Münster bleibt dem Tiger treu

Im westfälischen Münster hält man auf Tradition. Man gibt das Gestern nicht so leicht verloren.

Fertiggestellt: Zootiger Rasputin in der Präparations-Werkstatt. (Foto: LWL/Steinweg)

Fertiggestellt: Zootiger Rasputin in der Präparations-Werkstatt des Naturkundemuseums. (Foto: LWL/Steinweg)

So haben die Münsteraner  – berühmtestes Beispiel – nach dem Krieg ihren historischen Prinzipalmarkt getreulich wieder neu erstehen lassen. Welch ein Gegensatz zu Dortmund, wo das damals älteste steinerne Rathaus Deutschlands 1955 kurzerhand abgerissen wurde.

Wir wechseln auf ein ganz anderes Feld, bleiben aber im Modus der Überlieferung: In Münster mag man sich nicht einmal von besonderen Tieren des Allwetterzoos ganz und gar trennen.

Jetzt ist der im Februar 2016 gestorbene Amur-Tiger Rasputin (er musste wegen eines Tumors am rechten Vorderlauf eingeschläfert werden) wieder in seiner prachtvollen Gestalt vorhanden. Er wurde von Fachleuten des Münsteraner LWL-Museums für Naturkunde Millimeter um Millimeter sorgsam präpariert.

2013 einen Tierpfleger getötet

Entscheidend fürs stimmige Gesamtbild seien Kleinigkeiten, zum Beispiel, „wie welche Streifen im Fell wo saßen“, sagt Präparator Markus Ranft, der den Gesichtsausdruck des majestätischen Tieres anhand von vielen Fotos nachgebildet hat. Keine leichte Aufgabe, denn langjährige Zoobesucher kannten das Aussehen dieses Tigers genau, ihnen kann man nichts vormachen. Unter dem Fell verbirgt sich freilich nicht das Originalskelett, sondern eine vorgefertigte Form.

Nun sieht er fast wieder so aus wie früher im Zoo. Man mag das zunächst vielleicht ein wenig gruselig finden, doch das liegt wohl hauptsächlich daran, dass das Tier noch nicht so lange tot ist. Rasputin hat vielen Menschen als lebendiges Wesen imponiert. Doch es bleiben nicht nur erfreuliche Erinnerungen an ihn. 2013 hatte Rasputin einen Pfleger durch einen Genickbiss getötet.

Wann eine breitere Öffentlichkeit den präparierten Tiger erstmals sehen kann, steht noch nicht fest. Er soll, wenn es thematisch passt, künftig im Rahmen von Sonderausstellungen des Naturkundemuseums gezeigt werden.




Ein großes Dach für die Tiere – Europas erster Allwetterzoo öffnet bald seine Pforten in Münster

Von Bernd Berke (Text) und Helmut Orwat (Fotos)

Ein riesiger „Platz für Tiere“ wird am 2. Mai in Münster eröffnet. Auf einem 300 000 Quadratmeter großen Gelände wurde am Südrand der Stadt der erste Allwetterzoo Europas aus dem Boden gestampft. Damit übertrifft der Mammutzoo seinen Münsteraner „Vorgänger“, der Ende letzten Jahres seine Pforten schloß, an Fläche um das Fünffache.

Der alte Zoo beherbergte Tiere im Wert von 250 000 DM. In den neuen Käfigen, Bassins, Terrarien und Gehegen werden sich über 2000 Tiere aus aller Welt tummeln. Gegenwert: 1,15 Millionen DM. Unter den neuangeschafften Tieren sind erstmals Giraffen und Nashörner, Strauße, Seebären – und eine Gruppe von Flußpferden zählt zu den weiteren wichtigen Neuerwerbungen. Modernste Einrichtungen sollen auch sonnenverwöhnte Tiere zeugungs- und gebärfreudiger machen als in herkömmlichen Tiergärten.

Das eigentlich Neue an dem Tierparadies (Baukosten: 40 Millionen DM) aber ist dies: Unter einem 900 Meter langen überdachten Rundgang kann der Zoobesucher auch bei Schnee, Hagel und Regen an den wichtigsten Tierarten vorbeiwandern.

Der kaufmännische Direktor des Zoos, Dr. Holm Oberstadt: „Unser Zoo wird einen hohen Freizeitwert haben.“ Unter anderem hat man gleich vier große Spielplätze auf dem Tiergartengelände eingerichtet. Einen Ponyreitplatz wird man ebenso finden wie das abenteuerliche „Tarzan-Land“. Außerdem wird es – speziell für Kinder – einen „Streichel-Zoo“ geben, in dem man mit (ungefährlichen) Tierarten Hautkontakt aufnehmen kann.

Auch an Autofahrer wurde gedacht. Sie können ihr Gefährt jetzt auf einer Parkfläche mit 1000 Stellplätzen unterbringen. Wer im Zoo essen will, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er läßt sich im Restaurant bedienen oder er verzehrt Mitgebrachtes auf einem Picknickplatz.

Der modernste Tiergarten Europas wurde 1967 geplant. Aktionen und Wettbewerbe, an denen sich viele Bürger beteiligten, machten es möglich, daß die Zoo-Aktiengesellschaft – zumeist aus Spenden – 266 Großtiere für insgesamt 625 000 DM hinzukaufen konnte. Trotzdem gab es zeitweise „dicke Luft“. Der erste Architekt, der an dem Projekt baute, wurde nach und nach immer teurer. Ein Team löste den glücklosen Mann ab, der heute einen Prozeß am Hals hat.

Probleme gab es auch mit dem Transport. Da der alte Zoo zugemacht wurde, mußten sämtliche Tiere von dort in den neuen umziehen. Dr. Helmut Reichling, wissenschaftlicher Direktor des Zoos, bei dessen Einrichtung auch Prof. Bernhard Grzimek beratend tätig war: „Am schwierigsten war es natürlich mit den Elefanten, Die haben wir erst drei Wochen lang an das Gefühl gewöhnen müssen, in einer hausgroßen Elefantenkiste angekettet zu werden, bevor wir sie mit dem Kran auf Tieflader verfrachten konnten.“

Dr. Reichling preist auch ein Erlebnis an, das man in Zoos selten hat: „Unsere Tiger sind hinter Panzerglas untergebracht. Das heißt, daß der Besucher praktisch bis auf vier Zentimeter an die Tiere herankommen kann. Dabei wird er feststellen, daß Tiger keine Schlitzaugen haben, wie oft fälschlicherweise behauptet wird.“

Eine weitere Attraktion soll im Sommer hinzukommen: ein Delphinarium. Der erste Allwetterzoo Europas kann zur Eröffnung am 2. Mai kostenlos besichtigt werden. Der alte Zoo hatte im letzten Jahr 450 000 Besucher. In den neuen, so hofft die Direktion, werden doppelt soviel Menschen strömen.

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