Kosmos Nordsee – Bilder des Norderneyer Malers Poppe Folkerts in Haus Opherdicke

Die Segel leuchtend oder strahlend weiß, manchmal mit einem zarten Stich ins Rosa; der Himmel so blau wie gerade aus der Tube gequetscht, ebenso die glatte See: von der Farbigkeit her müßte das das Mittelmeer sein, mindestens. Oder die Karibik. Doch da hat Poppe Folkerts nicht oft gemalt. Das so hemmungslos leuchtende Bild entstand 1934 auf Norderney und zeigt den Hafen der Insel, genauer: seine Segelyacht „Senta“ bei der Einfahrt in denselben. Offensichtlich liebte der Maler, dem Haus Opherdicke jetzt eine Ausstellung widmet, die schönen Sommertage ganz besonders.

Folkerts_Abb_2_rgb

Morgenstimmung, 1938, Öl auf Leinwand. Bild: Poppe-Folkerts-Stiftung/Kreis Unna

Immer wieder setzt Poppe Folkerts dem bleiernen Modersohn-Grau des tiefen norddeutschen Himmels ein mehr oder minder leichtes, stets aber intensives Blau in zahlreichen Helligkeiten und Durchmischungen entgegen. Meistens sind Lichter beherrschender als Schatten, und sicherlich offenbart sich in dieser optimistischen Sicht- und Malweise viel von der Lebenshaltung des Künstlers. 1875 auf Norderney geboren, absolvierte er auf dem Festland Schule, Glaserlehre und schließlich eine Ausbildung an der Königlichen Berliner Akademie, um 1900 zur Insel zurückzukehren und bis zu seinem Tod im Jahr 1949 dort zu leben, allen historischen Katastrophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Trotz.

Allerdings lebte er nicht als Einsiedler, sondern unternahm zahlreiche Reisen mit Familie ins In- und Ausland. Doch Lebensmittelpunkt wurde und blieb der „Malerturm“, den sich Folkerts 1917 am Nordwestrand seiner Heimatinsel baute. Meer und Menschen, Boote, Strand und Land waren sein überwiegend heiter wahrgenommener Kosmos. Lediglich die Seenotretter in ihren fragilen Ruderbooten legen sich vor düsterem Himmel in die Riemen, was in gewisser Weise ja auch zwingend ist.

Folkerts_Abb_6_rgb

Frauke, 1926, Öl auf Holz. Bild:-Poppe Folkerts-Stiftung/Kreis Unna

Poppe Folkerts stammt aus jener Zeit, in der der Impressionismus dem peniblen naturalistischen Akademiestil – beispielsweise der Düsseldorfer Schule – den malerischen Alleinvertretungsanspruch streitig machte. Es galt, Stellung zu beziehen, und die oft großformatigen Werke im Opherdicker Wasserschlößchen lassen früh erkennen, wie sich Folkerts in dieser Auseinandersetzung moderat positionierte.

Dinge und Menschen bleiben deutlich identifizierbar. „Modern, aber nicht übertrieben“ hätte man diesen Stil in den restaurativen 50er Jahren vielleicht genannt. Daß Meer und Himmel dabei deutlicher als alles andere impressionistischer Darstellung anheimfallen, liegt nahe. Möglicherweise wirkte auch der Wunsch, ab und zu ein Bild an Norderney-Besucher zu verkaufen, stilbildend. Aus heutiger Sicht ist es müßig, zu fragen, wie „mutig“ der Künstler mit seiner Kunst in seiner Zeit war; denn was trotz einer gewissen Gefälligkeit ganz unbestreitbar bleibt, ist die große Ausdrucksstärke, zumal die der Seestücke und Landschaften.

In der Kaiserzeit meldete sich der Künstler freiwillig – mit 39 Jahren war er 1914 für den Militärdienst wohl schon zu alt – als Kriegsmaler. Ein Raum ist in Opherdicke Gemälden von militärischen Aktionen gewidmet, und es fällt auf, daß sie relativ unpathetisch gerieten. Gewiß gehören diese Bilder nicht zum Stärksten der Schau, doch macht ihre stets um formale Ehrlichkeit bemühte Ernsthaftigkeit verständlich, warum Poppe Folkerts nach dem verlorenen Krieg eben nicht als hurrapatriotischer Schlachtenmaler „verbrannt“ war, sondern weiter arbeiten konnte und geachtet blieb.

Folkerts_Abb_4_rgb

Schillbögeln, 1928, Federzeichnung. Bild: Poppe-Folkerts-Stiftung/Kreis Unna

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, die für Norderney hart waren, da der Tourismus daniederlag, erwarb sich Poppe Folkerts wachsende Verdienste um das Gemeinwohl. Zu den originellsten, wenn auch nicht unbedingt größten Verdiensten gehörte gewiß, wie Hayo Moroni von der Norderneyer Folkerts-Stiftung launig zu berichten weiß, in jener Zeit die Scheine des Notgeldes und das Inselwappen gestaltet zu haben.

Die Nazis mochte er nicht, aber sie ließen ihn in Ruhe. Als er am 31. Dezember 1949 stirbt, ist der Trauerzug lang; und obwohl es eigentlich verboten ist, bekommt er die gewünschte Seebestattung, im schweren Eichensarg im Tiefwasser vor Norderney.

Mehr als 90 Arbeiten von Poppe Folkerts sind ab Sonntag (bis 22. Februar 2015) in Haus Opherdicke zu sehen – neben den Ölgemälden auch sehr bemerkenswerte Kreidezeichnungen und Radierungen. Leihgeber sind vor allem die Poppe-Folkerts-Stiftung auf Norderney, das Ostfriesische Landesmuseum in Emden, einige Privatpersonen und nicht zuletzt die Reederei Norden Frisia, deren Fährschiffe oft zu Motiven wurden.

„Poppe Folkerts – Zwischen Himmel und Meer“. 31. August 2014 bis 22. Februar 2015. Haus Opherdicke, Holzwickede, Dorfstraße 29. Geöffnet Di-So 10:30 bis 17:30 Uhr. Eintritt 4 €. Empfehlenswerter Katalog 24 €

www.kreis-unna.de, www.kulturkreis-unna.de




Geld bewegt den Kunstbetrieb: Mäzene und Besitzer machten 1983 die meisten Schlagzeilen

Auch 1983 hatte der Kunstbetrieb oft mehr mit „Betrieb“ als mit Kunst zu tun. Nicht so sehr um Stilrichtungen und Werke drehte sich das Medienkarussell, als vielmehr um Mäzene und Erlöse.

Einer der Höhepunkte war die Ersteigerung des Evangeliars Heinrichs des Löwen für satte 32,5 Millionen DM am 7. Dezember bei Sotheby’s in London. Ob und wieviel die Welfen dabei mitkassieren, wird diskret verschwiegen. Der Verdacht, daß mit knappen öffentlichen Geldern ein marodes Fürstenhaus saniert wird, drängt sich auf.

Offener liegen die Vorgänge um Watteaus Rokoko-Gemälde „Einschiffung nach Cythera“ zutage. Als Hohenzollern-Prinz Louis Ferdinand für das Liebesinsel-Bild stolze 15 Millionen DM verlangte, widrigenfalls das Bild außerhalb Berlins verkauft werden könne, löste das eine Spendenwelle aus. Just zu Weihnachten waren 5 Mio. DM beisammen, so daß der Bund und Berlin jeweils mit dem gleichen Betrag als Retter beispringen können.

Nicht nur adelige Kunstbesitzer, auch bürgerliche Mäzene machten von sich reden. Der Aachener Schoko-Fabrikant Peter Ludwig veräußerte im März eine Kollektion mittelalterlicher Handschriften ans steinreiche Getty-Museum in Malibu/Kalifornien. Kölner Museumsleute fielen aus allen Wolken, hatten sie doch den Verkaufswert durch wissenschaftliche Bearbeitung gesteigert und fest damit rechnet, die Sammlung in der Domstadt halten zu können.

Günstiger scheint sich unterdessen die Liaison zwischen Lothar Günter Buchheim und Duisburg zu entwickeln. Der Stadtrat beschloß, dem Lehmbruck-Museum einen 11-Millionen-Bau anzugliedern, der für die Buchheimsche Expressionisten-Sammlung bestimmt ist – Pilgerstätte für Kunstliebhaber, aber auch ein zu Lebzeiten errichtetes Monument für den Stifter…

Im Revier war es ein Jahr der neuen Museen

Duisburg kommt 1986 dran, aber schon 1983 war ein denkwürdiges Jahr, was Museen im Revier betrifft: Das Museum Bochum eröffnete im Oktober einen Erweiterungsbau, in Essen wachsen Folkwang- und Ruhrland-Museum Zug um Zug, in Dortmund wurde am 26. November das Museum für Kunst und Kulturgeschichte eingeweiht. In Köln wehte der Richtkranz über dem Neubau des Wallraf-Richartz/Ludwig-Museums, Wuppertal hob ein Technikmuseum aus der Taufe – Keimzelle für ein „Historisches Zentrum“.

1983 war zwar ein Jahr der Museen, weniger ein Jahr der weltbewegenden Ausstellungen. In NRW dürften in Düsseldorf (das im Kunstmarkt-Gerangel Köln unterlag) noch die gewichtigsten präsentiert worden sein: im Januar die Matisse-Retrospektive, im Mai der voluminöse „Hang zum Gesamtkunstwerk“, im Dezember die Picasso-Skulpturen. Doch auch das Westfälische Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster wartete mit bemerkenswerten Ausstellungen auf, u.a. mit der „Tunis-Reise“ von Macke, Klee und Moilliet, die allein über 100000 Besucher anzog. Das Museum Folkwang in Essen setzte mit Erich Heckel und der „Sammlung FER“ erneut Maßstäbe fürs Revier.

Wenn denn überhaupt Trends auszumachen sind, so vielleicht – als Gegenbewegang zur mehr national gewichteten Strömung der „Neuen Wilden“ – eine Rückbesinnung auf die USA als Hauptland neuester Kunst. Die Düsseldorfer Kunsthalle zeigte „New York Now“, das Rheinische Landesmuseum in Bonn „Back to the USA“.

Auf den nationalen bzw. regionalen Aspekt heben zwei Großprojekte ab, die für 1984 angekündigt werden. Unter Regie der Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine wachsen im Sommer 46 Städte zu einer „Kunstlandschaft Bundesrepublik“ zusammen, in der jede Region ihr Eigengewicht behält. Elitärer gibt sich die von einem finanziell wohlbestallten Düsseldorfer Verein geplante „Neue Deutsche Kunst“, mit der man im Herbst ’84 in Düsseldorf ausschließlich deutsche Spitzenleistungen vorführen will.

Auf nationale Elite scheint sich auch Bundesinnenminister Zimmermann zu kaprizieren. Was er beim Film mit neuen Förderungsrichtlinien zu verhunzen droht, hat – stimmen die Befürchtungen von Museumsexperten – Entsprechungen: Bundeskunsthalle raus, Gedenktempel nach Walhalla-Art rein.

Bleibt die Hoffnung, daß Kunst und Künstler sich nicht vereinnahmen lassen und standhaft bleiben – wie der „Zürcher Sprayer“ Harald Nägeli, der weiter mit seiner Auslieferung an die Schweiz rechnen muß und (gottlob) eine Dozentenstelle in Wiesbaden ablehnte.