Sie geht, er geht auch: „Gift. Eine Ehegeschichte“ am Schauspielhaus Bochum

Irgendwann steht die Frau ganz alleine auf der Bühne der Bochumer Kammerspiele, der Theaternebel wabert langsam ins Publikum und mit ihm eine große Traurigkeit, während die Frau sich mit geschlossenen Augen dem Regen hingibt.

Die namenlose Frau (Bettina Engelhardt), die vor zehn Jahren erst ihr Kind, dann sich selbst und dann ihren Mann verlor, hat diesen gerade zum ersten Mal seit zehn Jahren wiedergesehen – auf dem Friedhof, auf dem das gemeinsame Kind liegt. Denn Jacob soll umgebettet werden: Der Boden des Friedhofs ist vergiftet. Die Frau fühlt sich nun bereit für die gemeinsame Trauerarbeit, die direkt nach dem tödlichen Unfall des Kindes unmöglich war. Doch ihr Ex-Mann (Dietmar Bär) fand eine andere Strategie der Bewältigung. Er, der sie nach dem Unglück verlassen hatte, hat sich „damit abgefunden, dass das Kind jeden Tag fehlt“, und ist nun dabei, eine neue Familie zu gründen.

Szene aus "Gift. Eine Ehegeschichte" mit Dietmar Bär und Bettina Engelhardt (Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum)

Szene aus „Gift. Eine Ehegeschichte“ mit Dietmar Bär und Bettina Engelhardt (Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum)

„Gift. Eine Ehegeschichte“ heißt das Zweipersonen-Stück der holländischen Autorin Lot Vekemans, das am Samstag Premiere in Bochum hatte. Ein dichtes, intensives Konversationsstück, das davon erzählt, wie es sein kann, wenn ein Paar ein Kind verliert. 80 Prozent aller Ehen, heißt es, scheitern nach einer solchen privaten Katastrophe.

Ricarda Beilharz‘ Bühne spiegelt das Seelenleben der Eltern: Alle Erinnerungen und Spuren sind noch da, notdürftig verpackt und verhüllt. Weißer, fließender Stoff bedeckt Wände und Boden, Möbel und Kinderzimmerausstattung. Ein nur auf den ersten Blick leerer Raum, der auch an das Innere eines Sarges erinnert – und damit an die unendliche Einsamkeit der Trauernden.

Die Szene, in der sich der Nebel (das Gift?) verzieht und der Regen kommt, liegt genau in der Mitte des Stücks. Bislang war zu sehen, wie Mann und Frau die riesige emotionale und räumliche Distanz versuchen, in den Griff zu bekommen. Denn nicht nur der Friedhofsboden, auch die Atmosphäre ist vergiftet. Es dauert keine fünf Minuten, da verfallen die ehemaligen Partner in vertraute Mechanismen: „Ich rede von Jacobs Umbettung, du redest von den Kosten!“, wirft sie ihm vor. „Leiden macht süchtig, findest du nicht auch“, stichelt er. Die alten Psychospielchen. Er geht, er kommt zurück. Sie geht. Er geht auch.

Im Stücktext folgt dann eigentlich die Wende: Mann und Frau finden nach und nach im Gespräch wieder zu einer gemeinsamen Sprache, erinnern sich an die letzten Minuten mit ihrem Kind und schaffen es, ihre Geschichte nachträglich in Würde zu beenden.

Regisseurin Heike M. Götze hat sich etwas anderes ausgedacht. Bei ihr geht die Geschichte nach der Regen-Szene zunächst noch einmal von vorne los – allerdings mit vertauschten Rollen. Im zweiten Durchgang ist die Frau diejenige, die einen neuen Partner gefunden hat und schwanger ist. Der Mann ist zurück geblieben und hat sich in seiner Trauer eingerichtet. Das Publikum erlebt die gleichen Dialoge noch einmal – aus anderer Perspektive.

Damit rückt das Geschehen zwangsläufig ein Stück vom Zuschauer weg, der nun nicht mehr eine individuelle Geschichte sieht – sondern eine Studie zur Trauer- und Beziehungsarbeit. Götze nimmt dem Stück damit seine Wucht und Intensität. Der Erkenntnisgewinn bleibt dagegen gering und ein wenig im Vagen: Was soll das Experiment bedeuten? Dass Trauerstrategien nicht geschlechtsspezifisch sind? Dass Verständigung nur funktioniert, wenn man mal die Perspektive wechselt? Dass es keinen Unterschied macht, wie man nach so einem Ereignis weitermacht – Hauptsache man tut es?

Bettina Engelhardt und Dietmar Bär gehen ihre (wechselnden) Rollen sehr unterschiedlich an: Engelhardt macht sich komplett durchlässig, wirft sich mit voller Intensität in die Figuren und zeigt Aggression, Zynismus, Hysterie, dann wieder enorme Verletzlichkeit und tiefe, tiefe Trauer. Dietmar Bärs Spiel ist dagegen stark zurückgenommen, zeitweise wirkt er wie ein Stichwortgeber, dessen Sätze nur Reaktionen seiner Partnerin provozieren sollen. Körperliche Interaktion zwischen den Protagonisten findet kaum statt – ein heftiger, fast aggressiver Kuss – ansonsten halten beide die meiste Zeit über größtmöglichen Abstand. „Ich würde mich freuen, ab und zu von dir zu hören“, sagt am Ende die eine Figur. „Ich auch“, erwidert die andere – mehr Happy End kann man nicht erwarten.

Zu den Terminen, Karten unter 0234 / 33 33 55 55.

(Die Kritik erschien auch im Westfälischen Anzeiger, Hamm)




Hose runter, Dax rauf: Der Geist protestantischer Erotik im Bochumer Schauspiel

Ach, was war das früher für eine wunderschöne Zeit: Statt mit Pornos im Internet ließen sich vor 100 Jahren die Männer noch durch eine leicht verrutschte Damenunterhose entflammen. Und zwar eine, die mit einem züchtigen Schleifchen und einer Rüsche am Fußknöchel endet und unter einem bodenlangen Rock getragen wird. Zumindest behauptet das Carl Sternheim in seinem Einakter „Die Hose“, der jetzt gemeinsam mit „Der Snob“ und „2013“ als „Trilogie aus dem bürgerlichen Heldenleben“ Premiere am Bochumer Schauspielhaus feierte.

Aus dem bürgerlichen Heldenleben. Foto: Thomas Aurin/Schauspielhaus Bochum

Aus dem bürgerlichen Heldenleben. Foto: Thomas Aurin/Schauspielhaus Bochum

Doch kann man diesen Text auch heute noch so erzählen?, fragte sich der Dramatiker Reto Finger und bearbeitete ihn lieber neu: Das wird vor allem im dritten Teil deutlich, der ursprünglich „1913“ hieß und nun in einem Dax-Konzern spielt, der „too big to fail“ werden will. Dazu muss der Patriarch ausgebootet werden, der die Firma erst groß machte, und das geschieht in König-Lear-hafter Manier, indem seine drei Töchter ihm das Aktienpaket abnehmen. Wer jetzt den Zusammenhang zwischen der rutschenden Hose und spätkapitalistischen Börsenspekulationen nicht begreift, sollte unbedingt weiterlesen. Denn der Geist des Kapitalismus liegt nicht in der protestantischen Ethik, sondern vielmehr in der protestantischen Erotik begründet. Ach, ja: Die Hauptrolle spielt Dietmar Bär, dem Fernsehpublikum bekannt aus dem Kölner Tatort.

Die Rolle des spießigen Beamten Theobald Maske verkörpert Bär mit Spielwitz und Ironie. Überhaupt ist die ganze Geschichte um die heruntergerutschte Hose seiner Frau Luise (Xenia Snagowski) einfach nur komisch: In einem altmodischen Sinne, der einen gewissen Retro-Charme entfaltet und Sommerleichtigkeit atmet. Denn Theobald vergisst seinen Ärger über seine liederliche Gattin schnell, als sie ihm durch ihr Missgeschick zwei verliebte Mieter ins Haus lockt, die seine finanzielle Lage gehörig aufbessern. Derweilen vergnügt er sich mit der Nachbarin (Katharina Linder) und offenbart, dass Moral ihm nur etwas gilt, wenn sie sich bezahlt macht. Auf jeden Fall kann er sich jetzt ein Kind leisten.

Nach demselben Prinzip verfährt sein Sohn in dem zweiten Stück „Der Snob“: Die Bühne wandelt sich von Etagenwohnung mit Perserteppich in ein mondänes Büro eines Firmenchefs und ehrgeizigen Aufsteigers (Felix Rech), dessen oberstes Ziel es ist, in bessere Kreise einzuheiraten. Dafür verleugnet er seine Familie und bietet dem Vater Geld, dass er aus seinem Leben verschwinde. Theobald nimmt’s nicht krumm, hat er diese merkantile Denkungsart seinem Sohn ja vorgelebt. Ihre persönlichen Entscheidungen folgen so einem ökonomischen Kalkül als Grundprinzip einer Gesellschaft, in der Klassenschranken fallen, weil nun der Mammon regiert.

Doch auch Christian als alter Mann und Aktien-Tycoon wird die Geister, die er rief, nicht mehr los und geht in „2013“ seinen machtgierigen Töchtern in die Falle, die sich wie die Heuschrecken von heute gebärden und auch noch stolz darauf sind. Barfuß geistert Bär alias Theobald als Wiedergänger des längst verstorbenen Vaters durch die Szene, die auf der Aktionärsversammlung des Maske-Konzerns spielt. Seine Mahnungen sind selbstverständlich in den Wind gesprochen, denn sein Sohn erntet nur, was er selbst gesät.

Einen seltsamen Zwitter zwischen Boulevard und kapitalismuskritischer Analyse hat Bochums Intendant Anselm Weber da inszeniert: Das Ergebnis ist allerdings witzig und zeigt starken Tobak von anno dunnemals in einer Ästhetik von heute. Leicht und böse zugleich – und kein bisschen langweilig.

http://www.schauspielhausbochum.de/spielplan/aus-dem-buergerlichen-heldenleben/162/




„Tatort“ Dortmund: Ja, hömma!

Nachtrag am 12. Oktober 2011:

Jetzt ist es heraus: Dortmund wird „Tatort“-Metropole. Und schon überschlägt man sich in der Stadt. Die Presse hat sich schon mal feine Mordgeschichten mit Lokalkolorit ausgedacht. Derweil versucht OB Ullrich Sierau (SPD), sich den Erfolg an seine Fahnen zu heften. Die Westfälische Rundschau zitiert das Stadtoberhaupt heute mit dem Satz: „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass mein Werben für Dortmund als Krimischauplatz so erfolgreich ist. Ich finde es super…“

Ist ja gut, Herr Sierau, Sie allein haben das bewirkt, keine Frage. Die Leutchen beim WDR mussten das fertige Konzept nur noch abnicken.

Schon im Vorfeld hatte Sierau eine Idee für den ersten Dortmunder Fall lanciert: Fiese Typen sollten demnach einen erfolgreichen Start-up-Unternehmer bedrängen. Dabei hätte man ganz nebenbei erfahren, welch gutes Pflaster Dortmund den Studenten und den jungen Unternehmen bietet, wären da nicht jene Finsterlinge (vielleicht aus Schalke?).

Mal ganz im Ernst: Hoffentlich widerstehen die Autoren allen Anfechtungen, die Dortmunder „Tatort“-Folgen mit strukturpolitischen oder sonstigen Botschaften zu befrachten. Schreibt bitte einfach gute Krimis und zeigt Dortmund als normale Stadt mit solchen und solchen Seiten!

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Und hier der Text von 7. September:

Es wird mal wieder spekuliert, ob Dortmund künftig ein ARD-„Tatort“ sein wird. Doch diesmal klingen die Mutmaßungen so, als wäre einige Wahrscheinlichkeit im Spiele.

Auch ein möglicher Hauptdarsteller wird genannt: der 41-jährige* Jörg Hartmann, der vereinzelt schon Gastauftritte in „Tatort“-Folgen absolviert hat, freilich nie als Polizist. Auch bei „Bella Block“ hat er ‚reingeschnuppert. Überdies verströmt er den Stallgeruch des westfälischen Ruhrgebiets, ist er doch in Hagen geboren und in Herdecke aufgewachsen. Ja, hömma!

Sei’s drum. Im Oktober soll das Publikum „amtlicherseits“ (sprich: vom WDR) mehr erfahren. Bis dahin hält dessen Pressestelle selbst gegenüber den Journalisten aus dem eigenen Hause dicht. Ein Effekt: Abermals ist eine Dortmunder Zeitung vorgeprescht und hat dem Sender, der ja schließlich die in NRW angesiedelten „Tatorte“ herstellt, die Geschichte vorgesetzt. Da muss es also eine undichte Stelle geben, die besagte Zeitung erneut weidlich nutzt. Wer will es den Kolleg(inn)en verdenken? Jedenfalls mussten alle anderen interessierten Medien „nachziehen“, besonders zähneknirschend tat man’s gewiss beim WDR.

Frei nach Lautréamont: Begegnung eines Küchenmessers und eines Stadtplans auf der Arbeitsplatte. (Foto: Bernd Berke)

Frei nach Lautréamont: Begegnung eines Küchenmessers und eines Stadtplans auf der Arbeitsplatte. (Foto: Bernd Berke)

Abgesehen davon fragt man sich, inwiefern es das Image (und indirekt gar das tatsächliche Lebensgefühl) einer Stadt beeinflusst, wenn sie „Tatort“-Schauplatz ist. Nun, es kommt sicherlich immer auf die einzelnen Drehplätze (z. B. Nordstadt, Hohensyburg, Westfalenstadion, Dortmunder „U“, Galopprennbahn oder ländlicher Vorort) und vor allem auf den Zuschnitt der Stories an. Münster beispielsweise wirkt in der ARD-Krimireihe geradezu leichtsinnig humorvoll, während einst in Schimanskis Duisburg vorwiegend die finsteren und desolaten Seiten der Stadt überwogen. Köln, Düsseldorf und Essen waren oder sind gleichfalls nordrhein-westfälische „Tatort“-Städte, so dass Dortmund nun wirklich einmal an der Reihe wäre, bevor sich etwa Randgemeinden wie Mönchengladbach, Aachen, Siegen oder Bielefeld andienen.

Und doch wendet man sich schon jetzt mit Grausen, wenn man sich ausmalt, wie die Stadtspitzen eine solche (vermeintliche) Erhebung in den medialen Adelsstand bejubeln. Wäre das schön, wenn sie es nobel hinnehmen und schweigend genießen würden! OB Ullrich Sierau hatte sich bereits im Frühjahr als Chef des Besetzungsbüros geriert, indem er den gebürtigen Dortmunder und BVB-Fan Dietmar Bär (Freddy Schenk im Kölner „Tatort“) nachdrücklich als DO-Kommissar ins Gespräch brachte. Das wird ja wohl nichts.

Erst recht sollte man sich keine touristisch verwertbare Stadtwerbung versprechen. Erfahrungsgemäß gibt es pro Folge nicht allzu viele Schwenks mit wirklichem Lokalkolorit, Innenraum-Szenen können ohnehin ganz woanders (aus Kostengründen beispielsweise in Köln) entstehen.

Dem vagen Vernehmen nach könnte es in den Dortmunder Krimis vorwiegend bodenständig witzig zugehen. Falls die ganze Chose stimmt, dürften auch schon Autoren und/oder Regisseure** am vorbereitenden Werk sein. Sollte etwa der ortsansässige Adolf Winkelmann…? Nicht doch, oder?

Also gut, warten wir’s einfach demütig ab. Stolzgeschwellt einherschreiten, ansonsten (siehe oben) still genießen oder auch sich königlich über Nestbeschmutzung aufregen, das alles kann man später immer noch.

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*Laut Wikipedia ist Hartmann am 8.6.1969 geboren, laut seiner Agentur (Mieke Gotha) am 8.6.1970…

**Frauen sind mitgemeint




Über die Revolte wird nur geredet – Roland Gall inszeniert Hauptmanns „Weber“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Unter der gebieterischen Titelzeile „Schluß jetzt mit Hauptmann?“ bezeichnete der Kritiker Peter Iden („Frankfurter Rundschau“) 1987 die Beschäftigung unserer Bühnen mit Gerhart Hauptmanns Dramen als überflüssig. Das sei „totes Theater“, ganz von gestern.

Nun gibt es immer mal wieder Sternstunden, in denen angeblich „unspielbare“ Stücke sich als überraschend spielbar erweisen. Eine solche Sternstunde wurde Wuppertal, wo Roland Gall (1980-84 Dortmunder Oberspielleiter) Hauptmanns „Die Weber“ in Szene setzte, allerdings nicht zuteil.

Die Bühne (Frank Chamier) ist naturalistisch gestaltet, die Dinge bedeuten nur sich selbst: Szenen wie Genre-BiIder, insgesamt zu harmlos. Auch eine Symbolik der Art, daß die Fabrikantenwohnung sich als Luxus-Gehäuse über einer Weberhütte befindet, ist gar zu offensichtlich.

Zudem wird das Elend der schlesischen Weber von 1844 durch die Kostüme (Angelika Uhlenbruch) eher behauptet als im Spiel beglaubigt. Es kommt zu keiner – womöglich erhellenden – Neu-Begegnung mit dem Text, der Zugriff durchdringt das Stück nicht. Kaum wird deutlich, warum man sich gerade für diesen Text interessiert hat.

Gespielt wird in Wuppertal nicht Hauptmanns dialektdurchsetzter Text von 1892, sondern eine hochdeutsche Neubearbeitung von Karl Otto Mühl. Das bedeutet einen Zugewinn an Verständlichkeit, poetisch aber einen Verlust. Man vermißt nicht nur berühmte Seufzer à la „Nu ja ja – nu nee nee!“, sondern vor allern die soziale Differenzierung nach Sprach-Schichten: Je näher einer den Herrschenden steht, desto eher versucht er sich in der Hochsprache. Hier aber redet der Weber fast so wie seine Ausbeuter.

Ein paar Eingriffe hat Roland Gall gewagt: Er verzichtet praktisch ganz auf Massenszenen, ersetzt sie durch skandierte, mit Trommelmusik (Heinrich Huber) untermalte Rebellions-Rufe vom Band – Revolte aus der Konserve? Auch als die Weber ins Haus des Fabrikanten Dreißiger eindringen, schlagen sie nicht etwa alles kurz und klein, sondern erstarren zum Gruppen-Tableau. Somit laufen all die vielen Reden, die rund um die Rebellion geführt werden, ins Leere, beziehen sich auf keine konkrete Tat, nähern sich einern bloßen Revolutions-Geschwätz. Der Aufstand wird nur noch herbeigeredet, nicht wirklich vollführt. Auch auf der Gegenseite steht keine echte Macht: Hans Christian Seeger als Fabrikant Dreißiger ist nur ein Schmalspur-Herrscher und führt eine Ideologie im Munde, an die er wohl selbst nicht mehr glaubt.

Ein Großteil des Ensembles, viele in Mehrfach-Rollen, wirkt mit. Die Leistungen reichen vom gelegentlichen Chargieren über ordentliche „Ablieferung“ der Rolle bis hin zur „Erledigung“ (letzteres im Doppelsinn). Einige schöne Gestaltungen ragen aber doch heraus, zumal in Nebenrollen: Besonders Josef Ostendorf (Reisender, Chirurg) und Karin Neuhäuser (als debiler Webersohn August Baumert), der es für einige Momente gelingt, dem Geschehen einen geradezu idiotischen Schrecken zu verleihen. Auch Dietmar Bär als brutaler Revolten-Karrierist Moritz Jäger und Bernd Kuschmann als Lumpensammler Horig machen ihre Sache recht gut. Horst Fassel (Weber Baumert) und Günther Delarue (Hilse) agieren solide, wie man es von bewährten Stutzen des Ensembles erwartet.

Herzlicher Beifall für die Schauspieler, ein paar zaghafte Buhs für die Regie.