Der Wahlabend im Fernsehen: Diese gut geölte Maschinerie könnte ewig laufen

Ganz ehrlich: Ich mag jetzt erst einmal keine Balken-, Torten- und sonstigen Diagramme mehr sehen. Wer sich gleichfalls ab 17 Uhr den ganzen Abend mit der Wahlberichterstattung im Fernsehen um die Ohren geschlagen hat, der weiß, wovon ich rede.

Es waren schon prägnante Nachrichten, die dabei herauskamen: CDU/CSU bundesweit zumindest in Reichweite der absoluten Mehrheit, die FDP erstmals seit 1949 nicht mehr im Bundestag. Doch ob und wie es zu Koalitionen kommt, ist sowohl im Bund als auch in Hessen (die Landtagswahl ging im Trubel beinahe unter) einstweilen unklar. Wird es Schwarz-Grün, gibt es eine Große Koalition? Wir werden es erleben.

In der Obhut von ARD und ZDF

An solchen Tagen bin und bleibe ich in der Wahl der TV-Programme konservativ und begebe mich – wie seit jeher – vor allem in die Obhut von ARD und ZDF. Von etwaigen Sympathien oder Abneigungen mal ganz abgesehen, haben die einfach die meisten Leute im Einsatz (was freilich nicht unbedingt in Qualität umschlagen muss).

Für die ARD im Einsatz: Ulrich Deppendorf und Caren Miosga (Archivbild: © ARD-Hauptstadtstudio/Axel Berger)

Für die ARD im Einsatz: Ulrich Deppendorf und Caren Miosga (Archivbild: © ARD-Hauptstadtstudio/Axel Berger)

Tatsächlich machten die Teams unter Leitung von Caren Miosga, Ulrich Deppendorf und Zahlenjongleur Jörg Schönenborn (ARD) sowie Bettina Schausten und Theo Koll (ZDF) ihre Sache nach den üblichen Maßstäben recht ordentlich. Größere Pannen waren nicht zu verzeichnen. Ironie hin, Sarkasmus her – da sind schon routinierte Profis am Werk. Im akuten Stress eines solchen Wahlabends muss man erst einmal dermaßen die Übersicht behalten.

Die Grenzen der Vergnügungssucht

Übrigens wirkte auch Peter Kloeppel (RTL) diesmal, anders als kürzlich beim Merkel-Steinbrück-Duell, ziemlich souverän und locker. Freilich schaltete sich sein Sender später ins Geschehen ein und verließ die Wa(h)lstatt auch deutlich früher. Schon bald verlegte man sich zudem aufs leicht schrill angehauchte „Menscheln“. Das Zappen zu Phoenix, N-TV und N24 habe ich mir denn doch erspart. So vergnügungssüchtig war ich nun auch wieder nicht.

Allerdings ist die Routine auch allseits das Problem. Man absolviert die immergleichen Rituale. Ein paar neue Formen täten sicherlich gut. Außerdem zeigten sich auch bei den Öffentlich-Rechtlichen wieder die ebenfalls üblichen, ziemlich grundsätzlichen Schwächen: Immerzu lockt die Versuchung, das politische Geschehen gnadenlos zu personalisieren und auf ziemlich simple Begriffe herunterzudimmen. Bei ARD und ZDF war man sich immerhin bewusst, dass man es mit griffigen Formeln wie „Stinkefinger“, „Raute“, Halskette und „Veggie Day“ zuletzt etwas übertrieben hat. Doch man kann nicht ganz davon lassen.

Als die Hochrechnungen sich erst einmal stabilisiert hatten, schnurrte bei den großen Anstalten die volle Routine der gut geölten Maschinerien ab. Das Ganze geriet in einen Selbst- und phasenweise auch Leerlauf, als hätte es (selbst noch nach „Elefantenrunde“ und Jauch-Talk) schier endlos so weitergehen sollen.

„Erst einmal in Ruhe analysieren“

Auch die Politiker sagen halt das, was sie bei solcher Gelegenheit immer sagen: Erst einmal Dank an alle Helfer und Wähler. Erst einmal das Endergebnis abwarten. Erst einmal mit den Gremien sprechen. Erst einmal in Ruhe analysieren. In den nächsten Tagen werden wir mehr wissen. Gottlob wird die eigentliche Politik nicht im Fernsehen gemacht.

Derweil gieren die Fernseh-Journalisten (nicht minder eitel als manche Politiker) stets nach neuen Personalien und hätten am liebsten schon heute verkündet, dass ab morgen Jürgen Trittin als Vizekanzler antritt oder Christian Lindner neuer FDP-Chef wird. Doch auch diese Herrschaften lassen sich natürlich nicht aus der Reserve locken. Warum auch?

(Der Beitrag ist zuerst bei www.seniorbook.de erschienen).




Peer Steinbrück im ZDF-Porträt: Auf der Suche nach der wahren Empfindung

Kaum zu glauben: Noch stecken wir mitten im Sommerloch, doch in einigen Wochen sind schon Bundestagswahlen. Allmählich aber läuft die Medien-Maschinerie an, die uns vor dem 22. September (bis zum Überdruss?) mit allen Bildern und Daten über die Spitzenkandidaten der großen Parteien füttert.

„Kante Klartext Kandidat“ hieß jetzt – etwas albern alliterierend – das ZDF-Porträt des SPD-Mannes Peer Steinbrück. In dem gestammelten Sprachschema bleibt man auch am nächsten Dienstag, wenn Angela Merkel (CDU) unter dem Etikett „Macht Mensch Merkel“ vorgestellt wird. Proporz muss sein. In jeder Hinsicht.

Peer Steinbrück beim Billardspiel mit seinem Sohn Johannes. (© ZDF/Martin Pfitzer)

Peer Steinbrück beim Billardspiel mit seinem Sohn Johannes. (© ZDF/Martin Pfitzer)

Es begann mit Bildern des Billard spielenden Peer Steinbrück, was sogleich mit politischer Präzision, Karambolagen und kühler Strategie kurzgeschlossen wurde. Geschenkt. Irgendwie muss man ja halbwegs sinnfällig in solch einen Beitrag einsteigen.

Nashorn-Figuren und Borussia Dortmund

Auch wissen jetzt alle Zuschauer, wie sein Sohn Johannes und sein Bruder Birger aussehen, dass er Nashorn-Figuren sammelt (was sich küchenpsychologisch deuten ließe) und dass er nicht nur Fan von Borussia Dortmund ist, sondern auch im Aufsichtsrat des BVB sitzt. Zwischendurch gab es verzichtbare Trickeinspielungen, in denen die Politiker mal wieder aussahen wie etwas lachhafte Pappkameraden. Mit Politik hatte das alles nur sehr vage zu tun.

Der Steinbrück-Film von Claus Richter und Thomas Fuhrmann kam vielfach über die landesüblichen Fragestellungen und Einschätzungen kaum wesentlich hinaus. Zeigt der Kandidat zu wenig Emotionen, ist er ein reiner Kopfmensch? Hat er sich zu weit von der SPD-Basis entfernt? Hat er es sich mit Grünen und Gewerkschaften verscherzt? Ist er gar arrogant und abgehoben (fürstliche Honorare für Vorträge, Meinung über Weinpreise, Geringschätzung des Kanzlergehalts)? Herrje, das klingt nach ziemlich vielen Problemen.

Ein ziemlich konventioneller Film

Man begleitete den scharfzüngigen Hanseaten gleichsam auf Schritt und Tritt durch den Wahlkampf. Weggefährten und Gegner erinnerten sich, kurze Rückblenden skizzierten den Werdegang. Nichts Ungewöhnliches also. Im Gegenteil. Es war insgesamt ein recht konventionelles Porträt.

Immerhin hatte man eine Dreiviertel Stunde Zeit. Und so schälte sich nach und nach doch etwas genauer heraus, welche Wesensart Steinbrück eigen ist. Sein ironischer, manchmal geradezu britischer „Küstenhumor“ ist nicht in der ganzen Republik und in der breiten Mehrheit vermittelbar. Doch wenn er sich zusammenreißt und zügelt, wirkt er, als ziehe er mit „angezogener Handbremse“ in die entscheidenden Wochen. Auch das ist nicht gerade mitreißend. Überhaupt hat er ja noch nie eine Wahl gewonnen.

Desaster der Kandidatenkür

Eigentlich hatte er zunächst bei den deutschen Journalisten und beim Wahlvolk einen Stein im Brett. Im Oktober 2011 führte er die Beliebtheitsliste aller prominenten Politiker an. Und nun besehe man sich den Schaden, wie weit er hinter Frau Merkel zurückgefallen ist. Die übereilte Kandidatenkür der SPD, so wurde hier noch einmal deutlich, war ein Desaster, ein bestenfalls halbherziges Hopplahopp mit allseits unklaren Frontlinien.

Schnelldenker Steinbrück kann offenbar sehr unduldsam sein, wenn andere mit seinem Tempo nicht mitkommen. Doch er hat, so scheint’s, menschlich dazugelernt. Sein Lachen ist mitunter ebenso sympathisch wie es seine Tränen der Rührung waren, als er sprachos neben seiner Frau saß, die seinen inneren Antrieb zur Kandidatur vor Tausenden liebevoll bloßgelegt hatte.

Seht her, er hat ja wohl doch ein Gefühlsleben – und kann es gelegentlich auch noch zeigen. Ob das aber reicht, um der famos machtbewussten Frau Merkel die Stirn zu bieten?

P.S.: Übrigens war Steinbrück am späteren Abend noch in „Menschen bei Maischberger“ (ARD) zu Gast. Sandra Maischberger wollte ihn (mit Fragen aus dem Zettelkasten) partout zu unvorsichtigen Aussagen verleiten – ohne sonderlichen „Erfolg“. Man hatte den Eindruck, dass sie am liebsten Psychotests mit ihm gemacht hätte.

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