„Der Druck ist weg, der Ehrgeiz nicht“ – Der Schauspieler Götz George wird 60 Jahre alt

Von Bernd Berke

So viel Aufhebens ist von einem 60. Geburtstag lange nicht mehr gemacht worden: Im Fernsehen gibt es reihenweise Sendungen mit ihm und über ihn, die Deutsche Presseagentur schnürte ein umfangreiches „Themen-Paket“. Er hat’s aber auch wirklich verdient: Götz George, der heute 60 Jahre alt wird.

Die wirklich dauerhaften Stars des deutschen Kinos und Fernsehens kann man an einer Hand abzählen – neben Mario Adorf gehört Götz George unbedingt zum erlesenen Kreis. Der gebürtige Berliner gilt als überzeugter „Preuße“, was Pünktlichkeit und Arbeitseifer angeht. Doch in diesem Rahmen ist er zu jeder Spontaneität fähig, heißt es.

Sein Rollenspektrum umfaßt gleichsam alle Farben des Regenbogens, er hat sich nie auf eine Couleur festlegen lassen: Bereits 1953, mit 15 Jahren, hatte er sein Kinodebüt – neben Romy Schneider in „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“.

Fassbinder drehte ihm den Rücken zu

Ein Sonnyboy also? Von wegen. Wolfgang Staudtes Filme „Kirmes“ (1960) und „Herrenpartie“ (1963), in denen George mitwirkte, setzten sich ernsthaft und kritisch mit der deutschen NS-Vergangenheit auseinander. Dies war ein Thema, das Götz George auch biographisch beschäftigte, hatte sich doch sein Vater, der große Charakterdarsteller Heinrich George, für Nazi-Propaganda einspannen lassen.

Seltsam, daß die deutschen Autorenfilmer Götz George in den späten 60er Jahren völlig aus den Augen verloren haben. Bei Rainer Werner Fassbinder hätte George beinahe eine Rolle bekommen. Doch als er am Treffpunkt erschien, soll Fassbinder ungerührt weiter am Flipper gespielt und dem Schauspieler den Rücken zugedreht haben. Da ging George seiner Wege. Man hat schließlich seine Selbstachtung. Und es gab beispielsweise Karl-May-Filme, die ihn über Wasser hielten.

Doch dann begann seine ganz große Zeit: Am populärsten wurde er hierzulande als „Tatort“-Kommissar Horst Schimanski, den er von 1981 bis 1991 vehement verkörperte. Selbst nicht frei von einer gewissen kriminellen Energie, fluchte sich das „Rauhbein“ des Ruhrgebiets (bei hohem Pommes- und Dosenbier-Verbrauch) meist prügelnd, aber auch mit sentimentalen Anwandlungen, durch 29 Duisburger Fälle.

„Schimi“ als Rebell in der Ära Kohl

Viele kluge Köpfe haben sich schon an Deutungen dieser Figur versucht. Eine These besagt: „Schimi“, das sei einer der letzten Unangepaßten in der Ära Kohl gewesen; einer, der linke Utopien der 60er und 70er Jahre hinter sich gelassen, sich sein soziales Gewissen aber bewahrt habe. Sei s drum. Zahlreiche neuere Erfolge des deutschen Films sind eng mit seinem Namen verknüpft: „Schtonk“ und „Rossini“ beispielsweise.

Seiner schauspielerischen Mittel enorm sicher, wagt sich George auch an heikelste Rollen heran. So spielte er den KZ-Kommandanten Rudolf Höß in „Aus einem deutschen Leben“, den Mörder Haarmann in „Der Totmacher“ – und derzeit steht er als furchtbarer KZ-Arzt Mengele vor der Kamera. „Die Täter sind immer interessanter als die Opfer“, findet George, der sich seine Rollen längst nach Gutdünken aussuchen kann: „Der Druck ist weg, der Ehrgeiz nicht.“

Heute im Fernsehen: „Schimanski – Blutsbrüder“ (Krimi, 1997 – ARD, 20.15 Uhr), »Glückwunsch, Götz George!“ (ARD, 23.00 Uhr), „Blauäugig“ (Politdrama, 1989 – ZDF, 23.45 Uhr).




Theater kann ein schönes Abenteuer sein – Zum 60. von Claus Peymann

Von Bernd Berke

Es war die „Publikumsbeschimpfung“, mit der Claus Peymann erstmals weithin Aufsehen erregte. Doch der Regisseur, der 1966 Peter Handkes Stück im Frankfurter Theater am Turm uraufführte, hat sich eigentlich nie mit den Zuschauern, sondern viel lieber mit Politikern angelegt. Morgen wird Peymann, noch Intendant der Wiener „Burg“, ab 1999 dann Chef des Berliner Ensembles, 60 Jahre alt.

Theaterkundige Revierbewohner trauern natürlich besonders Peymanns Bochumer Ära (1979 bis 1986) nach. Als er nach Wien wechselte, gab es sogar Leute, die für seine Premieren bis an die Donau pilgerten – ganz ähnlich, wie ihm Anhänger aus Stuttgart (wo er von 1974 bis 1979 als Schauspieldirektor arbeitete) nach Bochum nachgereist waren.

Peymann hat vermeintlich staubtrockenen Klassikern wie Goethes „Iphigenie“ frisches Leben eingehaucht. Stücke, die man für gar nicht mehr spielbar hielt, etwa Kleists „Hermannsschlacht“, gerieten unter seiner Ägide zu aufregenden Abenteuern. Doch das Theater verdankt Peymann auch wegweisende Uraufführungen, zumal der Stücke von Thomas Bernhard („Vor dem Ruhestand“, „Minetti“ , „Ritter, Dene, Voss“) und Peter Handke („Der Ritt über den Bodensee“, „Zurüstungen für die Unsterblichkeit“).

Trunken vor lauter Spielfreude

Ohne grandiose Schauspieler wie Gert Voss, Kirsten Dene, Traugott Buhre oder Martin Schwab, wäre Peymann wohl nicht erklärter Favorit der Feuilletons geworden. Doch eine seiner größten Leistungen besteht ja just darin, hochkarätige Ensembles zusammengeführt, inspiriert und lange beieinander gehalten zu haben. Peymanns oft herrlich spieltrunkener Inszenierungsstil war nie „Regietheater“ in dem Sinne, daß die Darstellet durch starre Konzepte an den Rand gedrängt worden wären.

Feinde hat er sich auch gemacht. Als er in Stuttgart Spenden für die zahnärztliche Behandlung der inhaftierten RAF-Terroristin Gudrun Ensslin sammelte, kam es zum politischen Eklat. Mißtrauisch empfing man ihn später auch in Wien. Österreichs Kulturkonservative fürchteten, der „Piefke“ Peymann (Sohn eines Bremer Studienrats) werde die Traditionen am Burgtheater gefährden.

Immerhin: Er hob die Preise für bessere Plätze drastisch an und verbilligte die anderen. Das galt besonders der giftigen Wiener Presse schon als sozialistische Untat. Doch als Peymann das Publikum mit grandiosen Inszenierungen wie „Richard III.“ von Shakespeare auf seine Seite zog, konnte man ihm nicht mehr so viel anhaben. Nun wagte er es auch, im November 1988 (zum 100jährigen Bestehen des Burgtheaters) Thomas Bernhards „Heldenplatz“ auf die Bühne zu bringen, jenes Stück, in dem die NS-lastige Historie des Hauses bohrend zur Sprache kam.

Im „Heldenplatz“-Umfeld kam es gar zu einer Art Regierungskrise in Wien. So etwas gibt es eben nur in Österreich, wo Theater und Oper eine geradezu staatsbildende Rolle spielen wie sonst wohl nirgendwo auf der Welt. Vielleicht wird Peymann einen Hauch dieser Atmosphäre im nüchternen Berlin vermissen.




Hansgünther Heyme wird 60: Lektionen von der Bühne herab

Von Bernd Berke

Ein Theater, das sich bloß kulinarisch gibt oder psychologische Feinheiten ausspinnt, ist seine Sache nicht. Er will das Publikum belehren. Dabei hat der Regisseur Hansgünther Heyme, der heute 60 Jahre alt wird, den Zuschauern manchmal staubtrockene Lektionen unterbreitet.

In Zeiten der Beliebigkeit ist Heymes Festhalten am Theater als einer „moralischen Anstalt“ sympathisch zu nennen. Irgendwie muß man ihn mögen, diesen „Dickkopf“, der nicht davon abläßt, etwa antike Dramen und deutsche Klassiker auf ideologischen Gehalt zu überprüfen. Ästhetisch war es aber doch gelegentlich zum Verzweifeln, wenn er etwa Goethes/Fausts „Gretchen“ kurzerhand eine Rockgitarre umhängte oder Schillers „Räuber“ ohne große Umschweife mit Neonazis kurzschloß.

In der jüngsten Theatergeschichte des Reviers spielt Heyme eine bedeutende Rolle: Sein vehementes Eintreten für den Bestand hiesiger Bühnen mag dem einen oder anderen Politiker ein wenig die Augen geöffnet haben. Ab 1985 war er Schauspieldirektor in Essen, und seit 1990 leitet er die Ruhrfestspiele, die er zum „Europäischen Festival“ umgestaltete und die er nicht etwa mit seinem Stil dominiert. Verschiedenste Positionen haben dort Platz – ein Zeichen, daß Heyme Lust und Laune nicht verhindern will. Nur: Er selbst kann sie eben schwerlich herbeizaubern, das überläßt er klugerweise anderen.

Gütiger Chef und Opfer der Rezensenten

Am „grünen Hügel“ in Recklinghausen schwärmen sie jedenfalls vom besten Chef, den sie je gehabt haben.

Ganz schlimme „Verrisse“ der „Kritiker-Mafia“ (so Heyme damals verbittert) ereilten ihn von 1979 bis 1985 in Stuttgart, wo er Nachfolger des im Streit nach Bochum gewechselten Claus Peymann geworden war. Schmerzlich vermißte man Peymanns poetisches Theater, das nun von Heymes zuweilen knochigen Konzepten abgelöst wurde. Oberbürgermeister Manfred Rommel gerierte sich gar als Oberrezensent und befand, Heymes Inszenierungen seien „eine Katastrophe“. Seither schweigen einige überregionale Zeitungen Heymes Arbeit tot.

Weitere wichtige Stationen waren Köln (1968-1979), dessen Schauspiel er – zeitweise mit dem Gegenpol Roberto Ciulli – leitete, und Bremen, wo er nach einem Jahr die Intendanz aufgab.

Prägend war die Begegnung des 22jährigen Heyme mit dem berühmten Erwin Piscator, dem er alsbald assistierte. Nach und nach fand er zu einem entschiedenen „Regie-Theater“, das kein Stück für bare Münze nimmt. Stets muß ein verborgener Kern freigelegt werden. Und da geht’s bei Heyme allemal politisch zu. Gewiß kein Fehler – vorausgesetzt, die Menschen auf der Bühne werden nicht zu leblosen Marionetten der Beweisführung.