Schneller Fuchs, träger Hund, Bayern und Sylt oder: Das ganze Alphabet soll es sein

Selbstverständlich ist dieser Fuchs (aus Schottland) gegen die Fuchsjagd (Protestkarte aus Cornwall). (Foto: Bernd Berke)

Mal abgesehen von Pangrammen: Selbstverständlich ist dieser Fuchs (aus Schottland) gegen die Fuchsjagd (Protestkarte aus Cornwall / UK). (Foto: Bernd Berke)

Ich weiß auch nicht, warum ich ausgerechnet heute darauf komme. Jedenfalls gibt es da die sogenannten Pangramme. Was das sei? Nun, es sind etwas wirre und zuweilen komische Sätze, deren vornehmster Zweck darin besteht, sämtliche Buchstaben des Alphabets zu enthalten.

Man fragt sich, wer diese Sprach-Bastelei betrieben hat. Im Deutschen ist jemand – nach vermutlich langem Grübeln (oder fröhlichem Assoziieren) – auf diese Idee verfallen:

„Franz jagt im komplett verwahrlosten Taxi quer durch Bayern.“

Nicht schlecht. Aber da fehlt doch noch was? Richtig, es kommen keine Umlaute vor, die fürs Deutsche nun mal typisch sind. Auch vermisst man das „ß“. Um den Satz letternmäßig entsprechend zu erweitern, muss man freilich aus Bayern in den hohen Norden gehen. Dann eröffnet sich die ins Absurde ragende Perfektion dieses Satzes:

„Zwölf Boxkämpfer jagen Viktor quer über den großen Sylter Deich.“

Und wozu solche Sätze? Früher hat man Fernschreiber, Setz- und Schreibmaschinen oder Drucker damit getestet, heuer sind’s gelegentlich noch Computer-Tastaturen. Mit einem Merksatz kann man herausfinden, ob alle Buchstaben funktionsfähig vorhanden sind und wie sie – je nach Schriftart – aussehen.

Selbstverständlich gibt es derlei Satz-Konstrukte nicht nur im Deutschen. Das wohl berühmteste stammt aus dem Englischen und lautet:

„The quick brown fox jumps over the lazy dog.“  (Der schnelle braune Fuchs springt über den trägen/faulen Hund.)

Im Französischen behilft man sich u. a. hiermit:

„Portez ce vieux Whisky au juge blond qui fume.“ (Tragt diesen alten Whisky zum blonden Richter, der raucht.)

Es gibt derweil auch Sätze mit allen französischen Akzentformen, auf die ich hier verzichten möchte. Hab‘ ich denn Lust, all die Sonderzeichen auf der Tastatur hervorzukramen? Nö.

Die zuweilen unerschöpflich erscheinende Wikipedia-Enzyklopädie, der wir die Beispiele dankend entnehmen, unterscheidet übrigens noch „echte“ Pangramme, in denen jeder Buchstabe genau einmal vorkommt. Angeblich ist dies bislang in keiner Sprache ohne Abkürzungen und/oder gewaltsam herbeigezerrte Kunstworte gelungen.

Wo wir eben schon mal beim Fuchs waren: Zum Füchslein auf dem Foto gibt es eine kleine Geschichte. Das Tier stammt aus Schottland. Ich hatte es dort in einem Geschäft entdeckt, es aber zunächst nicht gekauft. Doch der Kerl mit der grünen Montur ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Also hieß es nach reiflicher Überlegung: noch einmal quer durchs Land von der einen zur anderen schottischen Küste fahren – zurück bis zu jenem Laden, wo der Fuchs gottlob noch zu haben war. Jahre später hat ihn unsere Tochter ins Herz geschlossen. Sage also niemand, die damalige Fahrt hätte sich nicht gelohnt. Doch vom Öko-Fußabdruck (Carbon Footprint) reden wir hier mal ausnahmsweise nicht.

Dieser Tage ist der Fuchs übrigens mit in England gewesen, genauer: in Kent, London und Cornwall. Er musste sich doch über den Brexit informieren. Als Schotte ist er ganz eigener Meinung.

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P. S.: Im besagten Wikipedia-Beitrag finden sich auch noch einige Pangramme für folgende Sprachen: Russisch, Polnisch, Slowenisch, Tschechisch, Lateinisch. Mehr gibt’s man anderweitig, beispiels- und vorzugsweise in dieser denkbar ausführlichen Listen-Überscht: http://clagnut.com/blog/2380/




„The Awful German Language“ – Wie Mark Twain über die deutsche Sprache wetterte

Das überreicht womöglich der feixende Englischlehrer seiner Kollegin vom Fach Deutsch: Das schmucke Geschenkbändchen „The Awful German Language“ enthält Mark Twains legendäres Pamphlet gegen die deutsche Sprache; natürlich nicht im fürchterlichen Deutsch, sondern im nahezu makellosen Englisch.

Nur 40 Seiten schmal ist die No. 1419 der Insel-Bücherei. Mark Twain (1835-1910), dem das Erlernen des Deutschen offenkundig recht schwer gefallen ist, zieht kräftig vom Leder. Er wettert über den Treibsand der Regellosigkeit, der einen an diesem Idiom verzweifeln lasse.

19419

Wie froh konnte der Mann sein, wäre doch um ein historisches Haar beinahe Deutsch die Kernsprache der Vereinigten Staaten geworden – und nicht dieser seltsame Seemannsdialekt, den ein gewisser Shakespeare und ein paar andere noch halbwegs hochgejazzt haben. (*zwinker, zwinker*).

Besonders die Artikel „der“, „die“ und „das“ regen den literarischen Vater von Tom Sawyer und Huckleberry Finn auf, während es doch im Englischen bekanntlich schon mit „the“ getan ist. Ein deutschsprachiger Mann, so polemisiert der, die oder das Twain, könne sich seiner Geschlechtsmerkmale niemals sicher sein, werde doch jeder Körperteil völlig willkürlich als männlich, weiblich oder sächlich markiert. Auf diese Weise werde der Herr der Schöpfung zur „ridiculous mixture“. Hat Mark Twain etwa unter linguistisch induzierten Kastrationsängsten gelitten?

Um die Sprache Goethes zu demaskieren, pfropft er spaßeshalber einer englischen Geschichte eine vermeintliche deutsche Sprachstruktur auf. Das Resultat klingt wunschgemäß steif und lächerlich. Was zu „beweisen“ war.

Mit Mehrfach-Bedeutungen und irritierenden Anklängen plagt er sich ebenso wie mit dem Satzbau, bei dem die Verben weit hinten zu finden sind. Auch machen ihm schier endlos und offenbar nach Gutdünken gereihte Wörter zu schaffen, die in keinem Lexikon stünden („Kinderbewahrungsanstalten“, „Waffenstillstandsunterhandlungen“). Auch sonst findet er für all seine Behauptungen leidlich witzige Beispiele, ganz nach dem Motto: je ungerechter, umso lustiger.

Andererseits könne man, so Samuel Langhorne Clemens (bürgerlicher Name von Mark Twain) schelmisch, getrost komplette Konversationen mit den Wörtern Also, Zug und Schlag bestreiten, die in allerlei Zusammensetzungen immerzu wiederkehrten.

Überraschend sein Befund, das Englische sei ungleich kraftvoller, während das Deutsche sich geradezu säuselnd sanft anhöre. Als Beispiele führt er „milde“ Ausdrücke wie etwa Schlacht und Gewitter an. Vom Blitzkrieg wusste er freilich noch nichts. So lässt er auch als raren Vorteil des Deutschen gelten, dass es für die Bereiche Natur, Liebe, Frieden und Ruhe passende Worte bereithalte. Hört, hört! Wahrscheinlich hatte Mark Twain noch Dichtungen der deutschen Romantik im Ohr. Ein Vorzug gegenüber dem Englischen sei zudem, dass die deutsche Aussprache weitgehend dem Schriftbild folge. Immerhin.

Schließlich schlägt Mark Twain kurzerhand noch eine reichlich rabiate Reform des Deutschen vor, das andernfalls zur toten Sprache degenerieren müsse: Dativ weg, Verben weiter nach vorn, kürzere Wörter, möglichst viele Vokabel-Importe aus dem Englischen (!) und Abkehr vom verwirrenden Der-die-das. Da müsste man nur noch ein Volk gefunden haben, das sich an diese Vorgaben gehalten hätte. Man hätte nur auf Mark Twain hören müssen – und schon… – ja, was?

Übrigens: Gar so schlimm kann es mit dem Deutschen dann auch wieder nicht gewesen sein. Mark Twain lebte in den 1890er Jahren für einige Monate in Berlin („luminous centre of intelligence […] a wonderful city“) und ließ seine Töchter dort studieren. Hernach zog es ihn auch nach Wien. Man gäbe was für Tonbänder, auf denen zu hören wäre, wie er – verschmitzt und zornig zugleich – im Deutschen radebrecht.

Mark Twain: „The Awful German Language“. Insel-Bücherei No. 1419. Englischer Originaltext. 40 Seiten. 10,95 €.




Sie hat es wirklich nötig – heute ist der Tag der deutschen Sprache

Heute haben wir mal wieder einen wichtigen Tag. Der 13. September ist nicht nur der spezielle Tag der Ersten Hilfe (ja, wirklich), es ist auch der Tag der Deutschen Sprache. Die hat es aber auch wirklich extrem nötig.

Nein, ich bejammere jetzt an dieser Stelle und zu dieser Gelegenheit nicht, dass immer mehr undeutschlich sprechende Menschen was vom Whatsappen brabbeln, oder (statt miteinander zu sprechen) sich was simsen. Nein, ich will ich keineswegs bekritteln, dass der deutschsprachige Zeitgenosse gern mit einem Handy telefoniert oder biked statt Fahrrad oder Motorrad zu fahren. Das ist nun mal so und der Jööte hätte sich auch nicht vorstellen können, dass manches heute völlig anders und dennoch korrekt geschrieben würde, als die Vorschriften seiner Zeit es erlaubten.

Kaum zu glauben, was aus diesen Elementen entstehen kann... (Foto: Bernd Berke)

Kaum zu glauben, was aus diesen Elementen entstehen kann… (Foto: Bernd Berke)

Aber: Ich kann getrost bejammern, dass es Journalisten gibt, die mit Dativ und Genitiv auf Kriegsfuß stehen, dass es Eliten in der Wirtschaft gibt, die außerhalb ihres Volkswirtskauderwelschs nichts mehr korrekt zu formulieren in der Lage sind und der bisweilen eleganten Satzstellung deutscher Sprache mit denglischem Unfug entgegentreten, weil sie des festen Glaubens sind, dass nur sie sich untereinander verständigen können; was übrigens stimmt, aber mir relativ gleichgültig ist. Ich will die ja auch nicht begreifen.

Ich kann auch beklagen, dass es Politiker(innen) gibt, die den Blödsinn mitmachen und so verquastes Zeugs von sich geben, dass sie sich selbst kaum mehr verstehen, was aber auch nicht weiter stört, allenfalls in der Form, dass sie uns die Zeit klauen.

Es ist auch durchaus ein Seufzen wert, dass junge Menschen den Kindergärten entwachsen und ganz erstaunt darüber sind, dass an den anschließend besuchten Schulen streng darauf geachtet wird, dass jeder und jede sich des sprachlichen Kommunikationsmittels bedient, das hierzulande die Regel darstellt.

Und ich darf schwerst kritisieren, dass es Menschenrechtsorganisationen gibt, die sich darüber beklagen, dass unmenschliche und selbstgefällige „Gläubige“ sich durch „ethnische Säuberungen“ an ihren Mitmenschen mit anderem Glauben schuldig machen. Ja wissen die denn, was sie da reden oder schreiben?

So gesehen hat die deutsche Sprache sehr wohl einen gesonderten Tag nötig. Deutsche, also solche, die dieser Sprache mächtig sein sollten, beherrschen diese immer weniger korrekt. Sie ludern entweder aus Fahrlässigkeit oder aus Flachwissenheit mit dem wichtigsten Kommunikationsmittel herum, als sei es ein Fußabtreter.




Das neue Kurz-Sprech: „Kann das Müll?“

Vor einigen Tagen überraschte ich mich und meine Familie mit einer für alle ungewöhnlichen Frage: „Kann das Müll?“ Die Präposition „in“ und den Artikel „den“ hatte ich einfach geschlabbert, unbeabsichtigt, unbewusst. „Und so sprichst Du als Germanist“? empörte sich meine Gattin. Ja. Leider.

Verliert offenbar weiter an Einfluss: der Duden.

Verliert offenbar weiter an Einfluss: der Duden.

Werbung und Alltagshören hat wohl doch größeren Einfluss auf unser Sprechen als die Schulerziehung in Kindertagen. „So muss Technik“ schallt es uns – grammatisch falsch – aus dem Fernseher entgegen, und neulich in der Bahn von Düsseldorf nach Hagen hörte ich einen Jugendlichen in sein Handy rufen: „Nach Schule lauf isch Elberfeld“.

Spätestens seit dem Linguisten Noam Chomsky wissen wir aber, dass unvollständiges oder vom Soziolekt geprägtes Sprechen den gleich großen Kommunikationswert haben kann wie die gerühmte Hochsprache. Man muss sich nur von Vorurteilen befreien. Sprache ist immer in Bewegung, und was letztlich die Mehrheit der Sprachnutzer anwendet, das wird sich irgendwann auch als richtig durchsetzen. Da kann die Duden-Redaktion noch so sehr dagegen ankämpfen.

Übrigens hatten schon die alten Römer ein ähnliches Problem: Der gute Cicero, ein gebildeter Mann, ließ sehr gern Wortteile oder Hilfsverben weg und quält mit dieser Vorliebe noch heute so manchen Lateinschüler. „Lern isch Vokabeln später“, sagt sich der Kurz-Sprecher dann.




„Die deutsche Sprache verkommt“ – finden 65 Prozent bei einer Allensbach-Umfrage

Spitzen wir es mal probehalber zu: „Hilfe, die deutsche Sprache verkommt!” Mit einem solchen Notruf kann man die Resultate der neuen Allensbach-Umfrage auf den Gipfelpunkt treiben. Doch es steht noch ein bisschen mehr drin. Mancher Befund ist zudem auslegungsbedürftig.

Um die leidige Rechtschreibreform geht es ebenso wie um die Vielzahl englischer Ausdrücke im Deutschen. Ferner wurde die bundesweite Beliebtheit bestimmter Dialekte ausgelotet (Bayerisch und Hamburgisch vorn, Sächsisch ganz hinten). Schließlich befasst sich die Studie mit der Ekelschwelle angesichts derber Kraftworte (siehe Anhang). Wahrlich Stoff genug.

Schlagzeilenträchtige 65 Prozent aller Befragten meinen, dass unsere Sprache im Niedergang begriffen ist, die über 60-jährigen Menschen denken dies sogar zu 73 Prozent. Die „Schuldigen” an der vermeintlichen Misere sind ausgemacht: Es werde weniger gelesen, und das wiederum liege vorwiegend an Fernsehen, Mobiltelefon und Computer.

Ohrfeige für die
Verfechter der
Rechtschreibreform

Es stimmt ja: Beim eiligen Verfassen von SMS-Botschaften oder E-Mails achten wohl die Wenigsten auf sonderlich veredelte Ausdrucksweise. Auch verludert in diesen Bereichen vielfach die ohnehin schon schüttere Rechtschreibung. Allerdings haben sich auf diesen Feldern ganz eigene Mitteilungssysteme entwickelt – mit (wildwüchsigen) Abkürzungen und so genannten „Emoticons”, die den Gemütszustand etwa durch gestrichelte Gesichter signalisieren. Auch die gewiefte Handhabung einer solchen Zeichen-Sprache erfordert ein gewisses Maß an Schläue.

Eine nicht geringe Minderheit sieht denn auch gar keine Dekadenz am Werk. Im Gegenteil: Der Wortschatz sei heute im Schnitt umfangreicher als früher (31 Prozent), außerdem werde mehr gelesen und geschrieben als ehedem (23 Prozent). Über die Qualität der Lektüre und eigener Texte ist damit freilich noch nichts gesagt.

Eine schallende Ohrfeige gibt es für alle Verfechter der lang umkämpften Rechtschreibreform: Lediglich 9 Prozent (!) der Befragten haben sich mit den neuen Regeln anfreunden können. „Bin dagegen” sagten 55 Prozent. 31 Prozent ist das Thema egal.

Dementsprechend weit verbreitet ist die Rechtschreib-Unsicherheit. Satte 79 Prozent aller Befragten bejahen diesen Satz: „Durch die Rechtschreibreform weiß man bei vielen Wörtern gar nicht mehr, wie sie richtig geschrieben werden.”

Es zeigen sich jedoch auch vage Hoffnungsschimmer. Zur Umfrage gehörte nämlich ein kleiner Rechtschreibtest mit kniffligen Worten – und mit Vergleichsdaten aus der Vergangenheit. Dabei stellte sich beispielsweise heraus: Das Wort „Rhythmus” wurde im Jahr 1957 nur von 11 Prozent korrekt geschrieben, jetzt sind es immerhin 31 Prozent. Über die Gründe ließe sich’s trefflich spekulieren. Vielleicht hat es sogar mit dem weithin verpönten Einfluss des Englischen zu tun. Es mag durchaus sein, dass sich das Schriftbild von „rhythm” eingeprägt hat.

Klagen über
Sprachverfall schon
bei antiken Griechen

Ansonsten sehen vor allem ältere Semester im Vordringen angloamerikanischer Worte wie Kids, Event oder Meeting ein dringliches Problem. 66 Prozent der über 60-jährigen fordern sogar, man solle dagegen vorgehen. Nach den probaten Mitteln (Quotenregelung? Gesetze?) wurde nicht gefragt.

Rudolf Hoberg, Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsche Sprache, versuchte gestern ein wenig die Wogen zu glätten: „Klagen über Sprachverfall gibt es seit den alten Ägyptern und den alten Griechen . . .”

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FAKTEN

Abstoßende Kraftworte

  • Die repräsentative Allensbach-Umfrage entstand in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Deutsche Sprache (Wiesbaden). Befragt wurden 1820 Menschen ab 16 Jahre. Im Internet kann man die Studie nachlesen unter: http://www.gfds.de/
  • In Sachen „Kraftworte” ergab sich dieses Bild:
  • Als ärgerlichstes und abstoßendstes Wort auf einer Auswahlliste wurde „Ficken” (59 Prozent Ablehnung) empfunden. Dahinter folgen „Krüppel” (55 %) und „Titten” (49%).
    Worte wie „Scheiße” (19% Ablehnung) oder „geil” (20%) werden schon eher toleriert.



Die deutsche Sprache ist „schön, saftig und besonders geschmeidig“ – Wolf Schneiders Buch „Speak German“

Nicht ungeschickt: Wer das massive Eindringen englischer Ausdrücke ins Deutsche bremsen will, sollte zunächst einmal die englische Sprache loben. Sie klingt ja oft so klipp und klar.

Besonders die englischen Einsilber wie Team, Job und Sex haben es Wolf Schneider (82) angetan. Manche Wort-Importe seien eben belebend. Doch wenn es nach dem „Sprachpapst“ des deutschen Journalismus geht, soll’s damit auch weitgehend genug sein. In Frankreich setze man doch auch Grenzen!

Im großen Rest seines neuen Buches preist er vor allem das Deutsche, auf das man „stolz“ sein könne. Vielfach sei es treffender, geschmeidiger und saftiger als andere Sprachen, überdies oft kürzer (Mord statt murder, Geld statt money, Mut statt courage usw.). Auch werde in keine andere Sprache dermaßen viel übersetzt. Deutsch sei also das größte Sammelbecken der Weltliteratur. Na, bitte!

Zwischendurch spießt der Autor wahrlich absurde Anglizismen aus Werbewelt und Wissenschaft auf. Die Schuldigen sind rasch ausgemacht. Treibende Kräfte der Wortinvasion seien Fernsehen, Computer und Popmusik gewesen. Die Politik habe es lange versäumt, entschieden gegenzusteuern und das Deutsche beispielsweise als eine offizielle Amtssprache in der UNO durchzusetzen.

Wiederum eine geschickte Finte: Schneider sagt mitfühlend, man tue dem Englischen mit solchen willfährigen Übernahmen gar keinen Gefallen. Die Weltsprache verwässere dabei.

Worauf will er hinaus? Wo es nur irgend geht, soll man passende deutsche Ausdrücke vorziehen. Dies lasse sich sogar wirksam „von oben“ beeinflussen oder verfügen, findet Schneider. Als leuchtende Vorbilder nennt er Luthers Bibel-Übersetzung und Bismarcks Vorschriften von 1874, nach denen 760 postalische Begriffe eingedeutscht wurden. Ob das heute noch so einfach wäre?

Wolf Schneider: „Speak German – Warum Deutsch manchmal besser ist“. Rowohlt, 192 Seiten, 14,90 €.




6000 eingewanderte Wörter – Paderborner Professor Broder Carstensen sammelt Belege für Anglizismen-Wälzer

Von Bernd Berke

Paderborn. Surfen bleibt Surfen. Der Versuch, die englische Sportbenennung mit dem Monsterwort „Brettsegeln“ einzudeutschen, darf als gescheitert gelten. Gescheitert sind auch die meisten anderen Versuche, die Flut von Anglizismen (Wortübernahmen und Entlehnungen aus dem Englischen) einzudämmen.

Bei vielen Worten merkt man inzwischen gar nicht mehr, daß sie von der britischen Insel oder aus den USA stammen. Der Paderborner Anglistik-Professor ler Carstensen (56), seit 20 Jahren eifriger Sammler von Angliszismen, arbeitet derzeit an einem Wörterbuch, mit dem er 6000 „eingewanderte“ Wörter anhand von 80 000 Beispielen (vor allem Belege aus Zeitungen) dokumentieren will.

Dem Wälzer, der in drei Jahren in einem Berliner Verlag herauskommen soll, wird man unter anderem entnehmen können, daß das Wort „Streß“ von einem kanadischem Arzt im Umlauf gesetzt wurde oder daß der Ausdruck „understatement“ (etwa: „Untertreibung“) seit 1956 im Schriftdeutsch gebräuchlich ist.

Das bislang jüngste englische Wort, das Eingang ins Deutsche fand, ist wieder ein sportlicher Begriff, nämlich „Aerobic“. Prof. Carstensen zur WR: „Für schnelle Verbreitung hat das ,Sportstudio‘ gesorgt, als Sydne Rome ihre ,Aerobic“-Kostprobe gab“. „Aerobic“ habe damit die Bezeichnung für den Spukgeist in der fränkischen Zahnarztpraxis, „Chopper“, als aktuellste Neuprägung abgelöst.

Doch nicht nur im Tagesgeschehen recherchierte der Paderborner Professor, sondern auch in der Geschichte: „Die ersten Wörter wurden schon im 13. Jahrhundert aus dem Englischen ins Deutsche übernommen.“ Durch Handelskontakte kamen vor allem via Lübeck und Hamburg Worte aus dem Seefahrtsbereich aufs Festland, zunächst „Boot“, dann „Lotse“, „Kutter“, „Schoner“ und andere, denen man heute die Herkunft kaum anhört.

Eine weitere Welle britischer Wendungen bereicherte das Deutsche zur Zeit der Shakespeare-Übersetzungen. So ist etwa der Ausdruck „Morgenluft wittern“ aus der direkten Übersetzung einer Shakespeare-Zeile hervor gegangen. Vollends öffneten sich die Sprachschleusen mit der britischen und amerikanischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg. Selbst so „deutsch“ klingende technische Fachtermini wie „Halbleiter“ oder „Flüssigkeitskristall“ erweisen sich als Lehnübersetzungen aus dem Englischen.

Während in der Schweiz und in Österreich der Gebrauch englischer Wörter weitgehend mit dem in der Bundesrepublik übereinstimmt, sind die Unterschiede zur DDR groß. Aus naheliegenden Gründen überwiegen dort russische Fremdwörter. Seltsamerweise gibt es dort aber eine englische Bezeichnung für „Brathähnchen“, die bei uns unbekannt ist. nämlich „broiler“. Das Hacksteak-Brötchen „Hamburger“, das sich auch im zweiten deutschen Staat „kulinarisch“ wie sprachlich einbürgerte, versuchte man – wohl auf halbamtlichen Wege – durch „Grilletta“ zu ersetzen.

Befragt, ob denn die deutsche Sprache ang6sichts der vielen Anglizismen allmählich verschwinden werde, antwortet Broder Carstensen lakonisch: „Ach, I wo!“