Das neue Kurz-Sprech: „Kann das Müll?“

Vor einigen Tagen überraschte ich mich und meine Familie mit einer für alle ungewöhnlichen Frage: „Kann das Müll?“ Die Präposition „in“ und den Artikel „den“ hatte ich einfach geschlabbert, unbeabsichtigt, unbewusst. „Und so sprichst Du als Germanist“? empörte sich meine Gattin. Ja. Leider.

Verliert offenbar weiter an Einfluss: der Duden.

Verliert offenbar weiter an Einfluss: der Duden.

Werbung und Alltagshören hat wohl doch größeren Einfluss auf unser Sprechen als die Schulerziehung in Kindertagen. „So muss Technik“ schallt es uns – grammatisch falsch – aus dem Fernseher entgegen, und neulich in der Bahn von Düsseldorf nach Hagen hörte ich einen Jugendlichen in sein Handy rufen: „Nach Schule lauf isch Elberfeld“.

Spätestens seit dem Linguisten Noam Chomsky wissen wir aber, dass unvollständiges oder vom Soziolekt geprägtes Sprechen den gleich großen Kommunikationswert haben kann wie die gerühmte Hochsprache. Man muss sich nur von Vorurteilen befreien. Sprache ist immer in Bewegung, und was letztlich die Mehrheit der Sprachnutzer anwendet, das wird sich irgendwann auch als richtig durchsetzen. Da kann die Duden-Redaktion noch so sehr dagegen ankämpfen.

Übrigens hatten schon die alten Römer ein ähnliches Problem: Der gute Cicero, ein gebildeter Mann, ließ sehr gern Wortteile oder Hilfsverben weg und quält mit dieser Vorliebe noch heute so manchen Lateinschüler. „Lern isch Vokabeln später“, sagt sich der Kurz-Sprecher dann.




Deutsche Sprache – unverwüstlich: Bonner Haus der Geschichte illustriert den vielfältigen Wandel

Bonn. Absichtslos ins Blaue gezielt und trotzdem ein aktueller Treffer! Vor eineinhalb Jahren hatte das Bonner Haus der Geschichte begonnen, seine Ausstellung „Man spricht Deutsch” vorzubereiten. Da konnte noch niemand wissen, dass Ende 2008 eine fast hitzige Debatte darüber aufkommen würde, ob unsere vorwiegende Landessprache als Leitideal im Grundgesetz verankert werden soll.

Mal abgesehen von solchen Bestrebungen, hört sich auch folgender Befund zweischneidig an: Als „Geltungszwerg und Bedeutungsriese” könne das Deutsche (je nach Perspektive) gelten. Prof. Hans Ottomeyer fand die paradox klingende Formulierung, die ungefähr dies besagt: Weltweit spielt unsere Sprache nur eine Nebenrolle, doch hat sie sich so reich entfaltet wie kaum eine andere. Wenn das kein Grund genug zur Freude am geschliffenen Wort ist!

Der Geltungszwerg
gilt zugleich als
Bedeutungsriese

Ottomeyer leitet das Deutsche Historische Museum in Berlin, das diesmal eng mit dem Bonner Haus der Geschichte kooperiert und auch den selben Ausstellungs-Architekten engagiert hat. Vernünftige Arbeitsteilung: Bonn konzentriert sich jetzt auf den Sprachwandel seit dem Zweiten Weltkrieg, Berlin wird ab Januar bis in die Anfangsgründe der Sprachgeschichte zurückblicken.

Der Parcours ist ebenso eng wie kurzweilig geraten: Dicht an dicht sind rund 500 Exponate angehäuft, die so gut wie jeden Aspekt der deutschen Gegenwartssprache anklingen lassen. Einschlägige Tondokumente, Filmausschnitte (natürlich auch Gerhard Polts Satire „Man spricht deutsh”) und anspielungsreiche Gegenstände lockern die Abfolge der Schriftstücke auf.

Da geht es um frühkindlichen Spracherwerb, um ein- und ausgewanderte Ausdrücke, um die hässlichsten und schönsten (Libelle, Habseligkeiten) Wörter, den gar mächtigen Einfluss des Englischen, um Sprachprobleme der Migranten, deutsch-deutsche Vokabel-Differenzen und um die allzeit wechselhaften Jugend-Jargons seit dem flockigen Gerede der „Halbstarken” in den 50er Jahren („Zentralschaffe”) – bis hin zum türkisch-deutsch gemixten Straßen-Idiom „Kanak-Sprak”.

Auch Seitenblicke auf Gebärdensprache, Dichtkunst und Dialekte fehlen nicht. Werbe- und Polit-Sprache (längst nicht mehr so knackig wie bei Wehner und Strauß) geraten gleichfalls ins Visier. Vielerlei Stoff, fürwahr.

Etliche weitere Themen quellen aus dem Füllhorn. Auch der Einfluss von Fernsehen oder Internet auf Leselust und Lesefähigkeit wird angerissen, ebenso die Klischees vom Deutschen in anderen Ländern: harter Klang, Anmutung soldatischer Zackigkeit. Voltaire spottete schon 1750, Deutsch tauge „nur für Soldaten und Pferde”.

Bald weltweit auf
Werbetournee durch
die Goethe-Institute

Man bekommt zahlreiche kleine Denkanstöße – mit hübschen Details wie jenem Foto vom „Gastarbeiter”-Sprachunterricht der frühen 60er. Da steht an der Tafel ein zeittypisch kreuzbraver Übungssatz: „Der Herr gibt der Dame den Bleistift.” Nostalgisch auch die in langen Deutschstunden von Schülern verzierten und beschmierten Reclam-Hefte. Ein ähnliches Exemplar könnte wohl fast jeder beisteuern.

Sprache lässt sich nur umständlich bebildern, doch die Bonner lassen sich nicht lumpen. Die Erinnerung an die 50er wird etwa mit zeitgenössischen Comics und dito Kofferradios wachgerufen. Ein eigens gebauter Schreibroboter (der gleich nach Eröffnung der Schau den Geist aufgab) sollte mit metallischer Geisterhand (un)sinnige „Manifeste” zu Papier bringen, man hatte ihn mit Wortkaskaden und Satzbildungsregeln gefüttert. Immer wieder kann der Besucher sein Wissen testen – anhand von Quiz-Klappen mit aufgedruckter Frage und verborgener Antwort.

Die Schau versteht sich ausdrücklich als „Werbung” für die deutsche Sprache, sie wird anschließend einige Jahre lang vom Goethe-Institut auf Welttournee geschickt. Also gibt man zwar die eine oder andere kleine Bedrohung zu, doch im Grunde erscheint unsere Sprache als unverwüstlich und vital. Die Ausstellung gibt uns tröstlich zu verstehen: Das Deutsche habe schon manches verwunden und werde noch manches überstehen – auch steifen Bürokratenjargon, Anglizismen, SMS- oder Internet-Kürzel. Was die Sprache nicht abmurkst, kann sie bereichern.

„Man spricht Deutsch”. Haus der Geschichte, Bonn, Willy-Brandt-Allee 14. Bis 1. März 2009. Geöffnet Di-So 9-19 Uhr, Eintritt frei.

Die Sprachausstellung ergänzt die im selben Haus laufende Schau „Flagge zeigen. Die Deutschen und ihre Nationalsymbole” (bis 13. April 2009, ebenfalls Di-So 9-19 Uhr).

Die Berliner Sprachausstellung beginnt am 15. Januar 2009 im Deutschen Historischen Museum.




Sprachpanscher, Plauderstündchen und Windmühlenflügel – der Kampf des Dortmunders Professors Walter Krämer

Der Dortmunder Professor Walter Krämer hat offenbar seinen Lebensinhalt gefunden: Unerbittlich zieht er zumal gegen englische Wörter zu Felde; die sich in die deutsche Sprache einschleichen.

Zum Zeichen der nationalen Aufgabe prangt in schwarz-rot-goldenen Lettern das Logo des „Vereins zur Wahrung der deutschen Sprache e. V.“ (VWDS). Vorsitzender: Walter Krämer. Mitgliederzahl: rund 5000. Ein zackiges Häkchen, vielleicht ein stilisierter Schutzzaun gegen fremde Spracheinflüsse, verunziert den Briefkopf des Vereins.

Nachdem die wackeren Wortwächter vordem Telekom-Chef Ron Sommer und die Hamburger Modeschöpferin Jil Sander zu „Sprachpanschern des Jahres“ gekürt haben, liegt nun die neue Vorschlagsliste auf dem Tisch. Hohe Tiere stehen mitsamt ihren Sünden darauf: Bahnchef Johannes Ludewig („Inter City Night“), Lufthansa-Boß Jürgen Weber („Check-in“), der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Ralf Breuer („Private Banking“), und VW-Lenker Ferdinand Piëch („Volkswagen foundation“). Ertappt hat man auch den Dortmunder RTL-Reporter Heiko Waßer, der sich bei Formel-1-Berichten Ausdrücke wie „warmup“ und „speed“ zuschulden kommen ließ. Schäm‘ er sich!

Niemand ist gegen die Sprachpolizei gefeit: „Verhört“ wurden auch Ilona Christen und Arabella Kiesbauer. Doch ausgerechnet diese Talk-Damen, denen sonst ihre ,Schmuddelthemen“ vorgehalten werden, sprechen laut Krämer „ein recht gutes Deutsch“. Na, dann ist ja alles in Ordnung. Übrigens: Ob Krämer und seine Mitstreiter wohl einen deutschen Begriff für Talkshow parat haben? „Sprechschau“? Plauderstündchen? Es gab Zeiten, in denen Sprachbewahrer gar Worte wie Motor („Zerknalltreibling“) und Nase („Gesichtserker“) eindeutschen wollten…

Gewiß ist es löblich, sich für den Erhalt deutscher Sprachkultur einzusetzen. Die Franzosen (die geschichtlich allerdings anders dastehen) sind auch nicht zimperlich, man kann dort für öffentlich verbreitete Anglizismen sogar belangt werden. Doch viele Dinge, die Krämer finster anprangert, erledigen sich durch pure Lächerlichkeit von selbst. Und manche seiner eifernden Bemühungen erinnern arg an Don Quijotes Kampf mit den Windmühlenflügeln. Wie ist der noch mal ausgegangen?

                                                                                                                 Bernd Berke




Iserlohn: Ein Hauch der weiten Welt im Goethe-Institut – abseits der Metropolen

Von Bernd Berke

Iserlohn. 140 Goethe-lnstitute gibt s in aller Welt, wo man die Menschen mit deutscher Sprache und Kultur bekannt machen möchte. Gelegentlich müssen aus Finanznot ein paar Standorte aufgegeben werden, doch in den ganz großen Metropolen bestehen die „kulturellen Botschaften“ weiter. Arbeitet ein solches Institut in New York? Natürlich. Und in Sydney? Selbstverständlich. In Rio de Janeiro? Na, klar. Nun kommt’s aber, was nur wenige wissen: Eine dieser Einrichtungen hat ihren Sitz in Iserlohn.

Munteres Stimmen- und Sprachengewirr an der Stennerstraße, wo das Iserlohner Goethe-Institut über zwei prächtige alte Villen verfügt. Gerade hat die Pause zwischen zwei Deutsch-Stunden begonnen. 130 Sprachschüler aus aller Welt büffeln derzeit hier meist im achtwöchigen Kursus, der 175 Unterrichtsstunden umfaßt. Im Sommer herrscht Hochsaison, denn die meisten Schüler kommen in ihren Ferien. Jene von der Südhalbkugel werden dann in unserem Winter anreisen.

Schon von der ersten Minute an wird ausschließlich Deutsch gesprochen, zuerst mit „Händen und Füßen“, später zunehmend versiert. Und es „hat“ schon etwas, wenn man erlebt, wie sich etwa Japaner und Afrikaner miteinander in unserer Sprache verständigen.

Leute aus allen Ländern der Erdkarte waren hier schon zu Gast, auch – müßige Testfrage – von den Tonga-Inseln. Warum gerade Iserlohn im Jahr 1960 als Standort auserkoren wurde, vermag auch der Leiter des Institutes, Dr. Günther Hasenkamp (41), nicht zu sagen. Nach Goethe-Lehr- und Wanderjahren, die ihn u. a. nach Budapest und Kalkutta führten, verschlug es den Anglisten und Slawisten erst im Vorjahr hierher.

Klassiker in allen Ehren – aber es zählt der Alltag

Die große Zeit des Instituts um 1990, in der bis zu 20 Lehrkräfte auch zahlreiche Aussiedler aus Osteuropa betreuten, hat er nicht mehr erlebt. Heute sind neun Lehrer hier tätig, denn die Förderung der Aussiedler-Kurse ist stark zurückgefahren worden.

Im Foyer steht zwar unübersehbar eine Goethe-Büste, und man hält den Klassiker auch sonst in hohen Ehren – als Schöpfer des Begriffes „Weltliteratur“ etwa, ganz im Sinne eines gleichberechtigten Gebens und Nehmens zwischen den Kulturen. Doch im Sprachunterricht legt man Wert auf die Verständigung in Alltagssituationen. Den „Faust“ kann man ja später immer noch lesen.

Meist sind es Stipendiaten oder Mittelschichtskinder, Studenten oder bereits Berufstätige, die sich in Iserlohn mit der deutschen Sprache befassen. Denn die Kursgebühren (2760 DM fürs achtwöchige Intensiv-Training) kann nicht jeder aufbringen, obwohl sie –umgerechnet auf die Stundenzahl – maßvoll sind.

Erlebnis-Programm in den größeren deutschen Städten

Kein Kurs ohne Begleitprogramm. Hasenkamp: „Die Schüler wollen ein Erlebnis-Deutschland kennenlernen“. Der Abstecher nach Berlin oder Frankfurt gehört deshalb ebenso dazu wie etwa die „Stadtrallye“ durch Iserlohn, der Besuch von Ausstellungen in ganz Westfalen, der Burg Altena oder der Disco in Dortmund. Und kürzlich saßen sie in Iserlohn multikulturell vor dem Kneipen-Fernsehschirm, um die Spiele der Fußball-WM zu sehen. Deutsch lernen von Heribert Faßbender…

Gute Erfahrungen hat man in Iserlohn mit der „Tandem“-Bildung gemacht, will heißen: Es kann sich jeder beim Goethe-Institut melden, der etwa sein Italienisch oder auch Chinesisch aufpolieren möchte. Irgend eine passende Sprach- und Hobby-Partnerschaft findet sich so gut wie immer.

Mit einem Jahresumsatz von rund 2,5 Mio. Mark ist das Iserlohner Goethe-Institut auch ein Wirtschaftsfaktor der Stadt. Vom Auswärtigen Amt gibt es keinen Zuschuß. Alles wird selbst erwirtschaftet.

Goethe-lnstitut Iserlohn, Stennerstraße 4.

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Nachtrag: Die Iserlohner Zweigstelle des Goethe-Instituts wurde zum 31. Dezember 1999 geschlossen – rund eineinhalb Jahre nach Erscheinen des obigen Beitrags.