Navigation ins Nirgendwo

Mit diesen obskuren Objekten, die Navigationsgeräte („Navis“) heißen, stehe ich seit jeher auf Kriegsfuß. Im Prinzip ist das ja eine famose Erfindung, die man sich früher gewünscht hätte. Allerdings habe ich damit im Lauf etlicher Jahre fast nur schlechte Erfahrungen gemacht.

Schon mehrere „Montagsgeräte“ haben mir den Nerv geraubt. Die Marke Becker (allenfalls zögerliche Zielfindung) kann ich demnach ebenso wenig empfehlen wie Navigon (seinerzeit unglaublich umständlicher Download von Aktualisierungen, erbärmlicher Support). Reiner Zufall? Bloßes Pech? Inzwischen längst verbessert? Mag sein.

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Doch der Fluch verfolgt mich weiter. Neuerdings ist es ein Apparat von TomTom, der wegen Bildschirmsalat und anschließendem Totalausfall bereits kurz nach dem Erwerb zweimal zur Reparatur eingeschickt werden musste, sodann im Rahmen der Garantie ausgetauscht wurde. Das neue Exemplar bringt nun keinerlei GPS-Empfang zustande, kann also nicht einmal feststellen, wo es sich befindet. Bei der Service-Hotline (wenn man sie denn nach langer Warteschleife erreicht) kenne ich mittlerweile fast alle Stimmen.

Liegt es an der Aura?

Inzwischen suche ich auch nach übersinnlichen Erklärungen fürs Dauerdesaster. Entweder besitze ich eine Aura, welche die Navis von ihrem eigentlichen Tun ablenkt, oder diese Technik ist – unabhängig vom jeweiligen Hersteller – immer noch nicht richtig ausgereift; was Multimilliarden-Geschäfte keineswegs ausschließt.

Eine ins absurde ragende Episode muss noch erzählt werden. Für einen Kurzurlaub ging’s neulich auf die Nordseeinsel Borkum. Vorsichtshalber haben wir nicht nur mein gerade frisch umgetauschtes TomTom-Gerät mitgenommen, sondern auch das Medion-Maschinchen meiner Frau. Doppelt abgesichert, ha! Da konnte ja wohl überhaupt nichts mehr schiefgehen.

Die Affäre mit der Fähre

Doch das erstgenannte Teil konnte just keine Satelliten-Signale empfangen und sich somit gar nicht erst positionieren. Ein Debakel. Also flugs das zweite Gerät angeworfen, das seltsamerweise eine kolossale Fahrtdauer von fast 7 Stunden bis zum Fähranleger in Eemshaven (Holland) vorhersagte. Normal wäre etwa die Hälfte.

Waren da etwa schon Seewege mit einberechnet worden? Egal. Es hätte uns jedenfalls sehr, sehr stutzig machen sollen. Leider haben wir uns trotzdem ohne Kartencheck auf die Wegführung verlassen – und sind geradewegs zum Anleger nach Emden geleitet worden, für den wir freilich keine Fähren-Reservierung hatten. Für eine Umkehr war es schon zu spät.

Kurzum: Wir haben unsere gebuchte Fähre verpasst und konnten in Emden nur noch als Fußgänger mitschippern, was auch schon ein Glücksfall war. Das Auto musste anderntags nachkommen. Während der Umbuchung hieß es bei der Reederei, dass derlei navigatorische Fehlleitungen zum falschen Fährhafen täglich vorkämen. Es war also alles andere als ein Einzelfall.

Suche nach dem Heiligen Gral

Soll ich nun weiter nach der klaglos funktionierenden Navigation suchen wie nach dem Heiligen Gral? Soll ich mich dabei in den Ruin und in den Wahnsinn treiben lassen?

Es empfiehlt sich wohl die reumütige Rückkehr zur guten alten Landkarte nebst Stadtplänen und der Befragung von Passanten via Seitenfenster. Doch wehe, wenn dann einer dämlich zurückfragt: „Haste denn keine Navi?“




Mit Leichtigkeit über das Leben hinwegtanzen – Bilder von August Macke in der Kunsthalle Emden

Von Bernd Berke

Emden. Die Frau näht. Auf dem Porträt ist sie ganz in sich versunken. Sie blickt nicht auf. Doch man sieht sogleich: Zu ihr muß der Künstler ein ganz inniges Verhältnis gehabt haben. In der bloßen Linienführung liegt unendlich viel Zärtlichkeit. Tatsächlich: Die Frau, die wir da sehen, ist August Mackes Elisabeth, eine „Sandkastenliebe“, die er später geheiratet hat.

So ist es meistens. Mackes Bilder bringen tiefen Frieden, bringen Schönheit ohne Beschwernis. Daher wohl auch die fulminanten Ausstellungs-Erfolge – zuletzt vor ein paar Jahren in Münster, als sich Hunderttausende durchs Landesmuseum schlängelten. Sollte in Emden, wo man nun mit Macke erneut einen „Gesang von der Schönheit der Dinge“ (Ausstellungstitel) anstimmt, auch nur halb so viel Andrang herrschen, so wäre die Infrastruktur der ostfriesischen Kleinstadt überfordert.

176 Zeichnungen und Aquarelle sind zu sehen. Bei Macke sind Papierarbeiten eine Hauptsache. In seinem tragisch kurzen Leben (1887 bis 1914, als er im Ersten Weltkrieg fiel) hat der gebürtige Mescheder, der meist in Bonn wohnte, über 10 000 Blätter geschaffen. Wo er ging und stand, skizzierte er seine Eindrucke – mit Bleistift, Kohle, Kreide, Tusche, Aquarellfarben. Wo andere ein bis zwei Worte notiert hätten, brachte er ein Bild hervor.

Das schwankende Glück beim Seiltanz

Einige Arbeiten werden in Emden sogar erstmals gezeigt. Noch nie ausgestellt war z. B. jenes in frohen Farben rotierende „Karussell“ (1912) mit Kindern. Ganz wunderbar leicht hingetupft, verrät das kleine Bildchen noch Mackes Hang zum Impressionismus. Über das Leben „leicht hinwegzutanzen“, wie er einmal schrieb – das war Mackes Vorstellung vom Glück. Die thematisch statt chronologisch gegliederte Schau widmet den Tanzbildern eine eigene Abteilung. Doch diese Feier der Lebensfreude hat ihre Schattenseite. Denn ein anderes Lieblingsthema ist der Seiltanz – und damit das schwankende, stets bedrohten Glück.

Daß er das Leben lieber mit hellem Blick ansah, zeigen Mackes Bilder über Spaziergänger. Auch hier nimmt der Künstler das Leben ganz leicht, wie im Vorübergehen. Ein Dix oder Grosz hätten hier sicherlich ätzende Kritik am städtischen Sündenbabel geübt. Wenn aber Macke vorzugsweise elegante Damen an Schaufenstern entlang flanieren läßt, werden lichte Sehnsuchts-Bilder daraus. Von Konsumterror keine Spur.

Doch seicht oder weltfremd war Macke nicht. Stellt er etwa zwei Frauen und einen Mann ins Bild, so herrscht da auch schon mal eine Spannung, in die man sich eine dramatische Dreiecksgeschichte hineindenken kann.

Durch Stickvorlagen zur Abstraktion

Die Kunst-Avantgarde seiner Zeit hat er sehr genau wahrgenommen. Davon zeugt seine bildliche „Persiflage den Blauen Reiter“. Er hat sich gelegentlich auch abstrakten Tendenzen zugewandt. Bemerkenswert, daß Macke mit eher biederen Vorlagen zu Stickarbeiten, die eine vereinfachte, flächige Formensprache erforderten, auf den Pfad der Abstraktion geriet.

Doch er kehrt immer wieder zum Figürlichen zurück, ja er entwickelt im Laufe der Zeit ein Standard-Repertoire. Beinahe wie Spielsteine werden immer wieder ähnliche Personen-Umrisse in verschiedene Bilder gesetzt. Fast könnte man dies als Beschränkung (miß)verstehen.

Spätestens während der berühmten Tunis-Reise (zusammen mit Klee und Moilliet) befreit sich Macke vollends von formalen Grenzen: „Die Farbe hat mich!“ rief er damals begeistert aus und empfand sich erst jetzt ganz und gar als Künstler. Und wahrhaftig: Die Leuchtkraft der Farben ist nun überirdisch.

Ein Besuch in Emden lohnt (abgesehen von Macke-Ausstellung und Seeluft) allein wegen der Kunsthalle. Da hat Henry Nannen, bekanntlich zu besten Zeiten des „Stern“-Magazins dessen Chefredakteur, seiner Heimatstadt mehr als ein Kleinod gestiftet.

August Macke: „Gesang von der Schönheit der Dinge“. Kunsthalle Emden / Ostfriesland. 8. November bis 7. Februar 1993. Di 10-20, Mi/Do/Fr 10-17 Uhr, Sa/So 11-17 Uhr. Katalof 42 DM. Anschließend geht die Ausstellung nach Ulm und Bonn (dort Mai bis Juli ’93).