„Roncalli“ hält sich ans Erfolgsrezept – Clownsnummern als Höhepunkte

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wer schon mal im „Circus Roncalli“ war, wird manches wiedererkennen. Auch die „Dritte und letzte Reise zum Regenbogen“, die derzeit im Zeit am Recklinghäuser Adenauer-Platz Station macht, führt durch ähnliche Gefilde wie ihre beiden Vorläufer. Warum hätte man auch das Erfolgsrezept – atemberaubende Artistik plus optische Opulenz plus einige Prisen populärer Poesie – entscheidend ändern sollen?

Am Zelteingang aus vollen Händen mit Konfetti beworfen (auch dies schon traditionell), finden sich die Zuschauer bald darauf im „Land des Drachens“ wieder. Der so betitelte, altchinesisch „angehauchte“ Teil des Programms, im Vorjahr Glanzstück der Show, wurde merklich gestutzt und büßt an Wirkung ein.

Weit stärker als vor Jahresfrist sind hingegen die Clownsnummern. Dies gilt vor allem für „David“, der als Fotograf und beim „Rendezvous“ mit einer ins Manegenrund geholten Zuschauerin für die Höhepunkte des Abends sorgt. In seinen allerbesten Momenten kommt er der legendär-chaotischen Komik der „Marx Brothers“ nahe.

Alle Zirkus-Standards sind vertreten: Magier, Seiltänzer, „fliegende Menschen“, Dressurreiterin und natürlich die „Rastellis“. Für meinen Geschmack wird im Verlauf des etwa dreistündigen Programms allerdings zu häufig jongliert. Mit immer anderen Gegenständen natürlich, doch irgendwann hat man halt die Variationsbreite solcher Kunststücke durchmessen. Die mit Raubkatzen und Bären (letztere an Stelle des Nashorns vom Vorjahr) vollführte Dressur bewegt sich zwar auch im Rahmen des Üblichen, fesselt aber – perfekten Sicherheitsmaßnahmen zum Trotz – durch jenen untergründigen Kitzel, dem man sich nie ganz entziehen kann.

Zur besten „Roncalli“-Tradition gehören die Übergänge zwischen furiosen und leisen Nummern sowie die mit überbordender, aber meist geschmackssicherer Phantasie entworfenen Szenerien und Kostüme. Eine Ausnahme bilden die drei Kraftprotze „Les Olympiads“ – lebende Bilder mit Anleihen bei der griechischen Antike, über den unpassenden Leisten der Pop-Art gezogen.




„Circus Roncalli“: Zweite Reise zum Regenbogen – mit Phantasie und Puderzucker

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Der „Circus Roncalli“ besitzt offenbar das sensibelste Nashorn nördlich des Mittelmeers. Bevor das gewichtige Tier in die Manege stürmte, wurde das hochverehrte Publikum (darunter NRW-Kultusminister Jürgen Girgensohn) dringlich gebeten, keine schrillen Laute zu erzeugen, sonst könne man für die Duldsamkeit des Dickhäuters nicht mehr garantieren. So blieb es also mäuschenstill – und der Koloß ließ es friedlich über sich ergehen, daß ein Tiger auf ihm ritt.

Der nicht als Sensations- und Leistungsschau, sondern eher durch seine phantastische Kombination von Spitzenartistik und märchenhafter Prachtentfaltung bekanntgewordene Zirkus bot im Umfeld der Ruhrfestspiel-Eröffnung eine „Weltpremiere“. Das Zelt am Recklinghäuser Konrad-Adenauer-Platz war denn auch am Sonntagabend bis auf den letzten Platz gefüllt; daran dürfte sich bis zum 15. Mai, nach dem der Zirkus die Revierstadt verläßt und auf Deutschlandtournee geht, nicht viel ändern. Die „Zweite Reise zum Regenbogen“ – so der Titel des am Sonntagabend erstmals gezeigten Spektakels – erwies sich über weite Strecken als gelungene Fortsetzung des fast schon legendären „Roncalli“-Programms „Reise zum Regenbogen“.

Der für mich aufregendste und beste Teil des zweieinhalbstündigen Programms liegt vor der Pause. Er wird auf Handzetteln mit der Zeile „Im Land des Drachens“ angekündigt. Absolut professionelle Manegenkunst (Jonglieren, Feuerschlucker, Sprung durch Reifen mit extrascharfen Messern usw.) geht hier in üppig ausgestattete Kostümszenen von traumhafter Farbschönheit über; abenteuerliche Phantasietiere stapfen, in alle (Scheinwerfer-)Farben des Regenbogens getaucht, durch die Reihen: Die Zuschauer werden von livrierten Requisiteuren pfundweise mit Konfetti bestreut (es dauert seine Zeit, bis man nach Schluß der Vorstellung die weißen Pünktchen aus Haaren und Kleidung entfernt hat!), so daß alles wie unter Puderzucker liegt.

Demgegenüber fallen andere Nummern etwas ab, so etwa die mit „Hohe Schule“ betitelte gegen Ende des Programms, ein eher betuliches Dressurreiten mit trivial-cremigen optischen Anleihen bei der k.u.k.-Monarchie. In ihrem gewallten Kitsch schon fast erhaben ist hingegen die „Tauben“-Szene: Weißer Nebel quillt über den Manegenboden, eine weißgewandele Marie-Jose Knie kommt auf weißem Pferd geritten und führt dressierte weiße Tauben vor.

Es versöhnen auch die Roncalli-typischen, leisen Momente – zum Beispiel die „Glasorgel“: Mit angefeuchtetem Finger wird auf den Rändem unterschiedlich gefüllter Gläser eine wunderschöne Sphärenmusik gespielt. Man könnte sich dabei richtig zurücksinken lassen, wenn nicht ständig draußen Züge vorbeidonnern würden. Die Nähe des Zelts zur Bundesbahnstrecke stört das Träumen empfindlich.

Frenetischen Beifall löste auch die Clownsnummer im zweiten Teil aus. Clowns – einmal wieder am angestammten Platz, nachdem sie mittlerweile (wie auch der Feuerschlucker) schon zur Grundausstattung jeder alternativen Straßenfestivität gehören…