Ausstellung in der Dortmunder DASA knöpft sich „Konflikte“ vor

Diese Ausstellung beginnt buchstäblich bei Adam und Eva – präsent durch eine Gemälde-Reproduktion. Am biblischen Anbeginn der Menschheit erleben sie, wie unversehens Sünden und damit Konflikte in die Welt geraten. Mit Kain und Abel, die hier nicht direkt vorkommen, steuert schon die Frühzeit auf eine Eskalation zu.

„Gartenzwerg-Olympiade“ vor angriffslustigem Rot: Die Platzierung zeigt an, worüber sich Nachbarn in Deutschland am häufigsten vor Gericht streiten. (Foto: Bernd Berke)

Den schlichten Titel „Konflikte“ trägt die neue Schau in der Dortmunder DASA (Arbeitswelt Ausstellung). Sie kommt vom inhaltlich ähnlich gelagerten Museum der Arbeit aus Hamburg und zieht das Thema hie und da an Beispielen aus dem hohen Norden auf. Doch im Grunde bewegt sie sich auf universalem Gelände. Kurator Mario Bäumer hat all die Denkanstöße just in Zeiten zwischen hitzigen Corona-Debatten und Krieg in der Ukraine arrangiert. Beides wird nicht konkret aufgeführt, ist aber stets gegenwärtig.

Bist du Hai oder Teddybär?

Knapper Platz, weiter Horizont: Auf rund 280 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird das Thema praktisch von allen Seiten her angegangen. Gleich zu Beginn dürfen an Medienstationen 20 einschlägige Gewissens-Fragen beantwortet werden, danach ist einigermaßen geklärt, welcher Konflikttyp man sei, z. B. Eule, Fuchs, Hai, Teddybär oder Schildkröte. Aha. Mit diesem etwas wackligen Wissen gerüstet, geht’s auf den kurzen Parcours. Doch welch‘ weites Feld zwischen Alltag und Wissenschaft tut sich hier auf!

Alle streiten miteinander – Faltblatt-Titelbild zur „Konflikt“-Ausstellung. (© ungestalt, Leipzig / DASA)

All das wird möglichst sinnlich vermittelt. Da finden sich etwa kleine dreidimensionale Schaubilder (sozusagen Mini-Dioramen) mit typischen Konflikt-Situationen. Zwei Figuren tragen einen symbolischen Streit um eine Orange aus. Ob sie sich jemals einigen können? Zahllose Lösungsvorschläge stehen auf Zetteln, die bereits vom Publikum in Hamburg beigesteuert worden sind. Anhand von bunten Gartenzwergen, die auf ein Siegerpodest gestellt werden dürfen (Platz 1, 2, 3 etc.), soll geraten werden, worüber sich Nachbarn in Deutschland am häufigsten vor Gericht zanken: Lärm, Parkplätze, Haustiere, Grundstücksgrenzen? Zuvor ist zu sehen, dass veritable Äpfel in zwei Kisten mit den Aufschriften „Konflikt“ und „Empörung“ angehäuft sind. Auch da gilt es zu wägen und zu differenzieren – in diesem Falle wortwörtlich mit „Zank-Äpfeln“.

Sauertöpfische Ermahnungen

Im Laufe des assoziativen Rundgangs begegnen uns etliche Konflikt-Sorten – vom inneren Konflikt und Beziehungskonflikten über den Generationenkonflikt und den derzeit mal wieder aktuellen Arbeitskampf bis hin zum erbitterten Streit um Denkmäler (Bismarck vs. Heinrich Heine) oder zum schwelenden familiären Konflikt bei Tisch: Eine Schauspielerin bringt dort via Film lauter sauertöpfische Ermahnungen zu Benimmregeln vor. Wer da nicht aus der Haut fährt! Wer mag, kann gleich nebenan auf zwei frontal zueinander aufgestellten Stühlen Platz nehmen und „Gehaltsverhandlungen“ führen. Einige Argumente pro und kontra lassen sich vom Schreibtisch ablesen. Wie praktisch! Gegen Schluss wird, sozusagen pflichtgemäß, auch noch der Konflikt ums Klima angetippt, recht übersichtlich mit der Frontstellung Aktivistinnen gegen beharrende Kräfte.

Spezieller Konflikt: entspannt nachgestellte Gehaltsverhandlung in der DASA-Schau. (Foto: Pia Kiara Hilburg)

Zwischendurch erhebt sich mehrfach die grundsätzliche Frage: Was ist überhaupt ein Konflikt? Ist ein kriegerischer Überfall oder auch eine Vergewaltigung noch ein „Konflikt“ – oder sind sie nicht vielmehr jäh in ein ganz anderes Stadium getreten? Müsste es bei einem Konflikt nicht noch irgend etwas zu verhandeln geben, müssten Kompromisse nicht wenigstens denkbar sein?

Ohne Konflikt kein Wandel

Aus anderer Perspektive fragt sich: Haben viele Konflikte nicht auch ihr Gutes und Notwendiges? Im Gefolge des Philosophen Georg Simmel, der zuerst ausdrücklich auf solche Gedanken kam, präzisierte später der Soziologe Ralf Dahrendorf die Bedeutung von Konflikten, mit denen häufig gesellschaftlicher Wandel angestoßen wird. Ohne Konflikte keine Veränderung. So manche Auseinandersetzung bringt eben mehr als (falsche, verlogene) Harmonie.

Allerdings geht es auch um den vernünftigen Umgang mit Konflikten, die – wiederum animalische Klischees – nach Art eines aggressiven Wolfes oder einer höhengerecht umsichtigen Giraffe betrieben werden könnten. Die Tiere verkörpern Gut und Böse, als gäb’s nicht allzu viel dazwischen. Doch eigentlich macht die Schau feinere Unterschiede und zieht dabei auch allerlei Chancen zur Vermittlung (Mediation) in Betracht.

Vielleicht könnten die derzeit offenbar zerstrittenen Habeck, Lindner, Scholz, Baerbock & Co. ja mal eben in der Dortmunder DASA vorbeikommen und über ihre ständigen Ampel-Konflikte nachsinnen. Sollte Olaf Scholz etwa ein Teddybär sein? Oder doch ein Fuchs?

„Konflikte. Die Ausstellung“. 24. März 2023 bis 28. Januar 2024. DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1-25. Geöffnet Mo-Fr 9-17, Sa/So 10-18 Uhr. Eibtritt 6 Euro, ermäßigt 3 Euro, Kinder/Jugendliche bis 18 Jahre frei. Begleitprogramm mit Workshops, u. a.  für Schulklassen (Besucherservice: 0231 / 9071-2645).

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Ausstellung in der Dortmunder DASA: „Künstliche Intelligenz“ – Wer sie steuert und wer sie erleidet

Eine solche Bildschirmwand, wie sie jetzt in der DASA steht, kann das ungreifbare Phänomen „Künstliche Intelligenz“ nur sehr unzureichend illustrieren. Das Thema entzieht sich vielfach einer leicht fassbaren Bebilderung. (Foto: Bernd Berke)

Nanu? Da steht man in einer Art Spiegelkabinett und glaubt, es ginge nun auch noch durch ein Labyrinth hindurch. Leichte Irritationen im Eingangsbereich der neuen Schau in der Dortmunder DASA (Arbeitswelt-Ausstellung). Sie entsprechen dem Thema, geht es doch ums Für und Wider der „Künstlichen Intelligenz“ (KI); ein vielfältiges Phänomen, das für Verunsicherung sorgt.

Der Rundgang führt durch allerlei Anwendungsgebiete der Künstlichen Intelligenz. Es gibt keine Ruhrzonen: Überall flackern Videos, an vielen Stellen locken Mitmach-Gelegenheiten und stiften zur Aktivität an. Die Spannweite reicht vom mittlerweile schon recht gewöhnlichen Staubsaug-Roboter bis zur „mitdenkenden“ Zahnbürste, vom virtuell hochgerüsteten Spiegel bis zum (hundeförmigen) Möbelstück, das auch schon mal gestresste Menschen zum Hinsetzen auffordert; vom maschinell überprüften Müllsortieren (testen Sie doch spaßeshalber mal die Anzahl Ihrer „Fehlwürfe“) bis zur Apparatur, die den Inhalt von Zeichnungen erkennen und benennen soll, damit aber schnell überfordert ist.

Derlei Unvollkommenheit ist beinahe schon tröstlich. Doch die Technik wird immer ausgefeilter, sie lernt sozusagen hinzu und wird sich vielleicht eines Tages vollends über die Menschen erheben. Vor allem dann, wenn wir sie immer weiter mit schier endlos vielen Daten füttern. Just davon lebt die Künstliche Intelligenz, die noch dazu Unmengen an Energie verbraucht und für deren Chips Rohstoffvorkommen rabiat ausgebeutet werden.

Wenn das „autonome“ Auto über Leben und Tod entscheidet

Wollen wir wirklich in rundum vernetzten Häusern leben, in denen die Gegenstände irgendwann alles besser wissen als wir? Wollen wir mit „autonomen“ Autos fahren, die in brenzligen Fällen für uns Blitz-Entscheidungen auf Leben und Tod treffen? Wollen wir diesen gruseligen Mischwesen aus Mensch und Maschine begegnen, mit deren Vorläufern wir hier schon mal erste Bekanntschaft machen können? Soll es so weit kommen wie in der DASA, wo in einer Ecke die Horch- und Sprech-Systeme Siri und Alexa miteinander streiten, wer denn nun wem überlegen sei? Oder sollten wir die Dinger einmotten, bevor sie uns Befehle erteilen?

Weder gerecht noch inklusiv

In der DASA herrscht Skepsis. Künstliche Intelligenz, so argwöhnt das vielköpfige Ausstellungs-Team (und legt solches Misstrauen auch uns nahe), diene bislang vorwiegend privatwirtschaftlichen Interessen. Sie schwebt nicht etwa aus dem Nirgendwo herbei, sondern ist allemal menschengemacht, programmiert und gesteuert. Dabei, so eine weitere, nicht nur zeitgeistgemäße These, gehe es weder geschlechtergerecht noch anderweitig egalitär oder inklusiv zu, sprich: KI sei überwiegend eine von weißen Männern für ihresgleichen betriebene Angelegenheit.

Nach keinesfalls transparenten Kriterien werden per KI Wohnungen, Jobs oder Kredite vergeben bzw. verweigert, werden Menschen einsortiert und kontrolliert. Auch kostet die Technologie höchstwahrscheinlich etliche Arbeitsplätze. In der DASA kann man an einer Station seinen Beruf eingeben – und sogleich ablesen, wieviel Prozent der Stellen im jeweiligen Tätigkeitsfeld künftig wohl verloren gehen. Probe aufs Exempel mit einer Mitarbeiterin der Ausstellung: In ihrem Beruf werden durch KI angeblich 22 Prozent der Stellen entfallen. Das hört sich noch vergleichsweise glimpflich an. Kurz darauf erfasst einen eine Kamera und gibt per Bildschirm Rückmeldung über den „Schönheits-Index“, den sie einem zubilligt. Bloß nicht persönlich nehmen! Wer weiß, wer da welche Maßstäbe vorgegeben hat.

Hoffnung auf Veränderbarkeit

Zurück zur Erkenntnis, die Künstliche Intelligenz sei menschengemacht. Daraus lässt sich Hoffnung schöpfen, ebnet es doch eventuell Wege zur Veränderbarkeit. Oder sind nur noch kleine Fluchten aus einer Zukunftswelt möglich, die in den Grundzügen längst vorgezeichnet ist? Immerhin lernen wir die eine oder andere Strategie kennen, mit der sich gleichsam „Sand ins Getriebe“ der Künstlichen Intelligenz streuen ließe. Amüsiert, ja schadenfroh vermerken wir’s: Da gibt es beispielsweise spezielle Masken oder ablenkende T-Shirt-Aufdrucke, mit denen man die auf KI basierende Gesichtserkennung überlisten kann. Mit einem speziellen Hütchen, flugs über Alexa-Lautsprecher gestülpt, lässt sich „weißes Rauschen“ erzeugen und somit verhindern, dass das Gerät einen abhört. Findig auch der Künstler, der Dutzende von eingeschalteten Handys auf einem „Bollerwagen“ hinter sich her zog und damit den Navi-Programmen einen Autostau auf seiner Strecke vorgaukelte.

Jetzt aber doch noch das Positive, das utopische Potential! Als Ahnung zeigt sich auch dies: Anders als bisher gehandhabt, könnte Künstliche Intelligenz die Städte lebenswerter machen, indem sie hilft, z. B. Verkehrs- und Energieströme sinnreicher zu lenken oder soziale Projekte zu flankieren. Es ließen sich Modelle entwerfen, mit denen man Mechanismen des Klimawandels noch besser versteht und gezielter darauf reagieren kann. Auch sind KI-gestützte Erfolge im Kampf gegen den Krebs und andere Krankheiten vorstellbar. Sollten wir etwa doch noch auf bessere Zeiten zusteuern?                                       

DASA, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1. Bis 9. August 2022. Geöffnet Mo-Fr 9-17, Sa/So 10-18 Uhr.

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(Anschließend wandert die Schau nach Wien, Stockholm und Granada).




„Heilen und Pflegen“: Neue DASA-Dauerschau zielt auf Wertschätzung fürs Gesundheitswesen ab

Mit 3D-Brille, Bildschirmen und hochsensitiven OP-Sticks: Ein DASA-Mitarbeiter führt eine virtuelle Operation am rund 120.000 Euro teuren Übungsgerät vor. (Foto: Bernd Berke)

Ich hab’s nicht durchgehalten. Habe keine Standfestigkeit bewiesen, als diese vermaledeite Bodenplatte heftig zu wackeln begann. Wer macht’s besser, einbeinig stehend und dann ganz plötzlich durchgerüttelt?

Wo ich gewesen bin? Auf einer der bei Ausstellungsmachern und beim Publikum so beliebten Mitmach-Stationen, konkret: in der DASA (Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung), die jetzt ihre völlig neu gestaltete Abteilung zum Thema „Heilen und Pflegen“ eröffnet hat – nach rund drei Jahren Planung und Umbau; gerade recht zu einem Zeitpunkt, wo man das Haus jetzt wieder ohne Zeitfenster-Termin und Test besuchen kann.

Kuratorin hospitierte eigens im Dortmunder Klinikum

An vielen Details merkt man, dass die technischen Möglichkeiten sich seit der vorherigen Themen-Aufbereitung (aus dem Jahr 2000) schon wieder gründlich gewandelt haben. Ko-Kuratorin Katrin Petersen (mit Sarah-Louise Rehahn) und ihr Team wollten keine halben Sachen machen. Frau Petersen, von Haus aus Kulturwissenschaftlerin, hat eigens eine Woche im Dortmunder Klinikum (Intensivstation, Notaufnahme) hospitiert und ist auch beim Rettungseinsatz mitgefahren. Gespräche mit vielen Praktikern sollten das Ausstellungs-Konzept realistisch unterfüttern. Dabei hat sich wohl die Zielsetzung konkretisiert, die Heil- und Pflegeberufe im günstigen Licht darzustellen. Die Ausstellung ist denn auch – wie es sozusagen im Kleingedruckten heißt – Bestandteil der „Konzertierten Aktion Pflege“ der Bundesregierung („Handlungsfeld VIII: Wertschätzung und Anerkennung“).

Kuratorin Katrin Petersen im angeregten Dialog mit dem Roboter „Pepper“, der hie und da als unterhaltsame Aushilfskraft in der Pflege eingesetzt wird. (Foto: DASA)

Das Gesundheitswesen steht bekanntlich auf der Tagesordnung, es ist im Laufe der Pandemie oft genug beredet worden, vom berühmt-berüchtigten, weil wohlfeilen „Balkonklatschen“ für Heil- und Pflegekräfte bis hin zu deren Arbeitsbedingungen und der (oft mangelnden) Wertschätzung. Letztere, so das erklärte Ziel der DASA-Schau, soll nachdrücklich befördert werden. Überdies will man reges Interesse am Berufsfeld wecken, dem in Deutschland insgesamt rund 5,7 Millionen Menschen angehören. Da ist dann aber auch so ziemlich alles dabei, mitsamt Verwaltungen, Krankenkassen und Pharma-Industrie, jedoch ohne die bloßen Wellness-Branchen. Lust auf Gesundheitsberufe? Nun ja: Auch hier bestimmt wesentlich das Sein (u. a. in Form fairer Entlohnung) das Bewusstsein.

Einmal selbst die Diagnose stellen

Nun aber auf die Strecke! Gleich eingangs begrüßt einen ein innerlich allseits verdrahteter, gläserner Mensch, Nachbau eines Dresdner Exemplars fürs Hygienemuseum von 1930. Wie das Original, so hebt auch diese Glasfigur ihre Hände in geradezu heilsverkündender Pose. Ursprünge in der Lebensreform-Bewegung der 1920er Jahre sind noch zu erahnen.

Der allseits transparent gestaltete Rundgang folgt sodann einem typischen Verlauf von Krankheit und Genesung: Es beginnt mit der Diagnose und führt über Rettung und Heilung hin zur nachfolgenden Therapie und zur Pflege. Inmitten all dieser Themenbereiche befindet sich eine Ruhezone, die nicht zuletzt daran erinnern soll, dass die Beschäftigten im wahrhaft „systemrelevanten“ Gesundheitswesen meist kaum Zeit für erholsame Pausen haben.

Nicht nur auf der anfangs erwähnten Schüttel-Station (ein Gerätetypus, mit dem auch schon zahllose verletzte Fußballer Teilübungen ihrer Reha absolviert haben) kann man seine Fähigkeiten erproben. Mehrfach gibt es solche Haltepunkte, an denen man selbst aktiv werden darf. In der ersten Abteilung gilt es (mit einer an der Berliner Charité entwickelten Simulation), ein virtuelles Kind z. B. auf eine Masern-Erkrankung zu untersuchen und sich einer schlüssigen Diagnose zu nähern. Zusätzlicher Clou: Fachbesucher-Gruppen können sich auf einem höheren Level zuschalten lassen, auf echtem Expertenniveau.

Was ist was? Diverse Krankheitserreger im Modell. (© DASA)

Vorbei geht’s an buchstäblich griffigen Modellen von Krankheits-Erregern (hier mal ohne Covid, aber mit etlichen anderen Bedrohungen), die auch wirklich zum Anfassen gedacht sind. Vielleicht werden Leute vom „Team Vorsicht“ damit noch bis zu den gaaaanz niedrigen Inzidenzen warten, die hoffentlich bald anliegen.

Hinein ins Rettungsfahrzeug

In der Nähe der Erreger-Modelle findet sich auch das vielleicht bizarrste Ausstellungsstück, der sogenannte „Blaue Heinrich“, ein transportabler, halbwegs diskreter Spucknapf für die Handtasche, seinerzeit gedacht für etwaigen Tuberkulose-Auswurf…

Im folgenden Rettungsbereich erwartet einen das größte Exponat, ein weitgehend originalgetreues Einsatzfahrzeug für den Notfall, das freilich keine Räder hat. Allerdings kann man sich in aller Ruhe das komplette Innenleben ansehen, ohne Angst und Stress, weil es ja eben kein Ernstfall ist. Der wiederum wird in einem dreidimensionalen „Wimmelbild“ mit Spielzeug nachgestellt. Knapp erwähnt werden dabei auch Attacken auf Unfallhelfer, aber da alles möglichst positiv sein soll, wird das unfassbare Phänomen nicht weiter verfolgt. Ebenso ausgespart bleiben etwa die Auswüchse diverser Sparwellen im Gesundheitswesen. Und auch der Tod, der nun einmal hinzu gehört, ist höchstens indirekt gegenwärtig. Hier wird er gleichsam überwunden und des Hauses verwiesen.

Hochmodernes Trainingsgerät für Operationen

Zurück auf den Parcours: Im OP-Bereich lassen sich Geschicklichkeitsübungen vollführen. Entweder versucht man mit einem Gestänge Fäden durch Ösen zu ziehen (gar nicht so leicht), oder man begibt sich gleich zu einem im wirklichen Medizinerleben verwendeten, virtuellen Trainingsgerät mit allem kostspieligen Komfort. Durch die Apparatur wird sogar die Haptik der menschlichen Organe übermittelt. Hier sollte man aber nicht selbst auf gut Glück loslegen, sondern auf eine Vorführung oder wenigstens Anleitung warten. Als Kontrast zur hypermodernen Technik sind in einer Vitrine historische Gerätschaften wie etwa chirurgische Handbohrer (um 1900) zu besichtigen. Ganz schön gruselig.

In den letzten Abteilungen geht’s ums Therapieren und Pflegen, wobei „Pepper“ seinen Auftritt hat, ein putziges Roboter-Kerlchen, das freilich das Pflegepersonal allenfalls mit kleinen Handreichungen zu entlasten, aber bislang keineswegs zu ersetzen vermag. Für (Quiz)-Spielchen mit Senioren oder Rekonvaleszenten steht Pepper allerdings bereit. Auf die Standard-Frage, ob er wirklich helfen könne, gibt er mit seiner niedlichen Stimme lieber gleich zu: „Wenn ich Kaffee bringe, geht die Hälfte daneben.“ Ein Schelm, der das programmiert hat.

DASA-Leute erproben Geräte in der Therapie- und Pflegeabteilung, ganz vorn der Fahrrad-Simulator mit Weltreise-Funktion. (Foto: Andreas Wahlbrink)

Weltreise mit dem Fahrrad

Neben Hi-Tech-Rollstühlen, Prothesen und ähnlichen Hilfsmitteln gibt es in diesem Bereich noch eine Station, an der man per Trainingsfahrrad in aller Welt unterwegs sein kann; ganz gleich, ob am Dortmunder Friedensplatz, in Brasilien oder Tasmanien – virtuell, versteht sich, aber ziemlich realistisch. Man strampelt tüchtig, sieht was von der weiten Welt und wird allmählich wieder fit.

Vertiefende Informationen zu all dem kann man sich an einigen Medienstationen verschaffen. Die Reihe der hierzu bereitgestellten Therapie-Liegestühle erinnert von fern her fast an eine Kur-Terrasse à la Thomas Manns „Zauberberg“. Sie ist aber deutlich nüchterner geraten als etwaige historische Vorbilder.

Dauerausstellung „Heilen und Pflegen“ auf knapp 800 Quadratmetern im Obergeschoss der DASA Arbeitswelt Ausstellung (angegliedert an die Bundesanstalt für Arbeitsschutz), Friedrich-Henkel-Weg 1-25, 44149 Dortmund.

Öffnungszeiten Mo-Fr 9-17, Sa/So 10-18 Uhr. Tel. Besucherservice: 0231 / 9071-2645. Eintritt wegen dauerhafter Inzidenz unter 50 jetzt ohne Test möglich, noch bis 13. Juni mit Termin-Anmeldung, danach ohne Zeitfenster.

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Corona-Update: Alles dicht! – Dortmunder Kultur-Absagen und tägliche Ergänzungen aus dem Revier

Ein Blick in den Zuschauerraum des Dortmunder Konzerthauses, das 1500 Plätze hat und  selbstverständlich auch von Absagen betroffen ist. (Foto: Bernd Berke)

Hier am Anfang zunächst der Stand vom 11. März, ständige Aktualisierungen weiter hinten:

Ausnahmsweise werden hier zwei ausführliche Pressemitteilungen aus den Dortmunder Kulturbetrieben wörtlich und unkommentiert wiedergegeben – weil es hier vor allem auf die sachlichen Details ankommt und nicht auf diese oder jene Meinungen.

Im Anhang folgen weitere Informationen, auch aus anderen Revier-Städten. 

Zuerst eine ausführliche Übersicht zu städtischen Kulturveranstaltungen, die in den nächsten Wochen ausfallen werden, übermittelt von Stadt-Pressesprecherin Katrin Pinetzki.

Danach eine gleichfalls längere Aufstellung aus dem Dortmunder Mehrsparten-Theater, auch das Konzerthaus betreffend, übermittelt von Theater-Pressesprecher Alexander Kalouti.

Wir zitieren:

„Öffentliche Kulturveranstaltungen fallen bis Mitte April aus – Museen, Bibliotheken und U bleiben geöffnet – Unterrichtsbetrieb in VHS- und Musikschule läuft weiter

Die Kulturbetriebe der Stadt Dortmund, das Theater Dortmund und das Konzerthaus Dortmund sagen alle ihre öffentlichen Veranstaltungen bis Mitte April ab. Die Regelung gilt ab morgen (12. März) und ist unabhängig von der Zahl der erwarteten Besucherinnen und Besucher. Damit hofft die Stadt, Infektionsketten zu unterbrechen und die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.

Es fallen aus:

  • Vorstellungen und Veranstaltungen im Konzerthaus Dortmund,
  • Vorstellungen und Veranstaltungen im Theater Dortmund: Oper, Ballett, Schauspiel, Kinder- und Jugendtheater, Konzerte, Akademie für Theater und Digitalität,
  • Veranstaltungen, Ausstellungseröffnungen und Führungen in den Städtischen Museen: Museum Ostwall im Dortmunder U, Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Westfälisches Schulmuseum, Kindermuseum Adlerturm, Hoesch-Museum, Brauerei-Museum, schauraum: comic + cartoon,
  • städtische Veranstaltungen im Dortmunder U (z.B. auf der UZWEI, in der Bibliothek „Weitwinkel“, Veranstaltungen in der Reihe „Kleiner Freitag“),
  • Veranstaltungen und Festivals im Dietrich-Keuning-Haus (der Kinder- und Jugendbereich hat geöffnet!),
  • Lesungen und andere Veranstaltungen in den Bibliotheken und im Studio B,
  • Konzerte und Veranstaltungen der Musikschule (der Unterricht findet statt!),
  • Vorträge und andere Veranstaltungen der VHS (die Kurse und Workshops finden statt!),
  • Vorträge, Lesungen und andere Veranstaltungen in Stadtarchiv und in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache,
  • Konzerte und andere Veranstaltungen im Institut für Vokalmusik,
  • Spaziergänge und Fahrradtouren zur Kunst im öffentlichen Raum,
  • Veranstaltungen des Kulturbüros (Ausstellungseröffnungen im Torhaus Rombergpark, Gitarrenkonzerte in der Rotunde).

(…)

Der Kartenverkauf für Konzerte und Aufführungen in Theater und Konzerthaus für Vorstellungen nach Ostern läuft weiter.

Alle Theater- und Konzerthauskunden, die von den Vorstellungsausfällen betroffen sind, werden kontaktiert. Wenn möglich, werden ausfallende Vorstellungen nachgeholt. Die Kunden werden über mögliche neue Termine sowie die Rückgabe von Tickets benachrichtigt.“

Weitere Informationen gibt es auf den Webseiten von Konzerthaus und Theater und auf www.dortmund.de

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Blick aufs Dortmunder Schauspielhaus. (Foto: Bernd Berke)

Wichtige Informationen zu den Vorstellungen des Theaters Dortmund und des Konzerthauses Dortmund:

„Alle Vorstellungen bis einschließlich 15. April 2020 finden nicht statt.

Aufgrund des Erlasses der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen finden im Konzerthaus Dortmund und im Theater Dortmund bis einschließlich 15. April 2020 keine öffentlichen Veranstaltungen statt. Konzerthaus-Intendant Dr. Raphael von Hoensbroech und der Geschäftsführende Direktor des Theater Dortmund Tobias Ehinger unterstützen diese Vorgabe und bedauern zugleich, dass so viele erstklassige Konzerte und Vorstellungen abgesagt werden müssen.

Alle Kunden, die von den Vorstellungsausfällen betroffen sind, werden informiert. In den kommenden 14 Tagen arbeiten wir intensiv daran, für die ausgefallenen Vorstellungen Ersatztermine zu finden. Die Ticketingstellen beider Häuser haben weiterhin geöffnet und der Kartenverkauf für Veranstaltungen nach Ostern läuft weiter. Das Restaurant Stravinski und die Klavier & Flügel Galerie Maiwald am Konzerthaus Dortmund bleiben ebenfalls bis auf weiteres geöffnet.

Das Konzerthaus Dortmund bietet für seine Eigenveranstaltungen folgende Regelungen: Für Ersatztermine behalten Tickets ihre Gültigkeit. Sollten Kunden an dem neuen Termin verhindert sein, wenden sie sich bitte telefonisch an das Konzerthaus-Ticketing unter T 0231 – 22 696 200. Sollte kein Ersatztermin gefunden werden, sendet das Konzerthaus an die Kunden einen Gutschein über die Höhe des gezahlten Kartenpreises, der für alle kommenden Veranstaltungen im Konzerthaus Dortmund einlösbar ist. Bei weiteren Fragen zur Rückerstattung steht das Ticketing ebenfalls gerne zur Verfügung. Für Partnerveranstaltungen können abweichende Regelungen gelten.

Das Theater Dortmund bietet folgende Regelungen: Bei Nichtwahrnehmung des Ersatztermins können die Karten vor dem jeweiligen Ersatztermin umgetauscht werden. Darüber hinaus bietet das Theater Dortmund folgende Kulanzregelungen für die Kartenrücknahme an: Kunden können die für diesen Zeitraum im Vorverkauf bereits erworbenen Karten bis Ende der Spielzeit 2019/20 im Kundencenter unter Vorlage der Originalkarten in spätere Alternativvorstellungen eintauschen oder in Wertgutscheine umwandeln. Bei Abonnentinnen und Abonnenten können die Karten in Abo-Gutscheine innerhalb der jeweiligen Sparte umgewandelt werden, die aus Kulanz auch für die nächste Spielzeit einlösbar sind. Karten, die bei externen Vorverkaufsstellen erworben wurden, können nur an diesen zurückgegeben werden. Für Rückfragen steht das Ticketing des Theater Dortmund unter der Telefonnummer 0231 – 50 27 222 gerne zur Verfügung.

Wir stehen weiterhin in engem Kontakt mit den zuständigen Behörden und informieren auf unseren Websites über alle weiteren aktuellen Entwicklungen, die den Spielbetrieb unserer Häuser betreffen.“

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Ausgewählte Ergänzungen (ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit)

12. März:

Die Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung DASA hat die für 28./29. März geplante „Maker Faire Ruhr“ abgesagt, ein Erfinder- und Mitmach-Festival, das im Vorjahr einige Tausend Besucher(innen) mobilisiert hat. Nachtrag am 16. März: Die DASA schließt jetzt bis auf Weiteres ganz.

Die in Dortmund ansässige Auslandsgesellschaft streicht bis zum 15. April alle öffentlichen Veranstaltungen.

Das Szenetheater „Fletch Bizzel“ folgt dem Beispiel der städtischen Kultureinrichtungen und sagt alle Veranstaltungen bis Mitte April ab.

Auch im Fritz-Henßler-Haus gibt es bis Mitte April keine öffentlichen Auftritte.

Im Dortmunder Literaturhaus ist ebenfalls bis 15. April Veranstaltungs-Pause.

Die Messe „Creativa“ in den Dortmunder Westfalenhallen ist gleichfalls abgesagt und auf Ende August verschoben worden.

13. März:

Theater Dortmund: Alle Sparten haben ihre Spielpläne für diese und die kommende Saison gründlich umgeschichtet.

Schauspielhaus Bochum: Keine Veranstaltungen mehr (auch nicht mit weniger als 100 Personen). Sämtliche Aufführungen fallen aus – vorerst bis 19. April. Ähnliches gilt fürs Theater an der Ruhr in Mülheim, fürs Theater Oberhausen und das Westfälische Landestheater (WLT) in Castrop-Rauxel.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) streicht alle öffentlichen Veranstaltungen in seinen Einrichtungen und schließt ab morgen (14. März) seine insgesamt 18 Museen, darunter das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, das Westfälische Industriemuseum mit seiner Zentrale in Dortmund (Zeche Zollern) und das LWL-Museum für Archäologie in Herne.

Das Duisburger Lehmbruck-Museum bleibt ab Samstag (14. März) zunächst bis zum 19. April geschlossen.

Das Museum Folkwang in Essen und das Emil Schumacher Museum in Hagen setzen alle Veranstaltungen bis auf Weiteres aus.

Die Kunstmesse Art Cologne (geplant für April) ist abgesagt worden.

14. März:

Das „Dortmunder U“ und das Museum Ostwall (im „U“) haben alle Veranstaltungen gestrichen. (Inzwischen ist das Haus geschlossen).

Dortmund: Keinerlei öffentliche Veranstaltungen mehr

15. März:

In einer Sondersitzung hat der Verwaltungsvorstand der Stadt Dortmund gestern beschlossen, dass ab heute (Sonntag, 15. März) bis auf Weiteres keinerlei öffentliche Veranstaltungen mehr stattfinden dürfen. Gaststätten und Restaurants dürfen vorerst geöffnet bleiben.

Museen, Bibliotheken und Sportstätten geschlossen

Der Krisenstab der Stadt Dortmund hat heute (Sonntag, 15. März) getagt und angeordnet, Kultur- und Freizeiteinrichtungen zu schließen. In diesem Sinne werden bis auf Weiteres die städtischen Museen, die VHS, die Bibliotheken und die Musikschule sowie die städtischen Hallenbäder, Sporthallen und Sportplätze geschlossen.

Siehe dazu auch: www.dortmund.de

16. März

Auch anderorts bleiben ab sofort die Museen geschlossen, so z. B. in Essen (Folkwang), Bochum (Kunstmuseum) und Wuppertal (Von der Heydt).

Das Frauenfilmfestival Dortmund/Köln fällt aus.

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Aber machen wir’s kurz:

Jetzt sind alle Museen geschlossen. Und alle Kinos auch. Und alle Bühnen.

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Weitere Nachträge/Aktualisierungen

24. März

Das Dortmunder Festival Klangvokal (geplant ab 17. Mai) musste ebenfalls abgesagt werden. Möglichkeiten für Nachholtermine (September 2020 bis Juni 2021) werden derzeit geprüft. Das zugehörige Fest der Chöre soll vom 13. Juni auf den 12. September verschoben werden. Einzelheiten: www.klangvokal-dortmund.de

25. März

Die Ruhrfestspiele, die vom 1. Mai bis zum 13. Juni in Recklinghausen hätten stattfinden sollen, sind gleichfalls abgesagt. Teile des geplanten Programms sollen nach Möglichkeit im Herbst nachgeholt werden.

Das Klavierfestival Ruhr, ursprünglich ab 21. April geplant, soll nun erst am 18. Mai starten. Die vom 21. April bis 17. Mai geplanten 23 Konzerte sollen nach den Sommerferien und im Herbst nachgeholt werden.

Die Mülheimer Stücketage (geplant 16. Mai bis 6. Juni) sind abgesagt worden.

27. März

Neuester Stand beim Klavierfestival Ruhr: Sämtliche bis Ende Mai geplanten Konzerte werden auf die Zeit nach den Sommerferien bzw. in den Herbst 2020 verlegt. Der Spielbetriebwird voraussichtlich erst Anfang Juni (Woche nach Pfingsten) beginnen. Näheres unter www.klavierfestival.de/nachholtermine

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Nähere Infos auf den jeweiligen Homepages

 




Wie die Technik den Sport angetrieben hat – eine aufschlussreiche Ausstellung in der Dortmunder DASA

Sport und Technik? Das sind doch wohl zweierlei Dinge. Von wegen! Beides hat innig miteinander zu tun. Spätestens beim Besuch der Dortmunder Ausstellung „Fertig? Los! Die Geschichte von Sport und Technik“ wird es klar.

Schrittmacher aus den 30er Jahren, in dessen Windschatten mit Fahrrädern Rekorde gafahren wurden. (Foto © Andreas Wahlbrink - DASA)

Auffälliges Schaustück: Schrittmacher-Motorrad aus den 1930er Jahren, in dessen Windschatten mit Fahrrädern Rekorde gebrochen wurden. (Foto © Andreas Wahlbrink – DASA)

Die aus dem Mannheimer „Technoseum“ kommende, in der Dortmunder DASA nur unwesentlich veränderte Schau blättert – mit rund 330 Exponaten in sechs Kapiteln – viele Aspekte des populären Doppelthemas auf.

Gleich hinterm Eingang sieht man ein wuchtiges Schrittmacher-Motorrad aus den 1930er Jahren, in dessen Windschatten Fahrradfahrer immer neue Geschwindigkeits-Rekorde aufstellten. Nach und nach galt das Prinzip praktisch für alle Sportarten: Ständige Optimierung und Leistungssteigerung bis ins Extreme setzten sowohl beim menschlichen Körper als auch bei Ausrüstung und Material an. Gezeigt werden dazu u. a. ein alter Skispitzenbiegebock (welch ein Wort!) aus dem Schwarzwald, diverse Bodenbeläge (Tartanbahn, Kunstrasen), ständig verbesserte Lauf- und Fußballschuhe, Räder, Schlitten, Speere und Sprungstäbe oder auch eine enorm wirksame Beinprothese für Paralympics-Teilnehmer.

Zuspitzung im Zuge der Industrialisierung

Mehr als verdächtig: In England, wo einst die Industrialisierung begonnen hatte, fing auch die leistungsgierige Zuspitzung des Sports an. Leistung im Sport und in der modernen Arbeitswelt haben eben verwandte Wurzeln im Kapitalismus – ein Zusammenhang, dem die Ausstellung ebenso gründlich wie unterhaltsam nachspürt, und zwar auch im Breitensport.

Sportliche Erfolge und Erfolgsaussichten bringen auch Maskottchen und Merchandising mit sich... (Foto: © Klaus Luginsland / Technoseum)

Sportliche Erfolge und Erfolgsaussichten bringen auch Maskottchen und Merchandising mit sich… Hier eine Auswahl in der Vitrine. (Foto: © Klaus Luginsland / Technoseum)

Es zeigt sich, wie einheitliche Regeln, Normen und Spielfeld-Markierungen sowie zusehends verfeinerte Zeit-, Weiten- und Höhenmessungen die universelle Vergleichbarkeit der Leistungen sicherstellen sollten. So zeugt beispielsweise eine um 1840 gefertigte Stoppuhr mit Tintenschreiber (beim Drücken sonderte die Sekunden-Nadel punktgenau kleine Kleckse ab) vom Bemühen um exakte Resultate. Im weiteren Rundgang sieht man die Stoppuhr des legendären Fußball-Bundestrainers Sepp Herberger, mit der er seine Mannen scheuchte. 1954 hat es bekanntlich geholfen.

Doping begann in Pferderennsport

Doch längst nicht immer wurden Höchstleistungen auf fairem Wege erzielt. Es geht deshalb auch um Doping-Auswüchse. Diese nahmen ihren Anfang übrigens beim Pferderennsport, wo schon früh ziemlich viel (Wett)-Geld auf dem Spiel stand. Eigene Pferde wurden zuweilen heimlich aufgeputscht, gegnerische Tiere pharmazeutisch gehemmt. Nicht viel später nahmen Radfahrer zum Teil dieselben Mittel ein, die zuvor den Tieren verabreicht worden waren. Ein weites Feld, auf dem ausgerechnet Radsportler schon sehr früh aktiv gewesen sind. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Überaus respektabel nehmen sich sinnfällig dargestellte Höchstleistungen aus: Mike Powells wahnwitziger 8,95-Meter-Weitsprung von 1991 wird mit schlichten Bodenlinien (un)fassbar gemacht, die 258 Kilogramm, die ein Gewichtheber stemmte, lasten quasi tonnenschwer am Boden. Wohl niemand wird sie vom Fleck rühren können.

Plakat zur Fußball-Weltmeisterschaft 1962 – für einen Kinofilm zum Großereignis. (Foto © Technoseum Mannheim)

Plakat zur Fußball-Weltmeisterschaft 1962 – für einen Kinofilm nach dem Großereignis. (Foto © Technoseum Mannheim)

Als das Korsett sich allmählich lockerte

Das zeitliche und gesellschaftliche Spektrum reicht vom Bierkrug im Geiste des Turnvaters Jahn („frisch fromm fröhlich frei“) bis zu allerneuesten urbanen Trendsportarten, deren durchweg anglophone Namen man teilweise noch nie gehört hat.

Lehrreich auch die Geschichte der Sportbekleidung: Da verblüfft das eng geschnürte, aber im Vergleich zu „mörderischen“ Vorläufern schon ein wenig gelockerte Sportkorsett für die halbwegs emanzipierte Dame. Da staunt man über eine riesenhafte Badehose aus der Arbeitersport-Bewegung – und erst recht über den hautengen Original-Schwimmanzug eines Michael Phelps, der damit Dutzende von Goldmedaillen und Weltrekorden errang. Die der Haifisch-Haut nachgebildete Oberflächenstruktur steigerte die Leistung dermaßen effektiv, dass solche Anzüge alsbald verboten wurden.

Größere Tischtennisbälle eigens fürs TV

Wie bei DASA-Ausstellung üblich, kann man auch diesmal einiges selbst ausprobieren. So dürfen Besucher diverse Fitness-Geräte testen, sich selbst per Kamera und Monitor auf einem Zielfoto mit verzerrten Körper-Proportionen begutachten oder in einer Reporterkabine ausgewählte Spielszenen „live“ kommentieren. Man erfährt in diesem Zusammenhang, wie just das Fernsehen so manche Sportart nachhaltig verändert hat. Tischtennisbälle wurden vergrößert, weil die TV-Leute es für besser hielten. Medial und journalistisch lagen die Ursprünge ebenfalls in England: Bereits ab 1792 erschien dort das gedruckte Periodikum „The Sporting Magazine“.

Bei einem Ballspiel hinterm Schutznetz lässt sich zudem mit einer Art Hockeyschläger feststellen, auf welche Geschwindigkeit man das Spielgerät beschleunigt. Hier schon mal zwei Maßzahlen, mit untrüglicher Radarmessung ermittelt: Ausstellungs-Kurator Dr. Alexander Sigelen kam auf knapp 70 Stundenkilometer, ein Mannheimer Eishockeystar brachte es auf 165 km/h. Training zahlt sich eben aus.

Ein hochmodernes Trimmrad von 1905

Nur eine von etlichen Kuriositäten sei noch erwähnt: Geradezu hochmodern mutet das historische Trimmrad „Velotrab“ von 1905 an. Beim Pedaltreten hob und senkte sich der Sattel, als ob man auf einem trabenden Pferd gesessen hätte – eine derart pfiffige Idee, dass man sich fragt, warum sie seither nie wieder kommerziell aufgegriffen wurde.

Am Ausgang gibt’s eine Umfrage. Besucher(innen) sollen ihre Motivation zum Sport verraten. Geht’s ihnen in erster Linie um die Gesundheit, ums Gemeinschafts-Erlebnis, um Leistungssteigerung oder um körperliche Schönheit? – Und wie tut man seine Sicht der Dinge kund? Ganz sach- und fachgerecht: indem man Bälle in transparente Röhren wirft. Welche wird sich wohl am schnellsten füllen?

„Fertig? Los! Die Geschichte von Sport & Technik“. DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1. Noch bis zum 19. April 2020. Mo-Fr 9-17, Sa/So 10-18 Uhr. Katalog 29,95 Euro.

www.dasa-dortmund.de

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Der Beitrag ist zuerst gedruckt im „Westfalenspiegel“ erschienen. Internet-Auftritt des Kultur-Magazins, das in Münster herauskommt: https://www.westfalenspiegel.de




„Stop and Go“: Dortmunder DASA zeigt Ausstellung über Mobilität, Entschleunigung und Stillstand

„Stop and Go": Plakatmotiv der DASA-Ausstellung zur Mobilität. (© DASA)

„Stop and Go“: Plakatmotiv der DASA-Ausstellung zur Mobilität. (© DASA)

…und schon wieder lockt die Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung DASA mit einer neuen Schau. Seit September widmet man sich mit „Tüftelgenies“ den Erfindungen der Menschheit (vom Faustkeil bis zum Computer), jetzt geht es auf einem anderen Areal im zweiten Stock des weitläufigen Hauses um Mobilität im vielerlei Hinsicht.

Ein Kasten voller „Knöllchen"... (Foto: Bernd Berke)

Ein Kasten voller „Knöllchen“ (Foto: Bernd Berke)

„Stop and Go“ lautet der Obertitel der insgesamt zehn Themeninseln, die vor allem mit etlichen Audio- und Videostationen animieren sollen. Gleich eingangs kann man sich entscheiden, durch welche Tür man die Ausstellung betreten möchte – je nachdem, ob man mit dem Auto, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zur DASA gekommen ist; wie denn überhaupt regelmäßig beim individuellen Verhalten angeknüpft wird. Es ist ja ohnehin ein DASA-Bekenntnis: die Leute da abholen, wo sie sind. Projektleiter Philipp Horst und sein Team (Ria Glaue, Luisa Kern, Magdalena Roß) haben das Motto recht konsequent umgesetzt.

Die Lust an der Raserei und der Stau

Die vielfältigen Verkehrsthemen werden nicht nur mit Infos und Statistiken, sondern auch assoziativ umkreist. So reicht das Spektrum beim Kfz von der überwiegend arbeitsbedingten Mobilität (Pendler und Berufe wie S-Bahn-Fahrer) über die Lust an der Raserei, die man im Fahrsimulator oder mit einer Carrera-Bahn gefahrlos erproben kann, bis hin zu allfälligen Staus, deren Entstehung sich hier per Touchscreen virtuell beeinflussen lässt. Ach, könnte man den zähfließenden Verkehr in der Wirklichkeit doch auch so willentlich steuern! Wissenschaftlich belegt ist jedenfalls, dass täglich absehbare Staus längst nicht so stressig sind wie unvorhergesehene.

Wenn Grundschüler ihren Schulweg zeichnen... (Foto: Bernd Berke)

Wenn Grundschüler ihren Schulweg zeichnen… (Foto: Bernd Berke)

Dann also lieber öffentliche Verkehrsmitteln nutzen? Wer sich in diesen Teil der Ausstellung begibt, vernimmt über Kopfhörer einige kleine Erzählungen über Bequemlichkeits-Vorteile und (anregende, peinliche oder gar bedrohliche) menschliche Begegnungen, über Unzulänglichkeiten und Verspätungen. Ja, man bekommt sogar ein paar dosierte Geruchsproben verabreicht – abgestandene Pizza, lästiges Parfüm. Bäh! Nun ja, wenn die Fahrt ansonsten dem Umweltschutz dient… Nachhaltiger als jedes Auto ist natürlich auch das Fahrrad. Freilich veranschaulichen Karten (Rätselspiel: Welche Stadt hat welches Radwegenetz?), dass es meistenteils noch sehr an der Infrastruktur hapert und dass Radfahren im urbanen Raum deshalb ziemlich gefährlich sein kann.

Schaubild in der DASA-Ausstellung: Dandy führt seine Schildkröte spazieren. (Foto: Bernd Berke)

Schaubild in der DASA-Ausstellung: Dandy führt seine Schildkröte spazieren. (Foto: Bernd Berke)

Auch freiwillige und erholsame Entschleunigung wird ins Visier genommen. Kinder haben ihre Wege zur Grundschule nachgezeichnet. Kein Wunder: Wer mit dem Auto gebracht wird, nimmt viel weniger Details aus der Umgebung wahr als die Fußgänger. Derlei Erkenntnisse bekräftigt auch die Promenadologie, jene noch recht junge Wissenschaft vom Gehen. Übrigens: Im 19. Jahrhundert führte manch ein flanierender Dandy wahrhaftig eine Schildkröte spazieren, um zu demonstrieren, wie viel Zeit er zur Verfügung hatte. Schon damals war’s ein Statuszeichnen.

Parkflächen-Wahnsinn

Vorhin war von Staus die Rede. Der zwangsläufig häufig ruhende Verkehr kommt mehrmals vor, beispielsweise auch, wenn es um den Wahnsinn des Parkflächenverbrauchs geht. Alle Besucher können Ideen beisteuern, wie man sonst noch mit all dem Grund und Boden von Straßen und Parkplätzen umgehen könnte: als Bühne für Kreativität nutzen, offen oder heimlich Anpflanzungen vornehmen, bis zum nächsten Regen den Asphalt bunt besprühen… Und was fällt Ihnen ein?

Sinnfällig zudem eine transparente Box mit Hunderten von „Knöllchen“ aus Dortmunder Herstellung. Wer argwöhnt, die Stadt wolle immerzu nur in Bürgers Geldbeutel greifen, wird staunen, wenn er hört, dass jede(r) Kontrolleur(in) pro Tag im Schnitt nur 12 Zettel verteilt. Für die Kommune ist es also ein herbes Minusgeschäft. Es geht eben vorwiegend um „Erziehung“.

Götzendienst am Auto: vergoldeter und mächtig getunter Opel Corsa. (Foto: Bernd Berke)

Götzendienst am Auto: vergoldeter und mächtig getunter Opel Corsa. (Foto: Bernd Berke)

Apropos Pädagogik: Die Grundlinien der Ausstellung laufen auf Abschaffung des herkömmlichen Automobils hinaus, man spürt immer mal wieder mehr oder weniger sanfte Anstöße zur Verhaltensänderung im Sinne der PS-Abstinenz. Umweltverbände dürften sicherlich weitgehend einverstanden sein, die Autolobby wohl weniger. Dabei spielen die übelsten Verpester im Weltverkehr hier noch gar keine Rolle, nämlich Kreuzfahrtschiffe und Flugzeuge.

Viel Stoff auf begrenzter Fläche

Die Auto-Vergötterung wird längst nur noch (allenfalls) mit nachsichtigem Lächeln zur Kenntnis genommen, sie materialisiert sich hier in einem vergoldeten und aufgemotzten Opel Corsa. Ein „Hingucker“, von dem man sich allerdings gern schnell wieder abwendet. Es muss doch wohl schon elend lange her sein, dass so etwas als „cool“ gegolten hat.

Kaum minder auffällige Gegenstücke zum Corsa sind ein nostalgischer VW-Bus von 1972 mit Camper-Zubehör, der für Freiheitsträume nicht nur der Hippie-Generation steht, und ein vielleicht zukunftsträchtiges Solarmobil der Bochumer Uni, immerhin rund 120 km/h schnell und mit erstaunlichen 700 Kilometern Reichweite pro Aufladung. Und da man schon einmal dabei ist, geht’s u. a. noch um Carsharing und autonomes Fahren. Sehr viel Stoff auf relativ kleiner Fläche.

Vielleicht zukunftsträchtig: Solarauto der Bochumer Uni. (Foto: Bernd Berke)

Vielleicht zukunftsträchtig: schnittiges Solarauto der Bochumer Ruhr-Uni. (Foto: Bernd Berke)

Kultverdächtig ist derweil noch ein ganz anderes Automodell: Am Eingang stehen einige Bobby Cars, mit denen höchstens Sechsjährige (die ansonsten thematisch deutlich überfordert sind) durch die Schau sausen und Wimmelbilder auf Kinderaugenhöhe ansteuern dürfen. Ich wage mal die Prognose, dass das Treiben rasch chaotische Formen annehmen kann und gelegentlich reglementiert, wenn nicht gar unterbunden werden muss.

„Stop an Go“. Eine Ausstellung zur Mobilität. DASA (Arbeitswelt Ausstellung), Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1-25 (Nähe TU / Universität). Vom 26. Oktober 2018 bis zum 14. Juli 2019. Mo-Fr 9-17 Uhr, Sa/So/Feiertage 10-18 Uhr. Eintritt (inklusive Begleitheft): Erwachsene 8 €, ermäßigt 5 €, Schulklassen pro Kopf 2 €. — Tel.: 0231 / 90 71 26 45.

Weitere Infos: www.dasa-dortmund.de

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P.S.: Tags zuvor rein privat mit mehreren Kindern die anfangs erwähnte Ausstellung „Tüftelgenies“ (noch bis zum 31. März 2019) zu wichtigen Erfindungen der Menschheit besucht. Die teilweise pfiffig gemachte Schau bietet einige interessante Einblicke, die vermutlich haften bleiben, sie ist tatsächlich auch schon für Sieben- oder Achtjährige geeignet, allerdings sehr schnell überfüllt.

Gewiss, es war ein museumsträchtiger, weil regnerischer Ferientag, aber nächste Woche kommen dann auch wieder Schulklassen. Es bleibt sich vom Andrang her ungefähr gleich. Eng wird’s vor allem dann, wenn mal wieder mehrere Stationen nicht funktionieren und erst einmal repariert werden müssen. Darf man auf Besserung hoffen?




Der Roboter, dein Freund und Helfer – Abteilung „Neue Arbeitswelten“ in der Dortmunder DASA umgekrempelt

Die Drohne (bzw. der Lastencopter) mit dem schönen Namen "Papillon", entworfeb und erzeugt vom Remscheider Designbüro Reichert, ausgestellt in der Dortmunder DASA. (Foto: Bernd Berke)

Die Drohne (bzw. der Lastencopter) mit dem schönen Namen „Papillon“, entworfen und erzeugt vom Remscheider Designbüro Reichert, ausgestellt in der Dortmunder DASA. (Foto: Bernd Berke)

Hier auf dem Tisch liegt eine geradezu filigran wirkende, offenbar ungemein wendige Drohne als zukunftsträchtiges Transportmittel; dort drüben summt ein 3-D-Drucker, der wie von Zauberhand neue Gegenstände hervorbringt – von der Vase bis zur Porträtbüste des Erfinder-Genies Leonardo da Vinci. Beispielsweise. Sind das schon Boten, die die Zukunft ankündigen?

Bald werden solche Geräte wohl auch vermehrt in den Privatbereich vordringen. Es scheint fast so, als erwarte uns eine rundum schöne neue Welt, derer wir uns nur noch leichthändig bedienen müssen.

Doch gemach! Gar so unproblematisch verhält es sich denn doch nicht mit den künftigen „Neuen Arbeitswelten“. Werden da nicht viele Arbeitsplätze verschwinden, wird es nicht wieder einmal etliche Verlierer der Modernisierung geben? Und überhaupt: Wie wird sich das Menschenbild verändern?

Das Thema sollte einen jedenfalls interessieren. Einesteils aus generellem Interesse an den Zeitläuften – und überdies ganz besonders, wenn Kinder im näheren oder nächsten Umkreis leben, deren weitere Lebenswege einem sehr am Herzen liegen.

Vorläufer war schon 18 Jahre alt

Mithin hat sich die Dortmunder Arbeitswelt Ausstellung (DASA) ein (ge)wichtiges Thema ausgesucht. Sie hat es auch bisher schon behandelt, freilich auf dem Stand der Hannoverschen Weltausstellung Expo aus dem Jahre 2000. In Sachen Zukunftsschau ist das eine Ewigkeit. Jetzt aber ist der entsprechende Teil der Dauerausstellung nach gründlichem Umbau erst einmal wieder auf aktuellem Stand, sofern sich das überhaupt sagen lässt. Vielleicht gibt’s ja morgen schon wieder die nächste Kehrtwende, die einstweilen allenfalls in avancierten Forschungsstätten oder in der Science-Fiction-Literatur erwogen wird.

Schon das Ausstellungs-Design wirkt nun ungleich luftiger und leichter. Was bisher recht düster, ernst und erdenschwer daherkam, sieht jetzt allseits durchlässig und transparent aus. Eine zu solcher Offenheit passende Grundannahme der vom Zürcher Architekturbüro Holzer Kobler eingerichteten Abteilung lautet, dass wir die Zukunft, die ohnehin kommt, mit einiger Zuversicht in die Hände nehmen und gestalten sollen. Ende offen.

3-D-Drucker bei der Arbeit: Es entsteht eine Vase. (Hersteller Membino GmbH, Elmshorn / Foto: Bernd Berke)

3-D-Drucker bei der Arbeit: Hier entsteht eine Kunststoff-Vase. (Hersteller Membino GmbH, Elmshorn / Foto: Bernd Berke)

Die Visionen von (vor)gestern

Der Rundgang beginnt mit Zukunfts-Vorstellungen von gestern, genauer:  technischen und gesellschaftlichen Utopien, wie man sie sich in den letzten 150 Jahren ausphantasiert hat. Eine gar hübsche, teils frappierende, teils bizarre Galerie aus rund 200 Bildern ist dabei herausgekommen. Visionen sondergleichen. Die wenigsten sind so eingetroffen wie ehedem gedacht. Und doch müssen solche Zukunftsträume sein. Der Mensch möchte halt wissen, wo es langgeht. Auch wenn er oft pfeilgerade daneben zielt. Wenn’s nach manchen Vorhersagen gegangen wäre, so würden wir zum Beispiel allesamt unter Wasser leben oder – jeder mit eigenem Fluggerät – ständig durch die Lüfte schweben.

Bloß vorsichtig mit den Prognosen sein

In der DASA hat man drei Megatrends ausgemacht, die fraglos unsere Zukunft bestimmen werden: demographischer Wandel, Globalisierung, Digitalisierung. Große Schlag-Worte. Fragt sich „nur“ noch, wie sich diese Tendenzen auswirken werden. Auf dem prognostischen Glatteis bewegt sich die Ausstellung allerdings nur ganz vorsichtig, keinesfalls kühn. Man hat das Ganze „modular“ aufgebaut, so dass auf etwaige Trendwenden schnell mit neuen Objekten reagiert werden kann. Das ganze soll Labor-Charakter haben und den einen oder anderen Impuls setzen, aber bloß keinen festen Vorgaben folgen. So bleibt es hie und da auch ein wenig vage.

Die Technik und das menschliche Maß

Zwischendurch ertönen fiktive „Stimmen aus der Zukunft“, denen man – unter Akustik-Würfeln sitzend – entspannt als Hörstücken lauschen kann. Hauptsächlicher Themenstrang: Was wird die abermals entfesselte Technik der „Industrie 4.0“ mit dem Menschen machen? Außerdem tragen Schauspieler per Video individuelle Stellungnahmen zur Wertedebatte und zur Folgenabschätzung vor. Hier geht es eben nicht bloß um die Fortschreibung technischer Tendenzen, sondern mindestens ebenso sehr ums menschliche Maß. Wäre das schön, wenn die Wirtschaftslenker solchen Vorstellungen folgen würden!

Visionärer Bildschirm-Blick in eine Fabrik, in der Roboter der neuesten Generation zu Werke gehen. (DASA / Foto: Bernd Berke)

Visionärer Bildschirm-Blick in eine Fabrik, in der Roboter der neuesten Generation zu Werke gehen. (DASA / Robert Bosch GmbH / Foto/Screenshot: Bernd Berke)

Die aus kubischen Grundformen entwickelte, farbenfrohe Ausstellungs-Architektur (Statements: „Die Zukunft wird bunter“ / „Die Zukunft wird femininer“) besteht aus vier Themen-Inseln, allesamt offenbar dicht am Puls der gegenwärtigen Zeit. Da kann man – vorerst in virtuellen Szenarien – Entwürfe von Industrie-Robotern der neuesten Generation besichtigen, die innig mit den Menschen interagieren, ja hie und da mit beinahe mit ihnen zusammenwachsen, sich ihnen jedenfalls sensorisch anbequemen. Der Roboter, dein Freund und Helfer. Ein fast schon wieder etwas gestrig-mechanisch anmutendes „Exo-Skelett“ (verleiht den Muskeln ungeahnte Zusatzkräfte) ist auf diesem Felde nur der Anfang.

Noch’n Anlauf zum „papierlosen Büro“

Da gibt es einen futuristischen Bildschirm-Arbeitsplatz aus lauter Displays, wie er gerade erst als Pilotprojekt auf den Weg gebracht wird. Aber bitte sehr, nehmen Sie schon mal Platz, hier nimmt erneut der Traum vom völlig papierlosen Büro Gestalt an. Ja, lachen Sie nur, Sie werden schon sehen! Für „digitale Nomaden“ gibt es derweil einen besonders robusten Laptop, der noch im entlegensten Winkel der Welt mit Sonnenenergie betrieben werden kann. Auch geht es um jene digitalen Mikrojobs, die für erbärmliche Cent-Beträge jederzeit und überall ausgeführt werden können – derzeit vorzugsweise in Indien, wo man von solchen Winz-Löhnen einigermaßen existieren kann.

Federleichte Flug- und Rolldrohne, made in Dortmund

DASA-Kurator Peter Busse mit der in Dortmund entwickelten Flug- und Rolldrohne "Bin:Go". (Foto: Andreas Wahlbrink/DASA)

DASA-Kurator Peter Busse mit der in Dortmund entwickelten Flug- und Rolldrohne „Bin:Go“. (Foto: Andreas Wahlbrink/DASA)

Ein staunenswertes Stück ist quasi „nebenan“ in Dortmund entwickelt worden, beim Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik: Diese ballförmige, federleichte Drohne namens „Bin:Go“ segelt nur bei Bedarf über Hindernisse hinweg, ansonsten rollt sie sanft daher und verletzt niemanden. Stellt man sich das massenhaft auf unseren Straßen und Plätzen vor, mutet es allerdings schon ein wenig gespenstisch an. Doch vorerst ist das Ding wohl vor allem zwischen Großregalen unterwegs. Das Runde muss eben ins Eckige.

Eine weitere Drohne, übrigens auch weitgehend aus dem 3-D-Drucker geschlüpft, ahmt mit ihren Strukturen den biologischen Knochen- und Sehnenbau nach, ihre Glieder sind innen wabenartig hohl, daher wiegt sie bei einiger Spannweite nur 30 Kilogramm, übt aber gleichwohl kräftigen Schub aus.

Der Avatar mit der gelben Hose

Das Ganze soll Laborcharakter haben. Und so können Besucher an interaktiven Zwischen-Stationen ihre Auffassungen einbringen und sich schließlich als Avatare mit bestimmten Haltungen zur Zukunft entwerfen. Welche Gesellschaft dabei herauskommen könnte, zeigt sich auf einem großen Bildschirm, der die Daten und Figuren kombiniert. Wer etwa beim Koordinaten-Resultat „H 8“ landet, gilt als optimistisch. Lustige Zuordnung: Wer bei der Befragung am Touchscreen Kulturinteresse bekundet, bekommt als Avatar sogleich eine gelbe Hose verpasst. Finde den Zusammenhang…

Wer rastet, der rostet. Kaum ist die Abteilung „Neue Arbeitswelten“ fertig umgekrempelt, kommt die nächste dran: „Helfen und Heilen“ zur Zukunft von Medizin und Pflege schließt jetzt für zwei Jahre und soll 2020 runderneuert wieder öffnen.

DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1-25. Dauerschau, Abteilung „Neue Arbeitswelten“. Geöffnet Mo-Fr 9-17, an Wochenenden und Feiertagen 10-18 Uhr. Standard-Ticket 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Tel.: 0231 / 9071-2479

www.dasa-dortmund.de

 




„Experiment“: Dortmunder Schau stellt Fragen zur Kulturgeschichte der chemischen Erfindungen

Bloß keine Scheu vor Elementen und Molekülen! Diese Schau handelt zwar von Erfindungen in chemischen Laboren, doch als Besucher muss man keine einzige Formel parat haben. Schaden kann’s freilich auch nicht.

Fast schon auratische Exponate in der DASA-SChau: Potenzielle Wirkstoffe, die Paul Ehrlich um 1907 für seine Forschungen verwendete. (Foto: Bernd Berke)

Fast schon auratische Exponate in der DASA-Schau: Potenzielle Wirkstoffe, die Paul Ehrlich um 1907 für seine Forschungen verwendete. (Foto: Bernd Berke)

Die recht kurzweilige Zusammenstellung mit dem knappen Titel „Experiment“ entfaltet in der Dortmunder DASA (Arbeitswelt Ausstellung) eher lebens- und alltagsnahe Geschichten, um ausnahmsweise mal nicht von „Narrativen“ zu sprechen.

Verantwortlich zeichnet vorwiegend ein Team von Kulturgeschichtlern des Historischen Museums Basel, mit dem die DASA diesmal kooperiert. Und offenbar hat die sprichwörtliche Chemie zwischen Basel und Dortmund gestimmt.

Just in jener schweizerischen Stadt Basel mit ihren großen Pharma-Weltkonzernen (Novartis, Hoffmann-La Roche) wurde schon so manche chemische Innovation ausgetüftelt. Doch die Ausstellung sieht weitgehend von derlei örtlichen Begrenzungen ab und stellt Fragen von allgemeinem, wenn nicht globalem Interesse.

Am Anfang war die Steinkohle

Wenn man so will, hat das Ganze allerdings einen gewichtigen Ursprung auch im Ruhrgebiet. Ein großes Kohlestück (von Prosper Haniel in Bottrop) im Raum, in dem ein kurzer Einführungsfilm gezeigt wird, soll es beglaubigen. Denn aus den Teerprodukten der Steinkohle entwickelten sich die Anfänge der modernen Chemie – zunächst mit ungeahnt variantenreichen synthetischen Farbstoffen, hernach mit dem ganzen, ins schier Uferlose anwachsenden Arsenal zwischen Medikamenten, Kosmetik und Kunststoffen.

Die Ausstellung gliedert sich auf 800 Quadratmetern in vier Kapitel mit jeweils mehreren bedeutsamen „Erzählungen“, die sowohl eilig als auch etwas gründlicher nachvollzogen werden können. Ganz bewusst hat man Wert auf mehrere „Vertiefungs-Ebenen“ gelegt. Natürlich gibt es nicht nur Schautafeln und Objekte, sondern auch Touchscreens zur gefälligen Nutzung.

Innovation durch Planung oder Zufall?

Die Eingangsfrage lautet, ob Innovation sich eher der Planung oder dem Zufall verdanke. Die generelle Antwort lautet, wie man sich denken kann: sowohl als auch. Spätestens mit der Industrialisierung sind es allerdings nicht mehr nur einzelne Genies, die die großen Entdeckungen machen, sondern zunehmend gut ausgestattete Teams in großen Firmen.

Ungemein modern mutet etwa die Produktionsweise bei Bayer an, wo schon früh etliche Chemiker und Laboranten in einem Zentrallabor zusammenarbeiteten, dessen Struktur beinahe schon so offen war wie bei heutigen kalifornischen Internet-Riesen. In der Mitte des Labors erstreckte sich ein größerer Bereich, in dem sich die Mitarbeiter informell treffen und plaudern konnten. Insbesondere freitags muss dort eine sehr entspannte Atmosphäre geherrscht haben – offenbar beste Bedingungen z. B. für die Kreation von Aspirin (1897).

Laborproben von Paul Ehrlich und Alexander Fleming

Bei seiner Entdeckung des Wirkstoffs für Salvarsan (erstes Mittel gegen Syphilis) hatte Paul Ehrlich als „Einzelkämpfer“ ohne unmittelbaren Verwertungsdruck aus der Industrie noch erheblich mehr Mühe. Die Ausstellung kann auf ein paar echte Proben aus seinem Labor zurückgreifen, ebenso auf originale Schimmelkulturen des Penicillin-Entdeckers Sir Alexander Fleming. Kann man hier von auratischen Exponaten sprechen? Egal. Paul Ehrlich benötigte jedenfalls 606 aufwendige Versuche, bis Salvarsan reif für den Markt war.

Ein Zwischenfazit lautet, dass der glückhafte Zufall vor allem jene Forscher begünstigt hat, die ihn gleichsam mit wachem Sinn erwarteten und geistig darauf eingerichtet waren. Aus diesem Befund könnte die eine oder andere Lebensregel erwachsen.

Dem historischen Bewusstsein aufhelfen

Nicht zuletzt könnte die Ausstellung dem bislang nur mäßig ausgeprägten historischen Bewusstsein der Leute vom chemischen Fach aufhelfen. So präsentiert man in Dortmund auch Modelle und Apparaturen, die sozusagen im letzten Moment vor der Müllentsorgung gerettet wurden. Kam ehedem eine neue Technik auf, so warf man die alte eben ungerührt weg. Doch es hat sich herumgesprochen, dass auch der ruhelose Fortschritt seine Geschichte hat, die festgehalten und mit einer gewissen Skepsis betrachtet zu werden verdient.

Eine DASA-MItarbeiterin betrachtet Ausstellungsstücke in der Vitrine zur Erfindung des Tonbands. (Foto: DASA)

Eine DASA-Mitarbeiterin betrachtet Ausstellungsstücke in der Vitrine zur Erfindung des Tonbands und anderer Tonträger. (Foto: DASA)

Ein weiteres Kapitel befasst sich mit Rechten und Patenten. Auch das ist hier kein trockener Stoff. Die Frage, wem Innovationen eigentlich gehören, kann durchaus spannend sein; beispielsweise, wenn es um die Patentierung lebender Organismen geht – von der noch harmlosen Bierhefe bis zur (besonders für die Krankheit anfälligen) „Krebsmaus“. Damit rückt auch die ethische Frage nach Tierversuchen in den Blick. Zudem wird erwogen, wie man milliardenschwer entwickelte Medikamente den Menschen in armen Ländern der Erde zugänglich machen kann. Man ahnt schon: Die Ausstellung schneidet enorm viele Großthemen an.

Gesellschaftliche Bedürfnisse als Triebkraft

Weiter geht’s mit gesellschaftlichen Bedürfnissen als Innovationsmotor. Insofern kamen chemische Erfindungen wie Bakelit, Tonbänder, neue Klebstoffe oder auch eine spezielle Sonnenmilch oft gerade zur rechten Zeit. Obwohl es zuweilen auch machtvolle Innovations-Bremsen gegeben hat: Forschungen zur Antibaby-Pille liefen schon in den 1920er Jahren und zeitigten konkrete Ergebnisse, sie wurden jedoch moralisch verdammt und kamen erst in den 60er Jahren wieder zum Zuge, übrigens auch finanziell von Feministinnen gefördert. Die Zeit der „Pille für den Mann“ ist indes immer noch nicht gekommen, obwohl sie längst machbar ist.

Risiken und Nebenwirkungen

Die ohnehin schon einigermaßen kritisch ausgerichtete Schau widmet sich am Ende noch einmal eigens den „Risiken und Nebenwirkungen“ der Chemie. Horrible Stichworte sind hierbei FCKW (in Kühlschränken), das sich als Klimakiller erwies, das inzwischen ebenfalls geächtete, aber leider langlebige Pflanzengift DDT, das Medikament Contergan und der gefährliche Baustoff Asbest. Aus all dem hat man mit der Zeit Lehren gezogen. Inzwischen macht die Risikenabschätzung einen nicht geringen Teil der Entwicklungskosten aus. Es möge nützen.

Vor Jahresfrist kamen etwas über 20.000 Besucher zur Baseler Ausgabe der Ausstellung, was für ein historisches Museum achtbar ist. In Dortmund, wo man vor allem auch Schulen (ca. ab Klasse 7)  anspricht, rechnet man mit deutlich mehr Zuspruch. Die DASA hat sich schon mehrfach als Besuchermagnet erwiesen, so zuletzt mit einer inspirierenden Schau über Roboter, deren Unterhaltungswert diesmal nicht ganz erreicht wird. Zum Ausgleich sind die Lerneffekte jetzt womöglich größer.

„Experiment“. Eine Ausstellung über Erfindungen aus dem Chemie-Labor. DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1-25 (Nähe Universität). Vom 10. November 2017 bis zum 15. Juli 2018. Mo bis Fr 9-17, Sa/So/Feiertage 10-18 Uhr. Eintritt: Erwachsene 8 (ermäßigt 5) Euro, Schulklassen pro Person 2 Euro.

Tel.: 0231 / 9071-2479. www.dasa-dortmund.de




Man entkommt ihnen nicht: „Die Roboter“ – Dortmunder Schau über Mensch & Maschine

Am Eingang der Ausstellung „Die Roboter“ heißt uns ein gewisser Jemand willkommen – dreimal darf man raten, wer…

Richtig. Ein Roboter namens „RoboThespian“ macht die Honneurs und sagt artig Guten Tag. Manchmal hat er dabei sogar blinkende Herzchen in den Augen. Putzig, nicht wahr? Doch die kurzweilige Ausstellung hat etliche ernstere Aspekte. Schließlich geht es in mancherlei Facetten um das komplexe Verhältnis von Mensch und Maschine.

"RoboThespian" begrüßt die Besucher. (Foto: Bernd Berke)

„RoboThespian“ begrüßt die Besucher. (Foto: Bernd Berke)

Man entkommt ihnen nicht: Auch im weiteren Verlauf der Schau in der Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung DASA begegnen einem solcherlei Wesen. Manchmal begleiten sie einen auch, wenn man denn mag. Mehrere Gestalten, nicht ganz menschenhoch, etwas unförmig rundlich geraten, gleiten durch die Räume. Man kann sie nach bestimmten Exponaten fragen – und sie fahren schon mal voraus, bevor sie die Ausstellungsstücke erläutern. Aber keine Angst, es gibt auch noch menschliches Personal.

Der kleine Nao steht auf und tanzt

Liebling aller Besucher dürfte indes der kleine Nao werden, dem man (einstweilen nur auf Englisch und ohne höfliche Floskeln wie „bitte“) einfache Anweisungen geben kann: „Sit down“, „stand up“ und so weiter. Nach kurzer Rückfrage (Du willst, dass ich mich hinsetze?) tut er’s tatsächlich. Er kann auch – etwas ungelenk, doch irgendwie ausdrucksvoll – ein wenig tanzen. Falls er dabei mal unsanft auf den Rücken fällt, rappelt er sich mühsam wieder hoch, und zwar ganz ohne Anweisung, wie aus eigenem Antrieb.

Roboter "Nao" hat sich nach entsprechender Anweisung hingesetzt. (Foto: Bernd Berke)

Roboter „Nao“ hat sich nach entsprechender Anweisung hingesetzt. (Foto: Bernd Berke)

Für Unterhaltung ist also gesorgt. Doch die von Dr. Philipp Horst kuratierte Schau fächert – zwischen Faszination, Reflexion und Besorgnis – mit rund 200 Belegstücken in fünf Abteilungen die Geschichte der Werkzeuge und der rasant fortschreitenden Automatisierung auf, gleichsam seit Steinzeit und Antike. Man erkennt: Schon seit geraumer Zeit wird die Phantasie der Menschen von Vorstellungen beflügelt, die irgendwann auf künstliche Wesen hinauslaufen mussten.

Im ersten Raum geht’s wie im Fluge vom Hammer über Fahrrad, Dampf- und Schreibmaschine bis zum Maschinengewehr aus dem Ersten Weltkrieg. Immer entschiedener bewegten sich die Maschinen (wie von) selbst.

Ein Thema auch für die Künste

Mechanische Automatenmenschen des 18. Und 19. Jahrhunderts, zunächst viel bestaunte „Wunder“, hernach auch Jahrmarkts- und Werbeattraktionen, stehen für eine Übergangszeit. Da sieht man etwa einen automatischen Clown, ein mechanisches Krabbelkind und einen orientalischen Raucher, aus konservatorischen Gründen leider samt und sonders im Stillstand.

"Nao" tanzt wie in Trance... (Foto: Bernd Berke)

„Nao“ tanzt wie in Trance… (Foto: Bernd Berke)

Die Entwicklung konnte die Künste nicht unberührt lassen. Ausschnitte aus Filmen wie Fritz Langs „Metropolis“ und Seitenblicke auf Dadaisten oder Surrealisten, welche die zunehmende Automatisierung teils freudig und fiebrig begrüßten, geben eine Ahnung davon.

Mit dem tschechischen Schriftsteller Karel Čapek kam dann 1921 der Begriff „Roboter“ erstmals in die Welt. Werke der Science-Fiction wie Isaac Asimows „I Robot“ (1950) setzten diese Tradition auf hohem Niveau fort.

Apparate für Leib und Seele

Im Laufe des Rundgangs wird deutlich, wie sehr die Robotertechnik unsere Welt bereits durchdringt, beispielsweise in der Medizin, beginnend mit Prothesen (eiserne Hand von 1530, Exemplare aus dem Ersten Weltkrieg). Heute wird der menschliche Körper auf vielfältige Weise repariert, technisch unterstützt und auch von innen her „optimiert“.

Überdies gibt es Roboter für die Seele: Eine interaktive Stoffkatze („JustoCat“) mit technischem Innenleben kommt in der Pflege zum Einsatz, sie kann miauen und schnurren und lässt sich stundenlang streicheln. Gedacht ist sie als Trösterin dementer Menschen, die sich dank der simplen Schlüsselreize wohlig an frühere Zeiten mit wirklichen Haustieren „erinnern“ sollen.

Mimik-Nachahmung mit Hindernissen: Der Roboterkopf hat offenbar noch nicht "erkannt", dass die Frau den Mund geöffnet hat - und schaut etwas begriffsstutzig drein.

Mimik-Nachahmung mit Hindernissen: Der Roboterkopf hat offenbar noch nicht „erkannt“, dass die Frau den Mund geöffnet hat – und schaut etwas begriffsstutzig drein. (Foto: Bernd Berke)

Derweil sind ganze Fertigungslinien ohne Industrie-Roboter nicht mehr denkbar; vom Einsatz im Weltraum, im Krieg (Fernlenkwaffen, Drohnen usw.) und bei Katastrophen (fernsteuerbare Bombenentschärfer, Brandbekämpfer, AKW-Roboter) ganz zu schweigen. Für all diese Bereiche sieht man Beispiele in der wohlüberlegt zusammengestellten Schau. Man ist aus gutem Grund am Puls der Zeit, denn auch in der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (sozusagen das Mutterinstitut der DASA) wird avancierte Roboterforschung betrieben.

Und wie sieht die Zukunft aus? War eine direkte Begegnung zwischen menschlichen Mitarbeitern und Robotern lange Zeit zu gefährlich, so hat sich die Technik immer feingliedriger angepasst und gleichsam vermenschlicht, so dass gemeinsames Arbeiten von Mensch und Maschine immer üblicher wird.

Ist Sex mit Robotern denkbar?

Auch beginnen die Apparate allmählich in die Bezirke der Kreativität und der Emotionalität vorzudringen. Da findet sich z. B. ein Roboter, der menschliche Mimik (noch etwas grobschlächtig) nahezu in Echtzeit nachahmt und einen anderen, der einen zunächst per Kamera aufnimmt und danach – allerdings auch noch recht zittrig und unperfekt – ein Porträt zu zeichnen beginnt. Der Stift wurde heute übrigens von zwei Wäscheklammern gehalten. Solch improvisatorischer Behelf wirkt in diesem Kontext irgendwie erfreulich, wie ein wohltuend retardierendes Moment.

Roboterhand beim zittrigen Zeichnen eines Porträts. (Foto: Bernd Berke)

Roboterhand beim zittrigen Zeichnen eines Porträts. (Foto: Bernd Berke)

Doch wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zur Vermischung und wechselseitigen Grenzüberschreitung kommt: Wird man eines Tages nicht mehr zwischen humanen und humanoiden Existenzen unterscheiden können? Für uns Heutige wohl noch eine grausige Vorstellung. Aber wer weiß, wie unsere Nachfahren damit umgehen.

Um die gemischten Gefühle der Besucher zu erkunden, hat man der Schau eine (unwissenschaftliche) Umfrage beigesellt. Nach dem heutigen Stand, der wohl noch überwiegend Journalisten und DASA-Mitarbeiter erfasst hat, konnten sich 57% nicht vorstellen, Sex mit einem Roboter zu haben. Die womöglich erschütternde Nachricht lautet also: 43% können sich Sex mit einem Roboter vorstellen. Nun ja, imaginieren kann man dies und jenes. Aber will man’s dann auch?

„Die Roboter. Eine Ausstellung zum Verhältnis von Mensch und Maschine“. 21. November 2015 bis 25. September 2016. DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1-25. Geöffnet Mo-Fr 9-17, Sa/so 10-18 Uhr. Weitere Infos: www.dasa-dortmund.de




Die Dinge beginnen zu denken – „Schöne schlaue Arbeitswelt“ in der Dortmunder DASA

Klingt doch erst mal richtig nett: „Schöne schlaue Arbeitswelt“ heißt die neue Schau in der Dortmunder DASA, dem Ausstellungshaus, das der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin angegliedert ist. Doch der Blick in die Zukunft weckt gemischte Gefühle.

Es geht um einige Ausprägungen der sogenannten „Ambient Intelligence“ (etwa: Umgebungs-Intelligenz), welche sich z. B. mit „denkenden“ Büros, Datenbrillen und allerlei Sensoren anschickt, weite Teile unseres Alltags zu bestimmen, also nicht nur die Arbeitswelt; wie denn überhaupt Grenzen zwischen Arbeit und sonstiger Lebenszeit auf vielen Feldern fallen.

Es ist keine Science-Fiction mehr. Wir sind schon mittendrin in diesen tiefgreifenden Prozessen mit eigenständig parkenden Autos und einkaufenden Kühlschränken, um nur zwei populäre Phänomene zu nennen. Und es ist beileibe nicht alles verheißungsvoll, was da auf uns zurollt. Die Titel-Anspielung auf Aldous Huxleys schaurige Utopie „Schöne neue Welt“ kommt also nicht ganz von ungefähr.

Vermessung und Virtualisierung des Körpers - zunächst noch spielerisch... (Foto: Bernd Berke)

Vermessung und Virtualisierung des Körpers – zunächst noch spielerisch… (Foto: Bernd Berke)

Die kompakte, recht übersichtliche Ausstellung wird in wenigen Raumwürfeln präsentiert und ist so mobil, dass sie demnächst landauf landab wandern wird – zunächst nach Hamburg und Mannheim.

Da sieht man beispielsweise den Handschuh, der sich einfärbt, wenn giftige Gase wabern. Oder einen Feuerwehranzug, dessen Textur ungeahnt viele Schadstoffe herausfiltert und dessen Sensorik in Gefahrenzonen blitzschnell lebenswichtige Daten erhebt. Die meisten Feuerwehren dürften sich einstweilen solch kostspielige Ausrüstung kaum leisten können.

Die wenigen Exponate verweisen auf vielfältige Hintergründe. Es sind jedenfalls spannende Gebiete, auf den die Dortmunder Bundesanstalt forscht. Mit „Ambient Intelligence“ befasst man sich seit 2009 intensiv. Dabei gilt es, sorgsam zwischen Chancen und Risiken zu lavieren. Einerseits drängt die globale Konkurrenz zum Handeln, andererseits soll das menschliche Maß gewahrt werden.

Kultur- und Geisteswissenschaftler, so steht zu hoffen (ja zu fordern), sollten an derlei Forschungen ebenso beteiligt sein wie Naturwissenschaftler und Ingenieure. Damit nicht nur die Machbarkeit zählt. Freilich kann man der Bundesanstalt in solcher Hinsicht wohl mehr (zu)trauen als manchen Forschungszweigen in der Industrie, wo sich alsbald alles „rechnen muss“.

Zurück in die Würfel. Eher schon wie ein Jux muten jene speziell präparierten Socken an, die per Scanner und iPhone einander automatisch zugeordnet werden können – endlich eine Lösung für das allfällige „Lost socks“-Problem? Halb scherzhaft beworben wird die sündhaft teure Erfindung (5 Paar Socken mit Zubehör ca. 150 Euro) vor allem für tölpelhafte Single-Männer. Das Set verrät einem übrigens auch, wie viele Waschgänge die Socken bereits hinter sich haben – und schlägt zeitig den Kauf von Neuware vor…

Der Gürtel, der den Träger zur geraden Körperhaltung ermahnt, steht für zahlreiche Apparaturen, die den Menschen unentwegt zur maximalen Fitness anhalten – und vielleicht eines nicht allzu fernen Tages von Krankenkassen zur Pflicht erklärt werden könnten.

Ein anderer Kubus der Ausstellung skizziert den Stand der Dinge bei den Datenbrillen („Head-mounted displays“). Ein Exemplar kann man auch gleich ausprobieren. Zum Einsatz solcher Brillen für Montage-Vorgänge läuft eine Langzeitstudie, derzufolge die Träger sich offenbar weniger bewegen, als wenn sie mit einem Tablet arbeiten. Außerdem werden sie schneller müde, ohne schneller gearbeitet zu haben. Die Effektivität ist also sehr fraglich. Allerdings ist bei den Datenbrillen eh die Unterhaltungs-Industrie die treibende Kraft und nicht so sehr das produzierende Gewerbe.

Auch ganze Bewegungsabläufe werden längst digital „optimiert“. Die exakte Körpervermessung generiert einen Schattenleib, der im virtuellen Bildraum erscheint und nach allen Regeln der Ergonomie analysiert werden kann. Denkt man das weiter und weiter, kann einem ziemlich unbehaglich werden. Darüber kann auch der spielerische Einsatz dieser Technologie nicht ohne weiteres hinwegtrösten.

Schließlich die intelligente Beleuchtung. Am Horizont erscheinen Szenarien, in denen beim Betreten eines Raumes (etwa eines Büros) je individuell die Lichtverhältnisse geregelt und immer wieder neu austariert werden – je nachdem, wer gerade anwesend ist.

Womöglich schön und gut. Doch auch auf diesem Gebiet lauert Manipulation. Eine vielfach praktizierte Steigerung des Blaulichtanteils hält Menschen bei der Arbeit länger wach – aber mit welchen Folgen? Blaulicht (in allen LEDs, somit auch als Hintergrundlicht auf vielen Bildschirmen) beeinflusst den Hormonhaushalt, genauer: es senkt den Melatonin-Spiegel. Anschließende Schlafstörungen sind sehr wahrscheinlich, auch könnte langfristig die Krebsgefahr wachsen.

„Schöne schlaue Arbeitswelt.“ DASA Arbeitswelt Ausstellung, Dortmund, Friedrich-Henkel-Weg 1-25. Vom 11. September bis 23. November. Geöffnet Di-Fr 9-17, Sa/So 10-18 Uhr.

DASA-Eintritt für alle Bereiche 5 Euro (bis zum 28. September läuft neben der Dauerschau auch noch eine Sonderausstellung zur Geschichte des Zeitempfindens: „Tempo Tempo! Im Wettlauf mit der Zeit“). Führungen: 0231/9071-2645.

www.dasa-dortmund.de