„Biennale an der Ruhr“: Jenseits der Klischees

Von Bernd Berke

Eine öde Mauer mit zerschlagener Scheibe – dieses Foto „ziert“ den Katalog der dritten „Biennale an der Ruhr“. Es ist exakt dasselbe Bild wie auf dem Begleitband zur ersten Revier-BiennaIe (1984). Dauerhaft nachwirkende Resignation? Im Gegenteil: ironische Anspielung auf gängige Revier-Klischees. Vom rußigen Revier-Image wollte sich die Experten-Jury mit ihrer Auswahl bewußt weit entfernen.

Die nur 18 Künstler, die nun einige Aspekte der regionalen Szene in der Städtischen Galerie Oberhausen repräsentieren (bis 27. 11.), haben allesamt mit Bergbau oder Stahlkochen kaum etwas im Sinn. Wenn überhaupt Anklänge an diese Industrien auftauchen, dann in verrätselten Material-„Bruchstücken“.

Es gab diesmal keine Ausschreibung, sondern die Jury wählte nach eigenem Gusto und Konzept, das da etwas vage auf „Realismen im Revier“ hinauslief. Das wiederum bedeutet, wie Oberhausens Stadtgalerieleiter Bernhard Mensch klarstellt, keinesfalls Gegenständlichkeit, sondern reflektierte Haltungen zur Wirklichkeit – und die schließen verstörende Imagination keineswegs aus.

In der Ausstellung dominieren Objekte und Installationen, Malerei und Graphik spielen eine Nebenrolle. Um den hohen Standard nicht zu gefährden, hat man das Revier weitherzig definiert. Mehrere Künstler wohnen in Berlin und nur gelegentlich im Revier (Marktzwänge treiben sie in etablierte Kunstmetropolen). Auch ein gebürtiger Togolese, der in Duisburg heimisch gewordene El Loko, ist vertreten: Sein schwarz-rot-goldener Stuhl wird mit Kreuz und Kugelkette zum Sinnbild der Einengung. Deutschland – eine schwierige Heimat.

EI Loko und Peter Freese mit seinen Schablonenmenschen bedienen sich der zugänglichsten „Sprachen“. Ansonsten geht es hermetischer zu, der Betrachter wird mehr gefordert. Beispiele: Holger Leistner (Essen) versucht, mit einem strengen Piktogramm- und Schrift-Code den unfaßbaren Mord an sechs Millionen Juden zu thematisieren. Jochen Fischer (Duisburg) stellt die massiven Stücke seiner „Raumbesetzung“ – gleichsam wie eine Verteidigungslinie der Kunst – gegen den Besucher; Monika Günther (Essen) entwirft Bilder einer verschwindenden Wirklichkeit, die zugleich die Anstrengung spürbar werden lassen, Realität durch immense Schärfung der Wahrnehmung zu retten.

Von Veronika Pögel (Dortmund) sind u.a. Objekte in der spannungsreichen Materialkombination Weißblech – Haselnußgerten zu sehen. Eine der rätselhaftesten und zugleich interessantesten Arbeiten ist Hermann EsRichters „Melancholia“. Dabei besteht diese Installation aus relativ „handfesten“ Dingen: Neonröhre, Landvermesser-Stab, Kohleblock, Flügel eines Vogels. In der Zusammenstellung des Künstlers entfalten diese Dinge jedoch eine ganz eigene Magie.