Monumente einer milden Harmonie – Claus Bury zeigt seine architektonischen Visionen in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Es sieht aus wie das Modell einer Stadt für die „Ewigkeit“. Da hat einer allerlei architektonisches Vokabular zwischen Babylon und Altägypten, Azteken-Bauten und so genannter Postmoderne durchgespielt.

Der Modellbauer, dessen Einzel-Entwürfe hin und wieder realisiert werden, heißt Claus Bury, wurde 1946 geboren und lehrt Grundlagen architektonischer Gestaltung an der Gesamthochschule Wuppertal. Jetzt stellt er seine zwischen 1980 und 2001 entstandenen Kreationen im Von der Heydt-Museum aus.

Damit man sich die vom Künstler imaginierten Dimensionen vorstellen kann, stehen im Museum Menschenfigürchen vor und zwischen all den Modellen von Torbögen, Pyramiden, Brücken, Säulen und Treppen. Manchmal wirken diese Menschlein ganz verloren im Monumentalen, oft aber auch gleichsam aufgehoben im großen Ganzen. Vielleicht stehen ja gar religiöse Vorstellungen dahinter. Zumindest spürt man eine Aura, die über den Zeiten und Individuen schwebt. Geometrische Maßverhältnisse wie der Goldene Schnitt oder baulich umsetzbare mathematische Zahlenreihen sind halt nicht an Tag und Stunde gebunden.

Gemeinschaftstaugliche Skulptur

Doch die Visionen sollen auch im Hier und Heute verankert sein: Bury begreift Architektur nicht zuletzt als soziales Phänomen, als gemeinschaftstaugliche Skulptur, die nicht nur frommen, sondern auch nutzen möge. Davon zeugt u. a. das Modell eines in viele Kammern gegliederten Theater- und Kinozentrums, das in Duisburg entstehen könnte. Wer glaubt, Bury ergehe sich in prekärer Imponier-Architektur nach Art des NS-Baumeisters Albert Speer, der irrt. Für friedliche, gelassene Anmutung sorgt schon das Material, nämlich mild duftendes Holz. Das Naturprodukt ist vergänglich, es verwittert. Schon manche Bury-Schöpfung, die sich im Freien erhob, musste alsbald wieder demontiert werden. Also doch kein Ewigkeits-Anspruch…

Überhaupt hat’s Bury auch mit der Natur. Baut er eine Brücke, so denkt er beispielsweise an die Form eines Fisches. Oder er schmiegt seine Konstruktionen in Gartenlandschaften ein. Bury erstrebt eine Kontemplation und Harmonie, die weit über den Moment hinaus weist.

Vom Heuhaufen zur dorischen Säule

Wahrhaft grandios der Eindruck jenes Raumes, in dem die meisten der insgesamt 59 Holz-Modelle (Maßstäbe von 1:10 bis 1:200) den erwähnten Eindruck einer Stadt vermitteln. Da ergeben sich zahllose Blickachsen. Monumentales wirkt bei Bury stets gefällig, niemals aggressiv, verstörend oder auch nur befremdlich. Gerade das macht jene Kunstkenner, die sich gerne irritieren lassen, misstrauisch. Rasch erheben sie den Vorwurf, hier liefere einer lediglich hübsches Design. Schaut man genauer hin, so nimmt man freilich fragile Balancen und Stufungen wahr. Die architektonischen Phantasien erweisen sich denn doch als sinnreich ausgeklügelt.

Auch die Mühen der Vorbereitung werden dokumentiert: Man sieht penible Skizzen sowie Burys Fotografien, die auf einige Inspirationsquellen hindeuten – vom traditionellen bäuerlichen Heuhaufen bis dorischen Säule, vom Schornstein bis zur Pyramide. Wie Burys Arbeiten auf freiem Felde wirken, kann man nun gleichfalls in Wuppertal (Südstraße) ermessen. Hier entstand die dreieinhalb Tonnen schwere, 12 Meter lange Lärchenholz-Brückenplastik „Elastisch – Schwebend“. Sie greift Formen der Umgebung auf und versetzt sie zugleich in ungeahnte Schwingungen.

Claus Bury -Spannungsbogen. Von der Heydt-Museum, Wuppertal (Elberfeld, Turmhof 8). Bis 22. Juli, Di-So11-18, Do 11-20 Uhr. Katalog 48 DM.




Wie kommt die Kunst zur Autobahn? Ein kleines Lehrstück in mehreren Akten

Ein paar Kunstwerke entlang der Autobahn aufstellen – nichts einfacher als das. Von wegen! Der Dortmunder Bildhauer Dr. Bernd Moenikes (37) kann da ganz andere Geschichten erzählen. Eine solche Sache kann schier endlos dauern. Ein kleines Lehrstück in mehreren Akten, Ende offen.

Es begann vor etwa drei Jahren – so genau weiß das Moenikes schon gar nicht mehr. Damals hatte er die Idee zum Projekt „Crossing“ (Kreuzung): Wenn Leute nicht ins Museum gehen, muß die Kunst eben zu ihnen kommen. Zum Beispiel auf die Autobahn. Geeignetes Aktionsfeld, so befand Moenikes nach Testfahrten, sei der Strang A 430 (B1/A 44) sowie die A 1. Beide Linien kreuzen einander. Grenzpunkte sollten der Anschluß Dortmund-West, das Kreuz Werl, das Kamener und Westhofener Kreuz sein.

Moenikes, bereits mit Umweltkunst-Aktionen („Tanz auf dem Müll“) hervorgetreten, dachte angesichts der Asphaltbänder und Blechlawinen nicht von ungefähr auch an einen leidensreichen Kreuzweg. Doch andererseits sehnte er lange Staus beinahe schon herbei, denn dann hätten die Menschen ausgiebig Gelegenheit, an den zwölf Stationen des Kreuzwegs Holzskulpturen zu sehen…

„Man braucht Beziehungen“

Doch zunächst mußte „das Umfeld sondiert werden“ (Moenikes). Mehrmals ging’s zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der für die Sicherheit hiesiger Autobahnen zuständig ist. Im Prinzip, so Moenikes, hatte man dort nichts gegen die Skulpturen, wollte aber natürlich bei der Standortwahl mitreden.

Komplizierter wurde es, als Moenikes beim Kultusministerium in Düsseldorf vorsprach. Der Dortmunder erkannte: „Man braucht Beziehungen.“ Die Referenten fragten geradezu begierig nach Namen. Sie zeigten sich von der Idee angetan, gaben sich aber finanziell zugeknöpft. Bevor man Zuschüsse zu dem auf mindestens 500 000 DM geschätzten Vorhaben zusage, wolle man (aus Sicht des Ministeriums nur zu verständlich) ein präzises Konzept sehen, samt Teilnehmerliste und möglichst fertigen Probestücken. Das aber hieß: Moenikes hätte erhebliche Vorleistungen erbringen müssen, denn kein halbwegs prominenter Künstler hätte gratis und auf Verdacht gearbeitet.

Sponsoren haben, um Sponsoren zu finden

Einer der nächsten Wege führte zum Leiter des Dortmunder Ostwall-Museums, Dr. Ingo Bartsch. Auch der fand die Idee gut und nannte gleich hochkarätige Künstlernamen: Magdalena Jetelova, Stephan Balkenhol, Jiri Hilmar, Dani Karavan, Thomas Schütte, Claus Bury, Wilfried Hagebölling – allesamt mögliche Teilnehmer, allesamt Bekannte von Bart&ch. Der Museumsmann versprach, Kontakte zu vermitteln, falls Geld vorhanden wäre. Der Ostwall-Etat ist schmal.

Zugleich verfiel Moenikes auf die Idee, vor dem großen Autobahn-Projekt eine Schau von Planskizzen und beispielhaften Skulpturen am Ostwall zu veranstalten, die weit weniger, nämlich rund 20 000 DM, kosten und Sponsoren aufmerksam machen sollte. Doch auch diese 20 000 DM (angesichts der klingenden Namen viel zu niedrig angesetzt) wollen aufgetrieben sein. Also: Um Sponsoren zu finden, muß man schon Sponsoren haben.

Moenikes denkt an einen Ostwall-Termin im Jahr 1993, was Bartsch auf Befragen weit von sich weist: „Bis 1995 sind wir ausgebucht!“ Außerdem sei „Crossing“ ganz und gar kein Ostwall-Projekt. Er, Bartsch, habe lediglich ideelle Hilfe in Aussicht gestellt.

Ein Scheck über gerade mal 100 Mark

Auf dem Umweg über eine Münsteraner Kulturstiftung hat sich laut Moenikes kürzlich immerhin eine Holzfirma gefunden, die das Material stellen will — doch auch dazu müßte die Aktion bereits laufen. Also weiter auf Sponsoren-Suche, deren Gesetze Moenikes erst ganz allmählich kennenlernte. Der Verein „pro ruhrgebiet“ etwa habe ihn zwischendurch „monatelang vertröstet“ (Moenikes) und dann abgewunken. Weitere potentielle Förderer wollten abwarten, was die anderen machen.

Gleichwohl will Moenikes die Flucht nach vorn antreten: „Jetzt kommt der Endspurt.“ Er verschickte eine ganze Reihe von Projekt-Infos an Firmen, denen er bereits die mögliche Zahl der werbewirksamen Medien-Kontakte und sogar das Verkehrsaufkommen auf besagten Autobahn-Abschnitten vorrechnet. Der umweltkritische Ansatz ist unterdessen etwas unter die Räder geraten. Für eine autofeindliche Aktion fänden sich eben kaum potente Sponsoren.

Derzeit kommen erste Antworten auf Moenikes‘ Briefe. Eine Dortmunder Kunststoff-Firma sagte 2000 DM für die vielleicht ganz illusorische Ostwall-Vorschau zu, ein Bauunternehmen schickte einen Scheck über gerade mal 100 DM, den Moenikes enttäuscht zurücksandte. Resignation? Moenikes ist frustriert, will sich aber nicht unterkriegen lassen: „Wenn die Sache jetzt nicht läuft, belebe ich sie vielleicht irgendwann mal wieder.“