Duplikate für den historischen Ostfriedhof – warum muss das denn sein?

Hinweisschild am Dortmunder Ostpark. (Foto: Bernd Berke)

Hinweisschild am Dortmunder Ostpark. (Foto: Bernd Berke)

Der Dortmunder Ostfriedhof (oder auch Ostpark) ist, wie hier schon gelegentlich erwähnt, eine der schönsten Grünanlagen des gesamten Ruhrgebiets – mit etlichen historischen Grabstätten von Bedeutung. Gewiss: Hier liegen keine weltberühmten Geister begraben. Doch selbst bundesweit gehört das Areal auf eine Liste der ansprechendsten Friedhöfe. Viele Dortmunder lieben diese parkähnliche Anlage.

Umso mehr verblüfft jetzt eine Ankündigung, die auf den ersten Blick von Geschichtsvergessenheit zu zeugen scheint. Ein Schild mit diesem Text (siehe auch das Foto oben) ist neuerdings in den Eingangsbereichen des Ostparks zu finden:

„Zurzeit werden auf diesem Friedhof schützenswerte Grabmale demontiert. Die Arbeiten erfolgen im Auftrag der Stadt Dortmund. Von den sichergestellten Objekten werden Nachbildungen erstellt, die im Anschluss wieder montiert werden. Falls Sie Fragen haben, so wenden Sie sich bitte an unsere Mitarbeiter*innen auf dem Friedhof.“

Die Ankündigung kommt aus ziemlich heiterem Himmel. Ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Vorhaben in lokalen Medien dargelegt oder gar zur Diskussion gestellt worden wäre. Dabei ist es doch von öffentlichem Interesse. Tatsächlich wüsste man schon gern, um welche Grabstätten es sich im Einzelnen handelt. Doch nicht etwa um die letzten Ruhestätten der Industriellen-Dynastien Hoesch oder Jucho? Doch nicht etwa ums Grab der Kochbuch-Pionierin Henriette Davidis?

Nach dem Raub wertvoller Bronzen geht Sicherheit vor

Halt! Keine Panik! Es handelt sich überwiegend um vergleichsweise unscheinbare, jedoch wertvolle Objekte – und alles hat seine Richtigkeit. Uli Heynen, Betriebsleiter Technik für die Dortmunder Friedhöfe, erklärt auf Anfrage, die jetzige Maßnahme sei beschlossen worden, nachdem 2018 Grabräuber auf dem Ostfriedhof vier historische Bronzeteile (Grabplatten) gestohlen hatten. Aufmerksame Bürger hätten den Verlust damals bemerkt und Mitarbeiter des Friedhofs informiert. Heynen: „Es sind eigentlich immer Bürger, denen so etwas zuerst auffällt.“

Teilansicht einer historischen Grabstätte auf dem Dortmunder Ostfriedhof, die n i c h t durch eine Replik ersetzt wird. (Foto: Bernd Berke)

Impression vom Dortmunder Ostfriedhof: Teilansicht einer historischen Grabstätte, die n i c h t durch eine Replik ersetzt wird. (Foto: Bernd Berke)

Da fragte sich, wie man fortan weitere Bestände (darunter auch Skulpturen) schützen sollte. Nach vielen Überlegungen stand schließlich fest: indem man sie auf dem Friedhof durch Repliken ersetzt und die Originale anderswo unter Dach und Fach verwahrt. Sehr betrüblich, dass so etwas überhaupt nötig ist. Aber Sicherheit hat eben Vorrang.

Um Weihnachten 2019 herum ging dann alles ganz schnell. Die Demontage einiger Bronze-Teile ist bereits erfolgt, nun geht es – unter fachkundiger Begleitung von Dr. Rosemarie Pahlke (Beauftragte der Stadt für Kunst im öffentlichen Raum) – an die Herstellung der Repliken. Ganz billig ist das nicht, doch das muss es dem Gemeinwesen wert sein.

Arbeiten von Benno Elkan und Bernhard Hoetger

Wenn auch die Duplikate mit größter Sorgfalt erzeugt werden, so dürften zumindest Fachleute bemerken, dass es sich nicht mehr um die Originale handelt. Uli Heynen: „Die Stücke werden ja nicht mehr aus Bronze bestehen.“ Hoffentlich nehmen das auch etwaige Grabräuber zur Kenntnis.

Im Mittelpunkt der Rettungsmaßnahmen stehen acht Arbeiten des Bildhauers Benno Elkan und eine Schöpfung von Bernhard Hoetger. Nach Fertigstellung der Repliken für den Ostpark sollen die Originale an einem öffentlichen Ort in der Stadt ausgestellt werden. Denkbar wäre eine Präsentation in Museum für Kunst und Kulturgeschichte an der Hansastraße. Doch darüber ist noch keine Entscheidung gefallen.




Schweres Material beginnt zu schweben – Skulpturen und Zeichnungen von Emil Cimiotti in Recklinghausen

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Ein Künstler kehrt an den Ort seiner ersten großen Erfolge zurück: Emil Cimiotti (65) hatte 1957 und 1959 in Recklinghausen den renommierten „Kunstpreis Junger Westen“ erhalten. Er staunt noch heute über die Folgen: „Seitdem konnte ich von meiner Kunst leben.“

Heute erzielen selbst mittlere Skulpturen des gebürtigen Göttingers Preise um 100 000 DM. In der Kunsthalle Recklinghausen, die ihm nun auf allen drei Etagen eine Retrospektive der Skulpturen und Zeichnungen ausrichtet, kann man seine künstlerische Entwicklung seit Mitte der 50er Jahre verfolgen.

Bei der Wahl des Materials zeigt Cimiotti Beharrungskraft: Von Anfang an hat er praktisch ausschließlich Bronze geformt. Hilfsweise hat man ihn dem „Informel“ zugeordnet. Doch bei Skulpturen ist das – anders als auf dem Felde der Malerei – mit der „Formlosigkeit“(Informel) so eine Sache: Die faßbare Präsenz des Materials und seine sinnliche Gestaltung widersprechen eigentlich dem Willen, Form aufzulösen.

Gerade dieser Widerspruch birgt jedoch die Spannung der Cimiotti-Werke. Mit ihren bizarren Zerklüftungen, die das Innerste des Materials nach außen zu kehren scheinen, sind sie im Ungewissen schwebende Abbilder der Seelenlandschaft und zugleich handfeste Dinge, sie sind gleichermaßen konkret wie abstrakt. Werktitel und Formensprache legen oft auch Erinnerungen an Naturformen nahe. Auch in diesem Sinne sind die Arbeiten nicht vollends losgelöst von aller Wirklichkeit. Die Schwebezustände, die Cimiotti mït dem doch recht kompakten und schweren Material zu erzeugen vermag, haben übrigens auch mit seiner speziellen Gußtechnik zu tun, die nur eine Materialdicke von etwa einem Zentimeter erlaubt. Daher also die Feingliedrigkeit und filigrane Wirkung vieler Stücke.

In den 70er Jahren schuf Cimiotti sitzende und hockende Großfiguren, durch deren „Körper“ die Skelettstruktur scheint – Sinnbilder für die Vergänglichkeit des Menschen. Häufig verwendete Fruchtformen scheinen aber in jener Zeit ein lebenspralles Gegengewicht zu bilden.

Zuletzt hat Cimiotti eine ganz andere, mehr ins Malerische ausgreifende Richtung eingeschlagen. Hell und licht bemalte Bronze-Arbeiten wie „Gipfel“, „Landschaft/ Schnee“ oder „Flacher Berg“ scheinen von jüngerer Kunst inspiriert zu sein. Angesichts dieser vitalen Arbeiten und spontaner Skizzen glaubt man kaum, daß man es mit einem seit Jahrzehnten eingeführten Künstler zu tun hat. Es ist, als habe Cimiottis Zukunft gerade erst begönnen.

Emil Cimiotti. Retrospektlve. Kunsthalle Recklinghausen (direkt am Hauptbahnhof). Bis 20. April.