Tisa von der Schulenburg: Skizzen zum Leben der Bergarbeiter

Von Bernd Berke

Essen. „Heute läßt man mich nicht mehr runter“, bedauert Tisa von der Schulenburg (80), daß sie nicht mehr in Bergwerke einfahren darf. Und man glaubt ihr, daß ihr die damit verbundenen Strapazen wenig ausmachen würden. Im Essener Ruhrlandmuseum, bei der Vorstellung ihres neuen Buchs „Meine dunklen Brüder“ (Herder-Verlag, Freiburg, 80 Seiten, 6,90 DM), wirkt sie beileibe nicht wie eine 80-Jährige.

Unerläßlich sind einige Stichworte zu ihrer Biographie: 1903 als Offizierstochter Elisabeth („Tisa“) Gräfin von der Schulenburg geboren; Kunststudien in Berlin und Paris, Begegnungen mit Bert Brecht, Heinrich Mann, dem Bildhauer Henry Moore und anderen bedeutenden Künstlern. 1933 folgt sie ihrem jüdischen Mann ins britische Exil, wo sie erstmals Szenen aus dem Bergarbeiterleben zeichnet. 1938 kehrt sie nach Deutschland zurück, arbeitet aktiv im Widerstand gegen die Nazis mit; 1947 wird sie Zeitungskorrespondentin im Ruhrgebiet, seit 1950 lebt sie als „Schwester Paula“ im Ursulinenkloster in Dorsten.

Ihr neues Buch enthält Berichte und Zeichnungen aus dem Umkreis des Bergarbeiteriebens in Großbritannien (30er Jahre) und im Ruhrgebiet (1947-1960). 40 Originale dieser Zeichnungen sind – leider nur bis zum Freitag – im Ruhrlandmuseum zu sehen: einfache, aber höchst ausdrucksvolle Skizzen in der Tradition von Käthe Kollwitz. Detailtreu, aber nicht detailversessen. Von der schweren Arbeit gebeugte Gestalten, illusionslos und doch mitfühlend festgehalten. Adolf Schmidt, Vorsitzender der IG Bergbau und Energie (IGBE), schrieb das Buchvorwort. Kernsatz: „Ich schätze an ihr besonders, daß sie den Schritt aus dem elfenbeinernen Turm der Kunst herausgewagt hat und sich mit dem arbeitenden Menschen befaßt.“

Für den Herbst kündigt ihr Verlag bereits das nächste Buch Tisa von der Schulenburgs an: In „Umkehr in die Freiheit“ wird sie ihre Erfahrungen mit dem Ordensleben darstellen.




Immer Kohlestaub auf dem Zeichenpapier – Künstler Alfred Schmidt arbeitete vier Monate lang unter Tage an einem Großbild

Von Bernd Berke

Gelsenkirchen. „Nimm lieber ’ne Schippe und verdien dir dein Geld richtig!“ Solche Schmähungen mußte Alfred Schmidt (53) über sich ergehen lassen, als er die ersten Male auf Zeche „Hugo“ in Gelsenkirchen-Buer einfuhr. Seit über 100 Jahren wird auf „Hugo“ Kohle abgebaut, doch ein Maler war noch nie vor Ort.

Alfred Schmidt ließ sich nicht verdrießen: Vier Monate lang war er jeweils mit der Mittagsschiebt unter Tage – Staffelei, Zeichenpapier, Rohrfeder und Tusche immer dabei. Schmidts Dauerstandort: Schacht V, Sohle 7, in 940 Meter Tiefe. Dort kommen praktisch alle 3500 Kumpel vorbei, die bei „Hugo“ unter Tage arbeiten.

Nach und nach gewöhnte man sich an den Künstler, der mit Helm, Stahlkappenschuhen, Schienbeinschutz und Geleucht einfahren mußte und die Schutzhandschuhe beim Zeichnen ablegte. Das Ergebnis der Ze(i)chenarbeit liegt jetzt, nach dem Riesenverbrauch eines Viertelliters Tusche, vor: Ein 2,40 Meter breites und 1,06 Meter hohes Bild auf Büttenpapier, bei dem kleinste Einzelheiten stimmen. Alfred Schmidt: „Da gehe ich jede Wette ein“. Seine Überzeugung: „Den Bergbau kann man nur dann richtig abbilden, wenn man mit unter Tage ist, wenn immer eine Schicht Kohlestaub auf dem Papier liegt. Da unten haben mir die Kumpel ständig mit Anregungen und Kritik geholfen.“

Das Bild kommt in die neue Filiale der Gelsenkirchener Stadtsparkasse, die im Schatten der Zeche „Hugo“ entstand und nach dem Bergwerk benannt wird. Wunschkundschaft: die Bergarbeiter. Vermutet Hermann Mähr (55), „Hugo“-Betriebsdirektor für Personal- und Sozialfragen: „Mancher wird Frau und KInder mit in die Filiale mitnehmen, auf das Bild zeigen und sagen: Da arbeite ich!“

Eine fast formatgetreue Kopie des Großbilds hing gestern im Zecheneigangsbereich nahe der Horster Straße. Immer wieder blieben Kumpel davor stehen, kommentierten fachmännisch, bewunderten die Detailtreue. Am kommenden Samstag will Schmidt (der vor der Düsseldorfer „Schickeria“ floh und in eine Marler Zechensiedlung umzog) die Kopie beim „GE-Spektakel“ vor dem Musiktheater im Revier zeigen.

Der Künstler, der seit 1975 ausschließlich Szenen aus dem Bergarbeiterleben darstellt und 1981 mit einem Bilder-Wagen 750 Kilometer weit quer durch die Zechensiedlungen des Reviers zog, „um dem einfachen Mann die Kunst nahezubringen“, steckt voller Pläne. „Möglichst bald“ will er in Bergkamen (Haus Aden / Grimberg III-IV) ein noch größeres Untertage-Werk beginnen. Schmidt: „Es gibt dort ein Füllort mit gewaltigen Ausmaßen.“ Schmidt will dort – er plant eine Masssenszene in Lebensgröße – vor allem Gesichter festhalten, die Gedanken und Gefühle des Bergmanns widerspiegeln.