Was Dachdecker nicht zu erzählen wagen

In letzter Zeit gab’s abermals Anlässe, um über das althergebrachte Handwerk der Dachdecker nachzudenken. Einzelheiten spielen hier keine Rolle. Nur dies: Auf dem fünfstöckigen Nachbarhaus ist gerade eine Firma zugange, es sieht momentweise richtig gefährlich aus.

Immer wieder hört man horrible Geschichten über abgestürzte Dachdecker, auch im berühmten Gedicht „Weltende“ des Jakob van Hoddis kommt bekanntlich ein solches Unglück vor – sogar kollektiv: „Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei…“ Vielleicht rührt auch daher der spezielle, manchmal eher schwarz schattierte Dachdecker-Humor, von dem hier in einem früheren Beitrag die Rede war.

Tollkühne Männer in Baumkronenhöhe (Foto: BB)

Tollkühne Männer in Baumkronenhöhe (Foto: BB)

Heute fiel mir auf, dass die angeblich „brummende“ Konjunktur in einem Online-Nachrichtenportal mal wieder mit einem Foto von Dachdeckern illustriert wurde. In den Debatten um die vorgezogene Rente wurden häufig die Dachdecker als Beispiel für arbeitende Menschen herangezogen, die nicht bis 65 oder gar 67 tätig sein sollten. Der Dachdecker scheint heute so etwas wie der ideelle Gesamt-Arbeiter der Nation zu sein. Er sorgt ja auch für die Krönung des Hauses.

Auf den Tod haben wir schon angespielt, jetzt ist der Sex dran. Als sie nebenan kürzlich das Gerüst aufbauten, dachte ich bei mir, dass die Männer von dort aus so manche Einblicke in die Wohnungen bekommen. Wer weiß, was sie dort alles sehen. Wenn die Gerüstbauer an die Arbeit gehen, ist der Überraschungs-Effekt noch ganz frisch. Sind die Dachdecker an der Reihe, so haben sich die meisten Leute wohl schon gegen ungebetene Blicke gewappnet; es sei denn, sie wären exhibitionistisch veranlagt. Doch das sind ja heute ziemlich viele, vor allem notorische Privatfernsehgucker.

Gerüstbauern und Dachdeckern, so darf man also vermuten, ist visuell nichts Menschliches fremd. Wenn Dachdecker freiweg erzählen könnten, dann würde sich – Verzeihung! – so manche Lattung biegen, so manche Unterspannbahn finge an zu flattern. Und selbst die mausgraue Frankfurter Pfanne (Begriff bitte bei Bedarf in eine geeignete Suchmaschine geben) würde vielleicht ein wenig ziegelrot werden.




Dachdecker-Humor

Zufälle gibt’s! Gestern bekam ich gleich zwei Kostproben des deutschen Dachdecker-Humors. In derselben Straße. Von zwei verschiedenen Betrieben.

Und das kam so:

An einer Straßenecke hatten die Dachdecker der Firma A ihre Lastkraftwagen beidseitig so postiert, dass man mühsam manövrieren musste, um in der Mitte durchzukommen. Wer aber beschreibt mein Entsetzen… Nein, anders. Als ich mich behutsam durchmogle, sehe ich plötzlich im linken Rückspiegel das schmerzverzerrte Gesicht eines Mannes, der laut jaulend auf einem Bein hüpft. Verdammt! Bin ich dem tatsächlich über den Fuß gefahren? Mit welch unabsehbaren Folgen?

Fast ist nicht ganz, Gans ist keine Ente... (Foto: Bernd Berke)

Fast ist nicht ganz, Gans ist keine Ente… (Foto: Bernd Berke)

Für eineinhalb bis drei Sekunden habe ich tatsächlich so etwas befürchtet. Es war ja so eng an der Stelle. Was, wenn ich jetzt das Steuer vor Schreck verrissen hätte? Doch da sehe ich auch schon, dass der „Verletzte“ sich nunmehr vor Lachen biegt und auf die Schenkel klopft. Seine Kollegen röhren derweil aus vollem Halse.

Welch eine fidele Truppe! Welch ein zündender Scherz! Vielleicht simulieren sie sonst tödliche Stürze vom Dach und weiden sich am etwaigen Entsetzen der Passanten? Ich weiß es nicht, empfehle aber das Forschungsfeld zur nachhaltigen Bearbeitung, künftigen Generationen zu Nutz‘ und Frommen.

Doch damit nicht genug. Wenige Stunden später hat die Firma B an der nächsten Einmündung ihre Gerüste aufgebaut. Und siehe da: Die Aufschrift (siehe erschütterndes fotografisches Dokument) kündet gleichfalls von mächtig sprühender Witzeslaune, die mit kaum verhohlener Deckhengst-Attitüde beinahe an gewisse Rohrreiniger-Slogans heranreicht. Und das will was heißen.