 19. Nov. bis 11. Feb. 2006. Geöff. Di/Mi/Fr 10-17, Do 10-20, Sa 12-17 Uhr. Eintritt 3 Euro, Katalog 24,80 Euro

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Infos
• Bernhard Blume wurde 1937 in Dortmund geboren, seine Frau Anna im selben Jahr im westfälischen Bork.
• Die beiden lernten sich in den 50er Jahren bei einem VHS-Zeichenkursus im Dortmunder Fritz-Henßler-Haus kennen.
• Bernhard Blume arbeitete damals einige Jahre lang in Dortmund als Maler für Kinoplakate: „Das war Akkordarbeit“, sagt er.
• Die Blumes leben seit Jahrzehnten in Köln. Doch Bernhard Blume sehnt sich mitunter nach seiner Heimatstadt: „Ich hänge an Dortmund.“

Ausriss der WR-Kulturseite vom 18.11.2006 (Foto zum Zeitungsartikel: Ralf Rottmann)

Ausriss der WR-Kulturseite vom 18.11.2006 (Foto zum Zeitungsartikel: Ralf Rottmann)

(der Artikel – siehe auch Repro-Ausschnitt – stand am 18. November 2006 in der „Westfälischen Rundschau“, das Foto zum Zeitungsbericht stammt vom WR-Kollegen Ralf Rottmann)




„Bio“ erzählt seine Fernsehgeschichte – Alfred Biolek begibt sich auf Bühnentournee / Auftakt in Köln mit Harald Schmidt

Von Bernd Berke

Köln. Wenn ein Bühnenabend „Mein Theater mit dem Fernsehen“ heißt, erwartet man womöglich Enthüllungen. Aber doch nicht bei Alfred Biolek! Dieser Menschenfreund begleicht keine offenen Rechnungen, schon gar nicht öffentlich. Er erinnert sich einfach an über 40 Jahre Fernsehgeschichte, die er hie und da mitgeprägt hat. Am Samstag war im Kölner Schauspielhaus Premiere, nun beginnt eine ausgedehnte Tournee.

Biolek sitzt sinnend auf der Bühne, plaudert von früher und „zappt“ sich dabei durch „Best of „-Ausschnitte aus seinen zahlreichen TV-Sendungen, die man auf einer Großbildwand sieht. Da ist man also Theaterbesucher, doch gleichzeitig auch irgendwie „Couch-Kartoffel“. Jedenfalls darf man nostalgieren: Anfangs gab Biolek (noch in Schwarzweiß) gut gemeinte Tipps für Autofahrer. Als spürsinniger Produzent holte er später u. a. Rudi Carrell („Am laufenden Band“) und die britische Komikertruppe „Monty Python“ in deutsche Programme. Vor allem Letzteres ist ein Verdienst für die mittlere Ewigkeit.

Im Gang durch die Zeiten wird klar: Dieser Mann, der 1963 als Hausjurist beim ZDF begonnen hat, hat dringlich selbst vor die Kameras gehört. Da kam er zur rechten Zeit an die richtigen Plätze. Als einer, der keck und kokett so manchen Fez mitmacht, doch dabei stets in erster Linie andere gelten lässt, zur Geltung bringt.

Mit Gästen von Franz-Josef Strauß bis Paul McCartney geplaudert

In seinen Shows und Talks lockerten sich so unterschiedliche Charaktere wie etwa CSU-Chef Franz-Josef Strauß, Paul McCartney, Arnold Schwarzenegger oder Michael Schumacher, den Bio damals zur allgemeinen Gaudi irrtümlich als „Harald“ begrüßte. Nur: Wenn’s mal ernsthaft politisch wurde, passte Bioleks heiterer Stil nie so recht. Er selbst deutet auf diese Beschränkung hin, in weiser Selbsterkenntnis.

Leider werden manche Ausschnitte gar zu abrupt abgebrochen, weil bei aller Gemütlichkeit doch die Zeit drängt und Biolek partout auch noch was zur Klavierbegleitung singen will. Hilfreich wäre es, die TV-Schnipsel mit eingeblendeten Jahreszahlen zu versehen. Und wenn sich herumspricht, was er da im Einzelnen ausgeheckt hat, wird Biolek wohl gelegentlich Belegstücke auswechseln müssen. Er hat ja genug parat.

Böse Kritiken mag er nicht mehr hören

Ohne Eitelkeit sei sein Metier undenkbar, gesteht Biolek freimütig. Mit ihm und dem Show-Gewerbe sei es freilich wie mit der flugunfähigen Hummel, die dennoch ständig Flugversuche unternehme. Überhaupt hält sich Selbstbeweihräucherung in angenehm ironisierten Grenzen. So stülpt er sich geräuschdämmende Ohrmuscheln über, als die zehn übelsten Kritiker-Verrisse seiner Laufbahn („Biolek – eine Folter“) zitiert werden.

Zwischendurch holt er eigens eine Zuschauerin als „Zeugin“ auf die Bretter, um klarzustellen: Niemals sei er betrunken gewesen bei seiner Kochsendung „alfredissimo“. Das eine oder andere Glas Wein – gewiss! Doch keins über den Durst hinaus. Darauf sollten wir anstoßen.

Und noch einen bittet Biolek ins Scheinwerferlicht: den für Köln engagierten Spezialgast Harald Schmidt. Da erweist sich: Biolek ist doch eher ein harmloser Rampen-Uhu, die wahrhaft wilde „Rampensau“ ist Schmidt. Sogleich zieht er die Agenda an sich und lässt Bio für rund 20 Minuten wie freundliches Beiwerk erscheinen. Ja, er hat ihn kurz zuvor sogar schon tot gesehen: Aus der vierten Reihe betrachtet, sei ihm Bio zwischen der sparsamen Bühnen-Deko (weiße Lilien) „wie aufgebahrt“ vorgekommen, scherzt Schmidt. Da schmeißt sich Biolek mal wieder buchstäblich weg vor Lachen…

Totgesagte leben ja ohnehin munterer. Doch selten bekommen sie derart rauschende Ovationen wie Biolek in Köln.

Nächste Termine: Berlin 23. Okt., Hamburg 13. Nov. – NRW kommt zum Schluss an die Reihe: Düsseldorf 28. April 2007, Essen 10. Mai, Oberhausen 12. Mai, Bochum 13. Mai.

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ZUR PERSON

Vor und hinter der Kamera

  • Alfred Biolek wurde am 10. Juli 1934 in Freistadt (Tschechien) geboren. 1946 flüchtete er mit seinen Eltern nach Deutschland.
  • Ab 1954 studierte er Jura in Freiburg. München und Wien.
  • 1963 wurde er Justitiar beim damals neu gegründeten ZDF.
  • 1970 ging er als TV-Produzent zur Bavaria Film nach München.
  • Bekannte eigene Sendungen: „Kölner Treff“ (mit Dieter Thoma, 1976-80), „Bio’sBahnhof“ (1978-82), „Mensch Meier“ (1985-91), „Boulevard Bio“ (1991-2003), Kochshow „alfredissimo“ (seit 1994, soll im Frühjahr 2007 auslaufen).
  • Kürzlich sind seine Erinnerungen als Buch erschienen: „Bio – Mein Leben“(Kiepenheuer & Witsch, 18,90Euro).



„Dortmund ist kein Vorort von Essen“ – Gespräch mit Jörg Stüdemann / Nach der Wahl des Reviers zur Europäischen Kulturhauptstadt

Von Bernd Berke

Dortmund. Gestern war „Tag eins“ nach der Wahl Essens und des Ruhrgebiets zu Europas Kulturhauptstadt 2010. Anlass genug, um mit dem Dortmunder Kulturdezernenten Jörg Stüdemann über die Lage in der Region zu sprechen.

Woran denken Sie beim Stichwort „Hauptstadt des Ruhrgebiets“?

Jörg Stüdemann: (lacht) Na, an Dortmund natürlich. Aber mal im Ernst: Eigentlich denke ich da an gar keine bestimmte Stadt. Ich habe früher in Bochum und Essen gearbeitet und habe nie eine Hauptstadt erblickt. Im Grunde gibt es hier kein Zentrum, sondern eine gesunde Rivalität zwischen den Städten,

Besteht nicht die Gefahr, dass Essen jetzt Dortmund kulturell „abhängt“?

Stüdemann: Überhaupt nicht. Gut, einige Sponsoren werden sich nun stärker in Essen engagieren. Aber das ist auch schon so ziemlich alles. Der Etat für die Kulturhauptstadt ist doch relativ bescheiden, verglichen mit unserem städtischen Kulturhaushalt.

Wohlweislich später eingestiegen

Ist Dortmund ins Thema Kulturhauptstadt nicht zu spät eingestiegen?

Stüdemann: Solange die Kulturhauptstadt mit der Idee einer auf Essen zentrierten „Ruhrstadt“ verbunden war, konnte sie in Dortmund oder Duisburg nicht viel Sympathie erzeugen. Dortmunds Größe und Tradition sprechen dagegen, sich degradieren zu lassen. Wir sind kein Vorort von Essen. Damals haben wir gedacht: Wir werden uns wohlweislich erst einmal davon distanzieren. Inzwischen verhält sich die Sache anders. Es gibt einen weiteren Grund für den späteren Einstieg. Im Gegensatz zu Essen sind wir Fußball-WM-Stadt. Das bedeutet enorm viel Arbeit und finanziellen Einsatz. Daneben war ein stärkeres Engagement für die Kulturhauptstadt nicht zu leisten.

Was trägt Dortmund zur Kulturhauptstadt bei?

Stüdemann: Es wäre unredlich zu behaupten, Dortmund werde das Zentrum des Geschehens sein. Bochum und Duisburg übrigens auch nicht. Das ist nun mal Essen. Doch wir machen eine Menge. Wir haben das multikulturelle „Melez“-Festival in Bochum organisiert und die Dortmunder „Twins“-Konferenz mit den europäischen Partnerstädten ausgerichtet.

Und in Zukunft?

Stüdemann: Es gibt drei Schwerpunkte. Erstens die Medienkunst, unter anderem in der Phoenixhalle. Zweitens das Brückstraßen-Viertel als künftige „Musik-Meile“: Konzerthaus, Orchesterzentrum, Chorakademie, das „domicil“ für Jazz und Weltmusik. Spätestens 2010 soll es außerdem ein großes Musikfest in Dortmund geben, und wir planen ein Zentrum für Musikwirtschaft – mit Tonstudios, Agenturen und dergleichen. Drittens bringen wir das Projekt „Dortmunder U“ ein.

Dieser frühere Brauereiturm steht als künftiges Museum in den Bewerbungsunterlagen zur Kulturhauptstadt, als wäre alles schon fertig. Aber es hakt doch weiter bei denLandeszuschüssen, oder?

Stüdemann: Wir gehen immer noch davon aus, dass wir dort 2010 ein großes Museum haben werden. Die Idee ist einfach toll, viele hochkarätige Fachleute aus anderen Städten sind davon angetan. Was die Landeszuschüsse betrifft: In Essen steht mit der Zeche Zollverein ein unglaublich teures Projekt, da fragt offenbar niemand nach Bau- und Folgekosten. Der dortige Umbau, der 1986 eingeleitet wurde, sollte anfangs 30 Millionen Mark kosten, inzwischen liegt man bei etwa 190 Millionen, mit steigender Tendenz. Trotzdem hat das Land dort stetig mitgefördert. Beim „Dortmunder U“ aber wird penibel nachgerechnet. Auch in Dortmund selbst werden von manchen Leuten immer nur die Schwierigkeiten aufgespürt. Jeder Krümel wird da langwierig ausgewalzt.

Das hieße also: Dortmund ist noch nicht genügend begeistert, um auch das Land für die Idee zu gewinnen?

Stüdemann: So ist es. Leider. Dabei geht es beim „Dortmunder U“ um vergleichsweise geringe 17 Millionen Euro Landesförderung. Mal so gefragt: Muss sich wirklich alles im Rheinland abspielen? Fast 80 Prozent der Landesmittel für Museumsbau sind in den letzten Jahrzehnten dorthin geflossen.

Der Dortmunder Krimi-Verleger Rutger Booß (Grafit-Verlag, d. Red.) sagt: Spätestens Jetzt, im Rahmen der Kulturhauptstadt, braucht das Revier ein Literaturhaus. Eine Option für Dortmund?

Stüdemann: Von der Tradition her schon. Dortmund wäre dafür prädestiniert. Und die Region kann ein solches Haus bestens verkraften. Aber wir haben schon zahlreiche andere „Baustellen“…

Wie wird sich die Kulturhauptstadt im Umland auswirken? Haben auch die Sauerländer etwas davon?

Stüdemann: Unbedingt! Das ist doch klar. Bei einer so großen Kampagne für die Kultur will sich keine beteiligte Stadt blamieren. Das werden die Besucher aus dem Umland merken. Nicht nur kulturell, sondern auch baulich wird sich einiges verbessern. Davon haben alle etwas. Und Nachbarstädte wie Unna mit seinem wunderbaren Lichtkunstzentrum sind ohnehin fest eingebunden.

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ZUR PERSON

Mann mit „Szene“-Erfahrung

  • Jörg Stüdemann (Jahrgang 1956) ist Dortmunds städtischer Dezernent für die Bereiche Kultur, Sport und Freizeit. Sein Werdegang:
  • Von 1984 bis 1987 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum.
  • Von 1987 bist 1992 Mitarbeiter im soziokulturellen Zentrum „Zeche Carl e. V.“ in Essen. Diese Einrichtung der „Alternativ“-Szene genießt einen guten Ruf im gesamten Ruhrgebiet.
  • Ab 1992 Leiter des „Pentacon“ (Zentrum für Medienkultur) in Dresden.
  • Von 1994 bis 2000 Dezernent für Kultur, Jugend und Sport in Dresden. Aus der sächsischen Landeshauptstadt wechselte Jörg Stüdemann nach Dortmund.