Nächster Schwund im Dortmunder Buchhandel: Mayersche soll offenbar auf ein Drittel der bisherigen Größe schrumpfen

Schon Vergangenheit: Die Mayersche BUchhandlung (rechts), noch in einem Bau mit dem Modehändler Esprit – und links gegenüber das Schuhhaus Roland, wo die Mayersche bald einziehen will. (Foto/Aufnahme aus dem NOvember 2016): Bernd Berke)

Dortmunds Westenhellweg: Die Mayersche Buchhandlung (rechts), damals noch in einem Gebäudekomplex mit dem Modehändler Esprit – und links gegenüber das Schuhhaus Roland, wo die Mayersche wohl gegen Ende 2020 einziehen wird. (Foto, November 2016: Bernd Berke)

Nein, ich mag mir das gar nicht vorstellen: Es käme Besuch von außerhalb, noch dazu (was wahrscheinlich wäre) aus einem lesefreudigen Milieu – und dieser Besuch erkundigte sich angelegentlich nach den besten Buchhandlungen in der Dortmunder Innenstadt. Es wäre peinlich…

Früher einmal wäre das kein großes Problem gewesen. Da gab es noch die vermeintlich machtvolle, am Ort unangefochtene Buchhandlung Krüger, in der es zu bestimmten Zeiten richtig „brummte“ und wo man auch ordentlich beraten wurde. Auch gab es zuvor noch die achtbare Buchhandlung Borgmann, zudem konnte man Niehörster, Schwalvenberg und ein paar andere aufsuchen. Jaja, ich weiß, früher hatten wir auch viel mehr Kinos in der Stadt. Umso schlimmer. Und traurig ist es allemal, wenn wieder etwas schwindet.

Nun sind da – im Innenstadtbereich – nur noch die Mayersche Buchhandlung und Thalia, die Filialen zweier Ketten, welche mittlerweile auch noch miteinander fusioniert haben. Beide häufen turmhoch die üblichen Bestseller und jede Menge Angebotsware auf, außerdem etlichen Spielkram und Merchandising-Plunder, der mit Büchern und Lesekultur allenfalls noch entfernt zu tun hat – wenn überhaupt. Thalia hat sich vor einiger Zeit in der überdimensionierten Mall „Thier-Galerie“ eingerichtet. Wahrlich kein anheimelnder Platz für passionierte Leser(innen).

Wenige Oasen für Lesende in Vororten

Bald erfolgt wohl der nächste Schritt abwärts. Wie die Ruhrnachrichten (RN) heute im Dortmunder Lokalteil vermelden, wird gegen Ende des Jahres das Schuhhaus Roland schließen. Die bisher direkt gegenüber befindliche Mayersche soll dann offenbar ins ehemalige Schuhgeschäft einziehen und damit eine Immobilie verlassen, aus der zuvor schon der Modehändler Esprit ausgezogen ist. Somit täte sich an dieser Stelle ein größerer Leerstand auf.

Eine höchst betrübliche Nachricht verstecken die RN allerdings schamhaft weit hinten im Artikel, sie steht auch nicht in der Überschrift: Die Mayersche Buchhandlung würde damit von 4500 Quadratmetern auf rund 1500 Quadratmeter schrumpfen – auf ein Drittel der bisherigen Größe also! Es wäre ungeheuerlich. Eine Stadt mit rund 600.000 Einwohnern hätte sicherlich Besseres verdient. Das Schuhhaus gibt übrigens auf, weil die Konkurrenz im Internet übermächtig geworden sei. Ähnliche Gründe ließen sich wahrscheinlich auch für den Buchhandel anführen. Und es ist nicht zu erwarten, dass etwa Amazon in die erwähnte Leerstands-Immobilie Einzug hält…

Im einen oder anderen Vorort halten noch ein paar wenige Buchläden tapfer gegen den misslichen Trend, doch das sind liebenswerte Nischen, mehr wohl nicht. Mögen wenigstens sie eine Heimstatt für Lesende bleiben.




Thalia und die Mayersche wollen fusionieren – und stilisieren sich selbst als Bewahrer der Lesekultur

Es ist ein ziemlich gewichtiger Vorgang: Die größte deutsche Buchhandelskette Thalia (Hagen) und die Mayersche (Aachen), immerhin viertgrößter Anbieter auf dem deutschen Markt, wollen fusionieren.

Das Kartellamt muss noch zustimmen. Es sollte sich den Umfang und die Bedingungen des Zusammenschusses sehr genau ansehen. Denn hier entsteht doch wohl ein marktbeherrschendes Unternehmen; wenigstens, was den stationären Buchhandel angeht.

Speziell Thalia war zeitweise dafür bekannt und berüchtigt, mit kleineren Buchhandlungen sowie kleinen und mittleren Buchverlagen nicht gerade zimperlich umzuspringen und gelegentlich mit seiner (nun offenbar schwindenden) Marktmacht Druck auszuüben.

Inzwischen aber haben sich die Zeiten insofern geändert, als das einst so dominant auftretende Haus Thalia und die Mayersche sich ihrerseits vom Giganten Amazon bedroht sehen. Ihre geplante Fusion sei „ein Zeichen des Aufbruchs gegen die Marktmacht globaler Onlinehändler und für die innerstädtische Lesekultur“. Du meine Güte! Hätten wir doch nur früher bemerkt, dass die Globalisierungskritiker von Thalia den tapferen Kampf fürs Gute, Wahre und Schöne führen.

Das sattsam bekannte Amazon-Argument führen die beiden Ketten ebenso ins Feld wie den Umstand, dass es laut Statistik immer weniger Buchleser gibt. Vielleicht haben die zwei Unternehmen den Online-Buchhandel auch etwas verschlafen. Und wenn sie sagen, durch ihre Fusion entstehe „der bedeutendste familiengeführte Sortimentsbuchhändler in Europa“, so müssen uns angesichts der „Familie“ nicht Tränen der Rührung kommen.

Man schaue sich das Sortiment insbesondere von Thalia an, es ist einfach äußerst Bestseller-lastig und damit recht schmal, was die Anzahl der Titel angeht. Auch sind Bücher oft nur noch Nebensache. Längst hat man (auch bei der Mayerschen) den Eindruck, dass zahlreiche Chichis und Gimmicks einen gehörigen Anteil am Umsatz haben. Es ist schon recht seltsam, wenn solche Firmen sich nun als schützenswertes Kulturgut darstellen.




Fast alltäglich – eine Stadt ohne Buchhandlung

Ennepetal ist eine Stadt mit gut 30.000 Einwohnern am Südrand des Ruhrgebietes, eine mittlere Kleinstadt, viel mittelständische Industrie, ein großes Gymnasium mit 1.400 Schülern, ein privates Theater, drei Talsperren, und als Attraktion die heilklimatische Kluterthöhle. Bis Ende März dieses Jahres hatte Ennepetal auch eine richtige Buchhandlung, gut sortiert und angesehen, doch das ist Vergangenheit.

Das ist Vergangenheit: Die Buchhandlung in Ennepetal. (Foto: Pöpsel)

Das ist Vergangenheit: Die Buchhandlung in Ennepetal. (Foto: Hans H. Pöpsel)

Die Buchhandlung hat am 31. März für immer geschlossen, in ihren Räumen befindet sich seit Anfang Mai der Kinderkleider-Laden des örtlichen Kinderschutzbundes – ein ehrenhaftes und ehrenamtliches Geschäft, aber eben keine Buchhandlung. Deren Inhaberin hatte sich monatelang bemüht, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden, sie wollte sogar die Einrichtung (fast) verschenken, doch wer in die Bilanz der letzten Jahre geschaut habe, der habe sich schnell abgewandt. Eigentlich eine inzwischen fast alltägliche Entwicklung in deutschen Städten.

Nun muss ich gestehen, dass ich Kunde bei Frau Bäcker war, aber dass ich manchmal – zwar nicht bei amazon – aber bei Weltbild bestellt habe. Das passt in das Bild vom allgemeinen Wehklagen: Jeder trauert dem verschwundenen stationären Buchhandel nach, aber als Kunde ist man nicht konsequent treu geblieben.

Nicht nur lokale Buchhandlungen gehen diesen Weg. Die Geschäfte in den Innenbereichen der Klein- und Mittelstädte bluten langfristig aus, und das haben letztlich stets die Kunden so entschieden. Sie bestellen immer öfter bei Zalando oder amazon, und wenn sie doch einmal „in die Stadt“ gehen, dann um Leute zu treffen, einen Kaffee zu trinken, etwas zu erleben. Diesem Bedürfnis entsprechen nicht alle Städte, und wenn sie es hinbekommen, wie zum Beispiel die Städte Hattingen oder Gevelsberg, dann ist dort auch deutlich mehr Leben zu spüren.

Die Ennepetaler haben zum Glück die beiden etwa gleich großen Nachbarstädte Schwelm und Gevelsberg ganz in ihrer Nähe, und da gibt es immerhin noch fünf Buchhandlungen. Noch.




Lesen vor Ort in Dortmund-Hörde – Zum Welttag des Buches: Wo kleine Läden die Stellung gegen Handelsketten halten

Von Bernd Berke

Welttag des Buches – ein Tag für die Leser. Aber auch ein Tag für den Buchhandel. Auf dem Markt geht es ruppig zu: Handelsketten machen kleinen, familiengeführten Buchläden immer öfter das Leben schwer.

Viele Geschäfte sind verschwunden, andere halten die Stellung. Ein Beispiel: die alteingesessene Buchhandlung Neumann im Dortmunder Ortsteil Hörde. Die WR sprach mit den Inhabern, Heinz-Jürgen Loheide und Tochter Claudia Krommes.

Ist Dortmund-Hörde ein guter Platz, um Bücher zu verkaufen?

Heinz-Jürgen Loheide: Wir sind mit unserem Standort zufrieden. Und wir freuen uns schon auf den Phoenix-See, der ganz in der Nähe entsteht. Der Stadtteil wird dadurch bestimmt attraktiver. Dann wird sich wohl auch der Mix des Publikums zum Vorteil verändern.

Wie sieht die Entwicklung in der Großstadt Dortmund insgesamt aus?

Loheide: Ähnlich wie im ganzen Land. Es herrscht ein Verdrängungswettbewerb, der inzwischen auch kleinere Städte erfasst. Die gesamte Dortmunder Innenstadt wird mehr oder weniger durch eine einzige Buchhandlung (Mayersche mit zwei Häusern, d. Red.) abgedeckt. Reine Freude kommt dabei nicht auf. Im Sog eines Großen muss man sich anders orientieren und sich spezialisieren. Wir verkaufen vor allem Schulbücher – auch in andere Städte. Es gibt inzwischen EU-weite Ausschreibungen für Schulbücher, deshalb können und müssen wir uns auch in weiter entfernten Regionen bewerben.

Was bedeutet der „Welttag des Buches“ für Sie?

Loheide: Im Prinzip ist es immer gut, für das Buch zu werben. Aber man muss eine Menge tun, um Resonanz zu erzielen – nicht nur am „Welttag“. Wir beraten beispielsweise Schulen beim Aufbau ihrer Büchereien…

Claudia Krommes: Gelegentlich veranstalten wir auch kleine Lesungen – oder Aktionen für Kinder. Aber: Ob der „Welttag“ wirklich hilft, wage ich fast zu bezweifeln. Es gab ja kürzlich diese Meldung, dass zwei von drei Kindern zu Hause nichts vorgelesen bekommen. Ich fürchtet dass diese Einschätzung stimmt. Da sind die Eltern viel, viel mehr gefragt. Übrigens: Kinder hören gern dieselbe Geschichte mehrmals. Da muss man nicht immer gleich ein neues Buch kaufen.

Sind Bücher denn zu teuer?

Krommes: Manche glauben das, es ist aber wohl nicht richtig. Taschenbücher liegen nach wie vor meist unter der 10-Euro-Grenze, Hardcover unter der 20 Euro-Grenze. Hörbücher werden tendenziell billiger. Und es gab zuletzt viele günstige Sonderreihen, so dass die Preise sogar im Schnitt leicht gesunken sind. Was immer noch nicht allen bewusst ist: Wegen der Buchpreisbindung sind die großen Anbieter nicht günstiger als die kleinen. Gäbe es die Preisbindung nicht, so würden nur die Großen profitieren, die beim Einkauf höhere Mengenrabatte erzielen.

Wie wichtig ist die Bestsellerliste?

Krommes: Sehr viele Leute halten sich daran. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob die gekauften Bestseller immer gelesen werden. Manches dürfte nur fürs Regal sein. Aber ich will micli nicht beschweren. Auch davon leben wir ja. Entscheidend sind immer die Wünsche der Kunden.

Sellerlisten sind aber nicht der einzige Orientierungspunkt. oder?

Loheide: Nicht, weil S i e mich das fragen, sondern weil’s wahr ist: Wenn bestimmte Bücher in den regionalen Tageszeitungen erwähnt werden, merken wir das gleich am gestiegenen Interesse. Das ist für uns wichtiger als der Auftritt eines Autors in einer Fernseh-Talkshow.

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HINTERGRUND

Katalanischer Brauch als Ursprung

  • Der Welttag des Buches geht auf eine Initiative der weltweiten Kulturorganisation Unesco zurück.
  • Ursprung ist ein alter kaltalanischer Brauch: Am 23. April, zum Namenstag des Volksheiligen St. Georg, schenkt man sich dort seit jeher Rosen und Bücher.
  • Weitere Bedeutung des 23. April: Es ist der Todestag der berühmten Autoren Miguel de Cervantes und William Shakespeare.
  • Seit 1996 wird der Welttag des Buches auch in Deutschland gefeiert – mit zahlreichen Aktionen in Buchhandlungen, Verlagen, Schulen, Bibliotheken.
  • Nähere Informationen, auch zu einzelnen Veranstaltungen in der Region: www.welttagdesbuches.de

 




Das Buch als Ware – und als Kulturgut / Von Hagen aus steuert Michael Busch die Handelskette Thalia

Von Bernd Berke

Hagen. Hätten Sie’s gewusst: dass der vielleicht einflussreichste Buchmanager Deutschlands in Hagen arbeitet? Er heißt Michael Busch, ist 42 Jahre alt und leitet die Geschicke der Buchhandelskette Thalia. Die WR hat den „Herrn der Bücher“ in der Hagener Firmenzentrale besucht.

Die Gebäude im Gewerbegebiet Bathey wirken gediegen, doch schmucklos und gar nicht auftrumpfend. Von hier aus werden halt nüchterne Geschäfte gelenkt. Und wie! In Teilen der Branche hat der rasante Aufstieg von Thalia Befürchtungen geweckt. Thalia-Chef Busch äußert gewisses Verständnis: „Größe und Wachstum machen Menschen teilweise Angst. Wir können das nachvollziehen.“

Neuerdings ist Thalia freilich nicht mehr Marktführer, sondern die (gewichtige) Nummer zwei. Durch den Zusammenschluss von Hugendubel und Weltbild zur DBH ist ein noch etwas größerer Handelsriese entstanden. Busch: „Diese Fusion hat uns nicht überrascht, wir haben früher damit gerechnet.“ Die Konkurrenz belebe jedenfalls seinen sportlichen Ehrgeiz.

Einstieg in Dortmund „gut vorstellbar“

Allerdings, so Busch: „Marktführerschaft an sich hat ja erst einmal nur eingeschränkten Wert. Wichtiger ist die Qualität.“ Die Strategie seines Hauses bleibe wie bisher: „Einerseits die Eröffnung neuer Läden, andererseits die Integration und der Erwerb bestehender Buchhandlungen.“ Oft könne nur auf diese Weise das Weiterbestehen einer Buchhandlung gesichert werden. Busch versichert: „Thalia hat hier individuelle Lösungen umgesetzt.“ Wird Thalia eines Tages auch in Dortmund antreten, etwa im umgebauten Bahnhof? „Gut vorstellbar“, meint Michael Busch. Dortmund habe die nötige Größe und Kaufkraft.

Insgesamt wolle man das nationale Netz verdichten, doch nicht um jeden Preis: „Wir möchten vor allem rentable Standorte haben.“ Von einem Kampf der Konzerne um die besten Plätze mag Busch nicht reden: „Das wäre schematisch betrachtet. Alle Unternehmen wollen sich vernünftig und mit Augenmaß weiterentwickeln.“ Künftige Ladenschlusszeiten werde Thalia je nach Situation in den Städten regeln. „Unsere Leute vor Ort wissen am besten, was richtig ist.“

Literarische Vielfalt ade?

Einige Kritiker unken, die großen Buchhandelsketten könnten irgendwann bloße Verkaufsstationen für Bestseller werden – literarische Vielfalt ade? Busch sieht das ganz anders: „Wir glauben, dass wir sehr stark zum Thema kulturelle Vielfalt beitragen. Unsere Buchhandlungen sind in der Regel relativ groß. Sie sind deshalb groß, weil wir diese Fläche brauchen, um das Sortiment angemessen vielfältig darstellen zu können.“

Generell müsse der Buchhandel Innovationen nachholen, die in anderen Wirtschaftszweigen längst vollzogen seien. Das Buch konkurriere mit vielen anderen Warengruppen. Es müsse im Sinne des Erlebniskaufs attraktiv „inszeniert“ werden, u. a. mit Service, Freundlichkeit und Aufenthaltsqualität (Sitzecken, Cafés usw.) in den Buchhandlungen.

Irritationen bei einigen Verlagen

Ungefähr vor Jahresfrist gab es Irritationen bei einigen Verlagen, von denen Thalia Kostenzuschüsse für seine Neueröffnungen, Umbauten und Renovierungen forderte. Der Konflikt ist aus Buschs Sicht weitgehend ausgeräumt. Buchhändler und Veleger hätten ein gemeinsames Ziel: „Die Ware und das Kulturgut Buch zu verbreiten.“ Kulturgut? Richtig. Busch betont: „Ich bin ein uneingeschränkter Verfechter der Buchpreisbindung. Deren innerster Kern ist das Bekenntnis zum Buch als Kulturgut.“ Thalia setze aufs volle Sortiment. Überdies veranstalte man häufig Abende mit Autoren, und man engagiere sich auch in der Leseförderung.

In Hagen und Westfalen sei Thalia fest verwurzelt, dies sei auch ein (offenes) Geheimnis des Erfolgs, findet der Manager: „Wie haben hier eine tolle Mannschaft, die sich über Jahre hinweg entwickelt hat. Das ist ein ganz wichtiger Teil der Unternehmenskultur.‘ Auch auf logistischem Felde: Das Thalia-Zentrallager operiert von Holzwickede aus. Und was liest Busch selbst gerade? „Für die Freiheit sterben“, eine Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs. „Historische Zusammenhänge haben mich schon als Kind fasziniert“, sagt Busch. Geschäftlich allerdings blickt er, bei allem Respekt vor Traditionen, stets nach vorn.

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HINTERGRUND

Die großen Drei der Branche

  • Größte Handelsketten: DBH (Buch Handels GmbH), im August 2006 entstandene Fusion aus den Unternehmen Weltbild und Hugendubel. Jahresumsatz inklusive der Billiganbieter Weltbild plus und Jokers: rund 672 Mio. Euro.
  • Thalia: Jahresumsatz inklusive Österreich/Schweiz etwa 514 Mio. Euro. Jüngste Zukaufe: die kleineren Ketten Gondrom und Grüttefien. Thalia erzielt seine Umsätze nur mit Vollsortiment-Buchhandel.
  • Thalia gehört zur Hagener Douglas Holding mit Douglas (Parfümerien), Christ (Schmuck), Appelrath-Cüpper (Mode) und Hussel (Süßwaren).
  • Mayersche Buchhandlung: Beschränkt sich auf NRW und setzt ca. 115 Mio. Euro um. Durch den Einstieg bei Bücher Krüger eindeutiger „Platzhirsch“ in Dortmund.
  • Das Bundeskartellamt vermutet eine „marktbeherrschende Stellung“ erst ab 33 Prozent Marktanteil. DBH und Thalia liegen derzeit, bundesweit berechnet, bei je knapp über 7 Prozent. Sie könnten also noch kräftig expandieren.

 




Erlebniskauf im Buchladen oder: Gestöbert wird nicht

Von Bernd Berke

Wenn Buchhändler am Markt überleben wollen, dürfen sie längst keine versponnenen Leseratten mehr sein, sondern sie müssen vor allem Verkaufs-Profis sein. Und wie wird man das?

Den Königsweg zum Erfolg weist eine neue Broschüre des NRW-Verbandes der Verlage und Buchhandlungen. Darin werden einschlägige Seminare fürs erste Halbjahr ’94 angepriesen. Wir zitieren gern daraus. Denn da geht’s schon sprachlich so modern und dynamisch zu, daß uns um den Aufschwung dieser Branche nicht mehr bange sein muß.

„Bei der derzeitigen Konjunkturlage und dem damit verbundenen Kaufkraftverlust ist es auch für unsere Branche ein hartes Stück Arbeit, sich am Markt zu behaupten“, mahnt der Verband – und fährt fort: „Kostensenkung (steht) ganz oben auf der Prioritätenliste.“ Ganz wichtig daher: „Für praktische Übungen bitte einen Taschenrechner mitbringen!“

Bei der Beschreibung der Seminare geht’s dann Schlag auf Schlag mit schneidigen Manager-Merkformeln à la „Der Erfolg beginnt im Kopf“ oder „Mehr Umsatz durch gute Dekoration“. Auch etwaige menschliche Probleme bewältigt der top-geschulte Buchhändler im Nu, denn er weiß ja, wie das funktioniert: Der„,energo-kybernetische Engpaß pro Konflikt-Beteiligter“ ist ihm eben geläufig.

Aus Einwänden Argumente machen

Vor allem aber gilt: „Der Markt lebt von der Aktualität.“ Die wiederum lebt nicht zuletzt von Elektronik. Also soll man „die Installation des VLB auf CD-ROM“ ebenso erlernen wie „die Präsentation der neuesten Leistungsmerkmale auf der ersten 94er Scheibe“. Alles zum höheren Wohle der Lesekultur, versteht sich.

Im Geschäft will man uns natürlich nicht einfach etwas andrehen, sondern einen „Erlebniskauf“ ermöglichen. Grundregel: Dabei darf man den Kunden niemals in Ruhe stöbern lassen. Vielmehr muß sofort die „aktive Gesprächseröffnung“ gesucht werden. Bleibt der Kunde störrisch, muß man die richtige Fragetechnik anwenden und ihm – so was gibt’s – „aktiv zuhören“.

Man benutze als Buchhändler ferner geheimnisvolle, vielleicht gar magische „Transferworte, die direkt den Kunden ansprechen“ und nutze auch noch dessen sicherlich hilflose „Einwände als Argumentationshilfe“. Ganz wichtig der Eindruck: „Nicht Sie verkaufen, sondern der Kunde kauft.“ Und überhaupt heißt die Devise: „In positiver Erinnerung bleiben.“ Puh! So positiv wollten wir es gar nicht haben. Wir wollten doch nur mal gucken.

Nach all dem marktwirtschaftlichen Neusprech („Kundenbindung durch Updating oder Upgrading?“) wirkt es wohltuend, wenn einmal glasklar festgestellt wird: „Auch Buchhändler sind Menschen.“ Menschen, die so fit und verkaufstüchtig gemacht werden, müssen dann freilich auch mal wieder aufs Eigentliche zurückkommen: „Wie unterscheidet sich das Video vom Buch?“ lautet eine Seminar-Frage. Ja, worin bestand er denn noch gleich, der kleine Unterschied?