Diese wunderbare Vielfalt auf dem Planeten – mit den Reisefilmen auf 3sat wachsen Neugier, Staunen und Verstehen

Jüngst habe ich ein Filmgenre für mich (wieder)entdeckt, dem ich zuvor – aus unerfindlichen Gründen – wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.

Teilstück der legendären Route 66, die heute abseits der Hauptstrecken liegt. (Foto: © ZDF/SRF, RTS)

Teilstück der legendären Route 66, die heute abseits der Hauptstrecken liegt. (Foto: © ZDF/SRF, RTS)

Es begab sich auf dem Umweg über die Internet-Seite www.sendungverpasst.de Wenn man da einmal zu stöbern beginnt, findet man so allerlei Sehenswertes in den diversen Mediatheken. Ich bin vor allem bei 3sat hängen geblieben, genauer: bei den zahlreichen Dokumentarfilmen über fremde und zumeist ferne Länder.

So bin ich jetzt in wenigen Tagen filmisch nach Tasmanien, Tokio und über die legendäre Route 66 quer durch die USA sowie durch den nordwestkanadischen Polarwinter gereist. Mal schauen, wohin es mich demnächst so treibt, wahrscheinlich erst einmal zum Aufwärmen in die Südsee. Auch wenn das alles natürlich keine echten Reisen ersetzen, sondern bestenfalls anregen kann, nimmt man auf solchen Wegen doch schon ein paar Eindrücke mit.

Von Tasmanien bis kurz vor den Nordpol

Nehmen wir den Filmen die Befunde einfach mal ab: Welche wunderbaren, inzwischen freilich auch schon bedrohten Refugien seltene Tierarten in Tasmanien vorfinden, wie sehr sich Einzelne dafür engagieren! Wie verblüffend regelhaft rund 37 Millionen Japaner in der weiteren Agglomeration von Tokio miteinander und einsamst ohne einander leben, so dass sich viele von ihnen Gesprächspartner(innen) stundenweise mieten, während sie mit ihren direkten Nachbarn oft kein einziges Wort wechseln. Wie staunenswert aufgeräumt und wie wenig aggressiv diese Megalopolis erscheint.

Straße im Tokioter Vergnügungsviertel Kabukicho. (Foto: © ZDF/SR/Stephan Düfel)

Straße im Tokioter Vergnügungsviertel Kabukicho. (Foto: © ZDF/SR/Stephan Düfel)

Und weiter: Was für sympathisch eigenwillige Leute entlang der längst nostalgisch gewordenen Route 66 leben, die durch acht Bundesstaaten von Chicago bis Los Angeles führt. Vergesst mal allen sonstigen Ärger über „die“ Amis, solche Zuschreibungen sind eh meistens Quatsch; hier begegnet man jedenfalls prächtigen Typen! Und wie heroisch die Menschen im äußersten Nordwesten Kanadas irrsinnige Temperaturen mit Blizzards als schiere Alltagszutaten ertragen, so dass sie bei Minus 15 Grad schon aufatmen und den nahenden Frühling wittern. Man sollte daran denken, wenn man das nächste Mal über lachhaft kleine Schneehügelchen jammert.

Mit wachen Sinnen unterwegs

Obwohl 3sat als renommierter Kultursender gilt, sind die vier erwähnten Dokus nicht einmal sonderlich tiefgründig, sie dringen (in jeweils nur rund 45 Minuten) kaum wesentlich in verborgene Schichten des gesellschaftlichen Lebens vor, sie folgen ihren mehr oder weniger vorgezeichneten Spuren aber mit wachen Sinnen und ausgeprägt ästhetischem Sensus, immer bereit, am Wegesrand noch etwas Neues wahrzunehmen.

Jeder dieser Filme bringt Besonderheiten ans Licht, die es so nur in den jeweiligen Gegenden gibt. Doch eines haben sie letztlich alle gemeinsam: Man begreift noch einmal neu die ungeheure Vielfalt auf diesem Planeten, die sich hoffentlich durch jede Globalisierung hindurch fortsetzen wird. Man lernt, verschiedenste Fähigkeiten zu bewundern, etwaige spezielle Schwächen zu verstehen und überhaupt tausend Lebensformen nicht nur zu tolerieren, sondern zu schätzen. Ein Grundgefühl dabei: Freundliche, warmherzige Menschen, die gleich für sich einnehmen, gibt es gottlob überall. Und auch solche, deren Eigenarten oder Schroffheiten man eben zu akzeptieren hat. Dass unser gutes altes Europa bei all dem nicht im Zentrum, sondern gleichrangig neben anderen Weltzonen steht, versteht sich von selbst.

Und nun schaut. Oder noch besser: reist.




Auf der Suche nach heilsamen Giften

Holla! Der Kulturkanal 3Sat lockt uns mit kraftvollen Titeln wie die Boulevardzeitung mit den großen Lettern: „Hitlers Museen – Die Jagd nach den Nazi-Schätzen“ wurde jetzt (nach den Münchner Kunst-Sensationsfunden) kurzfristig ins Programm gerückt. Dafür musste die ähnlich vollmundig benannte Sendung „Dschungelcamp für Homöopathen“ nach hinten rücken.

An Stelle der Forscher, die – auf der Suche nach neuen medizinischen Wirkstoffen – beschwerliche Reisen in den Regenwald unternehmen, wäre man über den „Dschungelcamp“-Vergleich wohl nicht gerade entzückt. Er zieht das ganze Projekt ein wenig ins Halbseidene. Aber wie war das noch: Mit Speck fängt man Mäuse.

Schlangen, Vogelspinnen und anderes Getier

Der Film selbst war hingegen alles andere als spektakulär, sondern wirkte durchaus bedächtig. Das Motto hätte gut und gerne lauten können: Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss.

Pharmazeut Robert Müntz (re.) und der einheimische Guide Orlando haben eine giftige Ameise gefangen. (© ZDF/ORF/seagull Film/Katrin Filenius)

Pharmazeut Robert Müntz (re.) und der einheimische Guide Orlando haben eine giftige Ameise gefangen. (© ZDF/ORF/seagull Film/Katrin Filenius)

Man begleitete den Pharmazeuten Robert Müntz und den Arzt Jan Scholten auf ihren Expeditionen durchs Amazonasgebiet von Peru. Ein einheimischer, des Englischen kundiger Führer zeigte ihnen allerlei Getier, vorwiegend der giftigen Art. Zitteraal, giftige Tausendfüßler und Riesenameisen, Vogelspinnen, Taranteln, Fledermäuse, Ochsenfrösche und natürlich etliche Giftschlangen. „Schönes Tier“, sagte Müntz beim Anblick fast aller dieser Kreaturen. Nun ja. Das ist wohl Ansichtssache.

Der furchtlose Robert Müntz entlockte den Tieren Proben ihrer jeweils spezifischen Giftstoffe, die (entsprechend zerrieben, gelöst und dosiert) eventuell als hochwirksame Arzneien taugen. Dass Müntz dabei auch nicht ganz ungefährliche Selbstversuche betreibt, nötigt Respekt ab. Der Mann lebt für seine Wissenschaft. Und wer weiß, ob nicht ein paar wegweisende Entdeckungen daraus hervorgehen.

Für kritische Fragen blieb kein Platz

Die beiden Forscher schworen aufs naturnahe Leben und auf die Homöopathie, die den Menschen – im Gegensatz zur Schulmedizin – als Ganzes betrachte, ebenso preiswert wie umweltfreundlich sei und weder Patente noch sonderliche Profite ermögliche. Es wird schon einige Wahrheit daran sein, doch hier klang es allzu unwidersprochen.

Eine etwaige Gegenstimme war nicht zu vernehmen. Offenbar hatte sich das Filmteam um Katrin und Götz Filenius mit den Forschern angefreundet, man stellte also keine skeptischen oder kritischen Fragen, erhob erst recht keinerlei Widerspruch. Dass Teams der Pharmakonzerne sehr wohl in den entlegensten Winkeln unterwegs sind, um irgendwann lukrative Patente und Exklusivrechte zu beanspruchen, kam in dieser heilen Homöopathenwelt nicht vor.




So macht Lernen Freude: Mit Jürgen Becker kreuz und quer durch die Kunstgeschichte

Solch einen Lehrer hätte man sicherlich gern gehabt: Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker verabreicht selbst schwierige Lektionen auf eine Weise, dass man unentwegt lacht – und gar nicht merkt, dass man unterwegs eine Menge gelernt hat; so auch in seinem Programm „Der Künstler ist anwesend“, das jetzt noch einmal bei 3Sat zu sehen war.

Es handelt sich um einen höchst unterhaltsamen Streifzug durch die Kunstgeschichte, der von der vorzeitlichen Höhlenmalerei in Lascaux bis zu Joseph Beuys führt. Am allerliebsten hält sich Jürgen Becker bei den Passagen auf, in die das Religiöse hineinspielt, denn da ist er wahrlich Fachmann.

Mal züchtig und mal splitternackt

Es kommt keine Minute Langeweile auf. Das Spektrum der 90-minüten Vortrags ist ungemein breit, es reicht von den Lackaffen, die man bei Galerie-Vernissagen antreffen kann, über Beziehungen zwischen ägyptischer, griechischer und altrömischer Kunst, bis hin zu Gerhard Richters umstrittenen Kirchenfenstern für den Kölner Dom.

Streifzug durch die Kunsthistorie: Kabarettist Jürgen Becker (© WDR/ZDF/Annika Fußwinkel)

Streifzug durch die Kunsthistorie: Kabarettist Jürgen Becker (© WDR/ZDF/Annika Fußwinkel)

Der vergnügliche Parforceritt führt kreuz und quer durch alle weiteren Epochen und Wechselfälle. Eine Leitlinie gibt zum Beispiel die Frage vor, wann sich die Kunst züchtig verhüllte und wann sie in Nacktheit schwelgte. Wie Becker etwas vom Wesenskern der Gotik oder des Barock in wenigen markanten Sätzen skizziert, das ist jedenfalls aller Ehren wert.

Keine Angst vor Kalauern

Ganz wie die großen Künstler oft das Höchste und das Alltäglichste erhellend kontrastiert haben, so lässt auch Becker gern die Luft aus allem allzu Aufgeblasenen und Erhabenen heraus, wobei er den einen oder anderen Kalauer keineswegs scheut. Lassen sich Bezüge zwischen hehrer Hochkultur und – zum Beispiel – den rheinischen Institutionen Karneval, „De Höhner“, Trude Herr oder dem 1. FC Köln herstellen, so wird nicht lange gefackelt. Nicht jeder Wortwitz ist subtil, doch einem wie Becker kann man kleine Fehlgriffe nicht krumm nehmen.

Jürgen Becker zählt als Kabarettist keineswegs zu den „harten Hunden“ der unerbittlichen Fundamentalkritik. Gerne lässt er fünfe gerade sein und auch schon mal menschliche Milde walten. Doch gar manche seiner Spitzen treffen sanft, aber wirksam ins Mark.

Die Wahrheit über die röhrenden Hirsche

Immer wieder schwenkt die Kamera der WDR-Produktion ins Publikum. Da sieht man nicht nur köstlich amüsierte Mienen, sondern auch Leute, die Becker geradezu atemlos wissbegierig folgen. Kein Wunder, erklärt er doch beispielsweise endlich einmal, was die millionenfach reproduzierten Bilder von röhrenden Hirschen wirklich zu bedeuten haben (es hat, ganz vornehm gesprochen, mit Arterhaltung zu tun).

Inzwischen ist die Szene längst höchst unübersichtlich geworden. Wer sagt uns denn, dass der Feuerlöscher an der Museumswand nicht auch wieder ein Kunstwerk sein soll? Doch ganz zum Schluss löst Jürgen Becker auf kölsche Weise sogar die knifflige Frage, was denn eigentlich Kunst sei. In der Stadt mit der weltgrößten Kunstspedition namens Hasenkamp kann die Antwort wohl nur so lauten: „Kunst ist alles, was von Hasenkamp transportiert wird…“

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Der Beitrag ist zuerst bei www.seniorbook.de erschienen