Fürchterliche Kumpanei – der BVB-Deal mit der Waffenschmiede Rheinmetall

Jetzt Makulatur: meine BVB-Mitgliedskarte.

So! Es ist vollbracht. Heute habe ich meine Mitgliedschaft beim BVB 09 gekündigt. Dreimal darf geraten werden, welchen Grund ich dafür hatte. Oder auch nur einmal. Denn natürlich geht es um den nach (nicht nur) meiner Ansicht verwerflichen Sponsoren-Deal mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall, der allzeit prächtig von internationalen Krisen und „Waffengängen“ profitiert.

Für die Düsseldorfer Firma mag es einen Image-Gewinn bedeuten, sich mit ein paar Milliönchen an Borussia Dortmund heranzuwanzen. Für den Verein (nun vollends unglaubwürdiges Motto: „Echte Liebe“) bedeutet es hingegen einen herben Image-Verlust. Zahlreiche Fans melden Protest an – und ich bin sicherlich nicht der einzige Anhänger, der die Konsequenz des Vereinsaustritts zieht. Ich habe auch gleich die Mitglieds-Plakette von meinem Auto abgezogen. Wenn schon, denn schon. Dem Verein, dem ich seit der Kindheit (also seit Gründerzeiten der Bundesliga) anhänge, bleibe ich dennoch treu. Freilich mit Schmerzen.

Wie peinlich wird es sein, wenn die Aufrüster fast überall mit ihrer BVB-Connection werben dürfen. Nur die Trikots sollen ausgespart bleiben. Na, toll. Es geht nicht darum, dass Rheinmetall derzeit auch und vor allem Waffen für die Ukraine herstellt, wo sie tatsächlich dringend benötigt werden. Es geht vielmehr um das allgemeine und sonstige Gebaren dieser Kriegsprofiteure, die fortan wahrscheinlich auch etliche VIP-Logen im Westfalenstadion fluten.

Wie hat man sich in Dortmund und anderswo aufgeregt, als der FC Bayern anrüchige Bande nach Katar knüpfte. Wie hat man die Schalker gescholten, die so lange an einer „Partnerschaft“ mit der russischen Gazprom festgehalten haben. Wie unbeliebt ist – zumal im Revier – RB Leipzig, weil der Club überhaupt erst vom Brausehersteller Red Bull gepäppelt wurde.

Und jetzt diese Dortmunder Kumpanei mit Rheinmetall, ausgerechnet im Vorfeld des Finales der Champions League lanciert. Es gibt so viele Marken, mit denen sich der börsennotierte BVB hätte schmücken oder wenigstens gut hätte arrangieren können. Warum musste es ausgerechnet die rheinische Waffenschmiede sein, die nicht einmal regionalen „Stallgeruch“ hat? Was ist in Hans-Joachim Watzke gefahren, dass er am Vorabend seines Abschieds noch eine solche Entscheidung getroffen hat?

Borussia Dortmund im Londoner Wembley-Stadion gegen Real Madrid. Mehr mythologische Aufgipfelung geht aus hiesiger Sicht kaum. So viele fiebern dem Endspiel am 1. Juni entgegen: Ob der Außenseiter BVB wohl die Sensation schaffen und den größten europäischen Titel erringen kann? Doch nun ist einem selbst dieses Hochamt des Fußballs vergällt.

Ich spare mir an dieser Stelle alle hochlustigen Anspielungen auf Abwehr, Verteidigung und Angriff in Krieg und Fußball. Das entsprechende Wortfeld ist mitsamt Bomben und Granaten schnell abgegrast. Ich gestatte mir aber gehörige Empörung oder – sprachlich noch passender – Entrüstung.




Was ist denn nur los mit Borussia Dortmund? Muss jetzt der Trainer schleunigst gehen?

Jetzt mal Butter bei die Fische: Borussia Dortmund ist derzeit schwach. Erschreckend schwach. So schwach wie lange nicht mehr. Als Jürgen Klopp, nach all den bahnbrechenden Erfolgen, auf einmal seine unerklärliche „schwarze Serie“ hatte, war es so ähnlich. Doch sein Nachnachfolger Peter Bosz kann, bis auf ein paar anfängliche Strohfeuer, noch keine nennenswerte Erfolgsserie aufweisen.

...und wieder ein Tor für die Bayern (das 0:3). (Screenshot: Sky-Übertragung)

…und wieder ein Tor für die Bayern (das 0:3). (Screenshot: Sky-Ticket-Übertragung)

Mit 1:3 haben sie soeben das Heimspiel gegen die Bayern verloren. Keine normale Niederlage. Sie haben nicht verloren wie der BVB, sondern – mit Verlaub – eher wie Mainz o5. Daran ändert auch der späte Anschlusstreffer in der 88. Minute nichts. Ansonsten: grottige Chancenverwertung, furchtbar wacklige Verteidigung; wie fast schon üblich in letzter Zeit.

Ist das heutige Gewürge etwa wieder in ca. 180 Länder übertragen worden? Gnade! Bitte nicht! Was sollen sie da draußen denken?

Nicht nur die in den letzten Wochen oft gescholtene Abwehr spielt weit unter Form, auch Mittelfeld und Angriff schwächeln deutlich, ja mitunter erbärmlich. Es könnte einem so vorkommen: Schießen die Gegner, ist beinahe jeder „drin“, zielen „wir“, geht praktisch alles daneben. Es ist wie verhext.

Fragt mich bitte nicht nach meiner Meinung über Neuzugänge wie „Toto“ (Toprak / Toljan), sonst werde ich vielleicht noch ausfallend. Aber es liegt beileibe nicht nur an ihnen. Der einstige Torjäger Aubameyang ist nur noch ein Schatten seiner selbst, sogar der sonst so unerschütterliche Sokratis bleibt unter seinen Möglichkeiten. Heute hat eigentlich nur Pulisic gänzlich überzeugt. Doch glücklos blieb auch er.

BVB-Geschäftsführer Watzke muss sich allmählich ernsthaft fragen, ob es richtig war, den doch recht erfolgreichen Trainer Thomas Tuchel achtkantig `rauszuwerfen und statt dessen den Holländer Peter Bosz zu holen. Der Mann mit dem eleganten Outfit hat binnen weniger Wochen nahezu alles vergeigt. Ihm fehlt einfach die Fortune.

Das Ausscheiden aus der Champions League ist gewiss, nicht einmal die Teilnahme an der Europa League ist gesichert. Ein zweifaches 1:1-Unentschieden gegen einen Club wie Apoel Nikosia entspricht bei weitem nicht den Ambitionen des Vereins.

Die Tabellenführung mit fünf Punkten Vorsprung auf die Bayern ist nicht nur rapide geschmolzen, sondern hat sich in einen Rückstand von sechs Punkten verwandelt. Auch Leipzig hat jetzt den BVB überholt, Schalke ist bereits punktgleich. Zu fürchten steht, dass die Dortmunder nach unten „durchgereicht“ werden.

Aufs „Aus“ im DFB-Pokal darf man sich wohl ebenfalls einrichten. In der kommenden Runde geht es ausgerechnet zu den Bayern nach München. Nach den heutigen Eindrücken ist dort kein Blumentopf zu gewinnen.

Die meisten Sportjournalisten haben sich inzwischen darauf geeinigt, dass Bosz nach seinem (offenbar von Gegnern inzwischen leicht berechenbaren) Hurra-Stil keinen „Plan B“ habe, also vorerst nicht mehr weiter wisse.

Es sieht also ganz so aus, als müsse „man“ die Reißleine ziehen und schleunigst einen Trainer holen, der ein Spielsystem installiert, das zu den Fähigkeiten des vorhandenen Kaders passt. Oder kann Bosz diese Kehrtwende noch selbst vollziehen? Ich wage zu zweifeln.

P.S.: Mir ist bekannt, dass es oft vernünftiger ist, vertrauensvoll zuzuwarten und nicht gleich alle Flinten ins Korn zu werfen. Doch es gibt Grenzen.




Schmerzlicher Abschied: Jürgen Klopp verlässt nach der Saison den BVB

Wie ärgerlich, dass mal wieder die „Bild“-Zeitung die Nachricht zuerst hatte: BVB-Trainer Jürgen Klopp hat um Auflösung seines bis 2018 reichenden Vertrages gebeten.

Soeben hat Jürgen Klopp die Nachricht offiziell in einer Pressekonferenz bestätigt – sichtlich bewegt, zeitweise zaudernd, mit stockender Stimme. Der Entschluss falle ihm „unglaublich schwer“, aber die Entscheidung habe jetzt getroffen werden müssen, damit der Verein die nächste Saison planen könne. Es sei somit die „absolut richtige Entscheidung“, fernab von aller Sentimentalität und Romantik.

In aller Bescheidenheit sei’s gesagt: Vor einigen Monaten hatte ich an dieser Stelle für einen Neuanfang auf Sparflamme plädiert – möglichst mit neuem Trainer und nicht mehr mit lauter millionenschweren Stars, sondern mit dem Rüstzeug fürs solide Mittelfeld. Hernach kann man ja immer noch auf Höheres aus sein. Ein solcher Weg der kleineren Schritte scheint nun eingeschlagen zu werden. Es wäre nur vernünftig.

BVB-Trainer Jürgen Klopp am 9. August 2014 (©Foto: Tim.Reckmann/Wikipedia - Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

BVB-Trainer Jürgen Klopp am 9. August 2014 (©Foto: Tim.Reckmann/Wikipedia – Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Da Borussia Dortmund in der kommenden Spielzeit voraussichtlich an keinem europäischen Wettbewerb teilnehmen wird (und wenn doch, dann allenfalls an der nur mäßig attraktiven Europa League), empfiehlt sich finanzielle Zurückhaltung auf jeden Fall. Auch sollte klar sein, dass vorerst Vereine wie Wolfsburg, Gladbach oder Leverkusen in der Bundesliga hinter den Bayern rangieren.

Gleichwohl möchte Klopp, wie er heute sagte, mit dem BVB noch die verbleibenden Maximalziele erreichen und möglichst noch einmal mit dem Lastwagen rund um den Borsigplatz fahren. Voraussetzung dafür wäre der Pokalsieg… Und man kann sich vorstellen, dass Klopp und die Mannschaft angesichts des bevorstehenden Abschieds noch einmal ungeahnte Reserven ausschöpfen.

Zurück zu jetzigen Realität. In den Blickpunkt ist jüngst auch das Wirken des Dortmunder Sportdirektors Michael Zorc gerückt, der für die Einkaufspolitik verantwortlich zeichnet. Zunächst hatte er vielfach eine glückliche Hand, doch in letzter Zeit sind ihm einige derart kapitale Fehleinschätzungen unterlaufen, dass man durchaus an ihm zweifeln darf.

Besonders die beiden Spieler Ciro Immobile (für 19,4 Mio. Euro aus Turin geholt) und Henrikh Mkhitaryan (Ablöse 27,5 Millionen Euro)* haben nicht einmal ansatzweise die Erwartungen erfüllt. Auch die anfangs frenetisch gefeierte Rückholung des Japaners Shinji Kagawa aus Manchester erwies sich als falsche Maßnahme.

Man könnte noch weitere Namen nennen. Doch zuletzt haben auch das ganze Gefüge der Mannschaft und der Draht zum Trainer nicht mehr funktioniert, so dass man nicht nur einzelnen Akteuren die Schuld zuweisen darf. Trotzdem sollten einige Spieler sich bald andernorts umschauen, wo sie vielleicht Besseres bewirken können.

Jürgen Klopp hat ersichtlich resigniert, er wirkte an der Seitenlinie oft kläglich hilflos – ganz anders als in früheren Tagen. Es ist wohl nur konsequent, wenn er im Sommer eine „Auszeit“ nimmt und danach neue Herausforderungen z. B. in der englischen Premier League sucht, in London oder Manchester. Wer weiß, vielleicht nimmt er dann den BVB-Kapitän Mats Hummels gleich mit auf die Insel. Oder der macht dort schon mal vorher Quartier. In der heutigen Pressekonferenz bestritt Klopp freilich, konkrete Pläne für seine Zukunft als Trainer zu haben.

Ob der angebliche Nachfolger Thomas Tuchel, der auch schon in Mainz in Klopps Fußstapfen trat, nach Dortmund und zur Borussia passt, könnte sich beizeiten weisen. Brennenden Ehrgeiz brächte er jedenfalls mit. Über Sympathien ließe sich später immer noch streiten. Übrigens: Fragen zur Klopp-Nachfolge wurden heute beim BVB aus Prinzip nicht beantwortet.

Mit dem Abgang von Klopp, der 2008 zum BVB kam, geht in Dortmund eine große Fußballzeit dem Ende entgegen. Er hat mit dem BVB nicht nur zwei deutsche Meisterschaften und einen Pokalsieg errungen, sondern auch international für Aufsehen gesorgt, indem er das Finale der Champions League erreichte. In einer Stadt, der der Fußball so viel bedeutet wie keiner zweiten im Lande, ist Klopp ein (zunächst imaginares) Denkmal sicher. Der dauerhafte Dank aller BVB-Fans ist ihm eh gewiss.

Zeitweise sah selbst der FC Bayern München, verglichen mit Borussia Dortmund, ziemlich dürftig aus. Die Herrschaften von der Säbener Straße reagierten – wie üblich – vor allem mit pekuniären Mitteln, indem sie die BVB-Protagonisten zu sich holten: Götze wurde weggekauft, Lewandowski mit besten Aussichten weggelockt. Inzwischen sind die Südlichter längst wieder die Chefs auf dem Rasen. Aber eines schönen Tages…

(* Ablösesummen laut www.transfermarkt.de)




Supporting Fans – ein Stimmungsbild aus Dortmund

Schotten, Dänen und Schweden sind in der Stadt. Dudelsackspieler dominieren den Sound in der City. Wir sind in Dortmund. Es ist zwölf Uhr mittags. Das „Roadcorner“ ist aufgebaut und macht sich bereit für die mehr oder weniger trinkstarken Fans. Papiersammler säubern den Platz, machen ihn fotografiersauber für die internationalen Gäste.

Vor dem BVB-Fanshop stehen Verkäuferinnen in standesgemäßem Outfit und rauchen. Später werden sie dazu nicht mehr kommen, denn auch der auswärtige Fan will Souvenirs haben oder seine Zugehörigkeit demonstrieren. „Ich bin vom Stamm der Gelbschwarzen.“

Schotten sind da

Schotten sind da

Wir schreiben Mittwoch, den 6. November 2013. Heute findet das Rückspiel in der Champions League zwischen dem BVB und Arsenal London statt. Nicht einmal das Achtelfinale, nein, ein Vorrundenspiel.  Und hier ist nicht die Rede von den berüchtigten englischen Fans, den Hooligans mit den roten Köpfen und Bier statt Blut in den Adern. Nein, hier geht es um die „Supporters“.

Dänen hängen ein Banner vor ein Restaurant. „Arsenal Denmark“ steht da drauf. Die Dänen besetzen also ein Stück Deutschland. Welch ein Coup! Vor einer Kneipe wird ein nächstes Banner angebracht:  „Arsenal Scotland“. Aha! Schottische Fans in Kilts begleiten eine Londoner Truppe. Das ist so, als würd eine Gebirgsblaskapelle aus Bayern die Auswärtsspiele des BVB begleiten. Oder gibt es so was? Auf Schalke habe ich so was mal entdeckt, ist aber lange her. Das war eine Mädchengruppe aus Regensburg, die Olaf Thon so toll fand.

Hier blasen Schotten in den Dudelsack, dass die Reinoldikirche den Sound in ihren dicken Mauern speichern wird und man noch in Jahren, wenn man genau horcht, Dudelsacksounds hören wird. Es ist das lauteste Analog-Instrument der Welt. Wieder wird ein Banner an einer Markise angebracht. Hier heißt es „Costa del GOONERS“, was immer das sein mag. Auf jeden Fall gröhlen die Fans auf Englisch. Zwischen den Texten sieht man die Grafik einer Kanone. Das ist sicher sportlich gemeint. Gunners, aha!

StadtmusikErste Mannschaftswagen beziehen Stellung. Die Polizisten tragen grüne Kampfanzüge mit der Aufschrift „Polizei“. Ohne diesen Hinweis könnte man sie für die Armee irgendeines Schurkenstaates halten. Schulpflichtige Jugendliche tauchen auf. Sie tragen Plastiktüten. Wie lange darf man das noch? Schulranzen wäre konsequenter. Inzwischen – Gesänge an allen Ecken. Londoner wurden noch nicht gesichtet, auch keine äußerlich erkennbaren Borussen. Die Supporters sind die Vorhut. Warten wir ab, welche Reihenfolge nach dem Spiel stattfindet. Dänen, Schweden und Schotten feiern auf jeden Fall, denke ich. Thanks to German Beer.

(Fotos:Dman)




Endlich! Ein völlig objektiver Vorbericht zum Finale der Champions League

Hier nun ein paar völlig objektive, hochkulturelle Zeilen zum Spiel der Spiele: Nein, dieses Match lässt sich – um es mit einem legendären Lapsus aus Kickermund zu sagen – wirklich nicht mehr weiter „hochsterilisieren“.

Wenn am kommenden Samstag um 20.45 Uhr MEZ im Londoner Wembley-Stadion Borussia Dortmund und der FC Bayern München das Finale der Champions League austragen, dann fiebert natürlich alle Fußballwelt mit. In Dortmund herrscht allenthalben Ausnahmezustand. Um es vorsichtig zu formulieren. Wenn (sehr frei nach Peter Handke) das Wünschen bei der Kartenvergabe noch geholfen hätte, so würden Hunderttausende in Schwarzgelb nach London kommen.

Laube in einem Dortmunder Kleingartenverein, abgelichtet am 22. Mai 2013. (Foto: Bernd Berke)

Laube in einem Dortmunder Kleingartenverein, abgelichtet am 22. Mai 2013. (Foto: Bernd Berke)

Exaltierte Leitmedien wie „Spiegel online“ bringen seit vielen Tagen den immer mit neuen Gerüchten und Parolen gefütterten Countdown bis zum Anstoß. Jede halbgare Äußerung aus beiden Lagern, jede Blessur wird da im bebenden Tonfall vermeldet und breit ausgewalzt. Der Ausfall des verletzten Mario Götze wird vollends als Tragödie von shakespearschen Dimensionen dargestellt; wie denn überhaupt der bevorstehende Götze-Transfer von Dortmund nach München das Weltgebäude hat wanken lassen. Naja, wenigstens hat offenbar die eine oder andere Redaktion gewackelt. Schlimmer noch: Heute bemächtigt sich auch eine seltsam besetzte Talkshow des Themas.

Das Feld der Emotionen besetzt

BVB-Trainer Jürgen Klopp erklärt Borussia Dortmund gleich zum spannendsten Fußballprojekt der Welt und wirbt flammend um die Herzen aller echten Fans auf dem Globus. Der Wahlspruch des Vereins, „Echte Liebe“, besetzt – zwischen Leidenschaft und Marketing – das emotionale Feld, während der Widersacher aus dem Süden vorwiegend mit Geld, Geld und nochmals Geld assoziiert wird und darum vielfach gern „Buyern München“ genannt wird. Ja, ja, ja, auch in Dortmund werden ein paar Groschen umgesetzt – und doch besteht da ein Unterschied.

Glaubt man der wahnwitzig ausufernden Vorberichterstattung, so ist ganz Deutschland gespalten in Schwarzgelb und Rot. Es wäre interessant zu erfahren, wie die Sympathien international verteilt sind. Eins ist klar: Die meisten Polen halten schon mal zu Dortmund. Doch die frischgewagte, husarenhafte BVB-Spielweise unter Klopp hat überdies neue Anhänger auf dem ganzen Kontinent gewonnen. Die bloße Vorstellung, dass sie in Lokalen von Rio, Buenos Aires, Tokyo oder Peking ein Dortmunder Tor bejubeln, ist herzerwärmend.

Sich heraushalten? Geht kaum!

Wer sich übrigens aus all dem heraushalten will, verhülle am besten sein Haupt, lasse die Rollos herunter, schalte alle Geräte ab oder begebe sich gleich für eine Zeit ins Kloster. Doch wer weiß, was sie dort am Samstag machen?

Bei nüchterner Betrachtung der Fakten (doch wer wird denn da nüchtern bleiben?) gehen die Bayern als haushohe Favoriten ins Finale. Sie können wahrscheinlich ihre Bestbesetzung aufbieten, während bei Dortmund nicht nur Götze fehlt, sondern zwei Verteidiger, Mats Hummels und Lukasz Piszczek, angeschlagen sind. Auch haben die Bayern eine nahezu makellose Saison hingelegt, so dass man sich fragt, was der künftige Trainer Pep Guardiola dort eigentlich noch richten soll.

Aber warten wir’s ab. Es gibt – sehr frei nach William Shakespeare – Dinge zwischen beiden Strafräumen, die sich unsere Schulweisheit nicht träumen lässt.

Im Fall eines Bayern-Sieges würde man sich drunten etwas freuen und dann bald zur Tagesordnung übergehen. Es wäre sicherlich kein Vergleich zu dem, was in und um Dortmund los wäre, wenn…

Warten wir’s ab. Es gibt Dinge zwischen Auslinien, Pfosten und Eckfahnen, die sich unsere…

Aggression und Zurückhaltung

In München kassiert man Titel ein und hakt sie ab. Viele Anhänger sind schlichtweg saturiert. Das „Mia san mia“-Denken ist weit verbreitet, die entsprechende Denkungsart des (anderweitig „angeschlagenen“) Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß kommt einem fast schon gemütlich-folkloristisch vor, wenn man sie mit der unerbittlich aggressiven Stoßrichtung des Matthias Sammer vergleicht.

Demgegenüber wirkt die Zurückhaltung des Dortmunder Präsidenten Reinhard Rauball, des Geschäftsführers Hans-Joachim Watzke und des Sportdirektors Michael Zorc geradezu nobel. In der angeblichen Proletenstadt zeigt man inzwischen deutlich mehr Stil als an der Isar. Nur Jürgen Klopp darf schon mal gepflegt ausrasten. Jawohl, Kloppo darf das.

Ich gebe zu: Sollte Sammer am Samstag aus gutem Grund zornig mit den Zähnen knirschen, so würde mich das doppelt und dreifach er-götzen!