„Das Monster von Minden“ und andere Schwergewichte: Kurzfilme auf den Spuren der westfälischen Dinos

Frisch lackiert: Modell des Wiehenvenators (Screenshot aus dem besprochenen Film / © LWL)

Wenn man den Zahnfund aufs ganze Tier hochrechnet, kommt man auf eine ungefähre Körperlänge von 9 Metern. Wachstumsringe in seinen Knochen deuten darauf hin, dass dieses imposante Wesen noch nicht einmal seine volle Größe erreicht hatte. Donnerwetter!

Wir sprechen vom „Wiehenvenator“, der im Erdzeitalter Jura (liegt etwa 200 bis 145 Millionen Jahre zurück) im heutigen Westfalen lebte. Wieso dieser Name? „Wiehen“, weil die Fundstelle im Wiehengebirge bei Minden lag; „Venator“, weil das mächtige Tier ein Räuber, genauer ein Raubsaurier gewesen ist. Der kapitale Bursche hat sich also im heutigen Westfalen herumgetrieben. Ab 1998 wurde die Fundstelle freigelegt: Zum Vorschein kamen Teile des Schädels, des Kiefers, der Beine, der Rippen und eben der Zähne. Daraus ließen sich mancherlei Rückschlüsse über die Gesamterscheinung des Dinos ziehen, wie der Wissenschaftler Dr. Achim Schwermann erläutert.

In einer Serie von drei kurzen Filmen will der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) unterhaltsame Einblicke in die akribische Arbeit der Paläontologen geben. Dazu hat man den Schauspieler und YouTuber (ohne diese Bezeichnung geht heute kaum noch etwas) Fabian Nolte engagiert, der auf möglichst muntere Weise mit Wissenschaftlern spricht und besonders durchs Münsteraner LWL-Museum für Naturkunde streift. Der Ansatz ist regional: „Saurierland Westfalen“ lautet die Serien-Überschrift. Ganz ehrlich: Ich habe im ersten Moment „Sauerland“ gelesen. Aber das nur ganz nebenher. Wir sind ja schließlich im Edutainment-Bereich, da darf man schon mal abschweifen.

Imposantes Museumsstück aus dem 3D-Drucker

Jetzt ist jedenfalls der erste von drei Filmen online. Wir erfahren unter anderem, dass der Wiehenvenator zwar an Land gelebt hat, aber nach seinem Tod ins (damals noch ganz anders ausgedehnte) Meer gespült worden ist. Dort wurden seine sterblichen Überreste von Sedimenten bedeckt und sind daher gut erhalten geblieben. Anhand der Fundstücke aus der Region Minden und anderen Weltgegenden haben die Wissenschaftler im Computer eine 3D-Animation erstellt, die sodann mit einem 3D-Drucker materialisiert wurde. Passend lackiert (hierbei spielte auch die Phantasie eine gewisse Rolle), steht der nach bestem Wissen rekonstruierte Wiehenvenator nun im Museum. Schau mir in die Augen, Großer…

Natürlich stellt Fabian Nolte auch die Pflichtfrage nach dem „Jurassic Park“, sprich: Könnte man Saurier durch aufgefundene DNA wieder zum Leben erwecken? Experte Achim Schwermann muss ihn enttäuschen: Höchst unwahrscheinlich sei das. In den verflossenen Jahrmillionen hätten sich allenfalls DNA-Schnipsel erhalten. Nolte findet es schade. Möchte er denn wirklich gern solchen Dinos an der nächsten Straßenecke begegnen? Schließlich trägt der Wiehenvenator auch in diesem Film den Beinamen „Das Monster von Minden“.

Der Film ist offenbar vor den Corona-Beschränkungen entstanden, soll aber im Lockdown den Appetit auf künftige Museumserlebnisse wachhalten. Zwei weitere Streifen – jeweils rund eine Viertelstunde lang – werden am 11. und am 18. Februar freigeschaltet: „Westphaliasaurus – Eine Paddelechse aus Westfalen“ und „Ichthyosaurus – Ein ,Fischsaurier‘ wird filetiert“. Küchentipps sind da wohl nicht zu erwarten.

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Alle drei Filme finden sich unter diesem Link.




Dortmunder Krallenfund: Raubsaurier im Ruhrgebiet

Hat der Raubsaurier so ähnlich ausgesehen? Man weiß es nicht. (Bild: LWL)

Hat der Raubsaurier so ähnlich ausgesehen? Man weiß es nicht. (Bild: LWL)

Hier geht’s um Dinosaurier im Revier. Nein, es sind keine gigantischen Hochöfen oder Gasometer gemeint. Für derlei Zeugnisse der historisch gewordenen Industrielandschaft erstrebt die Region jetzt gleichsam pauschal den Titel eines UNESCO-Weltkulturerbes. Vielleicht leben wir eines Tages alle in einem großen, großen Freilichtmuseum.

Davon erst einmal genug.

Parallel gab’s gestern eine Nachricht, die selbst die „Bild“-Redaktion elektrisierte und zur Dino-Schlagzeile anstachelte. Die Botschaft klingt ja so schön konkret, jedoch auch surreal, stellt sie einen doch vor gewaltige Zeitläufte: An einer Baustelle der B 1 (Ruhrschnellweg) ist in Dortmund die versteinerte Sichelkralle eines Sauriers gefunden worden. Geschätztes Alter: rund 91 Millionen Jahre. Damals war das spätere Ruhrgebiet eine Küstenlandschaft, das Gelände der heutigen Stadt Dortmund lag am Gestade eines Binnenmeeres. Eigentlich schade, dass sich das so grundsätzlich geändert hat.

Wir reden nicht von irgend einem gewöhnlichen Dino. Um ganz sicher zu gehen, haben sie sich beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) seit dem Fund ordentlich Zeit gelassen. Fachleute des LWL-Museums für Naturkunde in Münster haben sich zwei Jahre lang über das gute Stück gebeugt, es präpariert und gründlich analysiert. Das Resultat verkündete jetzt der LWL-Dino-Experte Dr. Klaus-Peter Lanser: „Es ist der bisher einzige Fund eines Raubdinosauriers in Deutschland aus dieser Zeit…“ Für Wissensdurstige etwas genauer: Raubdinosaurier oder Theropode aus dem mittleren Turon (frühe Oberkreidezeit).

Demnächst kann ein geneigtes Publikum die Überbleibsel des Vorzeitwesens anschauen; zunächst, am 26. und 27. November, bei den Westdeutschen Mineralientagen in den Dortmunder Westfalenhallen, ab 2014 in der Dino-Schau des Münsteraner Museums für Naturkunde. Dortmunder Lokalpatrioten werden hier aufmerken und vielleicht gar kolonialistisches Verhalten der Münsteraner wähnen, denn auch der Fundort Dortmund hat ein Naturkundemuseum mit Dino-Ambitionen. Doch die Gesteinsblöcke mit dem Knochenmaterial befinden sich nun mal in den Händen des Landschaftverbandes Westfalen-Lippe, dessen Zentrale just in Münster residiert.

So sieht das Fundstück aus. (Bild: LWL)

So sieht das Fundstück aus. (Bild: LWL)

Nur mal am Rande geflüstert: Vor mir liegt die entsprechende Dino-Pressemitteilung des Landschaftverbands. Wenn ich den Text mit dem heutigen Artikel einer Regionalzeitung vergleiche, so kann ich etwa 80 bis 90 Prozent wortgleiche Übereinstimmung feststellen. Trotzdem steht das Kürzel des Blattes unter dem Beitrag. Wie soll man das nun nennen? Missglückten Qualitätsjournalismus? Oder gleich Guttenbergiade?