Suche nach dem sicheren Ort: „Maxim“ von „Stücke“-Gewinnerin Anne Lepper für Kinder ab 9 in Dortmund

Das Bett ist zum Expreßballon geworden. Szene mit (von links) Philip Pelzer, Ann-Kathrin Hinz, Andreas Ksienzyk und Rainer Kleinespel (Foto: Edi Szekely/Theater Dortmund)

Das Stück heißt „Maxim“ und ist jetzt im Dortmunder Kinder- und Jugendtheater uraufgeführt worden. Geschrieben hat es Anne Lepper, und weil sie im letzten Jahr in Mülheim mit ihrem („Erwachsenen“)-Stück „Mädchen in Not“ den Stücke-Wettbewerb gewonnen hat, war von Interesse, wie nun ihr erstes Kinderstück (für Kinder ab 9 Jahre) geworden ist.

Mobbing und Anderssein

Mehrere Zeitungs- und Rundfunkkritiker hatten sich eingefunden, und überhaupt saßen mehr Erwachsene als Kinder im Zuschauerraum – ein Umstand, der im Kinder- und Jugendtheater nachdenklich stimmt. Möglicherweise waren besonders viele Lehrer zugegen, die prüfen wollten, ob das Stück für ihre Klassen geeignet sein könnte. Man sollte gelegentlich mal nachfragen.

Das Stück dreht sich, ganz grob beschrieben, um Mobbing und Anderssein, um Autonomie und Akzeptanz, um die Macht der Phantasie. Handlungsgang, Bezüge und Personen sind, für die pädagogische Arbeit wohl, stark und eindeutig gezeichnet, das Geschehen schreitet forsch voran, Langeweile kommt in den rund 70 Minuten Spielzeit nicht auf.

Sie sind die Mondelfen: Bettina Zobel, Bianka Lammert und Johanna Weißert (Foto: Edi Szekely/Theater Dortmund)

Mit Fußtritten

Die Dortmunder Inszenierung des Hausherrn Andreas Gruhn kommt brutal zur Sache. Auf dem Schulhof wird Mary-Lou (Ann-Kathrin Hinz) von den anderen mit Fußtritten malträtiert, selbst noch, als sie schon auf dem Boden liegt. Es ist nicht das erste Mal. Mary-Lou ist angeblich zu dick und gehört deshalb nicht dazu.

Auch Max (Philip Pelzer) gehört nicht dazu, weil er immer noch mit Puppen spielt. Die anderen wenden sich von ihm ab, trotz seiner leckeren Salamibrote. Max beschließt die Flucht zum Mond, im Expreßballon, zusammen mit Bär und Hund (Andreas Ksienzyk und Rainer Kleinespel). Denn der Mond ist angeblich repressionsfrei. Auch Mary-Lou kommt mit, doch muß sie zunächst einmal die Vorurteile der drei anderen gegen dicke Mädchen niederkämpfen („Dicke Mädchen wollen immer Blumen geschenkt haben“).

Mond ist auch keine Lösung

Auf dem Mond verheißen die Mondelfen (Bianka Lammert, Johanna Weißert, und Bettina Zobel) völlige Freiheit, doch die Mondpolizei (Thorsten Schmidt) trachtet den Neuankömmlingen nach dem Leben, weshalb sie im letzten Augenblick zur Sonne flüchten. Die ist aber auch nicht begeistert und außerdem sehr, sehr heiß. In letzter Konsequenz bleibt nichts als die gute alte Erde, wo jeder Mensch das Recht hat, so zu sein, wie er eben ist. „Was wir bräuchten, wäre Liebe“,sagt der weise Bär.

Das magische Bühnengeschehen ist sinnhaft mit Pop-Musik von David Bowie („Space Oddity“, „Starman“), Hubert Kah (Sternenhimmel“) und anderen angereichert worden, die die Stimmungen und Sehnsüchte der Personen spiegelt und verstärkt. Bemerkenswert ist der selbstverständliche Einsatz englischer Song-Texte, die unübersetzt bleiben. Können die Kinder in dem Alter schon so viel Englisch? Vielleicht die falsche Frage.

Mary-Lou tanzt; Szene mit (von links) Rainer Kleinespel, Philip Pelzer, Ann-Kathrin Hinz, Andreas Ksienzyk, Bianka Lammert, Johanna Weißert, Bettina Zobel (Foto: Edi Szekely/Theater Dortmund)

Mäßig originell

Alles im grünen Bereich; höchstens hätte man von einer „Stücke“-Preisträgerin etwas mehr Originalität erwartet, als hier an der Dortmunder Sckellstraße sichtbar wird. Auf einen neuen Stoff nach Art Wolfgang Herrndorfs hatten manche gehofft, eine Geschichte à la „Tschick“ für die etwas Jüngeren. Das wäre einfach schön gewesen, auch wenn dieser kritische Einwurf letztlich unzulässig ist, weil „Maxim“ für Kinder geschrieben wurde und sich deren Problemen mit großer Redlichkeit nähert. Sei’s drum.

Tanz ist Freiheit

Es wird viel getanzt auf der Bühne mit ihren drei großen Ballons und der anspruchsvollen Videoprojektion (Ausstattung: Oliver Kostecka, Video und Sound: Peter Kirschke, Choreographie: Joeri Burger). Tanz ist Freiheit, wer tanzt, ist bei sich selbst, eine Botschaft, die wohl auch über den recht konkreten Rahmen dieses Stücks hinausgeht. Und wenn Hund und Bär mit ihren ungelenken Stofftier-Riesenfüßen herumstapfen, ist das auch ausgesprochen lustig.

Bemerkenswert schließlich ist der Programmzettel, der in einigen Stichworten auf das Stück eingeht und auch noch ein kleines Glossar mit möglicherweise nicht bekannten Begriffen liefert, „Epidemie“, „zivilisiert“, „Regression“… . Sogar die „Heteronomie“ hat es bis auf die Liste geschafft, als Gegensatz zur Autonomie. Ganz schön anspruchsvoll, für Kinder ab 9.

Der lange, kräftige Schlußapplaus galt nicht zuletzt den acht Darstellerinnen und Darstellern, die in bis zu drei Rollen auf der Bühne standen, spielten, tanzten. Konzentration und eine im besten Sinne angemessene Ernsthaftigkeit prägten ihrer aller Spiel ebenso wie eine geradezu ansteckende Spielfreude.

  • Nächste Termine: 2., 3., 6. Mai, 4., 5. Juli.
  • https://www.theaterdo.de/detail/event/18822/

 




Vieles von allem: Das Theater Dortmund präsentiert sein Programm für 2016/2017

Schauspielhaus Dortmund

Hier wird derzeit renoviert – und alle hoffen, daß es pünktlich sein Ende hat: Das Theater Dortmund (Foto: Laura Sander/Theater Dortmund)

Die längste Theaterveranstaltung in der kommenden Spielzeit ist ein „54 Stunden Night Club“ im Megastore. Beginnend Freitag, 21. Oktober, und endend am Sonntag, 23. Oktober, will das Dortmunder Schauspiel – hoffentlich! hoffentlich! – Abschied nehmen von seiner provisorischen Spielstätte im Gewerbegebiet an der Nortkirchenstraße.

Das setzt natürlich voraus, daß dann die Renovierungsarbeiten im Großen Haus beendet sind. Dort, im Großen Haus, soll sich erstmalig wieder am 10. Dezember der Vorhang für Bert Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ heben, Regie führt der 1967 geborene Sascha Hawemann, von dem in Dortmund bereits als Regiearbeit das Familiendrama „Eine Familie (August: Osage County)“ zu sehen war.

Fünf Sparten machen Betrieb

Das Theater Dortmund, mit seinen fünf Sparten Ballett, Philharmoniker, Oper, Schauspiel und Kinder- und Jugendtheater doch ein recht machtvoller Kulturbetrieb, hat seine Pläne für 2016/2017 vorgestellt. Ein aufwendig gestaltetes Spielzeitheft (eigentlich eher ein Buch) faßt all die Pläne und Termine faktenreich zusammen, und Bettina Pesch, die Geschäftsführende Direktorin, weist nicht ohne Stolz darauf hin, daß dieses Buch den Etat nicht belastet hat, sondern ausschließlich aus Mitteln von Kulturstiftern bezahlt werden konnte. Das ändert allerdings, kleiner Schmäh am Rande, nichts daran, daß der optische Auftritt des Theaters Dortmund, seine, wie man heute gern sagt, „Corporate Identity“, dringend einer Auffrischung, besser noch einer ziemlich grundlegende Modernisierung bedarf.

Der optische Auftritt ist reichlich angestaubt

Die Grundfarbe Orange war in den 80er Jahren modern (zusammen mit Braun und Olivgrün, in wild wogenden Tapetenmustern), erbaut heutzutage aber bestenfalls noch patriotisch gestimmte Holländer; die fette Schrift von Typ Helvetica sowie die vor allem im Konzertbereich immer noch gepflegte Kleinschreibung von Hauptwörtern sind Moden der 60er Jahre, die andernorts längst überwunden wurden und keine Nostalgiegefühle hervorrufen. Für ein fortschrittliches Haus ist dieser Auftritt schlicht kontraproduktiv.

Diverses__Sascha_Rutzen___4_

Im Schauspielhaus. (Foto: Sascha Rutzen/Theater Dortmund)

Revolutionär und globalisierungskritisch

Wenden wir unseren Blick nun auf das Schauspiel, das sich, je nach dem, mal revolutionär, mal doch zumindest globalisierungskritisch gibt. Revolutionär startet es in die Spielzeit, wenn man den Stücktitel wörtlich nimmt. Doch auch wenn Joël Pommerats „La Révolution #1 – Wir schaffen das schon“ mit der französischen Revolution mehr zu tun hat als vor einigen Jahren sein Erfolgsstück „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ mit Korea, bleibt noch Platz für Menschliches, Privates, was diesen Abend in der Regie von Ed Hauswirth hoffentlich vor der Tristesse des freudlosen Historiendramas bewahren wird. Um die französische Revolution geht es aber wirklich: „Schloß Versailles, 1787. König Louis XVI hat die wichtigsten Adeligen seines Landes zusammengerufen…“ beginnt der Ankündigungstext. Also schau’n wir mal – auch, was die Ereignisse von einst den Heutigen noch sagen können. Übrigens ist auch „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ im Programm, Premiere am 8. April 2017 im Schauspielhaus, Regie Paolo Magelli.

Der lange Schatten Michael Gruners

An Horváth, sagt Schauspielchef Kay Voges, habe man sich in seiner Intendanz für Jahre nicht herangewagt, weil die Horváth-Kompetenz seines Vorgängers Michael Gruner so übermächtig gewesen wäre. Oder zumindest diesen Ruf hatte. Nun aber gibt es doch einen: „Kasimir und Karoline“, ab 18. September im Megastore und in der Regie von Gordon Kämmerer.

TDA8571_web-Druck

Markant: Das Opernhaus (Foto: Philip Lethen/Theater Dortmund)

Zu Gast bei den Ruhrfestspielen

„Die Simulanten“, die Philippe Heule erstmalig ab dem 23. September im Megstore auftreten läßt, können vorher schon bei den Ruhrfestspielen besichtigt werden, nämlich am 7., 8. und 9. Juni. Nach gefühlten 150 Jahren gibt es tatsächlich eine Kooperation von Recklinghausens Grünem Hügel und dem Theater Dortmund, was trotz der räumlichen Nähe doch eine Win-Win-Situation zu sein scheint. Die Dortmunder können sich einem anderen Publikum präsentieren, das Festival sichert sich eine Produktion von größter Aktualität. Denn Philippe Heudes Simulanten sind mit ihren Fernbeziehungsneurosen, ihrer Therapiegläubigkeit und ihrer Angst vor dem Konkreten wohl recht typisch für die Jetztzeit. Auch ihr Unbehagen in der Welt ist es, also am besten schnell einen UN-Weltklimagipfel abhalten. Nur als Simulation natürlich.

Rimini Protokoll kurvt durch das Ruhrgebiet

Was haben wir noch? Das Künstlerkollektiv Rimini Protokoll verlegt seine Truck Track Ruhr Nummer 4 ins Dortmunder Stadtgebiet („Album Dortmund“) und tüftelt zusammen mit Dortmunder Theaterleuten aus, wo genau es langgehen soll. Übrigens begegnet man den Truck Tracks Ruhr auch bei den Ruhrfestspielen und bei der Ruhrtriennale, sie kommen halt viel rum und sind, wie man sieht, überaus kontaktfreudig. Was dort konkret passiert? Den Beschreibungen nach – ich war noch nicht dabei – werden maximal 49 Zuschauer auf einem überdachten Lkw zu markanten Punkten gefahren, die sie mit Musik und künstlerischer Intervention intensiv erleben. Gute Reise!

Häßliche Internationalisierung

Interessant in des Wortes höchst ursprünglicher & positiver Bedeutung klingt, was uns in „Die schwarze Flotte“ erwartet. Dieser „große Monolog“ (Voges) „von Mike Daisey nach einer Recherche von Correct!v“ blickt sozusagen in die Abgründe der internationalen Seeschiffahrt, die mit beängstigendem Gleichmut Rohstoffe, Öl und Handelswaren, Waffen, Drogen, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten über den Globus transportiert. Zu wessen Nutzen? Das Stück verspricht Antworten, Regie führt Hausherr Kay Voges.

Von Franz Xaver Kroetz gibt es „Furcht und Hoffnung in Deutschland: Ich bin das Volk“, entstanden in den 80er und 90er Jahren (Regie: Wiebke Rüter), von Kay Voges einen Film zum Flüchtlingselend dieser Welt und Europas Abwehrhaltung dazu („Furcht und Ekel in Europa“, Premiere im Dezember 2016).

Wolfgang Wendland Ekkehard Freye Julia Schubert

Manchmal kommen sie wieder: „Die Kassierer“ mit ihrem Frontmann Wolfgang Wendland, hier noch bei „Häuptling Abendwind“ zu sehen, sind demnächst „Die Drei von der Punkstelle“ (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

„Die Kassierer“ kommen wieder

Bevor die Punk-Greise „Die Kassierer“ (wieder im Unten-ohne-Look?) mit der Punkoperette „Die Drei von der Punkstelle“ der Spielzeit 2016/2017 ihren krönend-krachenden Abschluß verleihen werden, wartet das Programm noch mit einer besonderen „Faust“-Adaption auf („Faust At The Crossroads“, Regie Kay Voges), einem neuen Stück der Theaterpartisanen („Übt das Unerwartete“), einem Stück über die islamistische Radikalisierung junger Männer („Flammende Köpfe“ von Arne Vogelsang) und einem „Live-Animationsfilm von sputnic nach dem gleichnamigen Roman von Paul Auster“: „Mr. Vertigo“. Und was der Hausherr in der Oper veranstaltet, wird ein paar Absätze später erzählt.

Internetreinigung

Zuvor jedoch einige Worte über „Nach Manila – Ein Passionsspiel nach Ermittlungen auf den Philippinen von Laokoon“. Hier bekommt Globalisierungskritik ein Gesicht, genauer ihrer viele, Millionen, täglich. Es geht um die 350 Millionen Fotos, die täglich auf Facebook hochgeladen werden, die 80 Millionen auf Instagram, die 400.000 täglichen Videostunden bei Youtube. Auf den Philippinen ist es der Job vieler vorwiegend junge Menschen, diese Material auf unzumutbare Pornographie, Brutalität, Grausamkeit und so fort zu sichten und alles zu löschen, was der Kundschaft im reichen Norden des Planeten nicht zuzumuten ist.

Warum Philippinos? Weil sie, so wird behauptet, überwiegend katholisch sind und nordwestliche Moralvorstellungen sich weitgehend mit den ihren decken. Vielleicht aber auch nur, weil ihre Arbeit spottbillig ist. Jedenfalls interessiert es die weltweit agierenden Internetkonzerne nicht sonderlich, wie die Menschen in derart belastenden Jobs zurechtkommen. Schlecht, behauptet das Stück in der Regie von Moritz Riesewieck. Ich bin gespannt.

Kay Voges inszeniert Wilson-Oper

Ein kurzer Blick nun auf das Programm der Oper, wo wiederum Schauspielchef Kay Voges gesichtet wird. Er führt Regie in „Einstein on the Beach“ von Robert Wilson und dem weltberühmten Musikminimalisten Philip Glass. Es ist die erste Bühnenfassung, die nicht Großmeister Wilson selbst gestaltet. „Nein“, bestätigt Opernintendant Jens-Daniel Herzog, es gibt keine Inszenierungsvorschriften, keine Auflagen, das Stück à la Robert Wilson auf die Bühne zu stellen. Florian Helgath hat die musikalische Leitung, das Chorwerk Ruhr wirkt mit und man hat den Eindruck, daß dies ein schöner Abend werden kann (erstmalig am 23. April 2017).

Der Opernball fällt aus, dafür gibt es am 9. Januar eine konzertante „Fledermaus“. Nicht fehlt „Die Zauberflöte“, nicht „Otello“ doch sind auch Andrew Lloyd Webber und Paul Abraham zugegen, mit dem Musical „Sunset Boulevard“ der eine, mit der Jazz-Operette „Die Blume von Hawaii“ der andere. Und jetzt höre ich auf, Opern-Facts zu reihen und gebe der Hoffnung Ausdruck, daß mein geschätzter Kollege S. sich dieser Aufgabe hingebungsvoll hingibt.

Lüner Solistin Mirijam Contzen im philharmonischen Konzert

Gleiches gilt für die Konzertreihen, an denen stark beeindruckt, daß sie alle schon bei der ersten Präsentation des Programms bis zur Zugabe (Scherz!) durchgeplant sind. Träume und Phantasien, so Generalmusikdirektor Gabriel Feltz, seien so etwas wie das Leitmotiv der kommenden Saison, die seine vierte in Dortmund sein wird. Übrigens wird beim 8. Konzert am 9.und 10. Mai 2017 die Geigerin Mirijam Contzen zu hören sein, die in Lünen aufwuchs und seit etlichen Jahren das Musikfestival auf Schloß Cappenberg leitet (das in diesem Jahr wegen Renovierung des Schlosses ausfällt). Mittlerweile zählt sie zu den Großen der internationalen Solistenszene. In Dortmund wird sie in Tschaikowskys Violinkonzert D-Dur op. 35 zu hören sein.

Open Air auf dem Friedensplatz

Und endlich gibt es Open Air Klassik auf dem Dortmunder Friedensplatz! Der Cityring macht’s möglich (und verkauft die Eintrittskarten). Am Freitag, 26. August, startet die vierteilige Reihe mit einer Sommernacht der Oper, mit La Traviata und Zigeunerchor (heißt nun mal so). Am darauffolgenden Samstag ist unter dem Titel „Groove Symphony“ „ein perfekter Mix aus Soul, Elektro, Klassik und Hip Hop“ zu hören, die Gruppe Moonbootica und Philharmoniker spielen gemeinsam auf.

Sonntag ist dann um 11 Uhr Familienkonzert unter dem Titel „Orchesterolympiade“ Musiker im Trainingsanzug treten an zum Höher, Schneller, Weiter der Instrumente, und am Pult steht Gabriel Feltz höchstselbst. Na, das wird was werden. Abends dann schließlich die Musicalgala „A Night full of Stars“. Es dirigiert Philipp Armbruster, es singen Alexander Klaws, Patricia Meeden und Morgan Moody.

NRW Theatertreffen Juni 2014

Schauspielhaus (Foto: Laura Sander/Theater Dortmund)

Schwanensee ist wieder da

Und jetzt gucken wir noch kurz, was Ballettdirektor Xin Peng Wang anzubieten hat. Bei seinen Premieren gibt es einen „Faust II – Erlösung“, und bei den Wiederaufnahmen „Faust I – Gewissen!“. „Schwanensee“ kommt wieder, und von besonderer Delikatesse ist sicherlich die Präsentation dreier Choreographien von Johan Inger, Richard Siegal und Edward Clug unter dem Titel „Kontraste“. An zwei Wochenenden (24./25.9.2016, 24./25.6.2017) spenden die Ballettgalas XXIV und XXV (also 24 und 25) Glanz. Und wie immer gilt besonders für das Ballett der Rat: Man mühe rechtzeitig sich um Karten, denn allzu schnell sind sie vergriffen.

Weihnachten wird es eng im Kinder- und Jugendtheater

Zu guter Letzt das Kinder- und Jugendtheater (KJT), das sich tapfer und mit Erfolg bemüht, alle Kinder zu erreichen, auch die benachteiligten, und dessen Produktionen sich immer auch um Solidarität, Fairneß und Gerechtigkeit drehen. In „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ von Andreas Steinhöfel gehen „ein Hoch- und ein Tiefbegabter“ (KJT-Chef Andreas Gruhn) auf erfolgreiche Verbrecherjagd, ein bißchen so wie weiland Kästners „Emil und die Detektive“. Jörg Menke-Peitzmeyers „Strafraumszenen“ drehen sich um Fußball und Rassismus, es gibt ein Flüchtlingsprojekt („Say it loud II – Stories from the brave new world“) und im Sckelly etwas für Kinder ab 4 Jahren („Dreier steht Kopf“ von Carsten Brandau).

Das Weihnachtsstück heißt „Der falsche Prinz“, Andreas Gruhn schrieb es nach der Vorlage von Wilhelm Hauff. Uraufführung ist am 11. November, und dann wird gespielt und gespielt und gespielt. Leider aber nicht im Großen Haus, denn das wird ja renoviert. An der Sckellstraße aber sind die Plätze knapp, nur zwei Drittel der sonstigen Menge stehen zur Verfügung.

Auslastung lag bei 73,1 Prozent

Viel Theater. Viel Oper, viel Ballett und viel Konzert. Und in Essen, Bochum, Gelsenkirchen, Hagen, um nur die nächstliegenden städtischen Bühnen der Umgebung zu nennen, gibt es auch attraktive Angebote. Da muß man sich strecken, wenn man mithalten will. 73,1 Prozent durchschnittliche Auslastung aller Veranstaltungen hat Bettina Pesch ausgerechnet, Gabriel Feltz hält eine Zielmarke von 80 Prozent für realistisch. Und dann wäre statistisch gesehen ja immer noch Luft nach oben. Jedenfalls lasten im Moment keine lähmenden Sparzwänge auf dem Dortmunder Theater. Und das ist auch gut so.

Wer jetzt noch mehr wissen möchte, sei auf die Internetseite des Dortmunder Theaters verwiesen: www.theaterdo.de

Die neuen Programmbücher, in denen alles steht, liegen an der Theaterkasse im Opernhaus aus und können kostenlos mitgenommen werden.

 




Dem Schauspiel droht eine Zwangspause – Dortmunder Theater präsentiert Programm

HŠuptling Abendwind und Die Kassierer: Eine Punk-Operette

Weiterhin im Programm des Schauspiels: „Häuptling Abendwind und die Kassierer“. Szene mit (v.l.) Wolfgang Wendland, Mitch Maestro und Uwe Rohbeck (Foto: Theater Dortmund/Birgit Hupfeld)

Schauspiel-Chef Kay Voges wirkte etwas angeschlagen. Nicht sein Tag: Auf dem Weg zur Spielplan-Pressekonferenz des Theaters Dortmund hatte ihn die Polizei angehalten, wegen Fahrens ohne Gurt. Deshalb war er auch etwas zu spät gekommen.

Das dickere Problem des Intendanten indes hat nichts mit dem Führen von Kraftfahrzeugen zu tun. Wie es aussieht, stehen er und sein 16-köpfiges Ensemble ab dem 20. März 2016 ohne Theater da, zumindest ohne Großes Haus. Ab dann nämlich werden die Werkstätten im Haus grundlegend renoviert, ist der Zuschauersaal blockiert.

Sechs Monate ohne Garantie

Mit der Spielzeit 2016/2017 kommt es dann noch ärger: Dann ist nämlich auch das Studio dicht, und wann das Große Haus in Spätsommer/Herbst 2016 wieder verfügbar sein wird, steht in den Sternen. Wer schon einmal mit Bauvorhaben zu tun hatte, weiß um die Unsicherheit planerischer Zeithorizonte. Dauert die Werkstättenrenovierung also länger als die veranschlagten sechs Monate, geht auch in der Saison 2016/2017 erstmal gar nichts im Großen Haus.

GPZauberberg198

Weiterhin im Programm ist das Ballett „Zauberberg“ von Xin Peng Wang (Foto: Theater Dortmund/Bettina Stöß/Stage Picture)

Umbaupläne waren bekannt

Nun ist das alles nicht neu. Schon vor einem Jahr, ebenfalls anläßlich der Spielplanvorstellungen, hatte Bettina Pesch als Geschäftsführende Direktorin die Renovierung der Werkstätten angekündigt. Es gab auch, seitens der Stadt in Sonderheit durch Kulturdezernent Jörg Stüdemann, Vorstöße zur Ersatzraumbeschaffung.

Doch weder im ehemaligen SAT.1-Studio am Phoenixsee noch im Gebäude des (mittlerweile verzogenen) Ostwall-Museums lassen sich aus verschiedenen Gründen Spielstätten realisieren. Zudem sind im Etat des Schauspiels keine Umzugskosten eingepreist, so daß jetzt keiner so genau weiß, wie es weitergehen soll.

Alles nur Show

Muß der Intendant mit einer „temporären Spartenschließung“ rechnen, sozusagen seine Leute nach Hause schicken? „Das Klima im Ensemble und bei den Mitarbeitern ist sehr beunruhigt“, berichtet Kay Voges. Sein Spielplan ist denn auch, der Sachlage geschuldet, zum Ende hin noch etwas unfertig.

Doch am Anfang wird geklotzt. Am 23. August spielt das komplette Ensemble mit, wenn „Die Show“ über die Bühne geht. Das „Millionenspiel um Leben und Tod“ (Untertitel), geschrieben von Voges, Anne-Kathrin Schulz und Alexander Kerlin, nimmt auf den gleichnamigen TV-Klassiker von Tom Toelle und Wolfgang Menge aus dem Jahr 1970 ebenso Bezug wir auf den aktuellen Wahn der Casting- und Container-Shows, und ist natürlich selber eine Mega-Show, die spannend zu werden verspricht.

Heiner Müller und Sylvester Stallone

Das Berliner „Zentrum für politische Schönheit“ wagt in „2099“ den Blick zurück auf unsere Jetztzeit und erzählt dem Publikum, wie alles weiterging, Jörg Buttgereit, dem Haus als „Splatter-Kultregisseur“ treu verbunden, steuert, inspiriert vom Film „Der Exorzist“, seine Studioproduktion „Besessen“ bei. Erwähnt seien noch „RAMBO plusminus ZEMENT“ – Heiner Müller meets Sylvester Stallone in einem „Live-Film“ von Klaus Gehre – und „Das Maschinengewehr Gottes“, eine Kriminal-Burleske von Wenzel Storch, dem Katholizismus-Geschädigten aus dem Wigwam.

Etwas einsam schaut aus all dem neumodernen Premieren-Material Becketts „Glückliche Tage“ als einziger Klassiker hervor. Das Programm wirkt hochgradig spannend, auch wenn keinem alles gefallen wird. Bleibt also zu hoffen, daß die Dortmunder Schauspielerinnen und Schauspieler ihr Programm auch spielen können, im Schauspielhaus und anderswo.

JesusSuperstar_GP_713

„Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber bleibt im Spielplan der Oper. Im Bild Alexander Klaws als Jesus (Foto: Theater Dortmund/Björn Hickmann/Stage Picture)

Paul Wallfisch geht

Ach, eins noch, der Intendant hätte es angesichts der prekären Raumsituation fast zu sagen vergessen: Obermusikus Paul Wallfisch verläßt Schauspielhaus und Dortmund und kehrt nach New York zurück.

Wechseln wir zur Oper, von der Intendant Jens-Daniel Herzog freudig zu berichten weiß, daß die Auslastung die 80-Prozent-Marke in der letzten Spielzeit deutlich übersprungen hat.

Zu den Schwergewichten unter den Premieren zählen hier Richard Wagners „Tristan und Isolde“ (Regie Herzog, musikalische Leitung Generalmusikdirektor Gabriel Feltz) oder auch Benjamin Brittens Oper „Peter Grimes“, für die der renommierte Regisseur Tilman Knabe gewonnen werden konnte.

Auffällig unter den Premieren ist neben Verdis „La Traviata“ und Händels „Rinaldo“ ein Musical-Dreiklang aus Cole Porters Klassiker „Kiss me, Kate“, dem Repertoire-Dauerbrenner „Jesus Christ Superstar“ und dem 2009 uraufgeführten Broadway-Rockmusical „Next to normal“ von Tom Kitt und Brian Yorkey. Gleichsam drei Musical-Epochen kommen also nacheinander auf die Bühne, Herzog hält eine solche Schwerpunktsetzung beim angloamerikanischen Musical für erfolgversprechend und trendgemäß.

Roxy ist weg

Indes ist Paul Abrahams Fußball-Operette „Roxy und ihr Wunderteam“ vom Dortmunder Spielplan verschwunden, ein Werk aus dem deutschsprachigen Repertoire der 30er Jahre nicht im Angebot. Der Trend zur Neu- oder Wiederentdeckung von Operetten verfemter Künstler, zumal des Juden Paul Abraham, der wesentlich von der Berliner Komischen Oper und ihrem sendungsbewußten Intendanten Barrie Kosky ausgeht, hat in Dortmund offenbar keinen langen Nachhall ausgelöst.

Aber „Der Rosenkavalier“ ist unsterblich! 1966 erklang Richard Strauss’ „Komödie für Musik“ zur Eröffnung des Opernhauses, am 12. März 2016 erklingt sie wieder, denn dann wird Dortmunds größte Spielstätte 50.

Im Ballett wagt sich Xin Peng Wang an eine Choreographie für „Faust“, Untertitel „Die Geburt der Gnade“. Kollege Benjamin Millepied stellt Tschaikowskys „Nußknacker“ auf die Bretter. „Drei Farben: Tanz“ und „Zauberberg“ werden wiederaufgenommen, im September 2015 und im Juni 2016 ist Internationale Ballettgala Nr. XXII und XXIII.

Musik für Charlie Chaplin

Die Dortmunder Philharmoniker und ihr Chef Gabriel Feltz wissen von allen Künstlern wohl am genauesten, was in der nächsten Saison gespielt wird. Die Programme der zehn philharmonischen Konzerte unter dem Rubrum „liebes_gefühls_rausch“ stehen fest, ebenso jene der Konzertreihen „Wiener Klassik“ und „Sonderkonzerte“, der Kammerkonzerte, Babykonzerte, Kinderkonzerte und Familienkonzerte.

Kraftvoll arbeiten sich die Musiker durch das klassische Repertoire, unterstützt von etlichen stattlichen Chören. Eine Ausnahme bildet das 2. Sonderkonzert am 29. (Schaltjahr!) Februar 2016. Da sorgt Gabriel Feltz nämlich für den Soundtrack zu Charlie Chaplins Stummfilm-Klassiker „City Lights – Lichter der Großstadt“ aus dem Jahr 1931. Übrigens verkündete auch der Generalmusikdirektor gute Auslastungszahlen: 75 Prozent im Durchschnitt, mehr, als in den vergangenen zehn Jahren erreicht wurden.

Frau MŸller muss weg

Das Stück „Frau Müller muß weg“ – hier eine Szene mit Bettina Zobel – bleibt im Programm des Kinder- und Jugendtheaters (Foto: Theater Dortmund/Birgit Hupfeld)

Angst um die Spielstätte

Schließlich das Kinder- und Jugendtheater – KJT. Direktor Andreas Gruhns Programm ist gekennzeichnet durch das Bemühen, jugendlichen Themen möglichst nahe zu sein. „In was für einer Welt wollen wir leben?“ wabert als eine Art universeller Leuchtschrift über der Liste recht unterschiedlicher Produktionen.

Da gibt es in zielgruppengerechter Adaption zum Beispiel Schillers „Wilhelm Tell“ zu sehen, und gänzlich unkaputtbar ist Oscar Wildes „Gespenst von Canterville“ auch im Dortmunder KJT eine Stütze des Repertoires. Es gibt etwas für Kinder ab 3 („Als die Musik vom Himmel fiel“) und etwas Religiöses für „Kommunionkinder“, es gibt Kooperationen und ein mobiles Stück für Klassenräume („Gespenstermädchen“ von Christine Köck und Rieke Spindeldreher) – und es gibt bei den Wiederaufnahmen weiterhin Lutz Hübners Erfolgsgeschichte „Frau Müller muß weg“.

Auch über Andreas Gruhns gefurchter Stirn schwebte unübersehbar ein mittleres Besorgniswölkchen, während er sein Programm vortrug. Denn auch ihm, dem altgedienten Kämpen vom Kinder- und Jugendtheater, droht gleich seinem Kollegen Kay Voges der Verlust der Spielstätte. Schon seit vielen Jahren gilt die Bühne an der Skellstraße als suboptimal, und der Mietvertrag läuft bald aus. Doch blieb die Suche nach einem neuen Ort bislang erfolglos.

 Infos: www.theaterdo.de

 Das neue, ausführliche Programmbuch „15/16“ weist eine muntere, orange dominierte Farbgestaltung auf. Es liegt im Theater und an vielen anderen kulturaffinen Orten aus.




Weihnachtsmärchen in Dortmund: Mit Sumsemann zu Darth Vader

Peter und Anna träumen vom Mond... Foto: Birgit Hupfeld

Peter und Anna träumen vom Mond… Foto: Birgit Hupfeld

In Märchen geht es bekanntlich oft ganz schön zur Sache. Gut trifft auf Böse – und bis es zum Happy End kommt, wird vergiftet, aufgefressen, verzaubert und verstoßen. Auch die vor gut 100 Jahren veröffentlichte Kindergeschichte von „Peterchens Mondfahrt“ ist nichts für Angsthasen.

Bis Peter und seine Schwester dem fiesen Mondmann endlich das sechste Bein des Maikäfers Sumsemann abgejagt haben, gibt es einen fürchterlichen Kampf. So ist das auch in „Peters Reise zum Mond“, dem Weihnachtsmärchen des Dortmunder Kinder- und Jugendtheaters (für Kinder ab 6 Jahren), das im großen Schauspielhaus seine Uraufführung erlebte.

Anders als in der Vorlage von Gerdt von Bassewitz wird der Mondmann jedoch nicht mit Waffen besiegt – sondern mit weiblichen Worten. Am Ende erklärt er seine Bösartigkeit mit einer schlimmen Kindheit – und entschuldigt sich bei allen. Eine überraschende Wendung in einer rundum zauberhaften Inszenierung.

Andreas Gruhn, Leiter des Kinder- und Jugendtheaters (KJT), schrieb und inszenierte „Peters Reihe zum Mond“ als frisches Weltraummärchen: Er kreuzte das Originalmärchen mit Motiven aus Star Wars und Star Trek. Es gibt Kämpfe mit farbig leuchtenden Laserschwertern und rumpelige Weltraumflüge mit dem Raumschiff Alpha 51-80, aber auch märchenhafte Kulissenbilder, die Groß und Klein „Ahs“ und „Ohs“ entlocken. Etwa, wenn Peter, seine Schwester Anna und der Sumsemann, von Seilen gehalten, durch den dunklen Bühnenraum schweben, ein funkelnder Sternenhimmel im Hintergrund.

Showdown: Der Mondmann als Darth Vader. Foto: Birgit Hupfeld

Showdown: Der Mondmann als Darth Vader. Foto: Birgit Hupfeld

Die Heldengeschichte um die beiden mutigen Kinder und den bangbüxigen Maikäfer (Andreas Ksienzyk) hat Andreas Gruhn verkürzt: Auf ihrem Weg zum Mond machen Peter (Steffen Happel) und Anna (Désirée von Delft) Halt bei Commander Allister (Rainer Kleinespel). Der hält seine Raumstation mit Kontaktspray in Schuss und kämpft gegen sich ablösende Sonnenkollektoren, als die drei Besucher ihn um interstellare Unterstützung bitten. Zu viert fliegen sie zur Nachtfee auf den Planeten Nocturnus (Bianka Lammert im Prinzessin Leia-Look). Sie ist die Schwester des Mondmanns und soll helfen. „Wir müssen einen Weg zu seinem Herzen finden“, gibt sie die Devise vor, obwohl ihre Berater im Hintergrund auf Krieg drängen.

Fliegen ist gar nicht schwer. Foto: Birgit Hupfeld

Fliegen ist gar nicht schwer. Foto: Birgit Hupfeld

Es kommt zum Showdown auf dem Mond: Der Mondmann (Götz Vogel von Vogelstein im Darth-Vader-Kostüm) steht schon kurz vor dem Sieg, als die mutige Anna ihm unangenehme Wahrheiten ins Gesicht schleudert: Du vergreifst dich ja immer nur an Schwächeren. Du wirst niemals einen Freund haben. Da weint der Mondmann, nimmt seine Maske ab – und gewinnt eben dadurch neue Freunde. Eine Wendung, die aus pädagogischer Sicht besser in die heutige Zeit passt als ein Sieg über den Mondmann – und die dann doch ein wenig unfreiwillig komisch ist.

Spektakulär sind Bühne und Kostüme von Oliver Kostecka: Die Kostüme wegen ihrer futuristischen Opulenz, die Bühne wegen des phantasievollen und geschickten Einsatzes von Videos (Peter Kirschke), Licht und Schatten. Statt auf aufwändige Aufbauten setzt das Bühnenbild auf Schattenspiel, Filme und Projektionen, um die Zuschauer in die unendlichen Weiten des Weltraums zu versetzen.

Zum außerirdischen Gesamterlebnis gehören auch das „Mondfliegerlied“ und andere Songs von Michael Kessler. Nur das gemeinsame Abschlusslied, bei dem die Schauspieler mit Taschenlampen auf der dunklen Bühne tanzen, dürfte ruhig eine Spur fetziger sein.

Bis 24. Februar im Schauspielhaus Dortmund , Termine hier, Karten: 0231/55-27222

(Der Text erschien im Westfälischen Anzeiger, Hamm)




Zwischen Popularität und Wagnis – der neue Spielplan des Dortmunder Theaters

Theater Dortmund - Gebäude -

Die Oper, die Dortmund verdient. Foto: Theater

Eine Dame und fünf Herren. Das Leitungssextett des Dortmunder Theaters gibt sich die Ehre zur Verkündung des neuen Spielplans. Ein 75 Minuten langer, sechsfach unterteilter Vortrag über Eckdaten, Produktionen, Programmprinzipien, über die Bedeutung des Hauses für die Stadt. Inklusive einiger dürrer Zahlen. Eine Pressekonferenz könnte spannender sein. Doch hinter allen Fakten verbergen sich interessante Details.

Bettina Pesch, geschäftsführende Direktorin des Theaters, ist die Herrin der Bilanzen. „Es geht wieder mal aufwärts“, verrät sie. 350.000 Euro Mehreinnahmen in allen Sparten, ein Auslastungsplus von 1,5 Prozent für die Oper oder plus 7 Prozent fürs Schauspiel seien Belege für solcherart Optimismus. Bezugsgrößen für diese Zahlen nennt sie nicht. Und Pesch muss konstatieren, dass die Stadt zwar die Tariferhöhungen 2013 fürs Personal ausgleicht, zudem aber einen Konsolidierungsbeitrag von 510.000 Euro einfordert. Dies gelte indes nur für die Saison 2013/14. „Weitere Einsparungen sind nicht machbar, sie gingen an die Substanz des Hauses“, sagt Pesch.

Wie die einmalige Konsolidierung aussehen soll, wo also ein Abzwacken noch möglich ist, bleibt offen. „Wir sparen nicht an der Kunst“ ist das Credo und dann verrät Pesch, sie habe auch ihre Tricks. Nun, abseits dieser sonderbaren Aussage bleibt festzuhalten, dass es im Musiktheater zwei Produktionen weniger geben wird: keine konzertante Oper, kein Werk der (klassischen) Moderne. Zwei Linien, die Intendant Jens-Daniel Herzog zu Amtsbeginn vorgegeben hat, sind erst einmal gekappt.

Immerhin: Im Doppeljubiläumsjahr zu Ehren von Richard Wagner und Giuseppe Verdi stehen zwei gewichtige Premieren an. Herzog selbst inszeniert „Don Carlo“ (Übernahme von Mannheim) und Schauspielchef Kay Voges wagt sich an den „Tannhäuser“. Eilig versichert er, es werde keine Nazis auf der Bühne geben. Andererseits wird betont, die Konstellation dokumentiere die gute Zusammenarbeit zwischen den Sparten des Dortmunder Hauses.

Szene aus dem Mannheimer "Don Carlo". Foto: Theater

Szene aus dem Mannheimer „Don Carlo“. Foto: Theater

Insgesamt sei angemerkt, dass der Opernspielplan,  um es dezent auszudrücken, populär ist. „Carmen“ und „La Cenerentola“, „Der Graf von Luxemburg“ und „Anatevka“ – Repertoire-Raritäten suchen wir vergebens. Dass Herzog Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ dramatisiert, sei aber als Besonderheit durchaus erwähnt. Und dass sich die Junge Oper in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendtheater des „Carmen“-Stoffes annimmt, darf ebenfalls als Zeichen guter Nachbarschaft gewertet werden.

Neu im Boot der Nachbarn ist Gabriel Feltz als Chef der Dortmunder Philharmoniker. Er gibt sich sachlich, beschwört keine visionären Ideen, ja bremst sogar die Erwartungen. „Es gab Anfragen, ob die Philharmonischen Konzerte nicht wieder an drei Abenden stattfinden könnten“, sagt Feltz. Doch er wolle erst einmal in Dortmund ankommen. Dort wird er drei Opernpremieren dirigieren, fünf der zehn „Philharmonischen“ sowie diverse Sonder-, Jugend- oder Familienkonzerte. Das klingt nach gehöriger Präsenz, aber sein Vorgänger Jac van Steen war im Grunde nicht weniger fleißig. Gleichwohl hat die Stadt ihn unsanft aus dem Amt gedrängt. Pech gehabt.

Der neue Chefdirigent Gabriel Feltz. Foto: Stadt Dortmund

Der neue Chefdirigent Gabriel Feltz. Foto: Stadt Dortmund

Ein Glücksjunge hingegen ist Ballettdirektor Xin Peng Wang. Die Sparte ist beliebt, die Compagnie wird international beachtet, das Programm zeugt stets von üppiger Fantasie. Dementsprechend launig verkündet er die Premieren der neuen Saison als opulentes, schmackhaftes Mehrgangmenü. Und vor allem die Hauptspeise hat es in sich: Wang selbst setzt Ödön von Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ in Szene. Die Choreographie wolle Menschenschicksale zeigen in der so schönen wie geisterhaften Stadt Wien. Mit Musik von Johann Strauss und Alban Berg, also mit übersprudelnden, prachtvollen wie brüchigen, morbiden Klängen.

Hier der Blick nach draußen, sonst aber stets der Hinweis, dass das Theater als Ganzes sich in der Stadt verorten müsse. Was niemand so konsequent angeht wie  Schauspielchef Kay Voges. Mit „Stadt der Angst“ will die Bühne das Ende der Leistungsgesellschaft einläuten – mit Hilfe einer Lichttherapie. Das klingt so kryptisch wie spannend. Ein Wagnis mit Intensität, denn an drei Tagen werden sechs Premieren, Vorträge und Diskussionen offeriert.

Andere Abgründe kommerzieller Art will wiederum Kristof Magnussons Komödie „Männerhort“ ausloten. Ein Blick auf weiblichen Shoppingwahn und die kleinen Fluchten des Mannes. Ein Spiel, das sich nur wenige Meter von Dortmunds Thier-Galerie ereignen wird, wie Voges eigens betont. Neben dem Premierenreigen – von „Peer Gynt“ bis „Der Elefantenmensch“ – setzt er auf Neues. Auf Stücke in türkischer Sprache (Kooperation mit Mülheim), auf Lesungen aus der Bloggerszene, auf eine Herbstakademie für Jugendliche.

Opernintendant Jens-Daniel Herzog. Foto: Theater

Opernintendant Jens-Daniel Herzog. Foto: Theater

Erste Adresse für diese Zielgruppe ist das Kinder- und Jugendtheater (KJT), das Andreas Gruhn nun in die 15. Spielzeit führt. In all den Jahren konnte er einen Publikumszuwachs von fast 26.000 auf 35.000 Besucher verbuchen.  Eine Erfolgsgeschichte, die sich auch nach 2015 fortsetzen soll, wenn die Spielstätte an der Sckellstraße aufgegeben werden muss, wenn möglicherweise ein neues Domizil neben dem Schauspielhaus entsteht. Zunächst aber bietet die neue Saison acht Premieren – Stücke, in denen etwa die Themen Liebe und Sexualität, Mobbing oder virtuelle Kriegsspiele verhandelt werden. Märchenhaftes wird das Programm ergänzen, ein Werk soll in Kooperation mit dem Jugendclub produziert werden.

Ja, die Dortmunder Bühnen haben in der Spielzeit 2013/14 einiges zu bieten. Doch vor allem die musiktheatralische Abteilung ächzt unter den Altlasten schlechter Intendanzen, ringt um jeden Zuschauer. Die Auslastung in der Saison 2011/12 liegt hier bei gut 53 Prozent. Dass Intendant Jens-Daniel Herzog den Satz in die Runde wirft, „Die Stadt hat die Oper, die sie verdient“, ist Ausdruck trotzig-optimistischen Nachvornblickens. Andererseits: Eine Kommune, die Millionen in einen „Kulturleuchtturm“ namens U pumpt, dem Theater aber kalt lächelnd das Geld aus der klammen Kasse zieht, bekommt eben die Oper, die sie verdient.

Alles zum Programm der Spielzeit 2013/14 unter www.theaterdo.de




Dortmunder Weihnachtsmärchen: Schrille Hexe, schönes Mädchen

Eine schrille Hexe auf knatterndem Moped, ein schönes Mädchen mit magischer Stimme und ein Held, der vom faulen Nichtsnutz zum glänzenden Retter wird – das sind die Zutaten, aus denen Regisseur und Autor Andreas Gruhn das Weihnachtsmärchen „Die schöne Wassilissa“ gebraut hat, mit dem das Dortmunder Kinder- und Jugendtheater seine jungen Zuschauer in diesem Winter im Schauspiel bezaubern will.

Am Anfang ist der Tod. Zu schwermütigem Gesang verabschiedet sich die kranke Mutter von ihrer geliebten Tochter Wassilissa (Désirée von Delft) und gibt ihr ein Püppchen, das sie fortan beschützen soll. Ein Geschenk, das das Mädchen bitter nötig hat: Denn die böse Stiefmutter (Johanna Weißert) und ihre verzogene Tochter (Jessica Maria Garbe) machen Wassilissa die Heimat zur Hölle.

Aschenputtel lässt grüßen – und auch andere berühmte Geschichten wie die von Hänsel und Gretel schwingen im Laufe des Abends mit. Schließlich gilt Alexander N. Afanassjew, dessen Märchen Andreas Gruhn als Inspiration dienten, als „russischer Grimm“, auch wenn er erst 40 Jahre nach den berühmten Gebrüdern geboren wurde.

Doch der Regisseur sorgt auch dafür, dass seine jungen Zuschauer in die spezifisch russische Fantasiewelt eintauchen: Neben der armen Wassilissa muss sich nämlich auch Ilja (Gabriel Rodriguez) bewähren, der sein ganzes Leben im Bett verbracht hat und sich für schwach und nutzlos hält – bis ein alter Mann (Sebastian Ennen) ihn aus den Federn wirft, weil er der Auserkorene ist, um die Welt von dem bösen Räuber Nachtigall (Andreas Ksienzyk) zu befreien. Logisch, dass sich Ilja auf seinem Weg Hals über Kopf in die schöne Wassilissa und ihren Gesang verliebt, die aber aus den Klauen der bösen Hexe Baba Jaga befreit werden muss…

Die Inszenierung braucht ein wenig Anlauf, um sich aus der erdigen Schwermütigkeit zu lösen, die zu Beginn dominiert. Dass dem Stück teils anzumerken ist, dass es aus verschiedenen Bausteinen besteht, mindert ein wenig den Fluss der Geschichte. Das aber gleichen andere Faktoren aus: Sowohl Musiker Michael Kessler mit seinen folkloristischen Liedern als auch die von Oliver Kostecka bis ins Detail stimmig ausgestatteten Figuren – mit Rüschenröcken, Flechtfrisuren, Pumphosen – und die herrliche Bühne mit Birkenwald sorgen für eine exotisch-spannende Atmosphäre. Die wird von dem beseelt spielenden Ensemble aufrecht erhalten: „Die Kämpfe waren toll“, sind sich Aaron (5) und Lennard (6) hinterher einig. Und Leonie (5) ist froh, dass die Bösen „alle eingefangen worden sind.“

Umwerfend ist allerdings allen voran Rainer Kleinespel: In seinem Kostüm zwischen Biker, Nina Hagen und Campino wirft er sich schrill quiekend mit solcher Lust in den Irrsinn der Baba Jaga, dass die Figur am Ende nicht nur bei Julia (7) bestens angekommen ist: „Die war so toll“ ist ein Kompliment, das Hexen sicher nicht allzu oft hören.




Neues Ruhrfestspiel-Ensemble will engen Kontakt zur Arbeitswelt – zu Besuch im Dortmunder Rundschau-Haus

Von Bernd Berke

Dortmund. „Es ist eine ganz neue Erfahrung, Eisenstaub, Hitze und Lärm bei Hoesch selbst zu erleben.“ So staunte, stellvertretend für seine Kollegen, ein Mitglied des neuen Ensembles der Ruhrfestspiele beim gestrigen Besuch im Rundschau-Haus. Die 29köpfige Truppe kam direkt von Betriebsbesichtigungen bei Opel/Bochum und den Dortmunder Hoesch-Werken „Westfalenhütte“ und „Phoenix“.

Beim Redaktionsbesuch diskutierten die Theaterleute mit Wirtschaftsredakteur Frank Bünte und WR-Kulturredakteur Johann Wohlgemuth. Thema: Krise und Zukunftsaussichten des Reviers.

Den Kontakt zur Arbeitswelt nimmt das neue (im Schnitt recht junge) Ensemble sehr ernst. Seit 14 Tagen knüpfte und festigte man Verbindungen zu Betriebsräten, Gewerkschaftern und Belegschaftsmitgliedern. Auch die Kumpel der bedrohten Dortmunder Zeche „Gneisenau“ und ihre streitbaren Frauen standen auf dem Besuchs-Programm der Bühnenleute. Eine „Gneisenau“-Besichtigung vor Ort scheiterte allerdings an „geologischen Schwierigkeiten“, die dort geltend gemacht wurden.

Wolfgang Lichtenstein, neuer Ensemble-Leiter: „Wir müssen immer wieder in die Betriebe gehen, damit es nicht bei einern oberflächlichen ,Sozialtourismus‘ oder einem unverbindlichen Ausflug in die Arbeitswelt bleibt.“ Da die aus allen Teilen der Bundesrepublik stammenden Ensemblemitglieder erst seit dem 15. August fest miteinander arbeiten könnten, befinde man sich noch in einem frühen Vorbereitungsstadium. Bis zur Stunde sei keine größere Festspiel-Produktion für die nächste Saison zur Bekanntgabe reif. Die Stück-Auswahl erfolge nach streng demokratischen Regeln. Lichtenstein: „Jeder kann Vorschläge machen, die dann vom gesamten Ensemble diskutiert werden.“

Ein Projekt über die 35-Stunden-Woche, das gemeinsam mit 19 Opel-Arbeitern verwirklicht werden soll, ist allerdings schon vereinbart. Ins Auge gefaßt hat man auch eine Aufführung über das Verhältnis von Arbeiterschaft und Friedensbewegung, an deren Ausformung betriebliche Friedensinitiativen mitwirken sollen. Beide Projekte werden also nicht von einzelnen Autoren betextet. Wolfgang Lichtenstein versicherte aber, daß man für künftige Vorhaben bereits in Verbindung zu Autoren wie Max von der Grün und Günter Wallraff stehe.

Beim Gespräch über die immer noch von den Krisenbranchen Kohle und Stahl dominierte Wirtschaftsstruktur des Ruhrgebiets äußerten die Darsteller, Dramaturgen und Techniker vor allem Skepsis. Sie sehen die Perspektiven offenbar eher düster. Deutliche Zweifel wurden an optimistischen Äußerungen von Bundesarbeitsminister Blüm geäußert. „Es gibt doch nur noch Krisen-Managements. Wo bleibt der wirkliche Aufbau?“, hieß es zum Beispiel. Vermißt wurden von Politikern zu entwerfende Zukunftsaussichten und „Utopien“. Besonderes Interesse zeigte das Ensemble an den mutmaßlichen Auswirkungen einer 35-Stunden-Woehe sowie am Problem der allgemeinen und der Frauen-Arbeitslosigkeit.

Allen Krisenphänomenen zum Trotz, mögen sich die Theaterleute jedoch nicht gänzlich dem Pessimismus verschreiben. Wolfgang Lichtenstein: „Wir wollen die Probleme dieser Region nicht nur bierernst darstellen.“ Humorig lautete denn auch der Arbeitstitel eines weiteren Projekts: „Mutter Kohle-Vater Stahl“.