Seltene Fresken in der gräflichen Gruft – ein überraschender Fund im Arnsberger Kloster

Nicht leicht zu erkennen: Kreuzigungsszene als mittelalterliches Fresko im Arnsberger Kloster Wedinghausen. (Foto: Bernd Berke)

Nicht ganz leicht zu erkennen: Kreuzigungsszene als mittelalterliches Fresko im Arnsberger Kloster Wedinghausen. (Foto: Bernd Berke)

Mh, was gibt es denn hier zu sehen? Mal ganz ehrlich: Dieser archäologische Fund wirkt beim ersten Hinsehen für Laien ziemlich unscheinbar. Man muss schon von kundigen Fachleuten angeleitet werden. Wenn man die Hintergründe erfährt, erhellt sich die Sache und man ahnt die Bedeutung.

Tatsache ist: Im Kloster Wedinghausen zu Arnsberg haben Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) im Zuge von Sanierungsarbeiten Fresken aus der Zeit um 1320 bis 1340 freigelegt. In Westfalen wurde so etwas noch nie gefunden, ja, in ganz Europa gibt es kaum Vergleichbares.

Nicht ohne pflichtgemäßen Heimatstolz spricht Arnsbergs Bürgermeister Ralf Bittner von einer – nun ja – „Sensation“. Barbara Rüschoff-Parzinger, LWL-Kulturdezernentin und selbst ausgebildete Archäologin, kündigt scherzhaft an: Demnächst werde sie wieder einmal in Flandern sein und könne dann mit dieser westfälischen Neuentdeckung punkten. Offenbar haben die dortigen Kolleginnen und Kollegen gelegentlich schon Zweifel am Fundreichtum in Westfalen geäußert. Was es mit Flandern sonst noch auf sich hat, dazu kommen wir gleich noch.

Kreuzigungsszene im gotischen Stil

Jetzt erst mal näher hingeschaut: Das seinerzeit frisch („ al fresco“) und daher eilends auf den noch nassen Putz gemalte Bild zeigt eine Kreuzigungsszene (so genannter „Dreinagel-Typus“) im gotischen Stil, und zwar am Fußende einer Grabkammer, die sich wiederum in der Mitte des ehemaligen Kapitelsaals befindet. Und was ist nun zu sehen? In der Mitte hängt Jesus am Kreuz, links steht sein Lieblingsjünger Johannes, rechts trauert Maria, die Hände vor der Brust gefaltet. Den Raum zwischen den Figuren füllt kunstvoll ausgeführtes Rankenwerk.

Wollt ihr auch noch das typische Lokalteilfoto? Bitte sehr, hier ist es. Es beugen sich über die Fundstelle (von links): Ausgrabungsleiter Wolfram Essling-Wintzer, LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger, Prof. Michael Rind (LWL-Direktor für Archäologie), Arnsbergs Bürgermeister Ralf Bittner und Propst Hubertus Böttcher. (Foto: Bernd Berke)

Foto mit hohem Lächelfaktor gefällig? Bitte sehr, hier ist es. Es beugen sich über die Fundstelle (von links): Ausgrabungsleiter Wolfram Essling-Wintzer, LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger, Prof. Michael Rind (LWL-Direktor für Archäologie), Arnsbergs Bürgermeister Ralf Bittner und Propst Hubertus Böttcher. (Foto: Bernd Berke)

Das Bild gehört zur Grabkammer der gräflichen Stifterfamilie, der man also das ganze, 1173 gegründete Prämonstratenser-Kloster zu verdanken hatte. Die Kreuzigungsszene verwies natürlich auch auf die Auferstehung und somit aufs erhoffte Seelenheil der Grafen. Dass das Bild in einer Gruft den Blicken entzogen wurde, hat vermutlich keinem der damaligen Zeitgenossen etwas ausgemacht. Es war keine Epoche der Schauwerte. Konservatorisch betrachtet, war das Überdauern in der Dunkelheit jedenfalls ein Segen.

Das empfindliche Bild für die Zukunft bewahren

Ausgrabungsleiter Wolfram Essling-Wintzer war, als die Fresken im Oktober 2017 unverhofft zum Vorschein kamen, nach eigenem Bekunden „verzückt“ von der gut erhaltenen Leuchtkraft, die nun freilich durch besonders sorgsamen Umgang für die Zukunft bewahrt werden muss. Schließlich sind die Fresken ja nicht mehr durch die geschlossene Gruft geschützt. Die Untersuchungen sollten jetzt zügig vonstatten gehen, damit das kostbare Bild sehr bald wieder möglichst wenigen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Die Zeitfrage ist vor allem auch eine Geldfrage. Deshalb engagiert sich hier die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit finanziellen Mitteln.

Schon hat man den gesamten Fund mit 3D-Fotografien festgehalten und rundum eingescannt, so dass künftig ein virtuelles Museum denkbar wäre, in dem man das abgedunkelte Original allenfalls durch einen schmalen Sehschlitz betrachten dürfte. Vorerst ist der Fund überhaupt nicht zur öffentlichen Besichtigung freigegeben.

Hubertus Böttcher, als Dechant und Propst sozusagen der heutige Hausherr im Kloster, schwärmt von der Aura der Fundstelle und favorisiert eine Lösung, die auch jüngere Leute anspricht, sie in eine andere Zeit eintauchen lässt. Seine nicht nur diesseitige Vision geht weiter: In absehbarer Zeit sollen junge, zölibatär lebende Männer aus Brasilien im restaurierten Klostergeschoss (eine Etage über der Gruft) einziehen und den Ort womöglich zum geistlich-geistigen Zentrum machen – ganz im Sinne ihrer „Katholischen Gemeinschaft Shalom“.

Mächtiger Pfeiler als Zeugnis der Barbarei

Doch zurück zum Bodendenkmal und zur Fundsituation: Bei einer gewaltsamen Grab-Plünderung anno 1804 (nach Aufhebung des Klosters) kamen drei Schädel abhanden, nur Knochenbruchstücke blieben übrig, die man jetzt auswerten kann. Leider findet sich in der Grabstätte noch ein weiteres Zeugnis brachialer Barbarei. Ebenfalls zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde nämlich das Fundament eines mächtigen Pfeilers achtlos mitten hinein gesetzt. Andernfalls wäre die 2,10 Meter lange und 80 Zentimeter breite Grablege heute noch ungleich besser und vollständiger erhalten. Zum Glück hat man auch viele abgeplatzte Wandstückchen gefunden, die sich mit neuesten Computerprogrammen als virtuelles Puzzle wieder zusammensetzen lassen. Dann wird man ungefähr wissen, was an den Fresken fehlt.

Teilansicht des Arnsberger Klosters Wedinghausen, das derzeit gründlich restauriert wird. (Foto: Bernd Berke)

Teilansicht des Arnsberger Klosters Wedinghausen, das derzeit gründlich restauriert wird. (Foto: Bernd Berke)

Knochenreste wurden gleichfalls in der gräflichen Gruft entdeckt. Man hofft, mit den heutigen Methoden (DNA-Analyse) schon bald nachweisen zu können, dass die hier beigesetzten Verstorbenen miteinander verwandt waren. Dann müsste es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Grafen Heinrich I. und Heinrich II. handeln, die dritte Person dürfte Ermengardis sein, die Gattin Heinrichs II. Mehr noch: Anhand von DNA-Proben könnte man auch Rückschlüsse auf Gesundheitszustand und Ernährungsgewohnheiten dieser höchlich privilegierten mittelalterlichen Menschen ziehen.

Teile eines westeuropäischen Netzwerks

Das alles mag immer noch nach bestenfalls regionaler Bedeutsamkeit klingen. Doch weit gefehlt. Zwar gibt es auch Beispiele in Lübeck und Bonn, doch zumal in Brügge und Umgebung befinden sich die meisten Gräber, die auf diese Art mit Fresken bemalt sind. Heinrich I. hatte, wie man aus schriftlicher Überlieferung weiß, durch seinen Vater Gottfried von Cuyk Kontakt zur flandrischen Region. Jener Gottfried von Cuyk war Burggraf von Utrecht. Da zeichnen sich also – nunmehr auch künstlerisch beglaubigt – Teile eines (west)europäischen Netzwerks ab.

Arnsberg, heute Sitz einer Bezirksregierung, der Teile des Ruhrgebiets unterstehen, war auch damals anscheinend keine reine Provinz. Mit leichter Zuspitzung kann man eventuell sogar behaupten, dass Heinrich I. und sein Sohn in der reichspolitischen, wenn nicht europäischen Liga agierten. Von weit reichender, allerdings unfriedlicher Wirkung zeugt überdies die Beteiligung an den Kreuzzügen. Aber das Kapitel blättern wir jetzt nicht auf.

 




Historisches Stichwort: „Landwehr“

Wer das Wort „Landwehr“ hört, denkt an die Vorläufer der Wehrpflicht, an stehende Heere und an Berufssoldaten. Das Wort Landwehr hat aber auch eine andere, sogar noch ältere Bedeutung, und wer in den ländlicheren Teilen des südlichen Ruhrgebiets, im Bergischen oder im Münsterland spazieren geht, der kann sogar auf die Reste dieser Landwehren stoßen.

Reste der Landwehr im Süden von Ennepetal

Der Begriff bezeichnet lang gestreckte Erdwälle, die im Mittelalter angelegt wurden, um das Territorium gegen Eindringlinge zu schützen oder um Räuberbanden die schnelle Flucht vor allem mit Fuhrwerken zu vereiteln. Die Landwehren waren bis zu 18 Meter breit und folgten im Wesentlichen der Landesgrenze, zum Beispiel zwischen dem Herzogtum Berg und der Grafschaft Mark. Diese Grenze besteht heute noch als Grenzlinie zwischen Rheinland und Westfalen, also zwischen den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf auf der einen und Arnsberg auf der anderen Seite.

Zwischen Elberfeld, Barmen und Schwelm, Ennepetal, Radevormwald, Breckerfeld und Halver kann man an vielen Stellen diese Erdwälle noch in der Landschaft sehen. Sie wurden oft schräg zum Hangabfall angelegt, um das Übersteigen zu erschweren. An Wegen wurden sie unterbrochen, dort befand sich dann der Schlagbaum zur Kontrolle und Mautkasse. Viele Ortsteilnamen deuten heute noch auf diese Funktion hin. Aus einer dieser Zollstationen ist das Örtchen Filde entstanden, und dieser Flecken hat daher noch eine Besonderheit: Die Grenze verläuft mitten durch den Ort, so dass er zwei verschiedene Ortseingangsschilder hat. Auf einem steht „Filde. Stadt Breckerfeld. Ennepe-Ruhr-Kreis“ und auf dem anderen „Filde. Stadt Radevormwald. Oberbergischer Kreis“. Entsprechend müssen die einen Bewohner ins rheinische Rathaus von Radevormwald oder in das Gummersbacher Kreishaus, die anderen fahren ins westfälische Rathaus von Breckerfeld oder ins Schwelmer Kreishaus.

Übrigens hat sich die Grenze auch in den Trinkgewohnheiten erhalten: Auf der einen Seite der Landwehr wird in den Kneipen Kölsch oder Alt gezapft, auf der anderen Seite gibt es westfälisches Pils, doch auch diese Grenze wird immer mehr durch bayrischen Weizen-Einfluss aufgeweicht. Das sieht man sogar schon in der Bierstadt Dortmund.




Entnazifizierung im Revier: „Darum war ich in der Partei“

Über die Befreiung des Ruhrgebiets vom Nationalsozialismus durch alliierte Truppen habe ich hier vor einiger Zeit einige Hintergründe dargelegt. Nun soll es um die Entnazifizierung nach 1945 gehen.

Wenn die Amerikaner und ihre Verbündeten eine Stadt oder Gemeinde befreit hatten, dann setzten sie in der Regel sofort einen unbelasteten Bürgermeister ein. Manchmal brachten sie ihn sogar mit. Gleichzeitig hatten sie genaue Vorstellungen über die geplante „Denazification“. Noch vor der Kapitulation der deutschen Wehrmacht hatten die Besatzungsmächte am 25. April dazu eine Direktive erlassen, die vor Ort durch provisorisch eingerichtete Behörden und den Militärkommandanten umgesetzt wurde. In der britischen Zone, zu der auch das Ruhrgebiet gehörte, arbeitete die Besatzungsmacht mit einem Skalensystem von 1 bis 5. Die Kategorien 1 und 2 landeten vor Spruchgerichten. Dazu gehörten insbesondere Angehörige der verbrecherischen NS-Organisationen wie SS, Waffen-SS und des SD. Später kam die Unterscheidung zwischen A und B hinzu, nach welchen Kriterien Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst, aber auch aus „finanziellen Unternehmen“ vorzunehmen seien. Wer unter A fiel, gehörte zu den „zwangsweise zu entlassenden Personen“. Solche Listen gab es wenige Wochen nach Kriegsende auch für Journalisten.

Wie das im Revier praktisch ablief, zeigen die Erlasse des Regierungspräsidenten in Arnsberg. Am 3. Juni 1945 verlangt er, dass sich die noch vorhandenen Mitglieder der Ortsgruppenstäbe der aufgelösten NSDAP „unter Aufsicht zu versammeln“ haben. An Ort und Stelle musste dann eine Liste aller ehemaligen männlichen und weiblichen Mitglieder der NSDAP in der jeweiligen Gemeinde angefertigt werden. Die beteiligten Funktionäre mussten eine eidesstattliche Erklärung abgeben, außerdem waren die Parteimitglieder nach dem Grund ihres Eintritts in die NSDAP zu befragen. Am 15. Juni seien die Listen abzugeben, eine Abschrift erhielt der Militärkommandant, bei wahrheitswidrigen Angaben drohte „strengste Bestrafung“.

Für das damalige Amt Milspe-Voerde – heute das Gebiet der Stadt Ennepetal – sind im Stadtarchiv diese Listen der einzelnen Ortsgruppen, nach Zellen geordnet, erhalten geblieben. Daraus ergibt sich zum einen, wie stark die Bevölkerung mit Funktionären der NSDAP und ihrer Gliederungen durchsetzt war, und zum anderen, wie feige die Menschen nach der Befreiung mit ihrer persönlichen Geschichte umgingen. Als Gründe für den Parteieintritt am häufigsten genannt wurden: Zwang der Behörden, Überredung durch die eigenen Kinder, Übernahme durch den BDM, wegen der Arbeitsstelle, wegen langjähriger Erwerbslosigkeit, Überredung durch die Frauenschaftsleiterin, aus taktischen Gründen (sehr oft genannt), wegen Aufforderung durch den Ortsgruppenleiter, um den Ehemann vor Angriffen seitens der Partei zu schützen, weil man es für einen guten Zweck hielt, um eine sichere Existenz zu bekommen, aus geschäftlichen Gründen, um im Beruf zu bleiben, weil man ohne Wissen übernommen worden sei.

Seltener werden die Gründe genannt, die wahrscheinlich für die meisten ehemaligen Parteimitglieder eher zutrafen: aus politischer Dummheit (mehrfach genannt), aus Überzeugung (nur wenige Nennungen), weil man Fanatiker war oder einfach „aus Dummheit“.
Einige Befragte machten auch persönliche Angaben: Ein Gastwirt sei nur eingetreten, um eine Konzession zu bekommen, ein anderer war Blockwart und eingetreten, „um meine Familie zu schützen“, ein dritter war körperbehindert und fühlte sich gezwungen, der Partei beizutreten, ein vierter sei „nur auf Anordnung des Dienstvorgesetzten“ beigetreten. Ein Unternehmer schrieb: „Weil ich im Anfang die Sache für gut und ehrlich hielt.“

Wie man sieht, wurde in den meisten Fällen der Parteieintritt als unausweichlich dargestellt. Einige ehemalige NSDAP-Mitglieder versuchten in dieser Befragung sogar, einen angeblichen Austritt zu konstruieren. Ein Unternehmer aus Gevelsberg schrieb, er sei im August 1944 aus der Partei ausgetreten, und das habe er auch in einem Schreiben am 10. Mai 1945 dem Herrn Amtsbürgermeister mitgeteilt. Zu dem Zeitpunkt war das Ruhrgebiet jedoch bereits mehrere Wochen besetzt, und das Deutsche Reich hatte am 8. Mai bedingungslos kapituliert.

Warum sich zahlreiche Sozialdemokraten und Kommunisten, aber auch engagierte Christen dem verbrecherischen Regime widersetzten und dafür Verfolgung und Tod in Kauf nahmen, die meisten Bürger der Hitler-Partei jedoch mit Überzeugung nachrannten, das bleibt ein großes Rätsel. Wenn man den persönlichen Notizen im Ennepetaler Stadtarchiv glaubt, dann waren es überwiegend sehr egoistische Motive – ohne Rücksicht auf die angekündigten Opfer.

Feierstunde zur Gründung der Stadt Ennepetal 1949




Ein leuchtendes Beispiel – Wie eine Gruppe von Neheimer Künstlern zum Domizil in Museumsgröße kam

Von Bernd Berke

Arnsberg-Neheim. Bisher drängelten sich die sieben Mitglieder der Neheimer Künstlerguppe „Der Bogen“ auf 160 Quadratmetern Atelierfläche – Küche inbegriffen. Unter solcher Sardinen-Enge litt die Kreativität. Jetzt verfügen sie auf einen Schlag über 800 Quadratmeter. Mehr hat manches Museum nicht. Und die Leute vom „Bogen“ müssen nicht einmal Miete für ihr neues Domizil zahlen. Wie haben sie das bloß geschafft?

Ohne machtvolle Hilfe geht so etwas nicht. Auch die Stadt hat ein wenig mitgesponsert. Doch es ist der Leuchtenhersteiler Thorn-Licht, der als Mäzen buchstäblich mit leuchtendem Beispiel vorangeht und sich die Künstler mietfrei ins Haus holt. Diese hatten „einfach mal angefragt“. Dann ging alles ganz rasch über die Bühne: Auch aus der britischen Konzernzentrale gab es alsbald grünes Licht.

Verwandlung einer Lagerhalle

Eine von der Firma nicht mehr genutzte, helle und luftige Lagerhalle bietet nun reichlich Platz für Ateliers und für Gemeinschafts-Aktivitäten. Auch ein Fotolabor hat man untergebracht. Am Sonntag werden die kunsttauglich hergerichteten Räume, deren anregender Werkstatt-Charakter beim Umbau bewahrt wurde, mit einer Vernissage eröffnet.

Die Beschäftigten der Leuchtenfabrik waren anfangs skeptisch („Was wollen denn die Künstler bei uns?“), haben sich aber inzwischen schon an die neuen Nachbarn gewöhnt, die auch schon mal zu Zeiten ans Werk gehen, wenn nur noch der Nachtportier auf seinem Posten ist. Die Neheimer Thorn-Leitung möchte künftig den einen oder anderen Geschäftspartner durch die Ateliers führen – Kunst als Entspannung vor oder nach harten Verhandlungen.

„Der Bogen“ fand sich bereits 1980 in Neheim zusammen, damals noch 17 Mitglieder stark. Mit der Zeit hat sich die Spreu vom Weizen gesondert. Die Namen der aufrechten Sieben von heute: Haimo Hieronymus (26), Margareta Hesse (Professorin für Gestaltung an der FH Dortmund), John Hosse (27), Kahos (53; bürgerlich: Karlheinz Hosse), Peter Meilchen (46), Pit Schrage (34) und Axel Schubert (44).

Das Wort „Provinz“ kann man vergessen

Wenn man durch die neue Atelierflucht streift, fühlt man sich beileibe nicht wie in der künstlerischen Provinz. Mit Gefälligkeits- und Dekorationskunst will man hier nicht dienen. Die Neheimer Sieben beziehen durchweg zeitgemäße Positionen, und auch die handwerkliche Qualität der Bilder überzeugt. Es ist schon manchmal erstaunlich, was sich abseits der kulturellen Metropolen zuträgt. Selbst kunstverwöhnte Damen und Herren aus Köln oder Düsseldorf dürften einen Abstecher hierher nicht bereuen.

Es gibt beim „Bogen“ einen Gruppengeist, doch kein bindendes Konzept für alle. Die Zeiten kollektiver Festlegungen („Damals hatten alle lange Haare“) seien längst vorbei, finden die Neheimer, die mehrheitlich noch Brotberufe ausüben. Da haben sich also sieben Individuen zusammengefunden, jeder mit besonderen Ambitionen, aber ohne Konkurrenzneid.

„Der Bogen“ hat offenbar den Bogen raus. Und das Sauerland ist um eine kulturelle Attraktion reicher.

Ateliergemeinschaft „Der Bogen“. Arnsberg (Neheim). Möhnestraße 55. Tel.: 02932/81549. Eröffnung der neuen Räume am Sonntag, 2. Juli, ab 16 Uhr. Ausstellung bis 29. Juli, do 17-19, sa 14-18 Uhr.

 




Inseln der Kunst im Sauerland – Rundfahrt zu aktuellen Ausstellungen in Arnsberg, Lüdenscheid und Schwerte

Von Bernd Berke

Arnsberg/Lüdenscheid/Schwerte. Sage niemand, daß es im Sauerland keine interessanten Ausstellungen gebe. Nur sind hier die zeitlichen und örtlichen Zwischenräume etwas größer als im Ruhrgebiet oder gar in Köln. In Südwestfalen sind es eben Inseln der Kunst. Ein paar Beispiele:

Der rührige Kunstverein Arnsberg, beflügelt auch von der Konkurrenz durch die mäzenatisch betriebene Stadtgalerie im nahen Sundern, zeigt derzeit großformatige Bilder des in Köln lebenden Klaus G. Gaida (geb. 1950). Der Ausstellungstitel „Erdrandbewohner“ bezieht sich selbstverständlich nicht aufs Sauerland, sondern auf Feuerland. Dort hat der Forscher Martin Gusinde um 1918 Sitten und Gebräuche eines bald darauf (durch Masern) ausgestorbenen Indianervolkes fotografisch festgehalten. Diese Dokumente dienten Gaida als Vorlagen. Man sieht phantastische Wesen wie von anderen Sternen, zu strengen Haltungen erstarrte Rituale der Geisterbeschwörung.

Ritual wie beim Fußballteam

Nach striktem Farbschema hat der Künstler diesen so ganz eigenen Menschen-Kosmos mit Kalkfarben und Sand-„Nestern“ auf Textilunterlagen gebannt. Als Mitteleuropäer sucht man nach vertrauten Mustern – und meint eines gefunden zu haben, wenn man z. B. eine Indianer-Gruppe aufgestellt sieht wie eine Fußballelf zum Meisterschaftsfoto. Doch damit sitzen wir bereits dem vorgeprägten Blick auf, den deutsche Fotograf arrangiert hat und den Gaida weitergibt. Vertraute Form, höchst fremdartiger Inhalt – eine irritierende Wechselwirkung.

Weiter geht’s: nach Lüdenscheid. Fast 60 Kilometer sind es von Arnsberg aus über die kurvige B 229. Lüdenscheid kann mit dem schmucken Städtischen Museum, der Stadtgalerie und dem Kulturzentrum schon als Sammelpunkt gelten. Für Kontinuität und Konzepte bürgt Uwe Obier, der jetzt Arbeiten des Lüdenscheiders Heinz Richter (geb. 1924 in Berlin) präsentiert. Die Schau beschließt eine geschichtlich zentrierte Erinnerungs-Trilogie. Der Titel („Steinzeit“) lässt sich beziehen auf kriegerische Ausbrüche, die immer wieder vorzeitlich anmuten. In redlicher Absicht, doch gelegentlich allzu plakativ, warnt Richter vor Neonazis und einer schrecklichen Wiederkunft von „Stalingrad“, wobei er auch auf Skizzen zurückgreift, die er nach dem 2. Weltkrieg angefertigt hat. Besonders im Gefolge des Golfkrieges (1991) hat ihn das Kriegsthema gepackt.

Bekenntnisse auf einem Tuch

Da fordert er auch schon mal flammende Bekenntnisse gegen Gewalt ein, die der Besucher in einer Flügelaltar-Installation per Unterschrift auf einem langen Tuch bekunden soll. Andererseits taucht Richter auf Farbwolken-Bildern in unbewußte oder mythische Regionen und findet mit Metall-Durchbrüchen innigere Bilder der Gewalt.

Einige hundert Meter weiter befindet sich jene Galerie Friebe, die die rigorosen Jury-Maßstäbe der Kölner Kunstmesse „Art Cologne“ erfüllt. Hier sind nun Arbeiten des renommierten Münsteraner Kunstprofessors Joachim Bandau (geb. 1936) zu sehen. Es ist eine sparsam, jedoch überlegt getroffene Auswahl. Die kleinen Wandplastiken aus patiniertem Blei oder Kupfer, in rhythmischer Folge angebracht, offenbaren ihre formalen Qualitäten bei geduldiger Betrachtung. Ähnliches gilt für die „Schwarz-Aquarelle“, die unaufdringlich mit sanften Überlagerungen, Übergängen und Schattierungen spielen.

In Richtung Dortmund empfiehlt sich ein Abstecher nach Schwerte, dem – je nach Blickrichtung – Vorposten des Reviers oder des Sauerlands. Auch der dortige Kunstverein genießt überregionalen Ruf.

Schichten der Erinnerung

Im stattlichen neuen Domizil zeigt man gegenstandsfreie Bilder des Belgiers Ivan Popovic. Die Auswahl umfaßt vor allem eine Serie von „Mauerbildern“. Diese sind schichtweise aufgebaut und ähneln Hauswänden oder eben Mauerstücken, von denen der Putz abgeplatzt ist wie nach einer großen Regenzeit. Die Verwitterung legt dem Betrachter Erinnerung an Vergangenes nahe. Zuweilen eincollagierte alte Briefe mit nicht mehr gebräuchlichen Schriften verbreitern diesen Zugangsweg. Doch auch der frisch-kalkige Duft der Bilder lenkt die Wahrnehmung. Subtile Kunst im Spannungsfeld von Graffiti und politischen Mauerstürzen.

  • Kunstverein Arnsberg, Königstraße 24: Klaus G. Gaida „Erdrandbewohner“. Bis 12. März. Mi.-Fr. 17-19. So. 11-13 Uhr (Tel.: [029 31] 2 11 22).
  • Museen der Stadt Lüdenscheid, Sauerfelder Str. 14: Heinz Richter „Steinzeit“. Bis 26. Februar. Di-So 11-18 Uhr. [023 51] 17 14 96).
  • Galerie Friebe. Lüdenscheid, Parkstraße 54. Joachim Bandau. Bis 10. März. Mo.-Fr.10-12 und 16-18 Uhr. Tel.: [02351] 3 89 24).
  • Kunstverein Schwerte, Kötterbachstraße 2. Ivan Popovic. Bis 3. März. Di.-Fr. 16-19 Uhr [02304] 22175).

 




Die Rätselwelt des Markus Lüpertz – kleinere Arbeiten im Arnsberger Kunstverein

Von Bernd Berke

Arnsberg. Die Baselitz-Ausstellung 1988 im Arnsberger Kunstverein hat eine Art Initialzündung ausgelöst. Künster, Galeristen und Museumsleute sind auf den Verein im Hochsauerland aufmerksam geworden.

Folge: In Zusammenarbeit mit einer großen Kölner Galerie kann man jetzt wiederum einen Namen aus der Künstler-„Bundesliga“ präsentieren: Markus Lüpertz (48), der nicht nur wegen seines berüchtigt-großfürstlichen Lebensstils, sondern eben auch seiner Kunst wegen international im Gespräch ist. Den Ausschlag für die Kölner Leihfreudigkeit gab auch, daß der Kunstverein – vor Ort auch schon mal als „elitär“ gescholten – unbeirrt stilistischen Kurs hält.

Lüpertz also. Keine Hauptwerke, sondern 50 „Arbeiten auf Papier“, darunter Holzschnitte, Gouachen sowie mit Öl- oder Wachskreide gefertigte, zumeist intimere Formate. Das Auswahlprinzîp ergab sich daraus, daß man einen Querschnitt der Jahre 1977 bis 1988 zeigen wollte. Der Künstler hat sich in diesem Zeitraum offenbar kaum um die Schein-Alternative „figurativ“ oder „abstrakt“ gekümmert, eins wechselt mit dem anderen. Die meisten Arbeiten tragen keine Titel, sie sollen also ohne Sprach-Assoziation nur durch sich selbst „reden“.

Lüpertz, der nicht müde wird zu betonen, daß er mit der „Anmut“ und dem Zustand unserer Gegenwart einverstanden ist, entwirft keine Gegen-Welten, jedoch eigenständige Neben-Welten. Auf den ersten Blick wirken manche Einzelbilder form- und ortlos, doch in Arnsberg hat man darauf geachtet, daß sie in Serien hängen, so daß sie sich gegenseitig „kommentieren“ können.

Das bedeutet aber keine leichte Verständlichkeit. Lüpertz verrätselt seine Bildsprache ganz bewußt. Auch wenn man hier und da Anspielungen auf die Realität zu erkennen glaubt – ein Sofa mit Stacheldraht? eine Schädelstätte? – könnte es gutsein, daß man sich irrt, indem man diese Dinge in die Bilder hineinsieht. Den eindrucksvollsten Teil der Ausstellung bilden gleichwohl die figürlichen Arbeiten, vor allem aus der Serie „Heiliger Sebastian“ (1987), Inbilder eines Martyriums der Verlorenheit.

Auch nachkubistische Bilder wie „Amor und Psyche“ (1979) oder die maskenhaften Holzschnitte zum „Mykenischen Lächeln“ zeigen Lüpertz als Formgestalter von Rang, der mit den „Wilden“ allenfalls gemein hat, daß er die Regeln der Formgebung sozusagen „kontrolliert vergessen“ kann.

Markus Lüpertz — Arbeiten auf Papier. Kunstverein Arnsberg, Königstr. 24. Eröffnung So., 4. Juni, 11 Uhr. Bis 16.Juli. Geöffnet Mi.—Fr. 17 bis 19 Uhr, So. 11—13 Uhr.