Denkwürdige Vokabeln (8): „Rauchwaren“

Nachdem die nette Ministerin Barbara Steffens im rot-grünen Landeskabinett NRW als erste Großtat der frisch installierten Regierung auserkoren hat, das Gesetz zum Schutze der Nichtraucher auf eine Klingenschärfe von Ao-Gami Stahl (67 Rockwell) zu bringen, bedienen sich Kommentatoren und Chronisten immer häufiger eines Begriffes, der mir, in diesem Sinnzusammenhang benutzt, die Fußnägel hochkrempelt – aber ich bin ja schon im methusalemischen Alter, was die Nutzung sprachlichen Handwerkszeugs angeht. Stets formulieren die Damen und Herren, dass „Rauchwaren“ und deren Hersteller sowie die ultimative Freiheit der Konsumenten im Allgemeinen bekämpft würden oder – falls die Kommentatoren und Chronisten hartleibige Nichtraucher sein sollten – die „Rauchwaren“ und deren Hersteller zwar bekämpft, die Konsumenten aber vor sich selbst geschützt und die unfreiwilligen Mitraucher vor den Konsumenten. Wow!

Nun sind aber Rauchwaren ursprünglich mal nicht etwa blaudünstige Genussmittel zur intensiven Inhalation gewesen, sondern Produkte des Kürschnerhandwerkes, das sich vorzugsweise wohlhabende Damen nicht nur zu Winterzeiten überwarfen, damit sie teuer und gut angezogen nicht frieren mussten. Will sagen, das waren Pelzklamotten, die ins Café ausgeführt wurden, damit frau beim Nippen am Tee hinlänglich bewundert wurde und anschließend, wenn sie sich denn ins vor der Türe geparkte Cabrio schwang, die männlichen Passanten in Augenstarre versetzten. Mit Tabak hatten diese Rauchwaren nichts zu tun, das „Rauch“ stammte eher von „rau“ und stand für zottelig und so.

Ikone des Rauchens: Humphrey-Bogart-Figur aus dem Nippesschrank. (Foto: Bernd Berke)

Ikone des Rauchens: Humphrey-Bogart-Figur aus dem Nippesschrank. (Foto: Bernd Berke)

Nun, das ist längst vergessen, heute nehmen die Sprachbildner diese Vokabel für Qualm und Tabak, was mich zwar immer noch stört, aber keinen außer mir interessiert. Allerdings stieß ich beim betroffenen Grübeln über einen neuerlichen Verlust aus dem gescheiten Vokabular auf eine Tatsache, die mir als trockengelegtem Kettenraucher positiv auffiel. 1948, als meine Mutter den allgemeinen Trümmerhaufen in ihrer Umgebung mit mir als neuen Nachkriegs-Schreihals beglückte, gründete sich auch der Verband der Cigarettenindustrie (VdC), der sein unerschrockenes Wirken bis 2007 durchhielt und tapfer dafür sorgte, dass Wissenschaftler Geld verdienten, damit sie Gutachten verfassten, die der Verband wiederum dazu nutzte, dass die Bonner oder später Berliner Politik die am Verbraucher orientierten richtigen Entscheidungen trafen. Und bisweilen schrieb der Verband auch mal Gesetze für die Regierung, damit sie nicht auf die verbraucherunfreundliche Idee kam, die Tabaksteuer zu schnell und zu hoch zu erhöhen, was die Regierung dann auch im Sinne der Arbeitserleichterung für die beteiligten Ministerien 1:1 in Steuerrealität umwandelte.

Nun, zunächst verschied mit 51 Jahren der Marlboro-Cowboy, dann verabschiedete sich Philip Morris aus dem Lobby-Kader, 2007 löste sich der Verband dann vollends auf und 2008 leisteten sich die verbliebenen Reste eine grüne Sprecherin mit Namen Marianne Tritz, die wohlbestallt vollmundigen Verbraucherschutz rund um sich herum posaunte, denn an nichts anderes denken sie ja, die Kippendreher der Nation. Vielleicht kann sich die Gorleben-Bekämpferin Marianne Tritz ja nun auch „Rauchwaren“ zulegen und zu Winterszeiten vom Frost verschont bleiben, oder ihr Cabrio vor dem Café parken, wie sie am Tee zu nippen pflegt.

Marianne Tritz raucht nach eigenen Angaben nicht mehr – nach ebenso eigenen Angaben lebte sie insgesamt zu ungesund, Barbara Steffens raucht auch schon lange nicht mehr, daher ihre ultimative Konsequenz, ich auch nicht, bin dafür aber völlig inkonsequent und so elend tolerant und ich bedauere immer noch, dass inzwischen diese schöne alte Vokabel „Rauchwaren“ zu blauem Dunst verkommt.




Denkwürdige Vokabeln (5): Alternativlos

Sie hatte es zum Unwort des Jahres geschafft, das war 2010. Kanzlerins Lieblingsvokabel, unbedingt merkbar: „alternativlos“. Ganz geriet sie danach nie in Vergessenheit, weil Frau Merkel immer wieder mal etwas, was sie oder der unverzichtbare, aber ungeliebte Kollege Schäuble sich ausgedacht haben, oder eben mangels anderer, auf der Entscheiderhand liegender Möglichkeiten für unumgänglich (auch eine Möglichkeit, das zu beschreiben, was gemeint sein könnte) halten. Aber, dem Alltag sei Dank, seltener benutzt wurde das finale Abschusswort einer jeden kontroversen Diskussion indes schon.

Wir sehen einmal davon ab, dass eine Alternative ursprünglich und ausschließlich einmal gedacht war, um die Wahlmöglichkeit zwischen mindestens zwei Lösungen zu beschreiben – es ist der Lauf der Zeit, dass sprachliche Formen nun einmal lebendig sind und damit auch vielfältiger genutzt werden können. So bürgerte es sich spätestens mit dem vermehrten Auftreten neuer Bewegungen in der Politik ein, davon zu sprechen, dass sogenannte „Alternative“ sich einmengen in das, was drei Traditions-Gruppierungen für ihr ureigenes Geschäft hielten, in eben die Politik. Die „Grünen“ wurden, wohl auch, damit sich Journalisten im Text nicht wiederholten, immer häufiger zu „Alternativen“.

Ich interpretiere das wohlmeinend mal so: Die Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen wollten mit diesem Etikett „alternativ“ andeuten, dass diese neue politische Bewegung immer eine andere Möglichkeit auf dem Weg zu richtigeren Lösungen anböte als die anderen Parteien – sie eine neue, bisher nicht bedachte Möglichkeit skizzierte. Also kann es in den Vorstellungen der Grünen die Vokabel „alternativlos“ nicht geben. Eigentlich…

Wie wenig Spaß NRW-Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens versteht, wenn es ums Rauchen geht, weiß ja auch ich, als Mehr-als-ein-Jahr-Nichtraucher und dennoch konsequenter Raucher-Mitfühler. Dass sie, Frau Steffens, aber sogar die Basis (ich meine damit die Grundfesten) der eigenen Partei verlässt und wesentliche Teile des kühnen Streitens gegen die Raucher als solche – auch nee, sie streitet ja mehr für die Nichtraucher – aber, dass sie ein Verbot von E-Zigaretten als „alternativlos“ beschreibt, gibt mir zu denken.

Wenn schon, dann richtige Zigaretten... (Foto: Bernd Berke)

Wenn schon, dann richtige Zigaretten... (Foto: Bernd Berke)

Ich persönlich halte diese Möchtegern-Kippe zwar für blöd. Wenn, dann muss es ordentlich Knarzen beim Inhalieren. Ich halte deren Bekämpfung unter anderem auch für eine Nettigkeit gegenüber der Tabakindustrie, die mit Recht fragt, warum das elektrisch ans Köcheln gebrachte Nikotin steuerfrei bleibt, das aus Tabak verbrannte indes durch Tabaksteuer unsere äußere Sicherheit mitfinanziert. Alternativlos empfinde ich das Verbot dieses Methadonprogrammes für Kettenraucher aber nicht.

Immerhin, ein Wort, dessen Notwendigkeit ich allein deshalb anzweifele, weil es, bei Gebrauch, jedes Gegenüber davon überzeugen soll, dass weitere Gedanken zum Thema wertlos seien, dieses Wort wird so noch breiter salonfähig gemacht. Denn nun nehmen es auch „Alternative“ in den Mund. Und doch nehme ich mir die Freiheit, mit dem Denken fortzufahren … und würde mir dabei mitunter gern eine anstecken, aber eine richtige, eine Aktive.