Warnung vor dem Ungeist – Gerhard Schneiders Olper Sammlung mit Bildern verfemter Künstler der NS-Zeit

Von Bernd Berke

Olpe. Gerhard Schneider hat eine höchst ehrenwerte Passion: Seit rund 15 Jahren sammelt er Bilder, deren Urheber zur NS-Zeit als „entartet“ verfemt und seither vielfach vergessen wurden.

„Ich will diese Künstler nicht zu großen Heroen stilisieren, aber man muß ihnen ein würdiges Andenken bewahren“, sagt der ehemalige Lehrer, der heute in Olpe-Rhode lebt. Jetzt zeigt er abermals eine Auswahl seiner Kollektion beim Olper Kunstverein Südsauerland. Seit 1992, als man dort den ersten Querschnitt aus Schneiders Depot präsentierte, ist die Sammlung schon wieder um ein Mehrfaches angewachsen.

Leitlinie ist die „expressive Gegenständlichkeit“, doch die rund 80 Werke könnten verschiedener kaum sein. Das weite Themenspektrum reicht von lieblichen Landschaften und arglosen Porträts bis hin zu Mahnungen vor wachsendem Ungeist und zur erschütternden Darstellung von KZ-Greueln.

Gar manches, aber nicht alles lohnt unter rein künstlerischen Gesichtspunkten eine Wiederentdeckung. Wichtiger sind zuweilen die Schicksale der Bilder und der Künstler: Auf der Rückseite einer Arbeit prangt noch ein Erlaß Hitlers, der die Beschlagnahme anordnete…

Die meisten blieben „namenlos“

Die meisten Künstler sind „namenlos“, doch ein paar prominentere sind vertreten: George Grosz schuf 1933 das bittere Bild „Der Held“. Es zeigt einen Kriegsinvaliden mit Krücke. Otto Pankoks Porträt einer Zigeunerin („Hoto II“) wurde 1937 von den Nazis in der Schandausstellung „Entartete Kunst“ dem Hohn .preisgegeben.

Hans Grundig zeichnete 1938 eine Rotte jaulender Hunde, die gleichsam die ganze Weltklage gen Himmel senden. Der Dortmunder Hans Tombrock ließ einen Dämon über einer düsteren Menschenmasse erscheinen.

Gerhard Schneider befaßte sich anfangs mit alten Stichen à la Merian. Eines Tages sah er Valentin Nagels „Frau mit Schleife im Haar“. Sie faszinierte ihn so, daß er seine Sammeltätigkeit völlig anders ausrichtete – auf die Verfemten; ganz gleich, ob sie im Exil oder in der „inneren Emigration“ tätig waren.

Längst gilt Schneider bundesweit als Fachmann. So erscheint in Kürze im Wienand-Verlag ein fast 500 Seiten starker Bildband über seine Sammlung.

Kunstverein Südsauerland. Großer Saal im Kreishaus Olpe, Westfälische Str. / Vom 4. Juli bis 8. August, So bis Fr 15.30 bis 18.30 Uhr.




Kunst und Moral passen nicht immer zusammen – Münster präsentiert als „entartet“ verfemte Bildhauer

Von Bernd Berke

Münster. Diese Debatte flammt immer mal wieder auf: Gehen große Kunst und Moral unbedingt zusammen, oder können etwa auch ideologisch verblendete Menschen gültige Werke schaffen? Die Antwort ist keinesfalls simpel. Dies zeigt sich einmal mehr bei der Kunstschau „Deutsche Bildhauer 1900-1945 – „entartet'“ im Westfälischen Landesmuseum.

Im Gegensatz zu Berlin, wo derzeit die vielbeachtete Ausstellung über die von den Nazis als „entartet“ verfemten Maler läuft, hat man in Münster erst gar keine Rekonstruktion der bewußt chaotischen NS-Auswahl versucht. Die rund 100 Skulpturen von 41 Künstlern hätten zwar, was Urheber und Machart angeht, 1937 in München präsent sein können, waren es aber zum größten Teil nicht.

Die NS-Machthaber hatten 1937 eine Doppelschau veranstaltet – eine zeigte die erwünschte, die andere die unerwünschte Kunst. Und da beginnen schon die Widersprüche, denn es gab Künstler wie Georg Kolbe und Rudolf Belling, die in beiden Ausstellungen vertreten waren. Kolbes „Stürzender“ mißfiel den Nazis, sein „Streiter“ kam ihnen hingegen zupaß. Zudem war lange Zeit gar nicht ausgemacht, wohin der NS-Kunstgeschmack sich wenden würde. Nicht nur Goebbels favorisierte lange Zeit den später gebrandmarkten Expressionismus.

Derlei Widersprüche will man auch in Münster dokumentieren. Man hat daher nicht nur hehre Widerstandskämpfer der Kunst ausgewählt, sondern auch einige halb oder ganz „Angepaßte“ mit aufgenommen — und siehe da: Man wüßte nicht immer auf Anhieb und beim bloßen Anblick der Werke zu sagen, ob sie nun von integren Künstlern stammen.

Die erwähnte Berliner Schau wurde in Los Angeles vorbereitet. Auch die Münsteraner Veranstaltung ist keine deutsche Produktion, sondern späte Frucht einer Seminarreihe im holländischen Nijmegen. „Keimzelle“ war übrigens die Beschäftigung mit dem Dortmunder Künstler Bernhard Hoetger, bei dessen Biographie den Niederländern manches Licht aufging: Hoetgers Werke galten den Nazis als „entartet““; dennoch war er von 1934 bis zum Parteiausschluß 1938 Mitglied der NSDAP.

Keine generellen Weihen und keine fraglosen „Helden“ also; aber Kunst, die in Münster ganz bewußt auf Sockeln und hinter Glas präsentiert wird — im Gegensatz zur NS-Präsentation, bei der die Skulpturen extra lieblos und diffamierend plaziert wurden.

Die Ausstellung führt durch eine Vielfalt von Stilrichtungen — von ungebrochener Figuration über Expressionismus bis hin zur Abstraktion. Auch wenn man in Münster durch räumliche Zuordnungen und Gegensätze die Ausstellung zu strukturieren sucht, wirkt das ganze doch etwas zusammenhanglos, so als habe man Belege für Seminarthesen gesucht und nicht immer gefunden. Die meisten Einzelwerke aber (darunter Arbeiten von Lehmbruck, Schlemmer, Mataré, Kirchner, Marcks, Barlach, Arp und Kollwitz) sind durchaus sehenswert.

Westfälisches Landesmuseum, Münster (Domplatz). 12. April bis 31. Mai. Katalog 38 DM.