Hauck & Bauer: So absurd wie unser Alltag

Das geht ja gut los: Auf dem Titel steht in rasch und nervös hingeworfenen Großbuchstaben: „Das schlechtestverkaufte Buch der Welt“. Was wohl gemeint ist?

Etwa der vorliegende Band, mit schwerironischem Masochismus oder aus Koketterie schlechtgemacht? Oder doch der, den eine Frau im Blümchenkleid im Schaufenster der Buchhandlung betrachtet und der da heißt: „Sie sind selbst schuld“? Wer wird einen solch unverschämten Anti-Ratgeber kaufen? Damit, so scheint es, werden quasi alle Bücher dieser Sorte in Zweifel gezogen. Das muss man erst einmal so knackig hinbekommen.

Wir befinden uns sofort mitten in der auch sonst vertrackt-hintersinnigen Welt von Hauck & Bauer, die sich seit Schulzeiten kennen und zuerst mit ihren vertikalen Strips „Am Rande der Gesellschaft“ in der FAZ-Sonntagszeitung (FAS) bekannt geworden sind. Inzwischen sind sie auch im Satireblatt „Titanic“ und sogar in der jedenfalls auflagenstarken „Apotheken-Umschau“ zu finden. Auch Cartoon geht nach Brot.

Traumhafte „Doppelpässe“

Elias Hauck (Zeichnungen) und Dominik Bauer (Texte), beide Jahrgang 1978, verstehen einander „blind“, wie man im Fußball sagen würde. Sie spielen traumhafte Doppelpässe. Hauck lebt in Berlin, Bauer in Frankfurt/Main. Früher verständigten sie sich per Telefon oder Fax über ihre Ideen, heute nutzen sie hypermoderne E-Mails (zwinker, zwinker). Den Cartoons sind keinerlei Brüche anzumerken; es sei denn solche, die beabsichtigt sind.

Zeichner Elias Hauck lebt in Berlin. (Foto: © Ralf Lutter)

Hier wird das seit Jahr und Tag Verschwiegene, sei’s in „Beziehungen“ oder sonstwo, sanft aber bestimmt ans Licht gezogen. Abstrusitäten in der alltäglich misslingenden Kommunikation werden ebenso enthüllt wie abgenutzte Redensarten und Denkweisen. Hauck & Bauer durchschreiten leichtfüßig die Untiefen der Konversation. Sie zeigen Leute, die unendlich nerven – und denen man das endlich einmal sagen will. Es ist ein ewiger, bisweilen stummer Kampf zwischen mürrischen und pfiffigen Figuren. Oft sieht man sie vor sich hin brüten, bis sich eine Laune dann doch unversehens entlädt. Kaum zu glauben, wie absurd das Normale sein kann – und wie normal das Absurde.

Diese Gesellschaft basiert vielfach auf übler Nachrede und Missgunst. Da bauen und stauen sich Stimmungen auf, die mit einem Mal zerplatzen wie Seifenblasen, die unversehens ex- oder implodieren. Schein und Sein, Reden und Denken klaffen aufs Komischste auseinander. Und siehe da: Die Einfälle von Hauck & Bauer scheinen nicht nur erhellend, sondern auch entlastend zu wirken, nie jedenfalls aggressiv, bösartig oder billig provozierend. Hat da jemand „Loriot“ gesagt? Mag sein, dass da eine gewisse Verwandtschaft vorliegt.

Texter Dominik Bauer lebt in Frankfurt/Main. (Foto: © Ralf Lutter)

„Der Dümmere dankt!“

Man müsste viele, viele Beispiele anführen, um das Phänomen einigermaßen zu erfassen, doch das würde nicht die konkrete Anschauung ersetzen. Nehmen wir nur den scheinbar banalen, insgeheim jedoch abgründigen Dialog auf Seite 100, wo einer selbstgefällig feststellt: „Der Klügere gibt nach.“ Da hat er freilich die Rechnung ohne seinen Widerpart gemacht. Der jubelt: „Der Dümmere dankt!!“ – und wird wohl gleich triumphal von dannen ziehen, weil er sich mal wieder durchgesetzt hat…

Oder folgen wir dem Mann, der besorgten Blickes losgeht, als er die Zugansage hört: „Herr Arnold Hoffmann möchte bitte einmal zum Zugführer in den ersten Wagen kommen. Es liegt eine Nachricht für ihn vor.“ Nein, der Mann ist eben nicht Herr Hoffmann, er eilt nur hin, um sich an Hoffmanns Reaktion auf die schlechte Nachricht zu weiden und furchtbar mitfühlend zu denken: „Die arme Sau!“

Köstlich auch die Frau, die einen unliebsamen Gast loswerden will und ihn zu diesem Zweck mit dem eigens für solche Fälle bestückten Buchregal allein lässt, in dem horrible Sachen von Paulo Coelho und Bastian Sick stehen. Da steht wohl ein baldiger Abschied bevor. Auch den gerissenen Weinverkäufer von Seite 139 muss man erlebt haben. Und. Und. Und. Ach, führt es euch doch lieber selbst zu Gemüte! Es wäre doch jammerschade, wenn sich dieses Buch schlecht verkauft.

Hauck & Bauer: „Das schlechtestverkaufte Buch der Welt“. Kunstmann Verlag. 168 Seiten (Format 23 x 17,5 cm). 18 Euro.

(P. S.: Die Seitenzahl 200, die für dieses Buch verschiedentlich angegeben wird, erweist sich als deutlich übertrieben.)




Die weichen Früchte des Zorns – Karikaturen von Marie Marcks in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Ihre erste Karikatur hat sie in einer Schulstunde angefertigt – ein Zerrbild des Lehrers, der stets in SA-Uniform zum Unterricht erschien. Die Sache flog auf. Marie Marcks mußte bekennen. Doch der Pauker reagierte andere als befürchtet: „Darf ich die Zeichnung behalten?“ fragte er fast kleinlaut. Für einen Moment vergaß er, daß er Nazi war.

Marie Marçks (72) ist heute längst eine der bekanntesten Karikaturistinnen der Republik. Die zitierte Geschichte hat sie gestern im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte erzählt. Dort ist nun ihre bislang größte Einzelausstellung mit rund 300 Bildern zu sehen.

Kurz nachdem Krieg hat sie sich noch am damals übermächtigen Vorbild Saul Steinberg orientiert. Damals waren ihre Arbeiten noch etwas starr. Später kam die Kehrtwende, vielleicht angeregt vom poetischen Franzosen Sempé. Ihren seither typischen Zeichenstrich erkennt man sogleich, er ist von zahllosen Zeitungsabdrucken her vertraut: Die Figuren sind immer leicht verwackelt und verwabbelt. Wimmelig wirkt auch die Spruchblasen-Schrift. Sieht so aus, als wolle Marie Marcks die Gedanken ein klein wenig aufschütteln.

Menschenfreundlicher Zartsinn

Dem Fehlen scharfer Konturen entspricht menschenfreundlicher Zartsinn. Selbst wenn Marie Marcks sich Zorn-Themen wie dem Aufkeimen rechtsradikaler Gedankensaat widmet, verhärtet sich ihr Gestus kaum. Überhaupt setzt sie ihre Pointen sanft, nicht schneidend oder schlagend. Weiches Wasser bricht den Stein. Ist das „frauenspezifisch“? Jedenfalls ist es sympathisch. Und es schließt gelegentliche Bitternis nicht aus, etwa wenn eine Rentnerin nach entbehrungsreichem Frauenleben samt Rollstuhl brutal in den Orkus gestoßen wird. Sie hat ja ihren Dienst an der Männerwelt getan …

Marie Marcks hat oft Themen entdeckt, die erst später im Schwange waren. Schon seit Beginn der 70er Jahre geißelt sie die schleichende bzw. rasende Umweltvernichtung. Auch in Sachen Gleichberechtigung hat sie zur zeichnerischen Vorhut gehört. Doch es ist kein biestiger Feminismus, der sich da Ausdruck verschafft. Eher könnte man von einem behutsam-ironischen Zurechtrücken zementierter Geschlechter-Verhältnisse sprechen. Da zieht z.B. plötzlich mal die Frau den verblüfften Mann aus und säuselt: „Wie schön du bist!“ So macht man Machos kirre. Oder eine trinkfeste Dame ruft fröhlich „Prost, die Herren!“ – jene aber liegen längst beduselt unterm Tisch.

Fünf Kinder hat Marie Marcks großgezogen. Dabei hat sie auch ihre Themen aufgespürt. Denn weil sie genau hinsah, konnte sie im Familienalltag das wirklich Politische früher entdecken als Leute, die nur auf Tagesschau und Parteienwesen achten.

Marie Marcks: „Prost, die Herren!“ – Zeichnungen/Karikaturen. Dortmund, Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Hansastraße. Bis 30. Okt., Di. bis So. 10-17 Uhr. Eintritt 4 DM, Buch 29.80 DM.