Trotzige Betonburgen, verspielte Swimmingpools – Architekten schauen respektvoll auf die Baukunst der jungen Republik

Das ehemalige Schuman-Kolleg an der Dortmunder Sckellstraße zeigt nach Jahren des Leerstands Zeichen von Verwahrlosung. Doch immerhin ist es jetzt ein Baudenkmal (Foto: Bund Deutscher Architekten BDA)

Büsche und Bäume stehen in üppiger Pracht. Der Baukörper hingegen, den das Grün geradezu verbirgt und den in unterschiedlichen Stadien der Ausgeblichenheit die Farbe Blau prägt, schwächelt. Man sieht ihm an, dass er seit einigen Jahren ohne Funktion ist, auch wenn die Fensterscheiben noch heil sind.

Kunst im Kolleg

Schiefe Schilder mit Hinweisen auf Lehrer- und Schülerparkplätze rühren an in ihrer Sinnlosigkeit. Das Robert-Schuman-Kolleg gibt es hier nicht mehr, es ist vor Jahren schon umgezogen in einen Neubau neben dem Dortmunder Kulturzentrum „U“. Doch die Agonie des Baukomplexes aus den 60er Jahren, den „Dornröschenschlaf“ zu nennen einem widerstebt, soll bald ihr Ende haben. Denkmalschutz wird dem Kolleg zuteil, zum architektonischen Sahnehäubchen einer neuen Wohnbebauung soll es geadelt werden. Bevor es aber so weit ist, gibt es hier Kunst zu sehen, die selbstverständlich mit Bauen und Bauten zu tun hat. Und die in größeren Zusammenhängen begriffen sein will. Das ehemalige Robert-Schuman-Kolleg gehört nämlich zu den „Big Beautiful Buildings“ (BBB), denen sich der Bund deutscher Architekten (BDA) jetzt mit ganz besonderer Aufmerksamkeit zuwendet – den „großen schönen Gebäuden“.

Von links: die Künstler EVOL und Alekos Hofstetter aus Berlin sowie der Dortmunder Architekt und Schwimmbadbuchautor Richard Schmalöer. Die „Plattenbauten“ sind eigentlich Blechspinde, die täuschend echt bemalt wurden. (Foto: rp)

Schönheit?

Schön? An großen Gebäuden herrscht im Revier kein Mangel. Aber nicht jeder wird, beispielsweise, die Marler Innenstadt („Marler Stern“) schön finden. Oder das Rathaus dort. Oder die Ruhr-Universität in Bochum. Oder vielleicht sogar, wenngleich es weitaus weniger betonhaltig anmutet, das alte Schuman-Kolleg. Kommt die Rede auf Gebäude wie diese, so ist schnell von Bausünden die Rede, von einer Betonwüste, von entmenschlichter Architektur, vom Verlust der Maßstäblichkeit und so fort. Doch Schönheit liegt ja im Auge des Betrachters. Und so gibt es heutzutage ebenfalls etliche Menschen, Fachleute zumal, die die großen, funktionalen Gebäude aus der Zeit des wirtschaftlichen Aufbruchs nach dem Krieg, grob also aus den 1950er bis 1970er Jahren, mögen, die sie erhalten wollen.

Big Beautiful Buildings

Sie preisen, je nachdem, den „Brutalismus“ von Bauten, die trotzig das Material herzeigen aus dem sie gemacht wurden, loben die Helligkeit von Schulräumen, deren Konstruktion unter reicher Verwendung von Einfachglas und Aluminiumprofilen Aspekte der Wärmedämmung noch gänzlich vernachlässigte, verneigen sich gar vor dem brachialen Gestaltungswillen mancher Altvorderer, die sich um Harmonie und Milieubezug wenig scherten. Auf einer umfangreichen Internetseite hat der Bund der Architekten eine Vielzahl solcher „Big Beautiful Buildings“ im Ruhrgebiet aufgelistet. Sie können besichtigt werden, und die meisten kennt man schon. Außerdem findet in den nächsten Wochen eine Reihe von Veranstaltungen statt, Vorträge, Filmvorführungen, Kunstausstellungen.

Ein Porzellanfisch von Peter Lechner ziert die Wand hinter einem privaten Swimmingpool. Auch er kann besichtigt werden – im Keller eines Einfamilienhauses in der Sckellstraße, gegenüber vom Schuman-Kolleg. (Foto: rp)

Kunst und Künstler

Zurück in das Dortmunder Schuman-Kolleg und zur kongenialen Architekturkunst. Aleko Hofstetter, um mit ihm zu beginnen, hat Bilder gemalt, die Details von Dortmunder „großen schönen Bauten“ verarbeiten, beispielsweise Innen- und Außenansichten des „Centrums für Medizin & Gesndheit (DOC)“, das früher einmal Commerzbank und West-LB war, oder des alten Volkswohlbund-Hauses aus den 80er Jahren, das mittlerweile schon wieder gesprengt und abgerissen wurde. In seinen Bildern kombiniert er diese wiedererkennbaren Details mit Texturen und Raumandeutungen, erschafft phantastische Landschaften, irritiert sein Publikum mit formalen Umdeutungen und Verunsicherungen. Das Gros der Arbeiten entstand in diesem Jahr, in einer Mischtechnik, die auch den Filzstift nicht verachtet.

Arbeiterschließfächer

Von EVOL kommen die Plattenbauten. Ebenso wie Hofstetter stammt er aus Berlin, heißt eigentlich Tobe Ringfeld und besorgte sich die rostigen alten Blechspinde aus Italien. Mit einer aufwendigen Schablonen-Drucktechnik hat er ihnen die Optik täuschend echter Plattenbauten verliehen. Weder Sattelitenschüsseln noch Graffiti fehlen. Ganz unübersehbar fungieren Spind wie Platte als „Arbeiterschließfächer“, sehr sinnhaft und eindrucksvoll. Eigentlich, erzählt EVOL, sei er Sprayer, und eine Zeit lang habe er bevorzugt Schaltkästen im öffentlichen Raum mit seinen Bildern versehen. Schaltkästen aber sind meistens aus Stein und für den Transport ins Museum ungeeignet, daher lieber Blechspinde. Der Berliner Stasi-Stadtteil Lichtenberg diente als eine Art städtebaulicher Vorlage. „Doppelplusmodern“ wurde diese kleine,aber gut passende Ausstellung getauft, die der BDA, Gruppe Dortmund Hamm Unna, ausrichtet.

Hallenbäder im Wirtschaftswunder

Und dann sind da noch die Swimmingpools. Immer wieder hat Richard Schmalöer mit ihnen zu tun, wenn er als Architekt alte Häuser renoviert. In der Zeit des Wirtschaftswunders, relativ kurze Zeit nach dem Krieg, bestellten sich viele Bauherren Bäder für ihre Keller, oft aufwendig dekoriert von Künstlerhand, es war ein regelrechter Boom. Schmalöer ließ fotografieren und begab sich ans Schreiben – „Schwimmen im Geld – private Hallenbäder des deutschen Wirtschaftswunders“ lautet der Titel des Buches, das so entstand.

Alles wie neu

Ein Bad kann sogar besichtigt werden. Es befindet sich im Keller unter dem Flachbungalow gegenüber vom Robert-Schuman-Kolleg, wo Schmalöer aufwuchs und wo heute eine Senioren-WG residiert. Die lustigen Fische, die vor einem Wellenrelief geradezu zu schweben scheinen, stammen von dem Künstler Peter Lechner. Vor einigen Jahren hat er die Wand restauriert, denn etliche Porzellanfische, erzählt Schmalöer, waren zu Bruch gegangen, wenn er und sein Bruder sich im Pool heftige Wasserballduelle lieferten. Jetzt ist wieder alles wie neu.

Und dann kam die Ölkrise

Bilder weiterer Bäder hängen an den Wänden, so dass auch von einem Ausstellungsprojekt gesprochen werden kann. Abgesehen davon haben die Bäder mit den „Big Beautiful Buildings“ eigentlich nichts zu tun – außer vielleicht, dass sie in etwa zur gleichen Zeit entstanden.

Man sieht: Privat hatten es die Besserverdiener der ersten Nachkriegsjahrzehnte doch lieber überschaubar, kuschelig, intim. Genehm war zudem die Bar gleich nebenan – manches Mal in einer Ausdehnung, die nach mehrköpfigem Personal verlangte. Die „Ölkrise“ in den 70er Jahren war für die großen Häuser wie für die kleinen Bäder eine Zäsur. Teure Energie machte sie alle unwirtschaftlich.

  • Ausstellungen:
  • „Doppelplusmodern“ im Robert-Schuman-Kolleg, Dortmund, Sckellstraße 5-7
  • Hallenbad, Dortmund, Sckellstraße 12
  • Bis 21. September. Geöffnet freitags, samstags, sonntags 14 – 18 Uhr
  • „Big Beautiful Buildings“ (BBB) im Internet: www.bigbeautifulbuildings.de



Dem Pigment verfallen – Bilder und Skulpturen von Thomas Kesseler im alten Ostwall-Museum

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Lichthof des „richtigen“ Dortmunder Museums am Ostwall, geschüttete Fläche aus tiefblauem Pigment im Hintergrund, Künstler Thomas Kesseler davor. (Foto: Simone Melenk/BDA-Dortmund)

Das größte Bild in der Ausstellung ist gar keins, jedenfalls kein richtiges. Es ist eine rechteckige Schüttung aus ultramarinblauen Farbpigmenten, um die 100 Quadratmeter groß; Ein Gemälde zum Materialpreis von rund 600 Euro, das nach dem Ende der Ausstellung einfach zusammengefegt werden kann. Geschaffen hat es der Künstler Thomas Kesseler, als Auftakt gleichsam seiner Werkschau aus rund 30 Schaffensjahren.

Thomas Kesseler ist Architekt, Maler und Bildhauer. Bekannt wurde er einem breiteren Publikum durch seine künstlerischen Um- und Neugestaltungen sakraler Innenräume: St. Katharina in Unna, die Kapelle der evangelischen Akademie in Schwerte-Villigst, Kirchen in den Dortmunder Stadtteilen Eving und Rahm sowie in Bochum, Bottrop und Essen. Der Künstler arbeitet mit Farbgebungen und in Sonderheit kräftigen Farbverläufen, mit Glasmalerei, Licht, Möblierung, Grundrissänderungen, man könnte seinen innenarchitektonischen Ansatz radikal nennen. Und der traditionelle Begriff Innenarchitektur greift bei Licht betrachtet sicherlich zu kurz.

Das große Vorbild Giacometti

Im alten Dortmund Museum am Ostwall indes präsentiert sich Kesseler als Künstler, dessen Arbeiten für sich stehen und nicht an bestimmte Räume gebunden sind. Seine Leidenschaft gilt dem Pigment; flächenbetonte leuchtkräftige Bilder herrschen vor, die oft nur eine einzige Farbe zeigen; lange, dürre Skulpturen auf massiven Sockeln gesellen sich ihnen zu, Menschenandeutungen in Bronze mit Patina, den entmaterialisierten Schreitenden eines Alberto Giacometti keineswegs unähnlich. Ja, sagt Kesseler, Giacometti sei für ihn ein ganz Großer, der ihn stark beeinflusst habe. Wie auch Lehmbruck, und es gebe keinen Grund, das Vorbilder zu verleugnen.

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Gemacht, um auf der Erde zu stehen: Künstler vor dunklen Arbeiten mit schwerer Wachsfirnis. (Foto: Simone Melenk/BDA-Dortmund)

Seit er sich Mitte der 80er Jahre recht flott von gegenständlichen Themen verabschiedete – auch aus dieser frühen Schaffensperiode hängen einige Großformate in der Ausstellung – besteht Thomas Kesselers malerische Welt vorwiegend aus Flächigkeit. Doch sind die Flächen mal Farbverläufe, mal annähernd monochrom, mal auch in unerwarteter Weise dreidimensional wirkend, mal, angehoben gleichsam durch die Andeutung eines Bilderrahmenelements, „schwebend“. Und dass die Bilder gut in eine anspruchsvolle Innenarchitektur passen würden, dass sie schöne, oft dramatische Hintergründe für die Präsentation der Skulpturen abgeben, erschließt sich augenblicklich.

Der Wal auf der Galerie

Kleine Figuren, große Bilder: Für eine graue „Schieferwand“ (240 x 360 cm) verwendete Kesseler sechs Leinwände, für einen „Wal“, der oben viele Quadratmeter groß im Galerieflur hängt, gar sieben. Diesem Riesenbild ist eigen, dass es in Gänze nicht betrachtet werden kann. Steht man im Galerieflur direkt davor, ist es zu groß, schaut man von der anderen Seite des Lichthofs auf die Galerie, verdecken Säulen ein Gutteil des Bildes. Es ist ein bisschen so wie in manchen alten Kirchen, wo Teile der großen Kunst hinzuerahnt werden müssen.

Ein ganz besonderer „Farbkeil“ befindet sich in zwei Vitrinen. Hier hat der Künstler Dinge des täglichen Lebens, vom Kinderspielzeug bis zur Waschmittelpackung, farblich sortiert so angeordnet, dass auf geschätzten drei Metern ein prismatisch korrekter Verlauf von Rot nach Blau entstand. Auch das kleine Citroën-Modell aus dem Setzkasten musste hier seinen Beitrag leisten – Kesseler ist bekennender Fan der Marke.

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Der „Wal“ ist auf sieben Leinwände gemalt und hängt in der Galerie des Lichthofs. (Foto: Simone Melenk/BDA-Dortmund)

Menschgemäße Maßstäblichkeit

Die schlanken Skulpturen auf ihren wuchtigen Sockeln zeugen von einer nie nachlassenden Auseinandersetzung mit Gewichtung und Proportion, mit menschgemäßer Maßstäblichkeit, sozusagen dem täglichen Brot des Architekten.

Zudem hat Thomas Kesseler Figuren in Beziehung zueinander gesetzt, laufende, schreitende, stehende. Installationen mit kaum mehr als fingernagelgroßen Gestalten auf einem Brett und, zwei Räume weiter, mit Gipsfiguren von der Größe mittlerer Hunde stehen für Überlegungen, einen öffentlichen Platz mit künstlichen Gestalten auszustatten, um ihm zusätzliche kommunikative Valeurs zu geben. Das Projekt „Figurenplatz Wien“ indes harrt noch der Verwirklichung. Ein „laufendes Kind“ aus Kesselers Werkstatt aber läuft tatsächlich durch den öffentlichen Raum, seit 1996, in Velbert.

Professor in Detmold

Es gibt bei Thomas Kesseler, der übrigens an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold als Professor für „Farbe und Raum – Künstlerische Grundlehre Innenarchitektur“ wirkt, etliche Felder forschenden Schaffens mehr, etwa seine Annäherung an die Skulptur der Antike, wie die meisterliche Federzeichnung „Studie nach dem Pergamonfries“ aus dem Jahr 2006 belegt. Doch würde es den Platz sprengen, alles berücksichtigen zu wollen.

Mit der Präsentation dieses Künstlers und Kollegen hat die Gruppe Dortmund-Hamm-Unna des Bundes Deutscher Architekten (BDA) eine gute und sinnvolle Entscheidung getroffen, die zudem einmal mehr die Ausstellungs-Qualitäten des ehemaligen Museumsgebäudes hervorhebt. Wie berichtet, soll hier nach umfangreichem Umbau ab 2018 das NRW-Baukunstarchiv seine Heimat finden.

  • „Thomas Kesseler: Skulptur – Farbe – Raum. Dreißig Jahre 1985 – 2015“
  • Ehemaliges Museum Ostwall, Ostwall 7, Dortmund.
  • Noch bis zum 14. Februar. Geöffnet Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa+So 11-18 Uhr.
  • Eintritt frei
  • Kontakt: Tel. 0231 1356050
  • beisemann@beisemann-schenk.de
  • www.bda-dortmund.de
  • www.bau-kunst-kesseler.de
  • Am Freitag, 12. Februar (17 Uhr) führt der Künstler selbst durch seine Ausstellung.



Klüngel um Kunst: Wenn die Pressesprecherin den Artikel gleich selbst schreibt…

Seit einiger Zeit steht fest, dass das einstige Dortmunder Museum am Ostwall, dem schon der Abriss drohte, zum Baukunstarchiv umgewidmet wird. Ein durchaus erfreulicher Vorgang. Hier aber geht’s um einen weniger erfreulichen Randaspekt.

Blick aufs frühere Museum am Ostwall, das künftig zum Baukunstarchiv wird. (Foto vom Oktober 2013: Bernd Berke)

Blick aufs frühere Museum am Ostwall, das künftig zum Baukunstarchiv wird. (Foto vom Oktober 2013: Bernd Berke)

Gelegentlich gibt es am Ostwall jetzt schon kurze Ausstellungen, ausgerichtet vom Bund Deutscher Architekten (BDA Dortmund Hamm Unna). Und damit sind wir beim Thema: Jüngst erreichte uns die Einladung zur Pressevorbesichtigung der Schau „Thomas Kesseler, Skulptur – Farbe – Raum“ (16. Jan. bis 14. Feb.). Kein Wort zur Qualität der Ausstellung, ich habe sie bislang nicht gesehen. Wohl aber ein paar Worte zu einem Vorgang, der mit medialen Gepflogenheiten bricht.

Besagte Einladung ist unterzeichnet von einer Kollegin, die ich aus früheren Zusammenhängen kenne. Den Namen wollen wir hier gnädig verschweigen, es geht – jawohl – ums Prinzip. Diese Kollegin also lud im Namen der BDA-Geschäftsstelle zum besagten Pressetermin ein. So weit, so gut. Sie agiert also, wie man so sagt, „auf der anderen Seite des Schreibtischs“, nicht bei den Berichtenden. Dachte man zumindest.

Nun aber schlage man heute (15. Januar) den WAZ-Kulturteil auf. Der großflächig überdimensionierte Aufmacher (!) im Mantelteil handelt just von der Kesseler-Ausstellung. Und jetzt kommt’s: Als Autorin firmiert eben jene Kollegin, die für den Veranstalter zur Pressekonferenz eingeladen hat. Mag ja sein, dass die WAZ-Kulturredaktion den Zusammenhang nicht glasklar vor Augen hatte und halt aufs Text-Angebot eingegangen ist.

Das Verfahren scheint jedenfalls nicht redlich – und schon gar nicht transparent. Klingt eher nach Klüngel. Wo kämen wir hin, wenn Pressesprecher(innen) oder sonstige Beauftragte der Veranstalter über die von ihnen vertretenen Belange in der Presse selbst berichteten? Dann gäbe es nur noch unkritischen Jubel. Sollen etwa Partei- oder Unternehmenssprecher Artikel über die weisen Entscheidungen ihrer großartigen Bosse verfassen? Natürlich nicht. Bei einer Ausstellung mag die Verquickung der Interessen noch vergleichsweise harmlos anmuten. Doch auch hierbei werden die Leser getäuscht.




Was Architekten gut finden: „Ausgezeichnete“ Bauten im Raum Dortmund – Hamm – Unna

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Die nach den Geschwistern Scholl benannte Gesamtschule in Lünen (hier eine Innenansicht) ist ein Werk des Star-Architekten Hans Scharoun. Der sorgfältigen Renovierung des Baus wurde jetzt eine „Anerkennung“ des Architektenbundes zuteil. (Foto: BDA)

Wenn der Bund deutscher Architekten, Abteilung Dortmund Hamm Unna, gute Architektur und somit in der Regel gute Architekten ehren will, dann finden sich auf der Vorschlagsliste Büros aus Berlin, Nürnberg, Hagen oder Senden, wo lebendige Architekten unermüdlich an der Verschönerung der Welt werkeln.

Will man aber einen großen Toten der Zunft ehren, Fachleute wissen das natürlich, muß man nach Lünen fahren. Das dortige ehemalige Mädchengymnasium, nach den Geschwistern Scholl benannt und heute Gesamtschule, hat nämlich Ende der 50er Jahre Stararchitekt Hans Scharoun entworfen, dem unter anderem Berlin seine Philharmonie und Bremerhaven sein Schiffahrtsmuseum verdankt.

Als Lünen Scharoun und keinen anderen beauftragte, war die Stadt noch eine reiche Stadt; das änderte sich, und lokale Armut spiegelte sich bald auch im Erhaltungszustand des Gebäudes, das im übrigen ja, alte Lüner wissen das, nie ganz dicht war. Mit viel Geld aus der Wüstenrot-Stiftung haben die Architekten Spital-Frenking und Schwarz den Bau jetzt sorgfältig durchsaniert und auf Vordermann gebracht, und dafür gab es warme Worte (und Urkunde, aber kein Geld).

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Stimmig eingepapte Bürobauten neben der Hörder Burg. (Foto: BDA)

Mit der Renovierung wurde das Gebäude auch recht bunt angestrichen, was das Erstaunen Uneingeweihter hervorrief. Denn eigentlich war die Mädchenpenne immer weiß. Doch gab es nun vor der Renovierung einen Putzbefund, der auf einem Prüffeld der Fassade Reste bunter Farben zeigte; und tatsächlich finden sich die auch in Scharouns Entwurfsplanung, wenngleich er ja gegen das Weiß nichts gehabt zu haben scheint. Nun denn, also jetzt Scharoun in Ocker, Grün, Rot…

Kommen wir zu den Projekten, bei denen lebende Architekten ihre Kreativität ausleben konnten. Preiswürdig war der Jury an derSchule Am Eierkamp (Dortmund-Hombruch) die Einbeziehung einer Außenfläche in den Baukörper. Eigentlich, so könnte man meinen, keine große fachliche Herausforderung. Doch das sah die BDA-Jury anders, zumal diese Baumaßnahme richtungweisend für Umbauten von Schulgebäuden in den kommenden Jahren sei.

Auch einem Einfamilienhaus wurde die BDA-Auszeichnung zuteil. Geplant hat es das in Dortmund recht bekannte Büro Schamp und Schmaloer. Richard Schmaloer, dies nur anbei, ist amtierender Vorsitzender der hiesigen BDA-Gruppierung. Das Haus könnte ein Kubus sein, doch sein Dach ist schräg. Des Rätsels Lösung liegt in der Bauherrschaft Wunsch: Sie wollte ein Haus mit Flachdach in einem Neubaugebiet, in dem die Stadt Pult- und Satteldächer forderte. Das Haus steht, der städtischen Auflage ist Genüge getan; doch trägt die Dachschräge nicht unbedingt zur Schönheit des, wie gesagt, von Konzept her eher kubischen Baukörpers bei, und abhängig vom Blickwinkel wird er in der Siedlung wohl auch ein Fremdkörper bleiben. Die Maßnahme ist ein schöner Beitrag zum Thema Sinn und Unsinn behördlicher Vorgaben. Architektonische Kreativität erscheint hier in einem ganz neuen Licht.

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Die Dortmunder Liebfrauenkirche wurde – stilvoll – in ein Kolumbarium umgewandelt. (Foto: BDA)

Der Umbau der Dortmunder Liebfrauenkirche zu einem Kolumbarium durch das Berliner Büro Staab Architekten ist ohne Einschränkung gelungen. Hier ist jetzt Platz für 4000 Urnengräber, deren diskrete Anordnung an die vormalige Möblierung mit Kirchbänken erinnert. Ein guter, starker Ort.

Das nächste Objekt, das den Architekten anerkennenswert erschien, liegt nur einige hundert Meter Luftlinie von der Liebfrauenkirche entfernt. An der zu einem „Boulevard“ rückgebauten Dortmunder Kampstraße steht das ehemalige Verwaltungsgebäude der West-LB, das zu einem Ärztehaus umfunktioniert wurde. Ein Betonklotz aus den 70er Jahren, den umlaufende, meterbreite weiße Plastikwülste prägen und den schön zu finden doch einige Anstrengung erfordert.

Auch wenn Baudenkmäler definitionsgemäß nicht nach Schönheit, sondern nach architektur- und städtebaugeschichtlicher Bedeutung ausgesucht werden sollen, hätte man diesen Bau nicht zwingend erhalten müssen, denn ganz so einzigartig ist er gewiß nicht. Das wesentlich jüngere Volkswohlbund-Haus aus den Achtzigern, nur wenige hundert Meter weiter am Wall gelegen und von weitaus erträglicherem Äußeren, entsorgte man vor einigen Jahren kurz und schmerzlos mit Hilfe einiger Sprengladungen. Die West-LB aber steht jetzt unter Denkmalschutz und trägt angeblich zur Schönheit der Dortmunder Innenstadt bei. Lol.

Munter geht die Reise weiter. Wir erreichen Dortmunds prominentestes Ziergewässer, den Phoenix-See. Hier haben Drahtler Architekten einen Verwaltungsgebäudekomplex neben die so genannte Hörder Burg gestellt, der sich ausgesprochen harmonisch dem baulichen Bild einfügt, gleichermaßen in Materialität und Proportionen. Angenehm fällt insbesondere der Verzicht auf modischen Zierat auf, läßt man die in die Ecken der Gebäudekörper gesetzten Fenster auf einigen Etagen einmal außer Acht. Die Auflockerung des Fassadenbildes durch versetzte horizontale Fensterreihen vermeidet Langeweile. Eine derart gleichermaßen anspruchsvolle wie unaufdringliche Architektur hätte man sich am Phoenixsee häufiger gewünscht. Ist jetzt aber zu spät.

Unna Busbahnhof

Busbahnhof in Unna. (Foto: BDA)

Wir kommen nach Unna, und zwar mit Bahn und Bus. Hier gibt es ein großes Dach über dem Busbahnhof, damit die Fahrgäste beim Umsteigen trocken bleiben. Das wird wohl auch gelingen; doch hätte die Konstruktion nicht etwas filigraner ausfallen können? Das wuchtige Dach sieht aus wie eine plattgedrückte Betonbratwurst auf Stelzen. Darunter ist es düster, weil Beton bekanntlich kein Licht durchläßt. Deshalb gibt es ein Lichtkonzept, das im Wesentlichen aus Strahlern besteht, die von unten das Betondach erhellen. Nachts braucht man die natürlich, aber nicht bei Sonnenschein. Es bricht sich der Gedanke Bahn, daß flächendeckend eingesetztes Glas auch ein schöner Baustoff gewesen wäre.

In Hamm gefiel den Architekten der Neubau einer Sparkassenfiliale, über dessen bauliche Qualität wenig zu sagen ist; einfach gegliederter Baukörper aus Beton und dezent sandsteinfarbenem Klinker mit modischer Entrée-Situation. Eine so uneitle Zweckarchitektur ist oft das Schlechteste nicht!

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Sparkassenneubau in Hamm (Foto: BDA)

Neben den mit einer „Anerkennung“ geehrten Objekten gibt es auf der Vorschlagsliste noch etliche weitere. Viele Neubauten der letzten Jahre, Bürohäuser zumal, tauchen hier auf, daneben aber auch gravierende Umbauten innerhalb bestehender Objekte, wie beispielsweise im Dortmunder Johanneshospital.

Auffällig schließlich ist, daß der jüngst umgebaute und erweiterte Baukörper der Städtischen Musikschule in Hamm es nicht von der Vorschlagsliste in die Liga der Anerkannten schaffte. Ein bißchen Ähnlichkeit hat er mit dem Fußballmuseum, das vor dem Dortmunder Hauptbahnhof im Werden ist. Aber das ist wohl Zufall und hat nichts zu bedeuten.

Eine Ausstellung im Gebäude des ehemaligen Dortmunder Ostwall-Museums, Ostwall 7, präsentiert auf Schautafeln ausführlich die ausgezeichneten und vorgeschlagenen Bauobjekte. Bis 30.11. Geöffnet Freitag, Samstag, Sonntag 15 – 19 Uhr.