Hagen: Design und Anti-Design – Leistungsschau des Nachwuchses

Von Bernd Berke

Hagen. Um Ausstellungs-Ideen ist Michael Fehr, Leiter des Hagener Osthaus-Museums, nie verlegen. Kürzlich holte er die Jux-„Sammlung von der Lippe“ ins Haus (WR berichtete). Jetzt macht Fehr wieder Ernst: Das Museum an der Hagener Hochstraße soll zu einem Mekka für junge Designer werden. Erstmals können hier alle neun Design(hoch) schulen von NRW ihre besten Abschlußarbeiten vorzeigen (bis 4. Dezember).

Künftig soll diese Leistungsschau des Designnachwuchses zur Regel und schon ab 1989 von Hagen aus möglichst bundesweit organisiert werden. Dafür würde man Geld vom Land brauchen. Willkommene Ansprechpartnerin: NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn, die sich für gestern abend zur Eröffnung angesagt hatte.

Was gibt’s zu sehen? Rund 50 Arbeiten von jungen Designern, ausgewählt von den Dekanen der jeweiligen Schulen; deren unterschiedliche Ausbildungsschwerpunkte schlagen sich auch in dieser Design-Schau nieder. Der Querschnitt reicht vom (nur schwach vertretenen) Industrie-Design über Graphik-, Foto- und Textil-Design bis hin zu Formexperimenten im Grenzbereich zwischen angewandter und freier Kunst.

Gesamteindruck: Nicht nur Produktveredelung ist angesagt, sondern vielfach eine in die Arbeiten einfließende Nachdenklichkeit über das eigene Tun. Das führt mitunter zu einer Art „Anti-Design“: Wenn etwa Hermine Oberück von der Fachhochschule Bielefeld Fotos von Geistesschwachen aus einer Landesklinik (Titel: „Die Unvernünftigen“) behutsam arrangiert, hat das nichts mehr mit dem Gefällig-Machen der Welt zu tun. Krasses Gegenbeispiel – und dem Spruch „Design ist Schein“ viel näher – sind etwa Verpackungs- und Werbeentwürfe für eine fiktive Parfümserie oder auch die aerodynamische „Skibrille der Zukunft“.

Bemerkenswert: Mehrere Designer befassen sich mit Gestaltungen im kirchlichen Bereich: Entwürfe für Prozessionsfahnen, Stylibg für Texte aus dem Evangelium und ein mobiler Klapp-Altar gehören dazu. Auffällig auch ein Hang zur freien Kunst. Zu nennen wären da die Dortmunderin Sybille Hassinger (Fachhochschule Dortmund) mit bemalten Wandobjekten oder die Bochumerin Angelika Pietsch (auch FH Dortmund) mit Holz-Installationen, die sich meilenweit vom gängigen Design-Begriff entfernen. Angelika Pietsch gehört zu den drei von einer Fachjury gekürten Preisträger(inne)n der Schau. Je 3000 DM stiftete dafür die IHK Südwestfalen.




Essen: Studienzentrum für Bühnenberufe geplant – Konzept von Prof. August Everding

Von Bernd Berke

Essen. Die Folkwang-Musikhochschule in Essen soll zu einern bundesweit beachteten Zentrum für Darstellende Kunst, Bühnenbild und Dramaturgie ausgebaut werden. Kein Geringerer als Prof. August Everding, der umtriebige Generalintendant der Bayerischen Staatstheater, wurde von der NRW-Landesregierung zum „Geburtshelfer“ des ehrgeizigen Projekts auserkoren.

Gestern legte Everding in Essen ein 46-seitiges Gutachten vor. Danach soll ein entsprechend erweitertes Institut in enger Kooperation mit Revier-Bühnen (vor allem Essen und Bochum) arbeiten und bislang verstreute Ausbildungsangebote des Theatersektors bündeln. Ein besonderer Schwerpunkt, so schwebt es Everding vor, soll dabei die Ausbildung von Musical-Darstellern werden. Diese Sparte sei bislang eher ein Stiefkind der bundesdeutschen Theaterlandschaft und damit auch der Ausbildung. Es sei sicherlich kein Zufall, daß gegenwärtig rund 60 Prozent der Musical-Mitwirkenden aus dem Ausland kommen.

Für sein Gutachten nahm Everding den derzeitigen Zustand der Musikhochschule, die ihr Domizil im idyllischen Essener Stadtteil Werden hat, unter die Lupe. Everding („Das Revier ist ein hervorragender Standort für eine solche Einrichtung“) befand, daß einige zusätzliche Ausbildungszweige eingerichtet werden müßten (Kostüm, Maske, Bühnentechnik, Bühnenverwaltung); andere Tätigkeitsfelder müßten nur mehr Gewicht bekommen (Dramaturgie, Musical). Er plädiert für eine umfassende Ausbildung im Sinne des „Gesamtkunstwerks“ Theater. Hochqualifizierte Absolventen eines solchen Studiengangs seien übrigens, so Everding, nicht nur bei Theatern, sondern auch beim WDR und vielleicht auch beim Privatfernsehen gefragt.

Nach Everdings Vorstellungen soll allerdings nur eine „Elite“ in den Genuß der allseitigen Theaterausbildung kommen. Für den Studienschwerpunkt „Bühnenbild“ dürfe man beispielsweise maximal sechs Studenten aufnehmen, denn: „Überproduktion wollen wir nicht.“ Und: Die Lehrenden sollen sich gar nicht erst auf unverrückbaren Professorenstühlen einrichten. Everdings Konzept sieht für sie vor allem Zeitverträge und Gastdozenturen vor. Man habe zwar die „beste Theaterlandschaft der Welt“, doch mit der Ausbildung des Nachwuchses liege vieles im argen, sie sei zu theoretisch orientiert. Daher sei auch eine „Ausbildung der Ausbilder“ nötig. Everding: „Der geniale Regisseur oder Sänger muß nicht unbedingt ein guter Vermittler sein“. Eine Folge der jetzigen Misere sieht Everding darin, daß sich in Sachen Theaterausbildung zahlreiche dubiose Privatschulen andienen.

Möglichst frühe und regelmäßige „Praxisnähe“ soll für die künftigen Essener Studenten also das „A und O“ sein: Wenn im August 1988 die neue Oper (Aalto-Bau) in Essen eröffnet, soll den Folkwang-Studenten ein Opernstudio zur Erprobung des Gelernten zur Verfügung stehen. Wünschenswert sei auch eine hochschuleigene Probebühne. All dies könne man relativ kostengünstig in die Tat umsetzen. Beim Thema Finanzen war NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn gefragt, die gestern Everdings Thesenpapier in Empfang nahm und mit Lobeshymnen auf die Kultur im Ruhrgebiet nicht geizte. Frau Brunn stellte Grundsatz-Entscheidungen bis Mitte dieses Jahres in Aussicht, so daß man Vermutlich 1988 die ersten Schritte einleiten könne. Von Everdings Konzept zeigte sie sich angetan.