Fußballkrimi vor brisantem Hintergrund: „Nach Abpfiff Mord“ von Heinrich Peuckmann

Peuckmann_nach_Abpfiff_MordNicht für jeden ist Fußball nur die zweitschönste Nebensache der Welt. Für manche, leider für immer mehr ist der Fußballplatz auch der Ort, an dem sie ihre Aggressionen ausleben können.

Fußball ist für sie ein Ventil. Rassismus, Beschimpfungen, Polemik bis hin zu Schlägereien, immer mehr Vereine aller Ligen können ein leidvolles Lied davon singen. Diese brisante Thematik bildet den Hintergrund für den Plot des neuesten Krimis von Heinrich Peuckmann: Nach Abpfiff Mord.

In seinem dritten Fall ermittelt Peuckmanns Kommissar Völkel in Leipzig. Dort kämpft ein Verein mit dem Problem andauernder Randale. Eine Zeitlang wurde das Problem totgeschwiegen, stillschweigend geduldet. Denn mehr Zuschauer bedeuten auch mehr Sponsorengelder, so einfach ist die Rechnung, die auch dieser Verein aufmacht. Ben Rossmann, ein junges Nachwuchstalent aus Dortmund, spielt dort – und rein karrieretechnisch sieht es gut für ihn aus. Von der Randele aber hat er schnell genug, energisch spricht er sich dagegen aus. Doch „es sind nur wenige wirklich mutig“ und er steht alleine auf verlorenem Posten mit dieser Haltung. Die meisten Fans zeigen ihm die rote Karte, er wird anonym bedroht und schließlich erschlagen in einem Park neben dem Stadion aufgefunden.

Von Dortmund nach Leipzig

Völkels Sohn Rolf war mit Ben Rossmann befreundet, als beide noch in der Jugend des BVB in Dortmund trainierten. Er bittet seinen Vater, nach Leipzig zu fahren, um dort auf eigene Faust zu ermitteln. Eigentlich hatte Völkel solchen Abenteuern abgeschworen, doch das Verhältnis zu Rolf ist nicht das Beste und er sieht eine Chance, dieses zu verbessern. Völkel macht sich auf nach Leipzig, auf eine abenteuerliche und nicht ungefährliche Suche nach dem Mörder.

Nach Abpfiff Mord ist ein Krimi, der sich bei aller Spannung seinem brisanten Thema behutsam nähert. Weder der Krimi noch das Thema Rassismus und Randale als mittlerweile allgegenwärtige Begleiterscheinungen des Fußballs sind dabei Mittel zum Zweck. Die Gesellschaftskritik ist gut dosiert, sie kommt nicht von oben herab. Bei aller Zeitkritik und der Sorge um Fairness im Sport ist Peuckmanns Liebe zum Fußball, zu seinen Schauplätzen Dortmund und Leipzig sowie nicht zuletzt zu seinen eigenen Protagonisten gut zu spüren.

Peuckmann nimmt kein Blatt vor den Mund, tut dies aber sachkundig und sorgfältig. Die Unterschiede zwischen Ultras, Hooligans und Neonazis arbeitet er sorgsam heraus. Kann ja auch nicht schaden, das wird ja gerne mal alles in einen Pott geworfen. Ein echter Zugewinn an Wissen für diejenigen unter den Lesern, die sich bisher nicht so eingehend mit der Thematik beschäftigt haben.

Der Kommissar als Optimist

Peuckmann schreibt flüssig, aber nicht glatt. Bei aller Brisanz und Bedrückung ist immer noch Platz für eine humorvolle Bemerkung am Rande und eine Rahmenhandlung um den Kommissar. Dieser kommt nach einem bewährten Muster daher: Kommissar im Ruhestand, schwierige Familienverhältnisse zu seinen Kindern, kann sich noch nicht so ganz mit seinem Ruhestand abfinden – aber das ist es auch an Gemeinsamkeiten mit den einsamen Wölfen aus bekannten, beliebten skandinavischen Krimis. Peuckmanns Völkel ist ein Optimist, er rafft sich immer wieder auf, hat Spaß am Genuss und einen offenen Blick für seine Umwelt.

Der Krimi als solcher ist handwerklich sorgfältig gemacht. Dankenswerterweise spart der Autor sich epische Charakterstudien, die handelnden Personen sind dennoch gut vorstellbar und bleiben dem Leser nicht fremd. So ist der Krimi auch für nicht so fußballaffine Leser gut lesbar und spannend. Im Erzählfluss bleibt Peuckmann nahe an seinem Kommissar, so dass sich der Leser immer auf gleichem Stand wie der Kommissar befindet und wohl auch eher geneigt ist, sich auch mit dem brisanten Hintergrundthema auseinanderzusetzen. In Summe ist Nach Abpfiff Mord eine solide, aufrichtige Erzählung, die mit Zeitkritik nicht hinter dem Berg hält, aber gut zeigt, dass die ehrlichen Fans sich die Liebe zum Fußball auch nicht so schnell nehmen lassen.

Heinrich Peuckmann war lange Jahre als Lehrer am städtischen Gymnaisum in Bergkamen tätig. Als Schriftsteller hat er Gedichte, Erzählungen, Romane, Essays, Reportagen, Theaterstücke, Hörspiele, Kinderbücher und Krimis veröffentlicht. Unter anderem ist er auch Mitglied des Pen-Zentrums-Deutschland und in der Krimiautorenvereinigung „Das Syndikat“. Mehr über den Autor erfahren kann man auf seiner Internetseite heinrich-peuckmann.de

Heinrich Peuckmann: „Nach Abpfiff Mord“. Lychatz Verlag, Leipzig. 241 Seiten, €9,95




„Starkes Stück Mord“: Revier ist Krimiland – Autoren aus ganz Deutschland kommen zur „Criminale“

Von Bernd Berke

Im Westen. Früher war das Ruhrgebiet vor allem Schauplatz sozialkritischer Literatur, heute ist es Krimiland. Nur folgerichtig. daß sich rund 80 literarische Mord-Spezialisten aus ganz Deutschland diesmal im Revier treffen.

Erstmals hat die Autorenvereinigung „Das Syndikat“ nicht öde Büchereien als Tagungs- und Lesungsorte ausgesucht. Auf Einladung des Sponsors IBA (Internationale Bauausstellung Emscherpark) kommt man vom 25. bis 28. Mai zur „Criminale ’94“ in Zechen und Industriehallen zusammen.

Autor und Mitorganisator Walter Wehner: „Es herrscht dort eine Atmosphäre, bei der man literarisch kaum noch etwas bieten müßte. Dreht man nur das Licht aus, ist es schon wie im Krimi.“ Sein Kollege Reinhard Junge befindet gar, das Ruhrgebiet entfalte womöglich die größten kriminellen Aktivitäten in ganz Europa. Woran er wohl dabei denkt?

Natürlich soll in Bochum, Gelsenkirchen, Essen und Duisburg das Grusel-Ambiente den Autoren nicht die Worte rauben. Literarische Qualität darf’s schon zusätzlich sein. Der Abend „Ein starkes Stück Mord“ bleibt dem Revierkrimi vorbehalten. Diesen Begriff hören Regionalmatadoren wie Leo P. Ard oder Reinhard Junge übrigens nicht gern. Man spreche ja auch bei Edgar Wallace nicht von London-Krimis.

Lust auf literarische Verbrechen machen schon Veranstaltungstitel, etwa die femininen Meucheleien „Frauen morden einfach besser“, moderiert von der Dortmunderin Sabine Deitmer („Bye-bye, Bruno“) oder Euro-Varianten wie „Die Leiche am Deich“ (Niederlande) und „Gift im Baguette“ (Frankreich). Europa stirbt, es lebe Europa.

Den Schlußpunkt setzt am 28. Mai die Verleihung des mit 10.000 DM höchstdotierten deutschen Krimi-Preises. Der nach dem Schweizer Autor benannte „Glauser“ soll – wie üblich – in kleinen, nicht fortlaufend numerierten Scheinen ausgezahlt werden.

Programm-lnfos: 0234/772275 oder 0209/1703-0.