„Ohne Schreiben hätte es kein Leben gegeben“ – Zum 70. Geburtstag von Hanns-Josef Ortheil

Er ist Schriftsteller, Pianist und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Er schreibt Romane, Essays, Reisenotizen und Bücher über Musik. Das Gesamtwerk des am 5. November 1951 in Köln geborenen Hanns-Josef Ortheil umfasst bisher siebzig Werke. Zum 70. Geburtstag des viel gelesenen Autors, dessen Werk mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, kommen zwei weitere Bücher hinzu.

Hanns-Josef Ortheil auf der Buchmesse 2016. (Foto: Released by Verlagsgruppe Random House / Wikimedia) – Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

„Ombra“ ist der „Roman einer Wiedergeburt“. Denn vor zwei Jahren war der Autor dem Tod näher als dem Leben. Er hatte bereits das Gefühl, von seinen verstorbenen Eltern und toten Geschwistern erwartet und willkommen geheißen zu werden. Dass die toten Familienmitglieder ihm nahe sind, wissen wir aus vielen seiner Bücher. Aber ihnen tatsächlich wieder zu begegnen, war dann doch ein Schock.

Bei einer Routine-Kontrolle hatte sein Hauarzt eine schwere Herzinsuffizienz festgestellt. Die anschließende Operation verlief nicht ohne Komplikationen und dauerte viele Stunden. Danach lag Ortheil mehrere Tage im Koma, sein Leben stand auf der Kippe. Erst als ihn die Ärzte anbrüllen, er solle doch endlich aufwachen, schlägt er verdutzt die Augen auf und fragt in seinem leichten ironischen und larmoyanten Tonfall, den wir so an ihm schätzen: „Warum um Himmels willen schreien Sie denn so?“

Vor und nach der schweren Krankheit

In seinem Roman literarisiert und fiktionalisiert Ortheil, was ihm widerfahren ist, was er erlebt hat im Reich der Toten und wie seine schwierige Wiedergeburt vonstatten ging. Ihn überkommt ein Gefühl der Ohnmacht und Angst. Alles, was sein Leben ausmacht, ist ihm abhanden gekommen: Seit frühester Kindheit hat er jeden Tag Klavier gespielt und jeden Tag einige Sätze aufgeschrieben, viele seiner Romane beruhen auf diesen Kindheitsnotizen, die er immer mit der Hand und mit dem Bleistift auf weißes Papier skizziert, bevor er sie überarbeitet und fein säuberlich abtippt.

Doch nun hat er keine Kontrolle mehr über seine Hände und Finger, er muss alles neu lernen, kann nicht mehr schreiben und Klavier spielen, muss herausfinden, wie es zu der schweren Krise gekommen ist, wer er vor der Krankheit war und wer er in Zukunft – falls es sie überhaupt gibt – sein will. Er zieht ins verwaiste Haus der Eltern im Westerwald und fährt jeden Tag in eine Reha-Klink, treibt dort Sport, Joga und Gymnastik und macht dabei (auch das beschreibt er mit herrlicher Selbstironie) eine ziemlich lächerliche Figur. Außerdem spricht er mit der Reha-Psychologin, die ihn auf seinem Weg in die Abgründe seines Lebens begleitet und manche verdrängte Einsicht zutage fördert.

Nach und nach wird ihm klar, dass er ein Opfer seiner Schreib-Wut ist, dass er allein in den Monaten vor der Krise drei Bücher geschrieben hat, die ihn an tiefe Ängste und Erlebnisse seines Lebens erinnert und ihn regelrecht krank gemacht haben. Eines handelt von der „Mittelmeerreise“, die er als Kind mit seinem Vater unternommen hat, mit dem Dampfer von Antwerpen nach Athen und Istanbul, im Gepäck Homers „Odyssee“, die er heute noch auswendig aufsagen kann, eine Reise, die ihm geholfen hat, das Verstummen zu überwinden. Denn Ortheil wurde von seiner Mutter, die vier Kinder verloren hatte und kein Wort mehr sprach, komplett von der Welt abgeschirmt, so dass er als Kind ebenfalls verstummte und nur durch die zupackende Art seines Vater und die Aufforderung, alles was er sieht und denkt, aufzuschreiben, gerettet wird.

Mit einem Hemingway-Buch in die Krise

Direkt in die Krise geführt, und das wird Ortheil jetzt klar, hat ihn sein Buch über Ernest Hemingway, „Der von den Löwen träumte“: Ortheil reist auf den Spuren von Hemingway, der seit Jahren keinen Roman mehr zustande gebracht hat, nach Venedig, redet mit Zeitzeugen, schippert durch die Lagune, übernachtet in der Herberge, in der Hemingway 1948 schlief. Er rekonstruiert den Roman, den Hemingway hier endlich schreiben konnte: „Über den Fluss und in die Wälder“. Ortheil identifiziert sich mit der Hauptfigur des Romans, einem herzkranken Soldaten, und merkt nicht, dass er selbst eine Herzkrankheit entwickelt, die ihn fast umbringt, und die er nun verstehen und – am besten schreibend – überwinden muss.

Aber weil die Finger ihm nicht gehorchen und er nicht mehr schreiben kann, diktiert er alles, was er in der Reha erlebt und was er ausbaldowert, um ins Leben zurückzufinden, in sein Smartphone. Abschreiben und literarisch umformen kann er es erst, nachdem er (auf Anregung seiner Psychologin) Stifte und Papier besorgt und einfache Malübungen macht, Striche zieht, Buchstaben kritzelt, bis daraus, nach Monaten, wieder so etwas wie eine eigene Handschrift wird.

Hilfreich ist auch, dass er seine Selbst-Isolation aufgibt, mit seinem besten Freund ein paar Kölsch kippt, eine Rembrandt-Ausstellung besucht, versuchsweise den Sendesaal des WDR betritt, in dem er bald aus seinem Hemingway-Roman vorlesen soll. Er stellt sich der Vergangenheit, indem er im Viertel seiner Kölner-Kindheit eine Bleibe sucht und im Ort, wo seine Eltern bis zu ihrem Tod gelebt haben, eine Ladenwohnung mietet und dort alte Möbel, Fotos und Notizen zu einem öffentlich zugänglichen Ortheil-Archiv zusammenstellt. Als er die Reha beendet, rät ihm seine Psychologin, es wäre vielleicht hilfreich, wenn er mit jemandem, der seine Bücher kennt, über sein manisches Schreib-Bedürfnis spricht.

Das Ende des Romans führt deshalb direkt zum nächsten Buch: „Ein Kosmos der Schrift“, ein dreitägiges Gespräch über die Autobiographie seines Schreibens von der Kindheit bis heute, das Ortheil mit seinem Lektor Klaus Siblewski geführt hat und in dem Ortheil zur Erkenntnis gelangt: „Das Schreiben war immer notwendig und existenziell. Ohne Schreiben hätte es kein Leben gegeben. Es war der Kommentar zum Leben, seine Verankerung, seine Vertiefung, seine Deutung.“

Hanns-Josef Ortheil: „Ombra“. Roman einer Wiedergeburt. Luchterhand, München 2021, 299 Seiten, 24 Euro.

„Ein Kosmos der Schrift“. Hanns-Josef Ortheil zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Imma Klemm. btb, München 2021, 364 Seiten, 12 Euro.




Auch das Denken ist eine Baustelle – Literat und Filmemacher Alexander Kluge wird 70

Von Bernd Berke

Einen „elektronischen Wegelagerer“ hat ihn der frühere RTL-Boss Helmut Thoma einst genannt. Vielleicht schmückt sich Alexander Kluge mit einem solchen Titel recht gern. Der so vielfach begabte Schriftsteller, Film- und Fernsehmacher, der heute 70 Jahre alt wird, hat mit unbändiger Neugier und freundlicher List schon so manches Medium produktiv „unterwandert“.

Als das Privatfernsehen in Deutschland aufkam, war Kluge der wohl erste namhafte Intellektuelle, der zwar auch die Risiken, vor allem aber die Chancen dieser Entwicklung erkannte. Auf der Basis von NRW-Lizenzen gelang es ihm und seiner Produktionsfirma dctp, mit experimentellen Magazinen Nischen bei RTL, SAT. 1 und Vox zu besetzen. Die Senderchefs stöhnten über den partisanenhaften „Quotenkiller“, der so gar nicht zum Trallala-Umfeld passen mochte. Doch Kluge, ein im Umgang sehr angenehmer aber entschiedener Mensch, ließ sich nicht beirren.

Ratlose Artisten und der Glaube an Veränderbarkeit

Er verfolgte weiter sein zuweilen vertracktes Montage-Konzept, das scheinbar ganz entfernte Bereiche zusammenrafft und blitzartig erhellt. Es konnte z. B. geschehen, dass die Weltkriegs-Schlacht vor Stalingrad mit einem Opernstoff („Carmen“) in gedankliche Kristallisation geriet. Oder mit tausend anderen Dingen aus Geschichte, Gegenwart, Geist und Alltag.

Über historisehe Entwürfe reflektiert er ebenso hellsichtig wie etwa über „Die Macht der Gefühle“ – oder über beides zugleich. Alexander Kluge studierte in aparter Kombination Jura, Geschichte und Kirchenmusik. Zeitweise saß er gemeinsam mit Jürgen Habermas in Vorlesungen und Seminaren bei Theodor W. Adorno. Das prägt. Habermas nennt Kluge „den einzigen Projektemacher großen Formats, den wir haben“. Lob von höchster Warte.

Zuerst trat Kluge als Filmemacher hervor. Eine Regieassistenz bei Fritz Lang weckte die Leidenschaft. Legendär das Manifest gegen „Opas Kino“ bei den Öberhausener Kurzfilmtagen 1962, an dem Kluge federführend mitwirkte. Das Plädoyer für den Autorenfilm war eine Wendemarke. Auch das (später arg verwässerte) System der Filmförderung verdankt Kluge wichtige Anstöße.

„Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit“

Die Titel seiner Kino-Arbeiten wurden teilweise sprichwörtlich: „Abschied von gestern“ (1966), „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ (1968) oder „Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit“ (1985). Hinzu kamen Gemeinschafts- und Gruppenwerke wie „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod“ (mit Edgar Reitz) und „Deutschland im Herbst“ (u. a. mit Schlöndorff, Fassbinder) über die bleierne Zeit des RAFTerrorismus.

Auf die Filme wie für seine wahrhaft gewichtigen Bücher (jüngst: „Die Chronik der Gefühle“, „Der unterschätzte Mensch“) trifft Kluges Ansicht zu, der sein ästhetisches Feld mit einer Baustelle verglichen hat. In diesem Sinne könnte man auch seine Montage-Technik verstehen. Hier ist niemals etwas abgeschlossen, sondern alles ist im Werden begriffen. Das schließt Vertrauen in die Zukunft ein. Kluge, der übrigens mit über 50 Jahren noch zweimal Vater wurde, glaubt an die Veränderbarkeit der Welt.

Ihn interessieren nicht so sehr die Antworten. Vielmehr bewegt er sich – wie ein Fisch im Wasser – im permanenten, zutiefst demokratisch-aufklärerischen Dialog über öffentliehe und private Angelegenheiten, die er stets für untrennbar gehalten hat. Seine Kompetenz erwies sich auch nach den Terroranschlägen des 11. September 2001, in deren Nachwehen Kluge ein gefragter Interpret der wirren Verhältnisse war. Da dachte er anregend nach über Formen der medialen Vermittlung, aber auch über „das Böse in der Welt“.

 




„Väterchen Franz“ wird 70 – Franz Josef Degenhardt, einer der bedeutendsten politischen Liedermacher dieser Republik

Von Bernd Berke

Wer weiß, wer weiß, welche Zufälle im Leben mitspielen: Es hätte gut so kommen können, dass Franz Josef Degenhardt heute einer der Top-Experten für Europäisches Recht wäre, denn das hat er eingehend studiert. Doch irgend etwas muss ihn in den frühen 60er Jahren gepackt und aufs Terrain der politischen Liedermacher gezogen haben. Sonst hätten wir ihn nie als „Väterchen Franz“ kennen gelernt. Kaum auszudenken!

Heute vor 70 Jahren wurde der Barde und Bänkelsänger der deutschen Linken in Schwelm geboren. Obwohl er längst in Quickborn bei Hamburg lebt, zeugen zumal seine Romane (am bekanntesten wurde der Erstling „Zündschnüre“) von westfälischer Bodenständigkeit sozialistischer Lesart. Degenhardt selbst hat seine Herkunft aus einer „militant katholischen und antifaschistischen Familie mit frühen Bezügen zum sozialistischen Milieu“ stets gern betont.

Öko-Bewegung war seine Sache nicht

Phasenweise hat er höchst aggressive Saiten angeschlagen. „Zwischentöne sind nur Krampf – im Klassenkampf“, dieser ungute Agitprop-Refrain klingelt immer noch in den Ohren. Auch hat Degenhardt die aufkommende Alternativ-Bewegung in den späten 70ern übel missverstanden, ja aus seiner orthodox-kommunistischen Sicht wohl verkennen müssen. Lieder, die er in diese Richtung abfeuerte, bewegten sich manchmal gar am Rande der Denunziation.

Schon die APO um 1967/68 fand nicht seine Billigung. Zwar war er mit Rudi Dutschke befreundet, doch die meisten Aktionen der Studentenbewegung hielt er für Streiche der Kinder besserer Leute. Vermutlich lag darin sogar ein Körnchen Wahrheit.

Und natürlich verdanken wir dem Mann, der immer noch unverdrossen der DKP anhängt (1971 wurde er wegen solcher Neigungen aus der SPD ausgeschlossen), auch einige der wirksamsten Balladen, Chansons und Polit-Songs der Nachkriegszeit. In seinen besten Zeiten waren ihm (jeder auf seine besondere Art) allenfalls Biermann und Hüsch ebenbürtig.

Manches eignete sich auch zum Grölen

„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ wurde zur oft zitierten Legende. Dutzende von Liedern fallen einem da ein, die früher in linken Kneipen zu fortgeschrittener Stunde und bei erhöhtem Pegel auch schon mal selig gegrölt wurden; wohl ganz im Sinne von „Väterchen Franz“, der im Lied als „versoff’ner Chronist“ auftrat. Doch es gibt auch viel fein gesponnene Poesie in seinem Werk.

Nur ein paar Nostalgie-Stichworte: „Horsti Schmandhoff“ (ewiges Stehaufmännchen seit Nazi-Zeiten), „Deutscher Sonntag“ (genialische Provinz-Beschreibung), „Befragung eines Kriegsdienstverweigerers“ (sarkastische Zeile: „Sie berufen sich hier pausenlos aufs Grundgesetz“). Hellsichtig auch die satirischen Rollenporträts des satten Bürgertums, so in „Notar Bolamus“ oder „Wenn der Senator erzählt“.

Mütterchen, die Lenin lesen

Überhaupt hat Degenhardt manches früh kommen sehen – erstarkenden Neonazismus und Kriegslüsternheit etwa. Später kamen leider auch einige spröde Helden-Epen aus dem Geiste eines volkstümlich getönten sozialistischen Realismus hinzu, etwa von wackeren proletarischen Mütterchen, die Marx, Engels und Lenin zu lesen beginnen.

Seit den 80er Jahren differenziert Degenhardt in seinen Texten wieder genauer. Auch musikalisch entdeckte er vielfältigere Ausdrucksformen, seit er mit Gruppen wie „Ougenweide“ oder „Randy Pie“ arbeitete und schließlich eine eigene Band hatte. Mehr Instrumente – das bedeutete nicht nur mehr Klangfarben, sondern just auch wieder dialektische, melancholische oder zynisch-heitere Zwischentöne Es wäre ja auch nicht zu fassen, wenn“ ein solch kluger Mensch nicht hinzulernen würde. Nur sich ändert, bleibt sich treu.




Ein Anti-Held aus der skeptischen Generation – Der Schauspieler Hansjörg Felmy wird heute 70 Jahre alt

Von Bernd Berke

Seine erste Rolle war in familiärer Hinsicht geradezu pikant: Hansjörg Felmy, damals gerade 18-jähriger Sohn eines Luftwaffen-Generals, betrat 1949 just in Zuckmayers Stuck „Des Teufels General“ die Bühne – in der Rolle eines Arbeiters. Am Beginn seiner Laufbahn stand das militärische Genre oft obenan. Heute wird Felmy 70 Jahre alt.

1956 hatte er sein Kino-Debüt er in Alfred Weidenmanns „Der Stern von Afrika“. Er spielte einen Fliegerleutnant, der keine Neigung zum „Heldentum“ zeigte. Felmy dürfte in jenen Jahren einiges zur Selbsterforschung der Nachkriegsdeutschen beigetragen haben, verkörperte er doch meist Männer, die entweder sarkastisch aufbegehrten (etwa in Kurt Hoffmanns Satire „Wir Wunderkinder“, 1958) oder die selbst in finsteren Zeiten aufrecht geblieben waren. Solche Streifen waren gewiss ehrenwerte Versuche, sich der Vergangenheit zu stellen. Sie entsprachen dem nüchternen Geist der „skeptischen Generation“.

Weitere Filmtitel aus seiner ersten großen Phase lassen ahnen, dass sich Felmy denn doch nicht auf ein Rollenprofil festlegen ließ: „Haie und kleine Fische“ (1957), „Der Greifer“ und „Herz ohne Gnade“ (beide 1958), „Rommel ruft Kairo“, „Buddenbrooks“, „Und ewig singen die Wälder“ (alle 1959), „Die zornigen jungen Männer“ und „Schachnovelle“ (beide 1960).

Unvergessen als Essener „Tatort“-Ermittler Haferkamp

Rückblick: Das Gymnasium in Braunschweig hatte er nur bis zur Mittelstufe besucht. Ab 1947 nahm er Schauspielunterricht. Nach Theater-Stationen in Braunschweig, Aachen und Köln lockte der Film. Hier errang Felmy frühen Ruhm und bekam in den 50er Jahren Traumgagen von bis zu 300 000 Mark. Das Geld dürfte ein Polster gewesen sein, als das deutsche Kino in den 60ern in eine tiefe Krise geriet und kaum noch tragbare Angebote kamen.

Felmy hielt sich seinerzeit auch mit Auftritten in zweitklassigen Streifen (Edgar Wallace-Adaptionen) im Geschäft, ansonsten kehrte er zur (Tournee-)Bühne zurück und trat ab 1966 (Dreiteiler „Flucht ohne Ausweg“) häufiger im Fernsehen auf, wo der wohl prominenteste Part seines Lebens noch auf ihn wartete.

Von 1973 bis 1980 spielte er den Essener Kommissar Haferkamp, einen der besten „Tatort“-Ermittler überhaupt, den man auch heute noch gern in Wiederholungen sieht. 1974 konnte ich Felmy für die WR bei „Tatort“-Dreharbeiten vor damals noch gängiger Hochofenkulisse in Duisburg beobachten. Es war ein relativ kurzer Termin, denn die Szene „saß“ sofort. Seither hat man so manchen Schauspieler gesehen, doch nur ganz wenige waren so professionell und dabei so angenehm uneitel.

Der erste richtige „Single“ im deutschen TV

Eine Spielanleitung brauchte dieser ungeheuer disziplinierte Darsteller kaum. Und so soll er denn auch einigen weniger erfahrenen Regisseuren das Leben recht schwer gemacht haben – wenn der Wählerische überhaupt noch Drehbücher akzeptierte.

In seiner „Tatort“-Rolle kultivierte Felmy vollends seinen Hang zum Understatement, zur sparsamen Geste, zur unaufdringlich-präzisen Charakterzeichnung. Und er war sozusagen der erste richtige „Single“ im deutschen Fernsehen. Die liebevoll ironischen Scharmützel des oft mürrischen Einzelgängers mit seiner Geschiedenen (Karin Eickelbaum) sind TV-Legende, ebenso wie der immergleiche Popeline-Mantel des Kommissars oder seine Vorliebe für Frikadellen und klaren Schnaps. Er war ein Anti-Held des Alltäglichen, von Melancholie umflort.

Zuletzt sah man Felmy in Mittelklasse-Produktionen wie „Abenteuer Airport“ (1990-93) und „Hagedorns Tochter“ (1994). Mit seiner zweiten Ehefrau Claudia Wedekind lebt er zurückgezogen in Bayern und Nordfriesland. Das Rauchen mag er trotz ernster Erkrankungen nicht aufgeben: „Ich will und werde mein Leben nicht verändern, nur um es zu verlängern. Wenn ich deswegen früher sterbe, habe ich eben Pech gehabt“, zitiert ihn eine Nachrichtenagentur. Vernünftig klingt das nicht. Aber es ist ein Standpunkt.

 




Mario Adorf – einfach denkmalwürdig / Zum 70. Geburtstag des großen Schauspielers

Von Bernd Berke

Diese gedrungene Statur. Dieser dunkel funkelnde Blick unter buschigen Augenbrauen. Die sprungbereite Gefährlichkeit, die sich hinter Leutseligkeit so täuschend verbergen kann. Bei ihm kann das Böse furchtbar charmant und der Charme abgründig böse sein.

Für harmlose Rollen ist er nicht geschaffen. Und so hat Mario Adorf, der heute 70 Jahre alt wird, im Laufe seines Schauspielerlebens denn auch allem die Schattierungen des Gangster- und Ganoventums verkörpert; vom debilen Triebtäter bis zum ehrenwerten Herren im edlen Zwirn. mte: Seinen

Kino-Durchbruch hatte er 1957 in Robert Siodmaks „Nachts, wenn der Teufel kam“ – als geistesgestörter Serienmörder. Pfiffige Spielart: 1959 war er der helle Kopf einer Jugendbande in „Am Tag als der Regen kam“. Gar viele Facetten kamen mit den Jahren hinzu. Wie sagt man in derlei Fällen: Er ist mit allen Wassern gewaschen…

Dem altväterlichen Kino den Mief ausgetrieben

Adorf zählte zu den ganz wenigen, die dem altväterlichen deutschen Kino der 50er Jahre den Mief ausgetrieben haben. Ein Kraftkerl seiner Klasse konnte es mit dem Zeitgeist der Adenauer-Ära aufnehmen. So wie Bernhard Wicki als Melancholiker quer zur Mehrheits-Mentalität stand, so Adorf als listiger, frecher, sturzvitaler Herausforderer. Denkmalwürdig.

Seine ungeheure, nuanciert wandelbare Präsenz reichte für mehrere Karrieren. Selbst in weniger ambitionierten Produktionen der 60er- und 70er-Jahre (Karl May, Italo-Western, Mafia-Thriller) merkte man auf, sobald er die Bildfläche betrat. Auch wenn er ein Klischee bediente, war er zugleich dessen Verneinung.

Rollen bei Schlöndorff, Fassbinder und Billy Wilder

Eine derartige Ausnahme-Erscheinung durfte auch den Regisseuren des „Jungen deutschen Films“ nicht entgehen: In Schlöndorffs Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ spielte Adorf einen zwielichtigen Kommissar, Fassbinder holte ihn als brachialen Baulöwen (Adorf über die Rolle: „ein sympathisches Schwein“) für „Lola“, und in Schlöndorffs Oscar-gekrönter Grass-Adaption „Die Blechtrommel“ war er der Vater Matzerath. Überdies wurde Adorf von Billy Wilder („Fedora“), Sam Peckinpah („Major Dundee“) und Claude Chabrol („Stille Tage in Clichy“) geschätzt. Doch mit Hollywood kam er nicht zurecht: „Wäre ich dort geblieben, hätte ich ewig den Mexikaner spielen müssen“.

Schließlich die bärenstarken Fernsehrollen. Nie war Heimkino schöner als mit diesen satirisch angehauchten Dramen, die unsere geldlüsterne Gesellschaft herrlich auf den Begriff brachten. Bestimmt kein Zufall, dass Adorf in einigen der besten TV-Produktionen der letzten Jahrzehnte mitgewirkt hat, auch als Komödiant von hohen Gnaden.

Unvergessliche Momente in „Kir Royal“ 

Mit diebischen Freude erinnern wir uns an den Kaufhauskönig in Dieter Wedels „Der große Bellheim“ (1992), an den Gangster-Paten beim selben Regisseur in  „Der Schattenmann“ (1996). Einen „Mittelpunktschauspieler“ hat ihn Helmut Dietl genannt. Wahrhaftig: Wer wird je den furiosen Moment vergessen, wenn Adorf in Dietls Serie „Kir Royal“ (1986) auf die Szene stampft: „Ich scheiß euch alle zu mit meinem Geld!“ So sprach der rheinische Klebstoff-Fabrikant Heinrich Haffenloher, der sich den Zugang zur Schickeria erkaufen wollte. Daneben verblassten sogar Franz Xaver Kroetz, Senta Berger und Ruth-Maria Kubitschek ein wenig.

Sein Rüstzeug hat Adorf, der in Zürich geboren wurde und in Mayen (Eifel) als uneheliches Kind bei der Mutter aufwuchs, am Theater erworben: 1953 besuchte er die Otto-Falckenberg-SchuIe, von 1954 bis 1960 gehörte er zum Ensemble der Münchner Kammerspiele.

Und nun können wir es kaum noch erwarten, Adorf als gewieften Hamburger Senator in Dieter Wedels ZDF-Sechsteiler „Die Affäre Semmeling“ zu sehen. Dreht schneller, Leute!




Im rhythmischen Urgrund der Poesie – Der Dichter Peter Rühmkorf wurde vor 70 Jahren in Dortmund geboren

Von Bernd Berke

Nein, diesen Mann können wir beim besten Willen nicht für „uns“ reklamieren: Der Dichter Peter Rühmkorf, der am kommenden Montag (25. Oktober) 70 Jahre alt wird, wurde zwar 1929 in Dortmund geboren, ist aber in Niedersachsen aufgewachsen. Und nun lebt er schon seit Jahrzehnten in Hamburg.

Kein westfälischer Autor also. Aber dafür der vielleicht sprachmächtigste und differenzierteste Lyriker, den die Deutschen haben. Bücher wie „Haltbar bis Ende 1999″ (erschienen 1979), „Außer der Liebe nichts“ (1986), „Einmalig wie wir alle“ (1989) oder der soeben herausgekommene Band „wenn – aber dann“ sollten eigentlich zur literarischen Grundausstattung gehören.

Aber halt! Gar so einfach ist es nicht. Zwar klingt sein Tonfall oft flapsig, witzig oder kalauernd. Doch etwas Lese-Erfahrung ist schon recht nützlich, wenn man sich seinen Texten nähert. Dann kann man ihre Kunstfertigkeit doppelt genießen. Denn sehr intensiv hat sich Rühmkorf mit den Traditionen der Gattung auseinandergesetzt – angefangen von frühen Wurzeln in den „Merseburger Zaubersprüchen“ und bei Walther von der Vogelweide, weiter über Klopstock und Hölderlin, bis hin zu Heinrich Heine, zum Expressionismus und Gottfried Benn. Wie unter den Gegenwartspoeten sonst nur noch Robert Gernhardt, treibt Rühmkorf ein äußerst virtuoses Spiel mit Versmaßen und Reimformen, die durch Kitsch und Werbung diskreditiert zu sein schienen.

Toilettensprüche als eine Quelle der Poesie

Doch Rühmkorf kennt keine Berührungsängste. Im Gegenteil, er nutzt vielfach Kinderreime, Abzählverse, Reklame-Slogans, ordinäre Toilettensprüche und dergleichen als unerschöpfliches Reservoir der „Anklänge“. In „Über das Volksvermögen“ (1967) hat er solche Quellen erschlossen und gezeigt, welches Widerstands-Potenzial in derlei Texten steckt. Und man sieht ihm gebannt zu wie einem Hochseilartisten der Sprache, wenn es ihm immer wieder gelingt, alltägliche Anstöße mit feinstens ziselierten Gedanken und genau ertasteten Regungen zu verschmelzen. Im rhythmischen Urgrund der Poesie werden das Höchste und das Niederste eins.

In den 50ern war er Lektor bei Rowohlt, wo seither die meisten seiner Bücher erschienen sind. Als überzeugter Linker schrieb er für jenes Studentenmagazin, das zur Zeitschrift „Konkret“ mutierte. Rühmkorf hat manche politische Enttäuschung verwinden müssen – nachzulesen in „Die Jahre, die ihr kennt“ (1972) und im bewegenden Tagebuchband „Tabu“ (1995), spürbar auch in solchen Zeilen: „Bei meinen Feinden zuweilen, finde ich Zuflucht vor meinen Genossen.“.

Ähnlich wie der Literaturnobelpreisträger Günter Grass, sieht auch Rühmkorf (der 1993 den Büchnerpreis erhielt) keinen sonderlichen Segen auf der deutschen Einheit ruhen: „D-Land: das mißlungene Verbrüderungswerk, die wahre Spaltung, die sich erst nach der Einheit zur Kenntlichkeit entwickelt hat“…

Das lyrische Ich fühlt sich „halb von Leuten überrannt und halb alleine“, so heißt es im neuen Gedichtband. Aus einer schmerzlich empfundenen aber lustvoll gehaltenen Außenseiter-Position heraus dichtet er funkenschlagend fort. Kaum zu überhören ist Alters-Melancholie, sind Entsetzen aber auch höhere Heiterkeit angesichts der verflossenen Lebensjahre: „…alte Männer merken sich“ / junge Mädchen / Jahr um Jahr ein Stück verstärkt, / leider bleiben selber unbemerkt“.

 

Peter Rühmkorf kommt am Dienstag, 16. November (19.30 Uhr), zu einer Lesung ins Dortmunder Harenberg City Center. Infos: 0231/9056-166.




Des Menschen Fleisch in Lust und Leid – Der streitbare Wiener Bildhauer und Maler Alfred Hrdlicka wird heute 70 Jahre alt

Von Bernd Berke

Provokation ist das Lebenselixier des Wiener Malers und Bildhauers Alfred Hrdlicka, der heute 70 Jahre alt wird. Hrdlicka würde gewiß glauben, er hätte etwas falsch gemacht oder seinen Elan verloren, wenn sich eines Tages niemand mehr über ihn und seine Werke aufregt.

Manchmal schoß der Berserker weit übers Ziel hinaus. 1994 etwa, als er den Sänger Wolf Biermann wegen dessen Kritik an der PDS einen „Arschkriecher“ nannte und ihm gar „die Nürnberger Rassegesetze an den Hals“ wünschte. Eine schreckliche verbale Entgleisung, die er wohl auch selbst bedauert hat. Aber er ist nicht der Mann, der klein beigibt und sich öffentlich entschuldigt. Als angenehmen oder gar pflegeleichten Menschen wird man ihn nicht bezeichnen können, sondern nur als unbequemen, unbeugsamen.

Kommunismus als Richtschnur

In der Kunst ist Hrdlicka einem ins Extreme getriebenen Realismus auf fast schon sture Weise treu geblieben. Das mißfiel den Verfechtern dezenter Abstraktion. Hrdlickas Darstellungen geiler oder geschundener Körper (die uralten Themen: Eros und Tod) sind von einer kraftgenialisch und manchmal brutal anmutenden Überdeutlichkeit. Vergrößert und vergröbert erscheinen Genitalien, aber auch zerfetzte Gliedmaßen. Es sind schmerzliche Darstellungen der Lust und des Leidens, auch des Mitleidens. Das Bild des Menschen wird auf fleischliche Gegenwart fokussiert, ob als intakte Figur oder als verrenkter Torso. Faszination durch Gewalt und der Abscheu vor ihr werden zuweilen eins.

Hrdlicka wurde am 27. Februar 1928 als Sohn eines kommunistischen Gewerkschafters in Wien geboren. Auch er selbst orientiert sich am Kommunismus, war aber klug genug, 1956 nach der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands aus der Partei auszutreten.

Entschieden antifaschistisch

Als Künstler stellt er sich ganz entschieden in die sozialkritische Tradition der Linken. Immer wieder hat er entsprechende Aufträge bekommen: 1981 schuf er für Wuppertal eine tonnenschwere Skulptur des Friedrich Engels, 1985/86 für Hamburg ein mehrteiliges Gegen-Monument zum dortigen NS-Kriegerdenkmal aus dem Jahre 1936, und 1988 erhielt Wien sein „Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“. All diese Projekte zogen jahrelangen Streit um Gestaltung und Finanzen nach sich. Doch durch derlei Kleinigkeiten hat sich Hrdlicka noch nie beirren lassen.

Von Beherrschung der Technik und des Materials zeugen nicht nur seine Plastiken, sondern auch Radierzyklen wie „Tausendundeine Nacht“, „Roll over Mondrian“, „Wie ein Totentanz“ oder zeichnerische Werkgruppen wie zu Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“.

Hrdlicka fühlt sich vom Kunstbetrieb gelegentlich vernachlässigt, doch es hat in den letzten Jahren bedeutende Retrospektiven gegeben. 1994 war er im Dortmunder Harenberg-Center höchst präsent, 1997 richteten ihm Franfkurt und Wien eine große Werkschau aus.

 




Rhetorik ist mehr als nur Wortgeklingel – Zum 70. Geburtstag von Walter Jens

Zur alten Feuilleton-Zeit galt die Theaterkritik alles, die Fernsehkritik fast nichts. Das hat sich geändert. Maßstäbe für die TV-Renzension als achtbares Genre hat als einer der ersten Professor Walter Jens gesetzt, der viele Jahre lang in der Wochenzeitung „Die Zeit“ (unter dem Pseudonym „Momos“) das Bildschirmgeschehen kritisch begleitete. Es ist nicht das geringste Verdienst des Mannes, der heute 70 Jahre alt wird.

In seiner Wahlheimatstadt Tübingen hatte der Sohn eines Hamburger Bankiers bis 1988 den Lehrstuhl für Rhetorik inne. Das Wort „Rhetorik“ hat hierzulande einen schlechten Klang. Man argwöhnt, es gehe nur um schönes Wortgeklingel. Jedoch: Die Kunst der wohlgesetzten Rede zu veredeln und zu verbreiten – welch‘ eine notwendige Anstrengung in einem Land wie Deutschland. Man muß nur eine durchschnittliche öffentliche Ansprache hören und weiß Bescheid.

Als jemand, der wahrlich gut sprechen kann, hört sich Jens – verzeihliche menschliche Schwäche – recht gerne selbst reden, er genießt eben seinen eigenen Vortrag. Auch den Wohlmeinenden kommt er dann manchmal etwas penetrant vor, wie ein Besserwisser und Oberlehrer. Damit muß und kann er leben.

Es ging und geht Jens nie um die bloße Form der Rede. sondern um Inhalte. Er ist wohl das, was man einen Radikaldemokraten nennt. Viele beklagen oder bejubeln den „Tod der Aufklärung“. Doch Jens besteht darauf, daß die moralischen und freiheitlichen Ansprüche der Aufklärung endlich eingelöst werden. Oft hat er sich mit unbequemen Anmerkungen zu Politik und Kultur in der Bundesrepublik zu Wort gemeldet; manchen zum Verdruß, anderen zur Labsal.

„Feldzüge eines Republikaners“ heißt eines seiner Bücher. Manchmal beläßt er es (ähnlich wie seinerzeit Heinrich Böll) nicht beim verbalen Widerstand, sondern zieht handelnd zu Felde: So war der überzeugte Pazifist 1984 bei der Sitzblockade vor dem US-Raketendepot in Mutlangen dabei. Und so verbarg er US-Soldaten, die nicht am Golfkrieg teilnehmen wollten, in seiner Wohnung. Eine Haltung, die selbst dann Respekt abnötigt, wenn man seine Meinung nicht teilt. Sie ist mit persönlichem Risiko verbunden.

Der hochdekorierte Jens (Lessing-Preis, Heine-Preis usw.) hat den Acker der Sprache allseits gepflügt: Er ist nicht nur Redner, sondern auch Schriftsteller, Literaturhistoriker, Rezensent und Übersetzer. Mit dem Weggefährten Hans Küng, dem kritischen Katholiken, arbeitet der Protestant Jens seit Jahren an einer zeitgemäßen Übertragung des Neuen Testaments.

Auch im gesetzteren Alter ist Walter Jens kein bißchen leise. So empörte er sich kürzlich über einen Beitrag der Zeitschrift „Sinn und Form“, herausgegeben von der immer noch selbständigen Ostberliner Akademie der Künste. Dort hatte man unkommentiert einige Passagen aus Tagebüchern von Ernst Jünger gedruckt. Schon beim bloßen Namen des oft als kriegslüstern gescholtenen Autors von „In Stahlgewittern“ muß Jens rot gesehen haben. Er las den Abdruck als „gefährliches Symptom“ einer neuen nationalkonservativen Strömung und einer „unheiligen Allianz“. Seine Befürchtung: Die deutschen Intellektuellen könnten sich wieder einmal dubiosen Autoritäten hingeben. Man darf das nicht einfach als Hirngespinst abtun, da doch selbst ein Mann wie der Dramatiker Botho Strauß den Weltgeist neuerdings wieder „rechts“ wehen sieht.

Als Präsident der Berliner West-Akademie der Künste ist Walter Jens auch in die Wirren der deutschen Vereinigung geraten. In der Stasi-Debatte empfahl er, auch nach den Teil-Bekenntnissen von Christa Wolf und Heiner Müller, „Behutsamkeit, Nachsicht und Erbarmen“. Er meinte damit kein Verleugnen, sondern schlichte Menschlichkeit.

                                                                                                            Bernd Berke