Als Hörde noch groß und wichtig war

Ein Reprint einer Landkarte aus dem Jahre 1791 kam mir vorgestern in die Hände. Da sieht man, welche Maßstäbe damals der Wiener Kartograph Freiherr von Reilly setzte.

Eine noch ältere Karte der Grafschaft Mark.

Der Ort Hörde ist neben Bochum und Wattenscheid als gleichwertige Stadt dargestellt, daneben gibt es noch den Weiler „Lutken Dortmund“, und Blankenstein an der Ruhr sieht genauso groß aus wie „Herdicke“ und „Westhoven“. Radevormwald hieß noch „Radt vor dem Walde“, das heute recht beschauliche Breckerfeld wird als Zentrum dargestellt, ebenso wie Limburg und „Elverfeld“. Natürlich gab es den Namen Wuppertal noch nicht.

Wien war ja weit weg, und so schlichen sich auch wohl einige Hörfehler ein: Stiepel findet sic h in der Karte als „Stieget“, Albringhausen im heutigen Wetter ist als „Alvinghausen“ aufgeführt, und statt des uralten „Gut Rochholz“ in Gevelsberg an der Ennepe heißt es bei Reilly „Rothholz“.

Straßen oder Chausseen, wie man früher sagte, findet man übrigens nicht eingezeichnet, und – na klar – Autobahnen schon gar nicht. Interessant ist aber der Titel der Karte, denn der sagt etwas über die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Sauerland“ („Süderland“) aus. Er lautet in voller Länge: „Der Grafschaft Mark Sauerland oder der Südliche Theil mit der Grafschaft Limburg und der Abtey Werden“.




Historisches Stichwort: „Landwehr“

Wer das Wort „Landwehr“ hört, denkt an die Vorläufer der Wehrpflicht, an stehende Heere und an Berufssoldaten. Das Wort Landwehr hat aber auch eine andere, sogar noch ältere Bedeutung, und wer in den ländlicheren Teilen des südlichen Ruhrgebiets, im Bergischen oder im Münsterland spazieren geht, der kann sogar auf die Reste dieser Landwehren stoßen.

Reste der Landwehr im Süden von Ennepetal

Der Begriff bezeichnet lang gestreckte Erdwälle, die im Mittelalter angelegt wurden, um das Territorium gegen Eindringlinge zu schützen oder um Räuberbanden die schnelle Flucht vor allem mit Fuhrwerken zu vereiteln. Die Landwehren waren bis zu 18 Meter breit und folgten im Wesentlichen der Landesgrenze, zum Beispiel zwischen dem Herzogtum Berg und der Grafschaft Mark. Diese Grenze besteht heute noch als Grenzlinie zwischen Rheinland und Westfalen, also zwischen den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf auf der einen und Arnsberg auf der anderen Seite.

Zwischen Elberfeld, Barmen und Schwelm, Ennepetal, Radevormwald, Breckerfeld und Halver kann man an vielen Stellen diese Erdwälle noch in der Landschaft sehen. Sie wurden oft schräg zum Hangabfall angelegt, um das Übersteigen zu erschweren. An Wegen wurden sie unterbrochen, dort befand sich dann der Schlagbaum zur Kontrolle und Mautkasse. Viele Ortsteilnamen deuten heute noch auf diese Funktion hin. Aus einer dieser Zollstationen ist das Örtchen Filde entstanden, und dieser Flecken hat daher noch eine Besonderheit: Die Grenze verläuft mitten durch den Ort, so dass er zwei verschiedene Ortseingangsschilder hat. Auf einem steht „Filde. Stadt Breckerfeld. Ennepe-Ruhr-Kreis“ und auf dem anderen „Filde. Stadt Radevormwald. Oberbergischer Kreis“. Entsprechend müssen die einen Bewohner ins rheinische Rathaus von Radevormwald oder in das Gummersbacher Kreishaus, die anderen fahren ins westfälische Rathaus von Breckerfeld oder ins Schwelmer Kreishaus.

Übrigens hat sich die Grenze auch in den Trinkgewohnheiten erhalten: Auf der einen Seite der Landwehr wird in den Kneipen Kölsch oder Alt gezapft, auf der anderen Seite gibt es westfälisches Pils, doch auch diese Grenze wird immer mehr durch bayrischen Weizen-Einfluss aufgeweicht. Das sieht man sogar schon in der Bierstadt Dortmund.




Zechen gab es auch im Sauerland

Wer das Wort Zeche hört, der denkt natürlich sofort an Kohlebergbau und an die Gruben im Ruhrgebiet. Allerdings war der Begriff in der frühen Neuzeit auch für Eisenerzgruben im Sauerland in Gebrauch. Auf diesen überraschenden Befund stieß der Historiker Wilfried G. Vogt bei seinen Forschungen über die Gewerbe-Entwicklung im Tal der Ennepe.

Hammerbuch des "Behlinghammer" im Ennepe-Tal von 1774. Er gehörte der Familie Harkort.

So gab es unterhalb der heutigen Ennepe-Talsperre auf dem Stadtgebiet von Breckerfeld eine Grube für Kupfererz, die in Urkunden als „Friedrichs Zeche“ auftaucht. Die Bezeichnung hat auch Sinn, wenn man an die ursprüngliche Bedeutung denkt: Eine „Zeche“ war der Beitrag, den die an einer Grube beteiligten Genossen zu leisten hatten. Im Falle von Friedrichs Zeche sind die beiden Genossen bekannt: Der Bergmeister Goldenberg, gleichzeitig ab 1773 Breckerfelder Bürgermeister, und der Chirurg und Feld-Doktor Nicolaus Caspar Saalmann, der später auch eine Apotheke betrieb.

Erzbergbau gab es an vielen Stellen im Sauerland. In einer der wichtigsten erhaltenen Quellen für diesen Bereich, dem „Altenvoerder Hütten- und Hammerbuch“, sind für die Jahre 1595 bis 1598 zahlreiche Erzlieferanten und ihre Erlöse aufgeführt. Das wertvolle Dokument befindet sich jedoch nicht am Entstehungsort, sondern es gelangte aus dem Nachlass des Grafen Westerholt-Gysenberg in das Stadtmuseum Hattingen.

Der Brandshauser Hammer im Tal der Ennepe etwa um 1920. (Foto:: Stadtarchiv Ennepetal)

Die Kenntnisse der Sauerländer Bergleute scheinen sogar international begehrt gewesen zu sein: In einer Quelle von 1564 fand Vogt einen Hinweis auf „Harmann and Peter of Breckerfilde“, die als Bergleute in Britannien aktiv waren. Da steckte hierzulande der Kohlebergbau noch in den Kinderschuhen.