Strahlendes Glück: „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“ beim Festival „Rossini in Wildbad“

Serena Farnocchia als Elisabetta in Rossinis Oper „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“ beim Festival „Rossini in Wildbad“. (Foto: Patrick Pfeiffer)

Macht hat ihren Preis: Um störende emotionale Einflüsse auszuschalten, will die Königin hinfort die Liebe aus ihrem Herzen verbannen. Dulden wird sie in sich nur noch Ruhm und „Pietá“ – ein italienischer Begriff, der schwer ins Deutsche zu übersetzen und zwischen Barmherzigkeit und religiös fundiertem Wohlwollen anzusiedeln ist. Man möchte nicht tauschen mit Gioachino Rossinis englischer Königin „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“.

Die knapp drei Stunden dauernde Studie über die Ohnmacht der Mächtigen, die Macht der Täuschung und Intrige und das Verhängnis verborgener Gefühle ist die zentrale Oper des diesjährigen Festivals „Rossini in Wildbad“, das seit mehr als 30 Jahren unendlich wertvolle Entdeckerarbeit leistet. Was sich die über 80 öffentlich finanzierten deutschen Musiktheater nur in Ausnahmefällen zumuten, ist in dem einst noblen württembergischen Staatsbad im Norden des Schwarzwaldes alljährliche Herausforderung. Intendant Jochen Schönleber, gestützt von der inhaltlichen Vorarbeit der Deutschen Rossini-Gesellschaft, erarbeitet mit einem schwindelerregend bescheidenen Etat diejenigen Meisterwerke aus der Feder des „Schwans von Pesaro“, die ansonsten dem deutschen Publikum – ungeachtet einer weltweiten Rossini-Renaissance – weitgehend vorenthalten blieben.

In diesem Jahr sind es, allen Behinderungen durch die Corona-Pandemie zum Trotz, neben „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“ die entzückende „Farsa“ aus frühen Rossini-Jahren „Die seidene Leiter“ („La Scala di Seta“) und eine Wiederentdeckung des Meisters der französischen Opéra comique, Daniel François Esprit Auber, mit dem Titel „Le Philtre“ von 1831. Das Libretto Eugène Scribes wurde ein Jahr später erneut von Gaetano Donizetti vertont und erlangte als „Der Liebestrank“ Weltruhm.

Wertvolle Musik aus früheren Opern

Für Rossini stand mit seiner ersten Oper für Neapel einiges auf dem Spiel: Er musste sich als Komponist in einer Stadt mit bedeutender musikalischer Tradition und einem gebildeten, kulturell aufgeschlossenen Publikum beweisen und den später legendär gewordenen Impresario Domenico Barbaja überzeugen. Für „Elisabetta“ wertete Rossini frühere Werke aus und übernahm etwa aus dem experimentellen, beim Publikum durchgefallenen „Sigismondo“ – ein psychologisch komplexes Werk, das höchste Aufmerksamkeit verdient – wertvolle Musik.

Für den heutigen Zuhörer irritierend ist, wenn zu Beginn des Dramas die Ouvertüre erklingt, die Rossini aus seiner frühen Oper „Aureliano in Palmira“ übernahm und später für den „Barbier von Sevilla“ drittverwertete. Sie zeigt aber damit eine ästhetische Maxime Rossinis jener Epoche: Musik ist nicht „romantischer“ Spiegel der Gefühle der Bühnen-Protagonisten, sondern hat eine absolute Qualität, für die sich die Zuschreibung zu bestimmten außermusikalischen Affekte verbietet.

Was nicht heißt, dass Rossini seine Musik, quasi über allem schwebend, jeder beliebigen Regung überziehen würde. In „Elisabetta“ finden sich zwar solche Momente wie die Cavatina der Königin, deren freudig bewegter zweiter Teil das musikalische Material für die kecke Rosina des „Barbier von Sevilla“ abgegeben hat. Aber expressive Momente wie die Arie der Mathilde („Sento un‘ interna voce“) oder die große Arie des Leicester im zweiten Akt zeigen Rossini auf der Höhe seiner gestaltenden Kraft für den Aufruhr der Emotionen.

Der Charme einer Wanderbühne

Die Wildbader Aufführung hat etwas vom Charme früherer Wanderbühnen: Die üblichen Aufführungsorte – etwa die Trinkhalle – standen wegen der Pandemie nicht zur Debatte. Die zugige „offene Halle“ an einem Sportgelände am Ende des Kurparks ist eine immerhin resonanzreiche Balken- und Bretter-Konstruktion mit einer Mini-Bühne und dem dicht gepackte Orchester vor Stuhlreihen, auf denen das Publikum – genesen, geimpft oder getestet – sich nach den Sitzbrettern des Bayreuther Festspielhauses sehnt. Entsprechend kompakt ist der Klang, den Antonino Fogliani mit energischen Gesten dem Philharmonischen Orchester Krakau entlockt: flott und etwas steif in der Ouvertüre, auch sonst in den Phrasierungen eher lakonisch als geschmeidig, mit teils elegisch ausschwingenden, teils robust unflexiblen Bläserklängen und manchmal fahrigen, meist aber um leichten Schmelz bemühten Streichern. Der Philharmonische Chor Krakau bleibt, vom Orchester zugedeckt, unsichtbar im Hintergrund und darf nur im Finale auf der Bühne Aufstellung beziehen.

Die Szenerie führt uns in ein beliebiges Zentrum heutiger Macht: ein paar Designermöbel, Security-Leute mit Sonnenbrillen, ein stets präsenter Lakai mit Einblick in die Machtstrukturen (Luis Aguilar) und Elisabetta im roten Glitzerkleid (Kostüme: Ottavia Castellotti). Schönleber lässt als Regisseur den Darstellern weitgehende Freiheit, was zu manch abgelebter Operngeste oder zu seltsam reaktionslosen Momenten in Szenen höchster dramatischer Verdichtung führt – etwa wenn im Finale des ersten Akts die heimliche Ehefrau des Helden Leicester samt ihrer Abkunft von Elisabeths politischer Rivalin Mary Stuart enthüllt wird.

Ein nachtschwarzer Charakter

Gehört zu den düstersten Charakteren der Operngeschichte: Norfolc in Rossinis „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“, in Bad Wildbad verkörpert von Mert Süngü. (Foto: Patrick Pfeiffer)

Auch Norfolc, der von Rossini am subtilsten ausgearbeitete Charakter der Oper, könnte den Zugriff der Regie gut vertragen: Mert Süngü gibt zwar den abgebrühten Intriganten, den Egozentriker der Macht, den von Neid auf den erfolgreichen Militär Leicester zerfressenen Ehrgeizling, bleibt aber in der Ausdeutung dieser Figur immer wieder an der Oberfläche. Reto Müller hat im Programmheft zu Recht auf die Parallelen zu Jago hingewiesen und den Rang dieser wohl zu den schwärzesten Opernfiguren gehörenden Partie betont. Und in der Tat erinnert etwa die Szene, in der Norfolc der Königin die Wahrheit in giftigen Dosen verabreicht, frappierend an eine Entsprechung in Verdis „Otello“. Rossini stellt hier mehr als den üblichen Opernschurken auf die Bretter – ein Grund, sich dieser „Elisabetta“ einmal mit einem dezidierteren Regie-Zugriff zu stellen. Süngü hat unter den drei Tenören die robusteste Stimme, muss sich bisweilen bemühen, ein hart schlagendes Vibrato unter Kontrolle zu halten, bringt aber für die Farbe des Bösen den passenden, entschiedenen, bis zum Zynismus geschärften Ton mit.

In der Titelrolle lässt Serena Farnocchia keine Gelegenheit aus, ihre dramatisch fundierte Geläufigkeit zu demonstrieren und ein sattfarbenes Timbre leuchten zu lassen. Man staunt über die Anforderungen dieser Partie und wundert sich, über welche technischen Mittel und gestalterischen Raffinessen Isabella Colbran, die Frau Rossinis, anno 1815 bei der Uraufführung verfügt haben muss. Serena Farnocchia taucht in der Darstellung der instrumentalisierten, ihren eigenen Liebes-Illusionen verfallenen, mit unmittelbaren, kaum reflektierten Affekten reagierenden Königin nicht sehr tief in die Psychologie der Figur, reizt aber ungeachtet manch vibratoschwerer Passagen die vokale Bravour bis an die Grenzen aus.

Mühelose Gesangskunst

Auch bei Veronica Marini als Mathilde hindert ein ausgeprägtes Vibrato immer wieder eine geschmeidige Gesangslinie, aber sie singt mit präsentem, gut fokussiertem Ton nahe an den seelischen Schmerzen ihrer Rolle und findet vor allem in den Ensembles – dem Duett des ersten und dem Terzett des zweiten Akts – ein glückliches Einverständnis mit ihren Partnern. Die dritte Frau im Bunde ist Mara Gaudenzi in der kleinen Rolle des Enrico, die man sich gerne größer gewünscht hätte: Die Sängerin aus der Wildbader Akademie BelCanto zeigt einen frischen, ausgeglichenen Mezzo und eine wunderbar unangestrengte Bildung des Tons.

Militärisch erfolgreich, tappt Leicester in die Fallen seines Widersachers Norfolc. Patrick Kabongo vermittelt mit seinem exquisiten Tenor reinstes Rossini-Glück. (Foto: Patrick Pfeiffer)

Vollendetes Rossini-Glück gewährt Patrick Kabongo in der männlichen Hauptrolle des heimlich verheirateten, von Elisabetta begehrten militärischen Siegers über die Schotten, des Generals Leicester. Selten hört man einen so leuchtenden, sicher fundierten Tenor, der jede Höhe unangestrengt selbstverständlich erreicht und souverän ausformuliert, der auch in der Mittellage mit flexibler Fülle prunkt und der in den Koloraturen und Verzierungen wie in den schwierigen, nur mit zuverlässiger Stütze zu bewältigenden Legati keine Spur von Mühe erkennen lässt. Strahlendes Rossini-Glück, wie es nicht häufig erreicht wird!

Für das Festival im Juli 2022 hat Intendant Jochen Schönleber ein anspruchsvolles Programm mit drei Raritäten angekündigt: Adina, Armida und Ermione. Doch auch in der Region lässt sich im Herbst eine seltene Oper Rossinis erkunden: Am 23. Oktober 2021 feiert am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen Rossinis „Otello“ Premiere. Info: https://musiktheater-im-revier.de/de/performance/2021-22/otello




Festspiel-Passagen VII: Spaß am Ungehörten – Francesco Morlacchi in Wildbad wiederentdeckt

Beifall für Morlacchis Oper "Tebaldo e Isolina" in Wildbad. Foto: Elias Glatzle

Beifall für Morlacchis Oper „Tebaldo e Isolina“ in Wildbad. Foto: Elias Glatzle

Der gemeinhinnige Kulturbetrieb setzt auf die Freude am Wiedererkennen: Spielen wir Beethoven, dann kommen die Leut‘. Die Schwergewichte unter den Musikfestivals setzen schon aus Überlebens- und Konkurrenzgründen auf dieses probate Mittel, bemäntelt mir mehr oder weniger geschickten programmatischen Schlagworten oder mit ein paar Nischenkonzerten, in denen man Aufgeschlossenheit demonstriert. Und um Zeitgenossenschaft zu dokumentierten, empfiehlt es sich, Wolfgang Rihm einzuladen, der mit seiner stets freundlichen Ausstrahlung des genießenden Intellektuellen mit schwer genießbarer Musik versöhnt.

Es gibt aber auch ein paar Festivals, die sich diesem probaten Rezept entziehen. Rossini in Wildbad zum Beispiel. Da halten in einem Tal im nördlichen Schwarzwald eine Handvoll idealistischer Freaks um den Intendanten Jochen Schönleber und dem intellektuellen Überbau-Manager Reto Müller einen Komponisten hoch, den der Betrieb sonst meist nur mit komischen Figuren aus Gewerben duldet, die längst ausgestorben sind: Barbiere zum Beispiel – heute auf den Friseur reduziert – oder Küchenhilfen am aschigen Herd.

Frisch renoviert: Das Wildbader Kurtheater. Foto: Marcel Menz

Frisch renoviert: Das Wildbader Kurtheater. Foto: Marcel Menz

Auch „Rossini in Wildbad“ hat seine zeitgenössische Komponente: Adriana Hölszky hatte man eingeladen, und die in Stuttgart lebende Komponistin brachte gleich zwei Uraufführungen mit, gespielt im hübschen, mühe- und kostenträchtig renovierten Kurtheater, einer frisch herausgeputzten Perle gründerzeitlicher Unterhaltungs-Architektur. Aber ansonsten gab es etwa eine „Hommage“ an jemanden, den heute nur noch Eingeweihte kennen: Adolphe Nourrit, führender Tenor der Pariser Oper zur Rossini-Zeit, zwischen 1826 und 1836 der König des hohen „D“.

Zum Profil des Festivals im einstigen königlichen Bad in Württemberg gehört auch, sich vergessenen Komponisten der Rossini-Zeit anzunehmen. In diesem Jahr rückte der Dresdner Hofkapellmeister Francesco Morlacchi ins Blickfeld. Für den 1784 in Perugia geborenen Komponisten kannte die ältere – und bis heute nachwirkende – Musikgeschichte nur verächtliche Urteile: Außerordentlich dürftiger Satz, flache Brillanz, dürftige Homophonie der Instrumentation, lärmende Verwendung der Blechbläser – so ist etwa in „Musik in Geschichte und Gegenwart“, einem wissenschaftlichen Standard-Lexikon, aus dem Jahr 1961 zu lesen.

Morlacchi, lange nur als Dresdner Rivale Carl Maria von Webers rezipiert, ein Fall für’s Archiv? Die Wildbader Aufführung lässt an solchem Urteil zweifeln. „Tebaldo e Isolina“, 1822 für den Star-Kastraten Giovanni Battista Velluti entstanden, im Teatro La Fenice in Venedig uraufgeführt, für eine Dresdner Aufführung 1825 gründlich überarbeitet und für Mezzosopran umgeschrieben, beweist eindrucksvoll, dass Morlacchi sich unter den „Tonsetzern“ seiner Epoche sehr wohl behaupten kann.

„Tebaldo e Isolina“ variiert einen Romeo-und-Julia-Stoff mit einem glücklichen Ende: Zwei Adelsgeschlechter werden durch einen heimtückischen Mord zu erbitterten Feinden, versöhnen sich aber, als die beiden ursprünglich einander versprochenen Kinder in einem dramatischen Finale um Einsicht, Menschlichkeit und Vergebung flehen. Falsche Identitäten, ein unbekannter Ritter, ein wiedergefundener Sohn und ein zurückkehrender Rächer garantieren Spannung und überraschende Wendungen. Und Schauplätze wie ein alter Friedhof mit einer Kirchenruine und einem schwarzen Ritter könnten einem der Romane Sir Walter Scotts entnommen sein. In diesem italienischen „Melodramma romantico“ sind Donizettis „Lucia di Lammermoor“, aber auch Heinrich Marschners „Der Templer und die Jüdin“ nicht mehr weit.

Der Berliner Musikwissenschaftler Michael Wittmann vermutet in seinem informativen Beitrag im Programmheft, die Harmonien in der Musik könne nur jemand erdacht haben, der den „Freischütz“ kannte. Tatsächlich weckt die farbenreich instrumentierte Musik Morlacchis den Eindruck des „Romantischen“: Schon die Holzbläser der Ouvertüre, die Klarinette in der Einleitung der Cavatina der Isolina, aber auch die Soli des Cello zu Beginn des zweiten Akts und die Hörner in der Einleitung zu Scena und Romanze des Tebaldo lassen auf den ersten Eindruck an Weber denken. Doch in der formalen Anlage seiner Musik nähert sich Morlacchi seinem Dresdner Konkurrenten nicht – und die instrumentale Raffinesse lässt sich mit einem Blick auf die Opern eines Simon Mayr und vor allem eines Gioacchino Rossini schlüssig erklären.

Verknüpfungen zwischen deutscher und
italienischer Opern-Entwicklung

Abwegig ist Wittmanns These dennoch nicht, Morlacchi habe einen späten Versuch unternommen, die auseinander driftenden Entwicklungen in der italienischen und der deutschen Oper noch einmal zusammenzuführen. Manches in „Tebaldo e Isolina“ klingt nach frühem Heinrich Marschner; der Komponist war ab 1824 die italienische Oper in Dresden angestellt und hat den Klavierauszug zu Morlacchis Werk erstellt. So könnten sich durch das Werk überraschende Einsichten in Tradition und Entwicklung der deutschen Oper ergeben. Als Ergebnis bleibt: Die dunklen Schatten der „Titanen“ dieser Epoche – Beethoven, Rossini, Weber – aufzuhellen, bringt Musik zutage, die nicht nur handwerklich oder musikhistorisch aufschlussreich ist. „Tebaldo e Isolina“ befriedigt keineswegs nur Archivare.

Mit der Aufführung in Bad Wildbad hat das Rossini-Festival seine Nische erfolgreich besetzt und ist aus dem Schatten „großer“ Festivals herausgetreten, denen – wie Salzburg in diesem Jahr – etwa zum Strauss-Jubiläum nichts anderes einfällt als ein „Rosenkavalier“. Der musikalische Leiter von „Rossini in Wildbad“, Antonino Fogliani, hat das Händchen für die federnde Rhythmik der Rossini-Anleihen, aber auch die Phrasierungslust und das Gefühl für den atmenden Bogen, die für die Kantilenen und die romantisierenden Harmoniefolgen nötig sind. Dass die Virtuosi Brunenses, das Orchester des Festivals, nicht mehr auf der Höhe der Konzentration waren, ist nach den anstrengenden Aufführungen der Vortage nicht verwunderlich: die Intonation ließ zu wünschen übrig, auch Präzision der Einsätze und Formung des Tons waren schon zuverlässiger.

Zweifelhalftes aus Italien

Deutlich zeichnet sich im diesjährigen Festival ab: Intendant Jochen Schönlebers Weg, sich auf junge, italienisch ausgebildete Sänger zu stützen, geht nur zum Teil auf. Die Gesangsschulen jenseits der Alpen können nicht mehr an die großen Traditionen anknüpfen, die bis in die sechziger Jahre hinein für erstklassigen Sängernachwuchs sorgten.

In Wildbad war zu hören, wie sich technisch unzureichend gebildete, harte und vibratogesättigte Stimmen an anspruchsvollen Aufgaben abarbeiten. Laura Polverelli, kein unbekannter Name in der italienischen Opernszene, tremoliert sich durch die Partie des Tebaldo. Ihr schneidend-metallischer Ton wird im piano flach, für die Kantilenen fehlt ein gleichmäßig gebildeter Klang. Sandra Pastrana, in Spanien ausgebildet, hat mit Geläufigkeit und lyrischer Noblesse keine Probleme, wohl aber auch mit einer harten Tonbildung und angestrengt herausgeschleuderten, dabei überflüssigen hohen Finaltönen.

Anicio Zorzi Giustiniani als Boemondo d‘Altemburgo zählt unter die positiven Eindrücke der Wildbader Aufführungen: ein Tenor mit einer gelösten, abgerundeten Tonbildung, der nur das kehlige Timbre und die zu weit hinten sitzenden Vokale „e“ und „i“ entwickeln müsste. Als Geroldo erfüllt Gheorghe Vlad seine Rolle als Bruder Isolinas in einem kurzen Auftritt zuverlässig; mit Raúl Baglietta als Ermanno di Tromberga – Vater Isolinas und Gegenspieler der Familie d’Altemburgo – wurde man nicht glücklich: Ein flach positionierter Bass mit mühevoll gedrückten Höhen.

Wieder einmal hat „Rossini in Wildbad“ wertvolle Erkundungsarbeit in einem Repertoire geleistet, das nur über solche einfallsreiche Initiativen eine Chance hat, auf aktuelle Relevanz geprüft zu werden. Im Falle von Morlacchis Oper wäre eine szenische Realisierung nur zu begrüßen.