Ostdeutschen Museen droht die Auszehrung – Museumsbund tagte in Iserlohn

Von Bernd Berke

Iserlohn. Es war die erste gesamtdeutsche Tagung des Deutschen Museumsbundes, die gestern in Iserlohn endete. Folglich spielte die Situation in Ostdeutschland thematisch die Hauptrolle, zumal (von etwa 200 Tagungsteilnehmern) rund 50 Museumsvertreter aus den neuen Ländern ins Parktheater gekommen waren; zwei von ihnen sitzen denn auch im neuen Bundesvorstand.

Wie kaum anders zu erwarten, waren Hiobsbotschaften en masse zu hören. In den Museen östlich der Elbe hat auf breiter Front der Stellenabbau begonnen, manche Institute wollen ihr Personal um die Hälfte reduzieren. Und nachdem schon manches Ausstellungsstück auf dunklen Wegen den Besitzer gewechselt hat, droht neuerdings die Gefahr, daß etwa kleinere Kreismuseums-Gebäude im Zuge von Gebietsreformen an private Interessenten verscherbelt werden.

Vor derlei kurzsichtigen Verkäufen warnte gestern der Vorstand des Deutschen Museumsbundes eindringlich. So könne man vielleicht kurzfristig finanzielle Nöte lindern, man werde den Substanzverlust aber später bitterlich bereuen. Gerade regionale und lokale Museen seien ein „kollektives Gedächtnis“ und von großer Bedeutung für die Identität ehemaliger DDR-Bürger.

Immerhin: Die Museumslandschaft der Ex-DDR war und ist keineswegs eine Wüste. Zumindest auf die bisherigen Ost-Stellenpläne waren die westdeutschen Kollegen neidisch. Fast alle Museen wurden dort hauptamtlich geleitet, während bei uns manches ehrenamtlich vonstatten geht. Die gute Besetzung ermöglichte es auch, eine in Ansätzen beispielhafte (wenn auch oft ideologisch verbrämte) Museumspädagogik aufzuziehen. Diese ist nun ebenso bedroht wie die Sicherheit. Seitdem Museumswärter arbeitslos werden, ist die Zahl der Kunstdiebstähle im Osten sprunghaft angestiegen, denn es fehlt auch das Geld, um die Wärter durch Video-Überwachungssysteme zu „ersetzen“. Auf Dauer könnte der Wert der gestohlenen Exponate bei weitem die eingesparten Gehälter übertreffen…

Der in Iserlohn neu gewählte Präsident des Museumsbundes, Prof. Siegfried Rietschel (Staatl. Museum für Naturkunde, Karlsruhe), betonte, daß man bei Neumitgliedern aus dem Osten keinerlei Gesinnungsschnüffelei, etwa per Fragebogen, betreiben werde. Wer aufgrund seiner SED-Vergangenheit nicht mehr tragbar sei, das müsse einzig und allein von den ostdeutschen Kollegen geklärt werden. Westlicher Beistand sei vielmehr in Sachen Öffentlichkeitsarbeit und Rechtshilfe gefragt.

Zweiter Schwerpunkt der Tagung waren die Technik-Museen. Hier zeichnet sich offenbar ein Bewußtseinswandel ab: Unkritische Darstellung technischer Vorgänge ist nicht mehr gefragt, ökologische Aspekte sollen immer stärker einbezogen werden.

In jeder Hinsicht war man über Iserlohn als Tagungsort und Westfalen als Umland des Lobes voll. Zahlreiche Exkursionen, so z. B. ins Hagener Freilichtmuseum und ins Westfälische Industriemuseum zu Dortmund, vermittelten den aus anderen Landstrichen angereisten Museumschefs unverhoffte Aha-Erlebnisse. Auch die Tagunsorte für die nächsten Jahre stehen weitgehend fest: 1992 trifft man sich in Schleswig, 1993 in Dresden oder Leipzig.




Sinkt das Interesse an großen Museen?

Von Bernd Berke

Münster. Die großen Museen, etwa in Köln, München und Berlin, verzeichnen sinkende Besucherzahlen, die kleinen und mittelgroßen Institute holen auf. Das sind die Trends, die sich in der (noch nicht abgeschlossenen) Statistik für 1982 deutlich abzeichnen.

Vertreter des Deutschen Museumbundes (DMB), dessen Jahrestagung gestern in Münster zu Ende ging, sprachen in diesem Zusammenhang von einem „Rückgang aufs normale Maß“ und nannten als mögliche Gründe für die Einbußen das Fehlen besonders spektakulärer Ausstellungen sowie die in der Rezession immer öfter geübte Praxis, dort Eintrittsgelder zu erheben, wo es bislang Museumskultur „zum Nulltarif“ gab. Auch sonst stand die Tagung zum großen Teil im unheilschwangeren Zeichen der Finanzmisere.

Dr. Christoph B. Rüger (46), Direktor des Rheinischen Landesmuseums Bonn und frischgebackener Vorsitzender des Deutschen Museumsbundes (der 636 „Vollmitglieder“ vertritt), beklagte vor allem die Auswirkungen des neuen Künstler-Sozialversicherungsgesetzes. Die Paragraphen schreiben vor, daß fünf Prozent der Ankaufsummen für Objekte lebender Deutscher Künstler an deren Sozialfonds abzuführen sind. Rüger: „Damit werden die ohnehin schon knappen Mittel für den Kunstankauf nochmals verkürzt“. Zwar sei eine solide Absicherung der Künstler wichtig, doch dürfe sie nicht auf Kosten der Ankaufsetats gehen. „Die öffentlichen Haushalte müssen unsere Etats entsprechend aufstocken“, forderte Rüger.

Fast schon selbstverständlich: Auch das Thema „Veräußerung von Magazinbeständen“ spielte bei der Tagung wieder eine überragende Rolle. Während Galeristenverbände auf eine „Belebung des Marktes“ hoffen, wenn Angestaubtes aus den Kellern der Musentempel geholt und feilgeboten wird, wehren sich die Museumsleiter beharrlich gegen diese Art der Etataufbesserung. Hauptargument: In den Tiefen der Magazine schlummere vieles, was dereinst wiederentdeckt und für kommende Generationen wichtig werden könne. Zum Teil würden die Magazine auch jetzt schon „aktiviert“, indem große Museen Leihgaben an kleinere aus diesem Fundus bestritten. Schließlich koste auch die marktgerechte Erfassung und Aufbereitung der „Keller-Kultur“ horrende Summen, so daß gar nicht viel Profit für die Museen abfallen würde. Christoph Rüger an die Adresse der privaten Galeristen: „Außerdem sind wir nicht dazu da, einen Berufsstand zu versorgen.“

Eine in Münster diskutierte Initiative des Museumsbundes kündigte dessen neuer stellvertretender Vorsitzender, Prof. Siegfried Rietschel (Karlsruhe), an: Man wolle verstärkt die Leiter der räumlich beengten Universitäts-Sammlungen beraten. Leider „vergammelten“ viele der dort aufbewahrten Schätze. Auf diesem Gebiet verschenke manche Hochschule eine Chance, sich der Öffentlichkeit freundlicher zu präsentieren.